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WALTER ESCHENBACH
Fritz Mauthner und die
Sprachkrise der Jahrhundertwende


Das Problem der Abstraktion
Das Problem der Geschichtlichkeit
Sprache und Denken
Die Kommunikationskrise
Überwindung der Sprachkrise
Wirkungsgeschichte Mauthners
Bei dem Versuch, eine unverstellte, noch nicht fixierte und kategorisierte Wirklichkeit zu erkennen und darzustellen, stellte sich die Sprache dem Schriftsteller als das größte Hindernis entgegen.

Die sogenannte "Weltansicht der Sprache" ist eine der grundlegenden Thesen der Sprachphilosophie; sie besagt, daß die Menschen "nur im Medium der Sprache Zugang zur Wirklichkeit haben, daß selbst der einfachste Akt der Wahrnehmung im Medium der Sprache geschieht, daß wir also, seit wir eine Sprache haben - und wir haben eine Sprache, seit wir überhaupt Menschen sind - grundsätzlich niemals die Wirklichkeit in ihrer Nacktheit erblicken können"(1).

Die klassische Formulierung dieser Theorie stammt von WILHELM von HUMBOLDT(2); die Nachwirkungen und Einflüsse finden wir beispielsweise noch bei , WEISGERBER oder in der bekannten SAPIR-WHORF-These (3). Während HUMBOLDT in der idealistischen Ausprägung seiner Sprachphilosophie noch von einem kongruenten Verhältnis zwischen der Struktur der Sprache und der der Wirklichkeit ausgegangen war, mußte im Zeitalter des Positivismus und Materialismus dieser grundlegende Ausgangspunkt "in die Krise" geraten.

Die Voraussetzung der "Unveränderlichkeit (...) der geltenden Seins- und Bewußtseinskategorien" und einer "ewigen Weltharmonie" hatte ihren Geltungsanspruch verloren(4). Nicht zuletzt innerhalb der Literatur spiegeln sich diese entscheidenden Wandlungen wider.

"Was fängt nun aber der moderne Zeitgenosse mit der in der Sprache vorfixierten Weltinterpretation an, nachdem seine Weltwirklichkeit nicht mehr in Kontinuität zu jener klassischen  harmonia universalis  auslegbar ist? Ihm begegnet die überkommene Sprache als Trägerin eines Erkenntnissystems, das zur Deutung  seiner  Welt untauglich geworden ist.

Jenes von HUMBOLDT erwiesene Eigenleben der Sprache, in dem diese den nachfolgenden Geschlechtern eine Art perennierender Weltschau aufzudrängen sucht, und zwar mit der ganzen Macht ihres Wesens als einer "energeia" - jenes Eigenleben der Sprache wird dem Zeitgenossen zu einer unüberwindbaren Schranke, die ihn, wie er meint, von der erfahrenen Wirklichkeit trennen will"(5).
An die Stelle des Modells einer vermittelnden, welterschließenden Funktion der Sprache ist nun das Bild vom unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Sprache und Realität, Wort und Ding, Begriff und Gegenstand getreten. Die Klage über die Sprache als "Hindernis zur Wirklichkeit" ist zu einem leitmotivischen Thema der modernen Dichtung geworden.

Der epochale Zusammenhang der deutschen Literatur um 1900 ist ein spät erkanntes Forschungsobjekt, zu dem WOLFDIETRICH RASCH den wenn nicht ersten, so doch entscheidenden Anstoß gegeben hat (6). Chronologische Einteilungen in ein Nacheinander von Naturalismus, Impressionismus, Symbolismus, Neuromantik, Jugendstil oder Expressionismus haben sich längst als unangemessene Schematisierung erwiesen. Das spezifische der Literatur der Jahrhundertwende ist - mehr als in jeder anderen literarischen Epoche vielleicht - die Gleichzeitigkeitd des Ungleichzeitigen, das Nebeneinander verschiedenster Stilrichtungen und literarischer Tendenzen, die sich schwerlich in die pauschalen Begriffe der obengenannten "Epochen" einzwängen lassen.

