ra-2Felix DahnEmil LaskJulius von KirchmannGustav von RümelinOtto Gierke  
 
RUDOLF von JHERING
Der Zweck im Recht
(4/7)

VIII. Der Zwang (2)

    I. Das Zweckgesetz
II. Der Zweckbegriff beim Tier
VII. Der Lohn
VIIIa. Der Zwang 1 - Das Tier / Der Mensch
VIIIb. Der Zwang 2 - Das Recht
VIIIc. Der Zwang 3 - Unterordnung der Staatsgewalt
VIIId. Der Zwang 4 - Der Zweck des Rechts

"Der Staat ist die alleinige Quelle des Rechts."

"Die Natur kennt keine Imperative."

"Es gibt kein unabänderliches Gesetz."

"Der Neger, der von seinem Fürsten als Sklave verkauft oder zur Feier eines Festes abgeschlachtet wird, empfindet das nicht als Willkür, sondern als bloße Tatsache, er sieht die *Gewalt, die ihn vernichtet, nicht mit anderen Augen an, als wie wir den Orkan oder den Hagelschlag. Willkür empfindet nur derjenige, in dem das Gefühl des Rechts lebendig ist."


10. Das Recht - Bedingtheit desselben durch Zwang

Die gangbare Definition des Rechts lautet: Recht ist der Inbegriff der in einem Staat geltenden  Zwangsnormen,  und sie hat in meinen Augen das Richtige vollkommen getroffen. Die beiden Momente, welche sie in sich schließt, sind die der  Norm  und die der Verwirklichung derselben durch den  Zwang.  Nur diejenigen von der Gesellschaft aufgestellten Normen verdienen den Namen des Rechts, welche den Zwang, oder, da, wie wir gesehen haben, der Staat allein das Zwangsmonopol besitzt, welche den Staatszwang hinter sich haben. Womit denn implizite gesagt ist, daß nur die vom Staat mit dieser Wirkung versehenen Normen Rechtsnormen sind, oder daß  der Staat die alleinige Quelle des Rechts ist. 

Das Recht der Selbstgesetzgebung ( Autonomie)  für ihre eigenen Angelegenheiten, welches tatsächlich manche andere Vereine außer dem Staat ausgeübt haben, steht damit nicht in Widerspruch, denn es hat seinen juristischen Grund in der ausdrücklichen Verleihung oder der stillschweigenden Duldung von Seiten des Staates, es besteht nicht aus eigener Kraft, sondern durch Ableitung von Seiten des Staates. Dies gilt auch von der christlichen Kirche. Ob ihre eigene Auffassung eine andere ist, und ob der mittelalterliche Staat dieselbe anerkannte, ob ein Jahrtausend hindurch das jus canonicum als selbständige Rechtsquelle galt, kann für die heutige Wissenschaft, wenn sie sich überzeugt, daß diese Auffassung mit dem Wesen des Staates und des Rechts unvereinbar ist, eben so wenig maßgebend sein, als die Lehre der Kirche von der Bewegung der Sonne umd die Erde für die heutige Astronomie.

Insofern aber die Kirche ohne Zuhilfenahme der äußeren Macht des Staates durch den moralischen Hebel des religiösen Gefühls die Gebote, welche sie an ihre Mitglieder richtet, zu verwirklichen vermag, kann man sagen, daß diese Normen, obschon des äußeren Zwanges entbehrend und darum keine Rechtsnormen, dennoch praktisch die  Funktion  von Rechtssätzen ausüben. Aber wenn man daraufhin diese Normen Recht nennen will, so kann man dasselbe auch bei jedem anderen Verein tun, selbst bei einem vom Staat verbotenen, man müßte dann selbst von einem Recht innerhalb einer Räuberbande sprechen. Der Jurist, der nicht allen festen Boden unter den Füßen verlieren will, darf in einem solchen Fall nicht von Recht sprechen, für ihn gibt es kein anderes Kriterium des Rechts, als Anerkennung und Verwirklichung desselben durch die Staatsgewalt. Der richtige Pädagoge mag imstande sein, durch moralische Einwirkung, durch Lob und Tade die Rute zu  ersetzen,  aber darum verwandelt sich dieselbe doch nicht in eine Rute. Würde die allgemeine Anerkennung und tatsächliche Befolgung gewisser Normen des menschlichen Handelns ausreichen, um ihnen den Stempel des Rechts zu verleihen, mit welchem Gesichtspunkt man neuerdings versucht hat, dem Recht der Kirche zu Hilfe zu kommen, so würden auch Moral und Sitte auf diesen Namen Anspruch haben, denn an der allgemeinen Anerkennung und Befolgung fehlt es auch ihnen nicht, und der ganze Unterschied zwischen Recht, Moral, Sitte würde damit beseitigt werden. Der vom Staate in Vollzug gesetzte Zwang bildet das absolute Kriterium des Rechts, ein Rechtssatz ohne Rechtszwang ist ein Widerspruch in sich selbst, ein Feuer, das nicht brennt, ein Licht, das nicht leuchtet. (1) Ob dieser Zwang durch den  Richter  (Zivil- und Kriminalrichter) oder durch die  Verwaltungsbehörde  in Vollzug gesetzt wird, ist gleichgültig. Alle Normen, die in dieser Weise verwirklicht werden, sind Recht, alle anderen, selbst wenn sie tatsächlich im Leben noch so unverbrüchlich befolgt werden, sind kein Recht, zu Recht werden sie erst, wenn sich das äußere Moment des staatlichen Zwanges hinzugesellt.

Gegen die hier entwickelte Auffassung gibt es aber einen Einwand, der oft erhoben worden ist, und der ihre gänzliche Unhaltbarkeit in sich zu schließen scheint. Das Kriterium der Organisation des Zwanges zum Zwecke der Verwirklichung des Rechts versagt schlechthin für das  Völkerrecht,  und für einen anderen Teil: das  Staatsrecht  wenigstens insoweit, als es sich innerhalb der absoluten oder konstitutionellen Monarchie um die Pflichten des Monarchen handelt - die Beobachtung der Schranken, welche die Verfassung dem Souverän setzt, und die Erfüllung der Pflichten, welche sie ihm auferlegt, sind nicht durch Zwang gesichert.

Wie hat die Theorie des Rechts sich diesen Tatsachen gegenüber zu verhalten?

Sie kann einen dreifachen Weg einschlagen.

Der  erste  besteht darin, daß sie dem Völkerrecht und jenen Bestimmungen des Staatsrechts eben wegen dieses Mangels der gesicherten Erzwingbarkeit den Charakter von  Rechtssätzen  gänzlich abspricht und ihnen bloß den von  moralischen  Geboten und Verpflichtungen zuerkennt. Dieser Weg ist in der Tat von manchen eingeschlagen worden, aber die Ansicht ist meiner Meinung nach gänzlich verfehlt. Sie setzt sich nicht bloß mit dem  Sprachgebrauch  in Widerspruch, welcher jene Normen übereinstimmend bei allen Völkern dem Recht zuweist, sondern sie verkennt auch das  Wesen  derselben, das der Sprachgebrauch hier vollkommen richtig getroffen hat. Dieselben erheben denselben Anspruch unweigerlicher Beachtung wie alle anderen Rechtssätze, und ihre Mißachtung wird, wie die der letzteren als  Rechtsverletzung,  nicht bloß als  unmoralische  Handlung empfunden. Diese Auffassung bewährt sich in der tatsächlichen Reaktion gegen sie mittels des Krieges und des Aufstandes - die Formen der  öffentlich-rechtlichen Selbsthilfe,  die hier in Ermangelung des Rechtsschutzes die Verfolgung des Rechts in die Hand nimmt, wie sie es desselben Mangels wegen in der Urzeit für das Privatrecht getan hat. Für den rechtlichen Charakter des Völkerrechts fällt außerdem noch der Umstand ins Gewicht, daß die völkerrechtlichen Vereinbarungen nicht selten unter die Garantie Dritter unbeteiligter Mächte gestellt werden, was für moralische Verpflichtungen gar keinen Sinn hätte, sowie daß die Entscheidung völkerrechtlicher Streitigkeiten nicht selten dem Schiedsrichterspruch einer dritten Macht übertragen wird - ein  Richter  aber, auch ein  Schiedsrichter,  setzt eine  Rechtssache  voraus und  ein Recht , nach dem sie entschieden werden soll. Der rechtliche Charakter des Völkerrechts sowohl wie der den Monarchen betreffenden Bestimmungen der Verfassung kann nicht Gegenstand des Zweifels sein.

Während diese Ansicht, um das Moment des Zwanges für den Rechtsbegriff zu retten, jenen Normen den Charakter von Rechtssätzen gänzlich abspricht, läßt eine  zweite,  um denselben aufrecht zu erhalten, das Moment der Erzwingbarkeit für den Rechtsbegriff fallen; jene opfert das Moment des Rechts, diese das des Zwangs. Wohin sie führt, ist oben gezeigt. Das charakteristische Unterscheidungsmerkmal der Normen des Rechts von denen der Sitte und Moral wird damit preisgegeben, unter den weiten Gesichtspunkt allgemein anerkannter und tatsächlich befolgter Normen, der für sie alle zutrifft, fließen alle drei zu einer unterschiedslosen Masse, zu einem weichen Brei zusammen.

Der  dritte  Weg, den ich für den allein richtigen halte, besteht in dem Festhalten an dem Zwange als wesentlichem Erfordernis des Rechts, aber in Verbindung mit der Erkenntnis, daß sich der  Organisation  desselben, in jenen beiden Verhältnissen Hindernisse entgegenstellen, die sich einmal nicht überwinden lassen. Die Organisation des Zwanges kann hier mit der Rechtsnorm nicht gleichen Schritt halten, letztere trägt begrifflich ganz dieselbe Gestalt an sich und erhebt praktisch denselben Anspruch unweigerlicher Befolgung wie überall, aber der Zwang bleibt hinter der Norm zurück, er sieht sich, wenn er zur praktischen Realisierung derselben in Tätigkeit treten will, auf die unvollkommene Form angewiesen, die er ursprünglich in sich trug, die aber überall sonst der vollkommenen Platz gemacht und nur hier allein sich behauptet hat: die der ungeregelten, unorganisierten Gewalt. Aber gerade in ihr: der Selbsthilfe der Völker zum Zweck der Behauptung ihrer Rechte bewährt sich die Zusammengehörigkeit der beiden Momente des Rechts: des inneren der Norm und des äußeren des Zwangs, und wer mit mir nicht Abstand nimmt, das Dasein des Rechts auch in die von allen Völkern irgend einmal durchgemachte Epoche der Selbsthilfe und des Faustrechts zurück zu datieren, wird auch nicht zweifelhaft sein, wei er die obigen Erscheinungen zu beurteilen hat. Es sind Fälle, in denen das Recht die Organisation des Zwanges, die es sonst erstrebt, schlechterdings nicht beschaffen  kann.  Für das Völkerrecht würde dieselbe voraussetzen die Bildung einer höheren Instanz über den einzelnen Völkern, bei der sie Recht zu nehmen hätten, und welche sowohl die Macht, wie den guten Willen hätte, ihre Richtersprüche nötigenfalls mit gewaffneter Hand zu vollstrecken. Man denke sich die Sache aus, um sich von der gänzlichen Unausführbarkeit der Idee zu überzeugen. Welche Staaten sollen dieses Amt, welches sie zu Richtern der Welt macht, bekleiden? Schon daran würde dieselbe scheitern. Und wie, wenn die Richter selber in Konflikt mit einander gerieten? Wo bliebe die ganze Zentralgewalt? Sie löste sich in sich selber auf. Nicht anders im Staatsrecht. Der oberste Träger der Gewalt, der alle andern unter ihm stehenden Träger derselben zwingen soll, kann nicht selber wiederum einen anderen über sich haben, der ihn zwingt. Bei irgendeinem Punkt in der staatlichen Zwangsmaschine muß das Gezwungenwerden ein Ende nehmen und lediglich das Zwingen übrig bleiben (2), so wie bei irgend einem andern Punkt umgekehrt das Zwingen einmal aufhören und lediglich das Gezwungenwerden übrig bleiben muß. Bei allen anderen Organen der Staatsgewalt trifft das Gezwungenwerden und das Zwingen zusammen, sie empfangen ihre Impulse von oben und setzen sie nach unten fort, ganz so, wie in einem Uhrwerk, in dem eine Feder die andere treibt. Aber die Uhr kann sich nicht selber aufziehen, dazu bedarf es der menschlichen Hand. Diese Hand ist iun der monarchischen Verfassung der Monarch, sie setzt das Räderwerk in Bewegung; er ist die einzige Person im Staat, welche zwingt, ohne selber gezwungen zu werden. Mag man durch die Verfassung  negativ  seine Macht noch so sehr einschränken (Kontrasignatr und Verantwortlichkeit der Minister, Verfassungseid der Staatsdiener usw.) und  positiv  mittels der moralischen Garantie der Beeidigung der Verfassung durch ihn die Befolgung der Gesetze seinerseits sicher zu stellen suchen, ein  positiver Rechtszwang  gegen ihn ist eine Unmöglichkeit; er nimmt im Staat diesselbe Stellung ein wie der Oberfeldherr in der Schlacht. Letzterer würde nicht Oberfeldherr sein, wenn ein anderer Macht über ihn hätte - über dem höchsten Punkt gibt es keinen höheren mehr, wie unter dem untersten keinen unteren mehr.