Den oft überforderten ontologischen Epochenbegriffen ist ohnehin mit einer gewissen Skepsis zu begegnen, da sie stets Simplifikationen sind und einer pragmatischen Nachprüfung von Fall zu Fall bedürfen. Dennoch sind Untersuchungen zu literarischen Epochen besser noch: "Situationen" nicht unwesentlich. Trotz aller Heterogenität und Gegensätzlichkeit innerhalb eines gleichen Zeitabschnittes gibt es auch durchgehende, übereinstimmende Merkmale der einzelnen Perioden. Epochenstilbegriffe dürfen nur nicht normativ am Anfang solcher Untersuchungen stehen, sondern müssen erst - neben Personal- oder Gattungsstil beispielsweise - aus der Analyse der Texte heraus erschlossen werden.

Dieses Vorverständnis setzen wir voraus, wenn wir den Komplex der Sprachskepsis als ein übergreifendes, strukturbildendes Element der Literatur um die Jahrhundertwende verstehen, das als ein epochenspezifisches Merkmal sogar zu einem grundlegenden Wertungskriterium werden kann(7). Der historische Ort der Sprachproblematik um 1900 erlaubt eine doppelte geschichtliche Einordnung. Zum einen gehört diese Zeit der Jahrhundertwende in den größeren Zusammenhang der neuzeitlichen Philosophie, Literatur und Sprache überhaupt, wie sie sich seit dem 17. Jahrhundert vor allem ausgebildet haben. Zum anderen ist sie der Beginn einer spezifischen Entwicklung zur modernen Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts hin.

Wir erwähnen den ersten, untergeordneten Aspekt, weil er im Denken MAUTHNERs und seiner Zeitgenossen eine ganz zentrale Rolle spielte. MAUTHNER gab wiederholt zu verstehen, daß er seine Sprachkritik als die Endstufe einer Entwicklung ansah, die von den englischen Empiristen über KANT und GOETHE bis hin zu SCHOPENHAUER und NIETZSCHE geführt hatten. Bei der kurzen Darstellung dieses historischen Aspekts folgen wir einem interessanten Aufsatz GEORG STEINERs, der für das christliche und auch bereits für das klassische Weltgefühl feststellt, sie seien beide von dem Glauben getragen gewesen, "daß alles Wahre und Erfaßbare - bis auf eine kleine, wunderliche Spanne am äußersten Ende - in den Mauern der Sprache unter Dach und Fach gebracht werden kann"(8).

Dieser Glaube war mit dem Beginn der Neuzeit nicht mehr universal. "Es geschah im Verlauf des siebzehnten Jahrhunderts, daß bedeutsame Bereiche der Wahrheit, der Wirklichkeit und des Handelns aus der Sphäre verbaler Feststellung entschwanden"(9).

Der "Rückzug aus der alleinige Machtvollkommenheit und Reichweite der Sprache" ist für STEINER am deutlichsten wahrnehmbar "im Werdegang und Wesen der modernen Kunst"(10). Hatten die Menschen des 16. und 17. Jahrunderts noch zur Sprache aufgeblickt, so sei diese heutzutage durch zu langen Gebrauch abgenutzt. Die "Beanspruchungen durch Massenkultur und Massenmitteilungen haben aus ihr ein williges Werkzeug zur Herstellung beständig wachsender Geschmacklosigkeit gemacht"(11).

Steiner faßt zusammen: "Bis ins siebzehnte Jahrhundert hinein, umfaßte der Wirkungskreis der Sprache nahezu die Gesamtheit aller erlebten Wirklichkeiten; heute umschließt er ein begrenztes Gebiet. Er verdeutlicht nicht mehr die Hauptbedingungen des Handelns, Denkens und der Vernunft, noch ist er relevant für sie" (12).

Entscheidend für unsere Arbeit ist natürlich nicht dies "universalhistorische Einordnung in den weiten Umkreis der neuzeitlichen Entwicklung, sondern die ganz spezifische Veränderung und Ausprägung dieser gesamten neuzeitlichen Entwicklung in der Situation der Jahrhundertwende. Nur durch die Aufsplitterung in kleinere Zeiteinheiten vermögen literarhistorische Analysen den geforderten Aussagewert zu erreichen, wenngleich der umfassende Gesamtaspekt nicht vollkommen ausgeklammert werden darf.