Die Unerzwingbarkeit der staatsrechtlichen Pflichten, welche die Stellung des Monarchen charakterisiert, wiederholt sich übrigens auch bei anderen Stellungen, z. B. bei der der Geschworenen in Bezug auf die ihnen auferlegte Pflicht, nach ihrer Überzeugung zu urteilen. Für die Überzeugung und das Gewissen gibt es keiune Kontrolle und darum auch keinen Zwang, die einzige Garantie, welche das Recht für diese Pflicht in Anwendung bringen kann, ist der Eid. Ist sie aus diesem Grunde als moralische zu bezeichnen? Die Institution der Geschworenen ist eine Rechtsinstitution und zwar eine allerersten Ranges, der Grundgedanke derselben ist der  Rechtszweck,  und alle sonstigen Bestimmungen, welche die Verwirklichung desselben vermitteln sollen, tragen zweifellos den Charakter von Rechtssätzen an sich. Der  Intention  nach trifft der Gesichtspunkt der Rechtspflicht mithin auch für die Verpflichtung der Geschworenen zu, sie bildet in gleicher Weise wie in der monarchischen Verfassung die Verpflichtung des Monarchen, den Abschluß der ganzen Institution, den höchsten Punkt, zu dem sich der Zweckgedanke innerhalb derselben zuspitzt, aber auch hier wiederum bleibt der Zwang hinter der Rechtsidee zurück, nicht etwa, weil er ihr nicht folgen  möchte,  sondern weil er ihr nicht folgen  kann. 

Wir gelangen demnach zu dem Resultat, daß es innerhalb der Rechtsordnung Punkte gibt, wo der Zwang versagt. Wenn wir gleichwohl den Normen, welche die Gesetzgebung in Bezug auf sie aufstellt, den Charakter von  Rechtssätzen,  von  Gesetzen  zuerkennen, so geschieht es in der doppelten Erwägung, einmal, daß die ganze Institution, von der sie nur ein kleines Stück bilden,  rechtlicher  Art ist, und sodann, daß sie nach der  Intention der Gesetzgebung  dieselbe unweigerliche Beachtung und Geltung beanspruchen, welche bei allen anderen Normen auf dem Wege des Zwanges verwirklicht werden. Der Monarch, welcher die Verfassung verletzt, der Geschworene, welcher gegen besseres Wissen den Angeklagten verurteilt oder freispricht, vergeht sich gegen das  Recht,  nicht gegen die  Moral das Recht kann beide nur nicht erreichen.


11. Das Recht - das Moment der Norm

Das zweite Moment des Rechtsbegriffs ist die Norm, letztere enthält die innere, der Zwang die äußere Seite des Rechts.

Der Inhalt der Norm ist ein Gedanke, ein Satz (Rechtssatz), aber ein Satz  praktischer  Art, d. h. eine Anweisung für das menschlichen  Handeln,  die Norm ist also eine  Regel,  nach der man sich richten soll. Unter den letzteren Begriff fallen auch die Regeln der Grammatik. Von den Normen unterscheiden sie sich dadurch, daß sie nicht das  Handeln  betreffen. Anweisungen zum Handeln enthalten auch die Erfahrungssätze über die  zweckmäßige  Einrichtung desselben: die  Maximen.  Von letzteren unterscheiden sich die Normen dadurch, daß sie  bindender  Art sind (3). Maximen sind Anleitungen für das  freie  Handeln, ihre Befolgung ist in das eigene Ermessen des Handelnden gestellt, die der Norm nicht, sie zeichnet dem fremden Willen eine Richtung vor, die er innehalten  soll,  d. h. jede Norm ist ein  Imperativ (positiver: Gebot, negativer: Verbot).  Ein Imperativ hat nur im Munde desjenigen Sinn, der die Macht hat, einem fremden Willen diese Beschränkung aufzuerlegen (4), es ist der stärkere Wille, der dem schwächeren Willen die Richtschnur des Handelns vorzeichnet. Der Imperativ setzt einen doppelten  Willen  voraus, er ergeht von der  Person  an die  Person  - die Natur kennt keine Imperative. Je nachdem der Imperativ bloß das Handeln im einzelnen Fall oder einen Typus des Handelns für alle Fälle einer gewissen Art vorzeichnet, unterscheiden wir  konkrete  und  abstrakte  Imperative. Letztere decken sich mit der Norm. Die Norm ist demnach zu bestimmen als  abstrakter Imperativ für das menschliche Handeln. 

Die sittliche Weltordnung kennt drei Arten derartiger abstrakter Imperative: die des Rechts, der Moral und der Sitte. Das Gemeinsame derselben ist der gesellschaftliche Zweck, alle drei haben die Gesellschaft zum Zwecksubjekt, nicht das Individuum. Mit Rücksicht auf diesen Zweck nenne ich sie  gesellschaftliche Imperative.  Bei den beiden letzteren Arten erfolgt sowohl die Aufstellung wie die Verwirklichung derselben durch die  Gesellschaft,  bei der ersten jene  regelmäßig,  diese  ausschließlich  durch den Staat. Die Imperative des Rechts heben sich von denen der Moral und der Sitte ab durch das im Vorherigen erörterte Moment des äußeren, durch die Staatsgewalt mit ihnen verbundenen und durch sie gehandhabten Zwanges.

Jeder Zwang setzt zwei Teile voraus: denjenigen, der zwingt, und denjenigen, der gezwungen wird. An welchen von beiden Teilen richtet sich nun die staatliche Zwangsnorm? Die Frage ist in besonderer Beziehung auf die Strafgesetze von den Kriminalisten aufgeworfen und hat für sie eine dreifache Beantwortung erfahren:  das Volk, der Richter, der Staat. 

Die letztere Ansicht würde zur Voraussetzung haben, daß jemand an sich selber einen Imperativ richten könne, was mit dem Begriff desselben, der  zwei  sich gegenüberstehende Willen: einen mächtigeren und einen schwächeren zur Voraussetzung hat, ist die dem Staat obliegende und von ihm anerkannte Verpflichtung zur Verfolgung und Bestrafung des Verbrechens, aber die Form des Ausdrucks ist verfehlt.

Man kann sich fest vornehmen, etwas zu tun, und seinen Vorsatz unverbrüchlich ausführen und selbst einem anderen gegenüber die Verpflichtung dazu anerkennen, aber den Begriff Imperativ darf man darauf nicht anwenden, ohne ihn selber aufzuheben - Imperative an sich selber sind eine contradictio in adjecto.

So verbleiben das Volk und der Richter oder, indem wir unseren Gesichtskreis auf das ganze Recht, auch das Polizei- und Verwaltungsrecht ausdehnen, die staatliche Behörde. An wen von ihnen richtet das Recht seine Imperative? Oder sind sie vielleicht an beide gerichtet?

Es ist zunächst nun so viel klar, daß es Imperative gibt, die ausschließlich an die Behörde ergehen. Die Bestimmungen, welche die Organisation, den Geschäftsgang und die Kompetenz der verschiedenen Behörden regeln, haben mit der Privatperson nichts zu schaffen, und wenn es unter denselben auch manche gibt, deren Nichtbeachtung ihr ein Recht der Einsprache oder Beschwerde gewährt, so gibt es doch auch andere, bei denen dies nicht der Fall ist, deren Beachtung vielmehr lediglich durch das Oberaufsichtsrecht und das Einschreiten der vorgesetzten Behörde gesichert ist. Der Staatszwang zur Verwirklichung aller dieser sei es von der Gesetzgebung oder der Staatsgewalt erlassenen Imperative (Gesetze, Verordnungen) spielt sich ganz im Innern der Zwangsmaschinerie des Staates ab; es ist das Arbeiten der Maschine im Inneren ohne irgend welche Kraftäußerung nach außen hin.

Diesen rein  internen  Zwangsnormen, wie ich sie nennen will, stehen gegenüber die  externen,  deren Wirksamkeit sich passiv an der Privatperson betätigt, welche auf Anrufen einer anderen Privatperson oder aus eigener Initiative der Staatsgewalt durch Androhung des Zwanges oder einer Strafe zu ihrer Beachtung angehalten wird. Ihr praktisches Ziel finden sie also zweifellos in der Privatperson; letztere soll zu der der Norm entsprechenden Handlung oder Unterlassung veranlaßt werden. In diesem Sinn können wir also sagen: sie richten sich ans  Volk. 

Nun gibt es aber zweifellos manche gesetzliche Bestimmungen, welche nicht bloß der Form, sondern auch der Sache nach keine Imperative an die Privatperson richten, während sie doch vom Richter auf sie zur Anwendung gebracht werden sollen. Als Beispiel nenne ich: aus dem Zivilrecht: die begriffsentwickelnden Rechtssätze - die Bestimmungen über die Volljährigkeit, - über den Einfluß des Irrtums auf das Rechtsgeschäft, - über die Auslegung von Gesetzen und Rechtsgeschäften, - aus dem Strafrecht: die über Zurechnungsfähigkeit, Notstand. Wo bleibt hier der Zwang, der das Kriterium aller Rechtsnormen bilden soll? Wir stehen hier, wie es scheint, vor der Notwendigkeit, anzuerkennen, daß es Rechtssätze gibt, welche keine Imperative sind, und damit würde unsere ganze Definition von der Rechtsnorm, welche dieselbe mit einem durch die Staatsgewalt gehandhabten Imperativ identifiziert, hinfällig werden.

Aber der Imperativ bewährt sich auch hier, er behauptet sich in der Person des Richters, der alle diese Normen zur Anwendung bringen soll. Volljährigkeit und Minderjährigkeit bedeutet für ihn: behandle den Volljährigen anders, als den Minderjährigen, zwinge den ersteren, die von ihm abgeschlossenen Verträge zu erfüllen, letzteren nicht; Irrtum Unzurechnungsfähigkeit: sieh von dem Zwange zur Erfüllung des Vertrages oder vom Vollzug der Strafe ab; Interpretation: nimm die zweifelhaften Worte in diesem Sinn; die begriffsentwickelnden Rechtssätze: nimm das Geschäft oder das Verbrechen an oder nicht an und lasse dem entsprechend Verurteilung und Vollzug des Urteils eintreten, je nachdem die begrifflichen Momente vorhanden sind oder nicht.

Mit der Person des Richters oder richtiger der Behörde, welche die staatlichen Imperative zum Vollzug bringt, haben wir den Punkt erreicht, wo der Gesichtspunkt des Zwanges seine absolute Wahrheit für das Recht erweist, ausnahmslose Geltung findet. Das Kriterium aller rechtlichen Normen ist die zwangsweise Verwirklichung derselben durch die dazu bestellte  Staatsbehörde,  sei es, daß die obere die untere zwingt, daß sie selber zum Zwingen gezwungen wird, daß der Richter oder die Verwaltungsbehörde die Privatperson zwingt, oder daß wie in der Monarchie lediglich der Monarch zwingt, ohne selber gezwungen zu werden. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, stellt sich das ganze Recht dar als das durch den Staat verwirklichte System des Zwanges, als die durch die Staatsgewalt organisierte und gehandhabte  Zwangsmaschinerie.  Alle Normen ohne Ausnahme ordnen sich diesem Gesichtspunkt unter, selbst die oben hervorgehobenen in Bezug auf den Regenten und die Geschworenen; bei ihnen versagt zwar der Zwang in Bezug auf beide letzteren, aber sie betreffen doch die Ausübung desselben ihrerseits gegen andere.

Wiederholen wir von diesem Standpunkt der Betrachtung des Staats und Rechts die obige Frage: an wen sind die staatlichen Imperative gerichtet, so kann die Antwort nur lauten: an die Organe, die mit der Handhabung des Zwanges betraut sind, von dem Monarchen und den höchsten Spitzen der Beamtenhierarchie an bis in die tiefsten Niederungen hinab - jeder Rechtssatz, jeder staatliche Imperativ charakterisiert sich dadurch, daß irgend ein Träger der staatlichen Gewalt mit der praktischen Verwirklichung desselben betraut ist. Der Zwang gegen die Privatperson, der sich an sie knüpft, ist ein unsicheres Kriterium des Rechts, der Zwang, den irgend eine staatliche Behörde, sei es im Innern nach unten, sei es nach außen hin ausübt, ein absolut sicheres, vorausgesetzt, daß der Imperativ den Erfordernissen entspricht, welche die Verfassung für ihn aufgestellt hat.

Alle derartigen Imperative, mögen sie konkreter oder abstrakter Art sein, sind für denjenigen, an den sie ergehen,  rechtlich  verbindlich; er setzt sich mit dem Recht in Widerspruch, indem er sie nicht beachtet. Alle Erlasse der Staatsgewalt dagegen, denen sie selber diese Erzwingbarkeit durch ihre Behörden abspricht, sind keine Imperative rechtlicher Art, bloße Bekanntmachungen, Meinungsäußerungen, Aufforderungen, Wünsche, Bitten der Staatsgewalt, selbst wenn sie in abstrakter Form in der Gesetzgebung inmitten sonstiger gesetzlicher Bestimmungen auftreten, wie z. B. in den Gesetzbüchern des Orients Vorschriften religiöser und moralischer Art, sind keine Rechtsnormen. Nicht der Umstand, daß die Staatsgewalt eine Norm  ausspricht,  verleiht ihr den Charakter einer Rechtsnorm, sondern lediglich der Umstand, daß sie ihre Organe zur Vollziehung derselben mittes äußeren Zwanges verpflichtet - ein vom Staat zusammengestellter Kodex der Moral, oder ein Katechismus, eine von einer Prüfungsbehörde veröffentliche Anweiseung zum Studieren, eine vom Kultusministerium nicht als verbindlich publizierte Orthographie - alles dies hat nicht die Bedeutung einer Rechtsnorm. Auf den letzteren Namen hat nur diejenige Norm Anspruch, deren zwangsweise Verwirklichung die Staatsgewalt ihren Organen aufgegeben hat.