STEINER kennzeichnet in seinem Aufsatz auch diesen besonderen Wendepunkt:

"Die Krise der dichterischen Mittel, wie wir sie jetzt erleben, begann sschon im späten neunzehnten Jahrhundert. Sie entstand aus dem Gewahrwerden der Lücke zwischen dem neuentdeckten Sinn für psychologische Realitäten und den alten Bräuchen rhetorischer und poetischer Darlegung. Um den Bewußtseinsreichtum, der sich der modernen Wahrnehmungskraft auftrat, zu artikulieren, suchte eine Anzahl Dichter, aus den überlieferten Grenzen von Syntax und Definition auszubrechen"(13).
Die Hintergründe dieser "Krise" sind sicherlich vielfältiger und nicht nur psychologischer Natur. Wir werden beim Studium der MAUTHNERschen Schriften verschiedenste Faktoren und Elemente dieser "Bewußtseins-" und Wirklichkeitskrise" erkennen. Ausgangspunkt für die literarhistorische Eingliederung bleibt die geschichtliche Epoche der Jahrhundertwende, in politischen Kategorien: die Zeit von der Reichsgründung bis zum ersten Weltkrieg. Aus der Sicht des MAUTHNERschen Werkes erfährt diese Zeitspanne eine deutliche Zweiteilung.

Der erste Abschnitt umfaßt im großen und ganzen die Zeit seiner Romanproduktion und seiner journalistischen Tätigkeit und stimmt ziemlich genau mit dem zeitlichen Verlauf des literarischen Realismus und Realismus überein. Mit seinen theoretischen Werken erfassen wir den engeren Zeitraum der Jahrhundertwende, die Zeit kurz nach 1900, wenngleich wir nicht vergessen dürfen, daß die Entstehungszeit seiner Sprachkrise weit ins neunzehnte Jahrhundert zurückreicht. Die Veröffentlichung fällt jedoch ins zwanzigste Jahrhundert, in die Zeit HOFMANNSTHALs, RILKEs, KAFKAs, MUSILs oder der beiden Brüder MANN. Diese Namen bilden also den gesamtliterarischen, zeittypologischen Kontext, in den wir MAUTHNERs Werk und Wirkung hineinstellen.

Die Sprachkrise dieser Autoren, die der deutliche Ausdruck einer stark in Bewegung geratenen Neubesinnung auf das Wesen und die Möglichkeiten der literarischen und sprachlichen Mittel war, ist der Bezugspunkt für die literaturwissenschaftliche Einschätzung der MAUTHNERschen Position.

Die politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und wissenschaftliche Entwicklung hatte zu Ende des neunzehnten Jahrhundert und zu Beginn des zwanzigsten eine veränderte Bewußtseinssituation geschaffen, die gerade bei den Schriftstellern dieser Zeit zu einer Bewußtwerdung der Sprachproblematik führen mußte. Die "poetologischen" Elemente dieser das eingene Schaffen reflektierenden Sprachskepsis sind ebenso deutlich wie deren inhaltlich-thematische Motive. Dahinter stehen außerliterarische Vorgänge und Veränderungen, deren Wechselbeziehungen - in sprachbedingter und - bedingender Hinsicht - zu den rein literarischen Symptomen aufzudecken sind.

Daß diese spezifische literarische Entwicklung seit der Jahrhundertwende bereits im Umkreis des Naturalismus unmittelbar vorbereitet worden war, haben Untersuchungen zum Werk ARNO HOLZ nachgewiesen. INGRID STROHSCHNEIDER-KOHRS erblickt einen ersten Höhepunkt dieser sprachlich bedingten Wirklichkeitskrise in dem Jahr, in dem die gemeinsame Werkstättenarbeit mit JOHANNES SCHLAF begann:

"Erst nach 1886 setzen die mit radikalen Zweifel anhebenden Bemühungen um die Sprache selbst ein; die Frage nach Genauigkeit und Unmittelbarkeit der sprachlichen Darstellung rückt beherrschend in den Vordergrund aller Arbeiten"(14).
STROHSCHNEIDER-KOHRS weist mit Nachdruck darauf hin, daß die dichterischen Experimente nichts gemein hatten mit dem
"naiven Optimismus, daß das  Wirkliche , das sinnlich Empirische vollständig in der Sprache wiederkehre oder von ihr lückenlos und unverwandelt reproduzierbar sei. Im Gegenteil: die Arbeit an den Erzählskizzen hat gerade die Sprache als  Mittel  und  Grenze  der Darstellungsmöglichkeit erkennbar gemacht, - hat eben die Erfahrung heraufgeführt, daß das gesetzte Wort, daß jedes noch so minutiös durchgebildete Mittel des Darstellens die grundsätzliche Kluft zwischen Wirklichkeit und Kunst unter Beweis stellt"(15).
Ein Kernsatz bei ARNO HOLZ lautet:
"Eine völlig exakte Reproduzierbarkeit der Natur durch die Kunst ist ein Ding der absolutesten Unmöglichkeit, - und zwar (...) aus dem einfachen (...) Grunde, weil das betreffende Reproduktionsmaterial, das uns Menschen nun einmal zu Verfügung steht, stets unzulänglich war, stets unzugänglich ist und stets unzulänglich bleiben wird"(16).
Das Bewußtsein "von der Grenze und Spannung zwischen Wirklichkeit und Sprache"(17) brach in der Kunsttheorie und -praxis von ARNO HOLZ ganz deutlich hervor.

In der nachfolgenden Generation verschärfte sich der Konflikt eher noch. Bei dem Versuch, eine unverstellte, noch nicht fixierte und kategorisierte Wirklichkeit zu erkennen und darzustellen, stellte sich die Sprache dem Schriftsteller als das größte Hindernis entgegen. HOFMANNSTHAL beklagte z.B., daß die Realität durch die Sprache verstellt sei:

"Die Worte haben sich vor die Dinge gestellt. Das Hörensagen hat die Welt verschluckt"(18).
Während Holz, von der Anschauung der Wirklichkeit ausgehend, an die Grenzen der sprachlichen Darstellungsmöglichkeiten stieß, zeigte sich nun, daß bereits der Zugang zu dieser Wirklichkeit durch die Sprache verhindert war. Der LORD-CHANDOS-Brief ist das wohl wichtigste Dokument dieser Wirklichkeits- und Sprachkrise HOFMANNSTHALs, die er an anderer Stelle mit dem knappen, aber prägnanten Satz charakterisiert hat:
"Wirklichkeit ist das  fable convenus  der Philister"(19).
RILKEs "Malte Laurids Brigge" ist ebenso ein Dokument dieser veränderten Beziehung zwischen Sprache und Wirklichkeit wie MUSILs "Törless". Man denke nur an die bedrückende Frage Maltes:
"Ist es möglich, denkt er, daß man noch nichts Wirkliches und Wichtiges gesehen, erkannt und gesagt hat"(20)?
Zum "Törless" lesen wir in einer neuern MUSIL-Studie:
"Es ist natürlich das anhand von HOFMANNSTHALs CHANDOS-Brief oder RILKEs Malte hinreichend diskutierte Thema der Dissoziation der Wirklichkeit, das hier in einer für MUSIL charakteristischen Abart formuliert wird"(21)
Im gleichen Zusammenhang könnte man natürlich genauso auf ARTHUR SCHNITZLER, HEINRICH und THOMAS MANN, den jungen STEFAN GEORGE und vor allem FRANZ KAFKA hinweise. Ingesamt gesehen läßt sich sicherlich behaupten, daß diese Wirklichkeitskrise, die von einer dazugehörigen Sprachkrise nicht zu trennen ist, als ein epochales Merkmal der Literatur um die Jahrhundertwende verstanden werden muß.

Vom Verlust der Wirklichkeit und von der Entfremdung der Dinge zu sprechen, hat nur dann einen Sinn, wenn man dabei das Verhältnis des Menschen zur Realität und zu den Dingen als ein sprachlich bedingtes und vermitteltes voraussetzt. Vornehmlich diese sprachliche Beziehung zeigt sich in der Literatur seit der Jahrhundertwende zunehmend gestört und verwirrt.