Unser Resultat ist demnach: das Kriterium einer Rechtsnorm besteht nicht in ihrer  externen  Wirksamkeit nach Seiten des Volks, sondern in ihrer  internen  nach Seiten der staatlichen Behörde, jene Wirksamkeit bleibt hinter dieser weit zurück, und wir werden daher, wenn wir den Begriff der Rechtsnorm juristisch korrekt wiedergeben wollen, nicht irre greifen, indem wir dieselbe nach Seiten ihrer Form dahin definieren: sie enthält einen abstrakten Imperativ an die Organe der Staatsgewalt, und die externe Wirkung, d. i. die Befolgung derselben von Seiten des Volks, soweit dazu Anlass geboten ist, muß von diesem  rein formaljuristischen  Gesichtspunkt (nicht vom  teleologischen)  jener  primären  gegenüber lediglich als  sekundäre  bezeichnet werden. Alle gesetzlichen Imperative ohne Ausnahme sind in  erster  Linie an die Behörde gerichtet: das ganze Zivilgesetzbuch, das Strafgesetzbuch, alle Finanz-, Polizei-, Militär- usw. Gesetze und Verordnungen, es sind lauter Regulative für die Handhabung der staatlichen Zwangsgewalt. Aber soweit letztere  aktiv  der Privatperson für ihre Interessen zur Verwendung gestellt ist (Privatklage) oder  passiv  auf Grund eines solchen Antrages oder ohne denselben gegen sie in Vollzug gesetzt werden kann, erstrecken sie ihre Wirksamkeit auch auf diese: sie  berechtigen  sie, und sie  verpflichten  oder  binden  sie. Mit Rücksicht auf den  Zweck  derartiger Normen mag man sagen, daß sie sich der Privatperson zukehren; die obige Behauptung, daß sie ihrer  Form  nach lediglich an die Organe der Staatsgewalt ergehen, wird dadurch nicht alteriert.

Aber nicht alle rechtlichen Imperative der Staatsgewalt sind Rechtsnormen, wir haben vielmehr zu unterscheiden zwischen konkreten und abstrakten, nur letztere sind Rechtsnormen. Und selbst innerhalb der letzteren haben wir einen Unterschied zu konstatieren, der für die vollständige Verwirklichung der Rechtsidee in der Gesellschaft von äußerstem Belang ist. Es ist der zwischen der  einseitig  und  zweiseitig  verpflichtenden Geltung der Rechtsnorm. Die Absicht der Staatsgewalt bei Erlassung der Rechtsnorm kann dahin gehen, daß sie dadurch bloß denjenigen binden will, an den sie gerichtet ist, nicht aber sich selber, so daß sie sich vorbehält, sich über dieselbe im einzelnen Fall nach Gutdünken hinweg zu setzen. Sie kann aber die Rechtsnorm auch mit der Absicht und der Zusicherung erlassen, daß sie selber sich daran binden will. Erst mit dieser Form, wenn sie tatsächlich beachtet wird, erlangt das Recht seine vollendete Gestalt: die Sicherheit der unausbleiblichen Verwirklichung der einmal aufgestellten Norm.

Die folgende Aufstellung soll diese drei einzelnen Stufen der Erhebung des staatlichen Imperativs zur vollendeten Form der Rechtsnorm darstellen.


Erste Stufe: Das Individualgebot
Die denkbar einfachste Form des Gebots ist die des Individualgebots. Hervorgerufen durch das unmittelbare Bedürfnis des einzelnen Falls, durch den Impuls des Moments, taucht es nur auf, um sofort wieder zu verschwinden, es erschöpft seine ganze Wirksamkeit an dem einzelnen Fall, ohne eine weitere Spur zurückzulassen. Eine Gewalt, die wir uns auf diese Form des Gebots beschränkt denken, muß stets erst selber wollen, um den fremden Willen zur Aktion zu bringen; er verhält sich zu ihr wie ein lebloses Instrument, das sich nicht rührt, wenn es nicht von jemandem gespielt wird. Das Bild, welches uns diese niederste Stufe des staatlichen Imperativs vorführt, ist das der unausgesetzten Anspannung und Tätigkeit der Gewalt: die Gewalt in ewiger Bewegung, lediglich dem Moment zugewandt, um durch das Gebot zu beschaffen, was er erfordert.

Der Begriff des Individualgebots erfordert nicht, daß es nur an ein einzelnes Individuum gerichtet sei. Die Einberufung einer bestimmten Altersklasse zum Zweck der Aushebung ist ein Individualgebot, denn es erschöpft seine Wirksamkeit an und mit diesem einzelnen Fall, es gilt nicht für das folgende Jahr; ob die sämtlichen Dienstpflichtigen jeder einzeln oder durch Bezeichnung ihrer Kategorie mittels einer sie alle treffenden Bekanntmachung geladen werden, ist begrifflich gleichgültig. Umgekehrt reicht der Umstand, daß das Gebot auf eine einzelne Person beschränkt ist, für das Individualgebto nicht aus. Der richterliche Zahlungs- oder Haftbefehl ist an eine einzelne Person gerichtet, aber kein Individualgebot, denn derselbe hat seinen Grund nicht in einem  freien, spontanen,  lediglich durch diesen Fall hervorgerufenen Willensvorgang der  Staatsgewalt,  sondern in einem  früheren abstrakten  Wollen derselben, welches hier nur in konkreter Gestalt zur Erscheinung gelangt: dem  Gesetz Nicht der Wille des Richters, sondern der des Gesetzes nötigt den Schuldner zur Zahlung, schafft den Verbrecher ins Gefängnis, der Richter füllt nur das Blanquett aus, das der Gesetzgeber angefertigt hat, sein Gebot ist ein  konkretes,  kein  individuelles.  Das Konkrete ist das  Korrelat  des Abstrakten, das Individuelle der  Gegensatz  desselben, das Konkrete in seiner Allgemeinheit gedacht heißt abstrakt, das Abstrakte in seiner Verwirklichung konkret. Wer sich des Ausdrucks: konkret bedient, impliziert damit die Vorstellung, daß dem Einzelnen, das er als solches bezeichnet, ein Allgemeines entspreche, das an ihm nur zur Erscheinung gelange; wer sich des Ausdrucks: abstrakt bedient, umgekehrt  die  Vorstellung, daß das Allgemeine, welches er dabei vor Augen hat, im einzelnen Fall wirklich werden könne. Wer dagegn etwas als individuell bezeichnet, will damit ausdrücken, daß dasselbe nicht eine bloße Wiederholung eines Typus: des Abstrakten ist, sondern daß es denselben in irgend einem Punkt, der ihm eigentümlich ist, verleugnet. In Anwendung auf die Gebote der Staatsgewalt sind mithin als individuelle nur diejenigen zu bezeichnen, welche im einzelnen Fall eine Anordnung treffen, die nicht schon abstrakt vorgesehen, durch das Gesetz als notwendig gesetzt ist, sondern die auf freiem, spontanem Wollen der Staatsgewalt beruht. Die individuellen Gebote der Staatsgewalt stehen mithin mit den abstrakten auf einer und derselben Linie, beide haben zu ihrer Quelle und Voraussetzung dieselbe bewegende Kraft der Staatsgewalt. Nur der Spielraum, innerhalb dessen sie tätig wird, ist ein verschiedener, bei jenen ist es der vorübergehende Fall, bei diesen das dauernde Verhältnis, dort  individualisisert,  hier  generalisiert  sie.

Unsere deutsche Rechtssprache hat diesen begrifflichen Gegensatz nicht ausgeprägt, während die römische dies schon früh getan, d. h. denselben in bewußter Weise erfaßt hat.

Die Ausdrücke, welche unsere deutsche Rechtssprache darbietet:  Gesetz, Verordnung, Verfügung  verhalten sich nach der Art, wie der Sprachgebrauch sie einmal zur Anwendung bringt, gegen jenen Unterschied indifferent, dagegen scheint die Sprache selber bei der Bildung der beiden ersten die Vorstellung des Abstrakten, bei dem dritten die des Individuellen vor Augen gehabt zu haben, und es würde zu wünschen sein, daß der Sprachgebrauch sich in diesem Sinn feststellte. Wir "verfügen" über Sachen oder Personen, über welche uns eine Macht zusteht, verfügen ist das Lateinische imperare, das Einfügen, Anpassen, Unterordnen derselben unter unsere Zwecke; die Vorstellung, welche der Sprache dabei vorschwebt, ist ein einzelner mit dem vorübergehenden Zweck sich konsumierender Akt des Gebrauchs der Gewalt. So verfügt auch die Staatsgewalt über ihre Machtmittel, und eine "Verfügung" derselben würde sprachlich mithin ein Gebot sein, welches sich am einzelnen Fall erschöpft. In diesem Sinn würden wir als Verfügungen der Staatsgewalt diejenigen zu bezeichnen haben, die nicht in einem einfachen Vollzuge einer vorgezeichneten gesetzlichen Norm, in einer bloßen Anwendung von etwas bereits im voraus Gesetztem beständen, sondern auf dem freien, den eigentümlichen Verhältnissen des einzelnen Falls sich anpassenden Machtgebrauch der Staatsgewalt beruhten.

In einem Staatswesen, wo die gesetzgebende Gewalt und die Regierung nicht in einer Hand vereinigt sind, also in der Republick und der konstitutionellen Monarchie im Gegensatz zur absoluten Monarchie, ist eine Verfügung, welche den bestehenden Gesetzen widerspricht, nur in Form des Gesetzes möglich, denn nur die gesetzgebende Gewalt ist im Stande, das Hindernis, welches sich der beabsichtigten Maßregel in Gestalt des Gesetzes in den Weg stellt, aus dem Wege zu räumen. Es verhält sich mit dem Gesetz wie mit dem "Satz" des Setzers in der Druckerei. Beide sind Typen zum Zwecke der Vervielfältigung, den einzelnen Abzügen beim Druckbogen entsprechen die einzelnen Fälle beim Gesetz. Soll in einem einzelnen Abzug irgend ein Passus anders lauten, als im "Satz", so kann das nur dadurch beschafft werden, daß der Setzer letzteren für diesen einzelnen Fall ändert. Ganz dasselbe kann für das Recht in legaler Weise nur dadurch bewerkstelligt werden, daß die Gesetzgebung den Rechtssatz, der auf ihn zur Anwendung kommen müßte, für den einzelnen Fall ausschließt und einen andern dafür an die Stelle setzt.

Darauf beruht der Begriff und die staatsrechtliche Unentbehrlichkeit des  Individualgesetzes.  Das Individualgesetz teilt in Bezug auf seine Geltung und Wirksamkeit den Charakter der Verfügung in obigem Sinn. Aber während letztere von der Regierungsgewalt erlassen werden kann, setzt ersteres notwendigerweise einen Akt der gesetzgebenden Gewalt voraus, es ist in Wirklichkeit ein Gesetz, nur kein abstraktes, sondern ein individuelles und es ist nur für den Fall erforderlich, daß die beabsichtigte Maßregel sich mit dem bestehenden Recht nicht verträgt. Das Individualgesetz ist  contra  legem, die Individualverfügung  secundum  legem.

Der Unterschied des Individualgesetzes von der Individualverfügung wird von der juristischen Theorie viel zu wenig beachtet. Würde er richtig erfaßt, so würde man nicht der Behauptung begegnen, daß Individualprivilegien (z. B. Verleihung von Konzessionen, Korporationsrechten usw.) Individual gesetze  seien; sie sind es nur dann, wenn sie dem bestehenden Recht  widersprechen,  wie z. B. die Veränderung der Thronfolgeordnung im einzelnen fall, die Verlängerung der Schutzfrist des Urheberrechts über die gesetzliche Zeit hinaus; sonst nicht. Jene pflege ich bei Darstellung der Privilegien als  administrative,  diese als  legislative  Privilegien zu bezeichnen, jene können in der konstitutionellen Monarchie einseitig von der Staatsgewalt, diese nur unter Mitwirkung der Stände erlassen werden. In Bezug auf die Expropriation kommen in verschiedenen Staaten beide Formen vor: wo die Gesetzgebung über die Expropriation bestimmte Grundsätze aufgestellt hat, unter denen die Staatsgewalt berechtigt sein soll, sie vorzunehmen (sei es ausschließlich durch die Verwaltungsbehörde oder unter Mitwirkung des Richters), enthält die Vornahme derselben lediglich einen einzelnen Akt der Anwendung des Gesetzes; nur wo dies nicht der Fall ist, liegt ein  Expropriationsgesetz  vor.

Das Interesse, welches das Individualgebot für unseren gegenwärtigen Zweck hat, besteht lediglich darin, daß es die begriffliche Vorstufe der Norm enthält. Von unserem obigen Ausgangspunkt der Gewalt aus stellt es sich als die erste und niederste Form dar, deren sie sich bedient hat, um Ordnung zu stiften. So denken sich die Römer den Anfang ihres Gemeinwesen, und das ist der Sinn des römischen imperium - es ist die frei schaltende und waltende Staatsgewalt, die Persönlichkeit des Magistrats im Gegensatz zu der gesetzgebenden Gewalt des Volks, - das Volk erläßt die abstrakten, der Träger des Imperium die individuellen Gebote. Die politische Entwicklungsgeschichte Roms spinnt sich zu einem ganz erheblichen Teil an diesem Gegensatz weiter, das Gebiet des imperium wird immer kleiner, das der lex immer größer; nur zur Zeit der Gefahr nimmt das Imperium in Form der Diktatur vorübergehend seine alte Gestalt wieder auf.


Zweite Stufe: Einseitig verbindende Norm
Das Individualgebot zeigt uns die Gewalt im Zustande unausgesetzter Geschäftigkeit, das abstrakte Gebot: die  Norm  zeigt sie uns im Zustande der Ruhe, - eine einzige Norm ersetzt ihr tausend und aber tausend Individualgebote, nur die Sorge für die Befolgung des Gebots bleibt hier wie dort dieselbe.