"Die moderne Literatur lebt aus der Inkongruenz von Wirklichkeit und Sprache, die seit je wechselseitig sich umzuformen trachteten. Als unzulänglich erscheint die an der Realität gemessene Sprache nicht weniger als die an der Sprache gemessene Realität"(22).
Die spezifische Problematik des Schriftstellers in dieser Situation hat WOLFGANG SCHEUNE formuliert: "Der Dichter erfährt also nachdrücklicher als jeder andere: daß sich im Akt der Bevormundung durch die geschichtlich fixierte Sprachstruktur nicht nur die Sprache ihrer Bestimmung entfremdet hat, sondern daß ineins mit der Sprache auch das Seiende in den Zustand der Selbstentfremdung geraten ist. Daß die Sprache sich selbst fremd geworden ist, bedeutet: daß dort, wo sie vernommen wird, nicht die mit ihr gemeinte Wahrheit vernommen werden kann, sondern ein anderes"(23). Der Ausgangspunkt der MAUTHNERschen Sprachphilosophie ist der HUMBOLDTs ganz ähnlich. Die Anerkennung der sprachlichen Apriorität des menschlichen Weltverständnisses finden wir beispielsweise in einem Kernsatz des "Philosophischen Wörterbuchs": "Nach seiner Sprache versteht er ( der Mensch ) die Welt"(24). Die sich daraus ergebenden Schlußfolgerungen MAUTHNERs stehen jedoch im deutlichen Gegensatz zu HUMBOLDTs Modell einer welterschließenden Vermittlungsfunktion der Sprache.

MAUTHNER stellt nämlich fest, "daß die Wirklichkeit etwas sei und die Sprache etwas anderes"(25). Dieser unüberbrückbare Gegensatz zwischen Sprache und Realität bezieht sowohl die einzelnen Wörter und Begriffe als auch die gesamtsprachliche Struktur mit ein:

"Haben wir schon früher (...) in der Grammatik der Einzelsprachen die menschliche Notdurft erkannt, die sich nach kleinen menschlichen Interessen ein mangelhaftes Register für einen mangelhaften Weltkatalog ordnete, so wissen wir jetzt nach einer genauen Betrachtung der grammatischen Kategorien, daß weder die Redeteile noch die Form der Redeteile, nocht die Zusammensetzung zu Sätzen zu der Wirklichkeitswelt passen. Ist schon die Sprache überhaupt mit ihren Worten oder Begriffen kein Schlüssel für die Welt, so ist die Grammatik der Sprache noch weniger mit einem Schlüssel zu vergleichen"(26).
Aus der totalen Wirklichkeitsverfälschung durch unsere begrifflichen und grammatikalischen Sprachmittel folgert MAUTHNER die absolute Unmöglichkeit sprachlicher Erkenntnis. Die Sprache sei ein "elendes Erkenntniswerkzeug"(27), "wertlos für unsere Erkenntnis der Wirklichkeitswelt"(28).
LITERATUR - Walter Eschenbach, Fritz Mauthner und die deutsche Literatur um 1900, eine Untersuchung zur Sprachkrise der Jahrhundertwende, Frankfurt/Bern 1977
    Anmerkungen
    1) OTTO FRIEDRICH BOLLNOW, Sprache und Erziehung, Stuttgart 1966, Seite 146
    2) "Der Mensch lebt mit den Gegenständen (...) ausschließlich so, wie die Sprache sie ihm zuführt". (WILHELM von HUMBOLDT, Gesammelte Werke, hg. v.d. Königl. Preußischen Akademie der Wissenschaften. 1. Abt. Werke 7.Band, Seite 60
    3) Diese umfassende Richtung der Sprachtheorie und -philosophie kann hier nicht mit einigen wenigen Sätzen oder Zitaten charakterisiert werden. Anstelle ausführlicher Literaturangaben verweisen wir auf das zusammenfassende Kapitel: Die Weltansicht der Sprache in Otto Friedrich Bollnow, Sprache und Erziehung, Stuttgart 1966
    4) WOLFGANG SCHEUNE, Die Sprache zwischen Versagen und Aussagen. In "Wirkendes Wort", 19.Jg. (1969), Seite 117
    5) WOLFGANG SCHEUNE, Die Sprache zwischen Versagen und Aussagen. In: Wirkendes Wort, 19.Jg. (1969), Seite 117f
    6) WOLFDIETRICH RASCH, Aspekte der deutschen Literatur um 1900. In "Zur deutschen Literatur seit der Jahrhundertwende", Gesammelte Aufsätze, Stuttgart 1967, Seite 11f
    7) WALTER MÜLLER-SEIDEL, Thesen zum Thema "Literatur und Ideologie um 1900". Arbeitspapier zur Oberseminarsitzung vom 16.12.1970, Universität München. Darin heißt es:
    1. Sprachskepsis als ein Strukturelement der Epoche ist in den Romanen mit erkennbar literarischen Ideologien kaum je zu finden. Demgemäß ist auch Sprachwandel, als Ausdruck erhöhten Sprachbewußtseins, wenig ausgeprägt.
    2. Der fehlenden Sprachskepsis entspricht die reduzierte oder eliminierte Erkenntnisfunktion. ...
    3. Demgegenüber beruht die den literarischen Ideologien sich widersetzende Literatur vom späten FONTANE bis zum frühen MUSIL und darüber hinaus in der Wahrnehmung von bestimmten Erkenntnisfunktionen. ...
    4. Erkenntnis, Analyse, Kritik oder Sprachskepsis als Darstellungsmittel dieser Literatur sind fast stets als Umsetzungen aus der Wissenschaftssituation der Zeit erkennbar bei HOFMANNSTHAL, SCHNITZLER, THOMAS MANN, HEINRICH MANN und ganz besonders bei MUSIL.
    8) GEORGE STEINER, Der Rückzug aus dem Wort, in: Sprache und Schweigen, Frankfurt 1969, Seite 46
    9) GEORGE STEINER, Der Rückzug aus dem Wort, in: Sprache und Schweigen, Frankfurt 1969, Seite 46
    10) GEORGE STEINER, Der Rückzug aus dem Wort, in: Sprache und Schweigen, Frankfurt 1969, Seite 57
    11) GEORGE STEINER, Der Rückzug aus dem Wort, in "Sprache und Schweigen", Frankfurt 1969, Seite 62f
    12) GEORGE STEINER, Der Rückzug aus dem Wort, in: Sprache und Schweigen, Frankfurt 1969, Seite 60
    13) GEORGE STEINER, Der Rückzug aus dem Wort, in Sprache und Schweigen, Frankfurt 1969, Seite 70
    14) INGRID STROHSCHNEIDER-KOHRS, Sprache und Wirklichkeit bei ARNO HOLZ, in Poetica, 1. Band (1967) Seite 48
    15) INGRID STROHSCHNEIDER-KOHRS, Sprache und Wirklichkeit bei ARNO HOLZ, in Poetica, 1. Band (1967) Seite 51f
    16) ARNO HOLZ, Das Werk, Band 10, Die neue Wortkunst, Berlin 1925, Seite 131
    17) INGRID STROHSCHNEIDER-KOHRS, Sprache und Wirklichkeit bei ARNO HOLZ, in Poetica, 1. Band (1967) Seite 65
    18) HUGO von HOFMANNSTHAL, Prosa I, Frankfurt/Main 1956, Seite 265
    19) HUGO von HOFMANNSTHAL, Aufzeichnungen, Frankfurt 1959, Seite 23
    20) R. M. RILKE, Sämtliche Werke, 6.Band, Frankfurt 1966, Seite 726
    21) GERD MÜLLER, Dichtung und Wissenschaft, Studien zu ROBERT MUSILs Romanen  Die Verwirrungen des Zöglings Törless  und  Der Mann ohne Eigenschaften , Uppsala 1971, Seite 76
    22) KARL MARKUS MICHEL, Die Utopie der Sprache. Zu ROBERT MUSILs Roman "Der Mann ohne Eigenschaften", in Akzente 1 (1954), Seite 23
    23) WOLFGANG SCHEUNE, Die Sprache zwischen Versagen und Aussagen. In: Wirkendes Wort, 19.Jg. (1969), Seite 119. Vgl. auch WALTER JENS, Der Mensch und die Dinge. Die Revolution der deutschen Prosa, in  Statt einer Literaturgeschichte , Pfullingen 1957/62, Seite 109-133.
    24) Philosophisches Wörterbuch II, Seite 86
    25) Beiträge I, Seite 163
    26) Beiträge III, Seite 260
    27) Beiträge I, Seite 93
    28) Beiträge I, Seite 37