So knüpft sich also an die Vertauschung des Individualgebots mit der Norm der große Vorteil der Kraftersparnis, der Bequemlichkeit, der Erleichterung der Arbeit, und dieser Vorteil war einleuchtend genug, um diesen Fortschritt praktisch herbeizuführen -, das eigene Interesse trieb die Gewalt, der unvollkommeneren Form die vollkommenere: die des abstrakten Imperativs zu substituieren - der Egoismus leitet die Gewalt unvermerkt in die Bahn des Rechts.

Die Begriffe, welche durch diesen Fortschritt ins Leben gerufen werden, sind die der  Norm, des Gesetzes  und  des Rechts,  und es soll auch hier wiederum unser nächstes Augenmerk sein, uns der Anschauunen zu bemächtigen, von denen die Sprache dabei ausgeht.

Die Form, in welcher die Norm zur Erscheinung gelangt, ist die öffentliche Verkündigung derselben; sie ist durch den Zweck selber geboten, denn was allgemein beachtet werden soll, muß auch allgemein bekannt gemacht werden. Unsere deutsche Sprache hat dafür zwei Ausdrücke:  Gesetz  und  Verordnung.  Der erstere ist der Vorstellung des  Setzens  entlehnt und kehrt wieder in dem Ausdruck:  Satzung.  Was haben wir uns unter dem Setzen zu denken? Das  öffentliche  Setzen, Ausstellen, damit es jeder sehe? Das Moment des Öffentlichen ist mit nichts angedeutet; die Vorstellung scheint mir vielmehr folgende zu sein. Das Setzen ist das Aufgeben der Bewegung; was gesetzt wird, ist zur Ruhe gekommen. In diesem Sinn gebraucht die Sprache den Ausdruck:  Satz  von dem ausgesprochenen Gedanken. Damit letzterer in die Form des Satzes gebracht werden könne, muß vorher das ihm vorangegangene Denken, das Suchen nach dem Gedanken oder den Worten, also die geistige Bewegung zum Abschluß gelangt sein; in dem Satz gelangt das Denken zur Ruhe, gewinnt es seine bleibende, feste Gestalt. Dieselbe Vorstellung des Festen, des zur Ruhe Gelangten kehrt in "Gesetz" wieder (daher auch: "  festsetzen"),  und in dem modernen jus  positivum  (ponere setzen). Das Setzen der Regel bezeichnet das Ende des Suchens, die Ruhe im Gegensatz zur Bewegung - mit dem Gesetz setzt die Gewalt, welche bis dahin in unausgesetzter Bewegung begriffen war, sich zur Ruhe. Ein verwandtes Bild ist das des  "Stellens",  welches die lateinische Sprache in statuere (davon abgeleitet: statuta Statuten) und constituere (constitutio) und unsere Sprache in "Feststellen" zur Anwendung bringt. Dagegen scheint die Sprache bei dem  Legen,  von dem sie lex und Auflage gebildet hat, mehr die Vorstellung des Auferlegens als die des einfachen Hinlegens vor Augen gehabt zu haben. Bei  "Verordnung"  scheint sie nicht sowohl an die ursprüngliche Aufrichtung der Ordnung, als vielmehr an die Vervollständigung derselben gedacht zu haben, der die Ver-ordnung etwas hinzufügt.

Den Inhalt des Gesetzes bildet eine  Norm  oder  Regel.  Beide Ausdrücke weisen auf dieselbe Vorstellung hin: die Bestimmung der einzuhaltenden Richtung.  Norma  ist das Winkelmaß, norma juris die Rechtsregel. Das Wort  regere,  die Richtung bestimmen, hat sich für die Rechtssprache ganz außerordentlich fruchtbar erwiesen sowohl in der lateinischen Sprache, als in den modernen Sprachen.  Regula  ist das unpersönlich,  rex  das persönlich Richtende,  rectum  das, was die richtige Richtung inne hält, das Gerade. Davon stammt unser deutsche "Recht", während die romanischen Sprachen die Bezeichnung des Rechts dem Kompositum  dirigere  entlehnen ( directum, diritto, droit ). Ferner unser deutsches "richten", was sprachlich und sachlich das lateinische  regere  ist. Die Vorstellung, von der die Sprache bei dem "Richten" ausgeht, ist die des Weges, den jeder zu wandeln hat, es ist der "Weg des Rechten", der "Richtsteig". Wer diesen Weg verläßt, macht sich einer "Verirrung", einer "Übertretung" schuldig - er übertritt das Gesetz, indem er über den rechten Weg hinaus tritt ( delinquere,  delictum) - eines "Vergehens", er verläuft sich, und der Richter ist dazu da, ihm den rechten Weg zu zeigen, er wird "gerichtet", indem er in die "richtige Richtung" zurückgewiesen wird. Nur beim "Verbrechen" hat die Sprache nich den Weg, sondern die Ordnung vor Augen - das Verbrechen ist das "Brechen" der bürgerlichen Ordnung.

Alle oben genannten Begriffe haben den der Norm zu ihrer Voraussetzung. Das Gesetz - es stellt sie auf. Der Richter - er wendet sie an. Das Recht - es begreift sämtliche Normen in sich. Das Vergehen, Verbrechen, die Übertretung - sie lassen dieselben außer acht.

Jede Norm enthält einen bedingten Imperativ, sie besteht also stets aus zwei Bestandteilen, dem  bedingenden  (Voraussetzungen, Tatbestand) und dem  bedingten  (Imperativ), sie läßt sich daher stets wiedergeben in der Formel: wenn - so. Der Vordersatz enthält das Motiv und die Rechtfertigung des Nachsatzes,  das "wenn" ist stets ein "weil",  es enthält den Grund, der den Gesetzgeber zu dieser Bestimmung veranlaßt hat. Der Satz: wenn ein Haussohn ein Gelddarlehen aufgenommen hat, so soll er nicht haften, lautet in der Erwägung des Gesetzgebers: in den eigentümlichen Verhältnissen des Haussohns erblicke ich einen Grund, der seine Haftung aus dem Darlehen ausschließt. Die Norm ergeht stets und ohne Ausnahme an die mit der Verwirklichung derselben betraute Behörde, die zu dem Zwecke zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen im gegebenen Fall vorliegen (Beweisfrage), und sodann den Imperativ in Vollzug zu setzen hat. Eine Norm, die nur an die Privatperson, nicht an die Behörde gerichtet wäre, ist ein Unding - es ist das absolute Kriterium eines jeden Rechtssatzes, daß in letzter Instanz stets eine Behörde hinter ihm steht, die ihn nötigenfalls erzwingt.

In dem Begriff der Norm als solcher liegt nur, daß sie denjenigen bindet, an den sie gerichtet ist, keineswegs, daß sie auch ihren Urheber bindet. Wer die Norm setzt, kann sie auch wieder zurücknehmen. In dieser Richtun, d. h. in Bezug auf ihre abstrakte Geltung ist sie stets von seinem Willen abhängig - es gibt kein unabänderliches Gesetz. Aber ein anderes ist sein Verhalten zu der Norm, so lange sie besteht, d. h. in Bezug auf ihre konkrete Verwirklichung. Die Intention, mit der er sie erläßt, kann dahin gehen, daß er sich aller Eingriffe in dieselbe enthalten, selber also die Norm respektieren will. In diesem Fall, wo er sich selber in dieser Richtung als an sie gebunden anerkennt, bezeichne ich sie als  zweiseitig  verbindende Norm. Es ist die Gestalt der Norm im geordneten Rechtszustande: die  Herrschaft des Gesetzes . Geht die Absicht ihres Urhebers nicht dahin, der Norm diese von seinem Willen unabhängige Sicherheit der Verwirklichung einzuräumen, will er durch sie vielmehr nur diejenigen binden, denen er dieselbe auferlegt hat, nicht sich selber, so bezeichne ich sie als  einseitig  verbindende Norm.

Das ist die Gestalt des Rechts auf der Stufe der  Despotie.  Der Despot, d. i. der Herr der Sklaven, wie die Sprache ihn charakterisiert (von pot, potestats und deo binden, also der Herr der Gebundenen), hat nicht die Absicht, durch die Normen, welche er erläßt, sich selber eine Schranke zu setzen, er behält sich vielmehr vor, sie in jedem Fall, wo sie ihm unbequem sind, außer acht zu lassen. Kann man in einuem solchen Zustande bereits von einem  Recht  sprechen? Insofern man darunter lediglich einen Inbegriff von Zwangsnormen versteht: Ja! Insofern man den Maßstab dessen anlegt, was das Recht sein kann und sein soll: die gesicherte Ordnung der bürgerlichen Gesellschaft: Nein! Aber die Keime des Rechts in dem letzteren Sinn sind doch selbst hier schon vorhanden. Ich meine damit selbstverständlich nicht die bloße Form desselben: die Norm, sondern das Substantielle des Rechts: die Zwecke, die dasselbe zu verwirklichen hat.

Das ist zuerst die  Ordnung,  d. i. die Gleichmäßigkeit des sozialen Handelns. Sie kann zwar jederzeit durch Akte der Willkür unterbrochen werden, aber so weit dies nicht geschieht, ist doch bereits eine Ordnung: eine durch Normen geregelte und durch die Furcht vor der Gewalt gesicherte Gleichmäßigkeit des Handelns vorhanden.

Das andere Moment des Rechts ist die  Gleichheit Sie ist prinzipiell mit der Norm als solcher gesetzt, denn jeder abstrakte Satz beruht auf der Statuierung der Gleichheit des Konkreten, und wie willkürlich auch das Gesetz des Despoten die einzelnen Kategorien gestalten möge, für welche er seine Bestimmungen erläßt, innerhalb der einzelnen Kategorie proklamiert er mittels eines jeden Gesetzes prinzipiell den Grundsatz der Gleichheit. Allerdings steht es ihm frei, in der  Anwendung  des Gesetzes denselben zu verleugnen, aber die Tatsache, daß er ihn selber aufgestellt hat, wird dadurch nicht ungeschehen gemacht. In der Norm, die er selber mit Füssen tritt, spricht er sich sein eigenes Urteil, und dies ist der Punkt, wo das moralische Moment der Rechtsnorm als Scheu vor dem offenen Widerspruch mit sich selbst, vor der eigenen Verdammung sich zuerst bemerklich macht, wo ihr der Gedanke entgegen getragen wird, um ihrer selbst willen das Gesetz zu respektieren. Mit dem Moment, wo die Gewalt das Gesetz herbeiruft, um ihre Gebote zu verkünden, öffnet sie selber dem Recht ihr Haus, beginnt bereits die Rückwirkung des Gesetzes auf die Gewalt. Denn das Gesetz bringt als unzertrennichen Gefährten die Ordnung und die Gleichheit mit sich, - anfänglich das Aschenbrödel im Hause der Gewalt, wird es im Lauf der Zeit der Majordomus.

Das dritte und letzte Momen, das von der einseitig verbindenden Norm, wenn auch nicht schlechthin, so doch bis zu einem gewissen Grade verwirklicht wird, ist der Begriff das  Recht  im  subjektiven  Sinn.

Gibt es ein solches innerhalb der Despotie? Wir müssen unterscheiden zwischen der bloß begrifflichen Möglichkeit und der praktischen Wirklichkeit desselben, und in Bezug auf erstere wiederum zwischen dem öffentlichen und dem Privatrecht. Einen Anteil der Untertanen an der Staatsgewalt schließt die Despotie ihrem Begriff nach ebenso aus, wie der Begriff der Sklaverei einen Anteil der Sklaven an der Gewalt des Herrn - die Despotie kennt kein  Staatsbürgerrecht.  Aber die Anerkennung rechtlicher Beziehungen der Untertanen untereinander ist mir ihr verträglich und durch ihr eigenes Interesse an der Aufrichtung und Aufrechterhaltung einer bestimmten Ordnung geboten, d. h. das Privatrecht ist theoretisch mit der Despotie vereinbar. Es verhält sich damit nicht anders, als wenn der Herr den Sklaven eine Ordnung vorzeichnet, die sie untereinander beachten sollen, da er selber dabei interessiert ist.

Eben darin aber liegt zugleich die Unvollkommenheit des Zustandes. Hervorgetrieben lediglich durch das Interesse des Herrn, verbleibt diese Ordnung auch in ihrer Durchführun in steter Abhängigkeit von demselben - der Sklave, der sich über das ihm widerfahrene Unrecht beschwert, findet Recht nur soweit, als der Herr nicht ein Interesse daran hat, demselben die Anerkennung zu versagen. In  diesem  Sinne also gibt es in der Despotie kein Privatrecht, es fehlt ihm die Sicherheit seiner Verwirklichung - es findet letztere nur so weit, als nicht die Laune, Parteilichkeit, Habsucht des Gewalthabers etwas anderes mit sich bringt.

Man möchte glauben, daß diese Gefahr sich in demselben Maße mindere, als die persönlichen Berührungen des Gewaltherrn mit den ihm Untergebenen durch die Ausdehnung des Staatsgebiets schwieriger und seltener werden, daß also die Sicherheit wachse mit der Größe des Reichs und der Entfernung vom Thron. Es wäre richtig, wenn die Willkür nicht da, wo sie auf dem Throne sitzt, zugleich auch den Richterstuhl einnähme. Wie der Herr, so der Diener. Der Unterschied besteht nur darin, daß jener sich vorzugsweise die Großen, dieser sich vornehmlich die Kleinen zur Beute ausersieht; jener verschont die Kleinen, weil sie ihn nicht locken, dieser die Großen, weil er sie scheut. Darum befinden sich die Mächtigen in der Entfernung, die Schwachen in der Nähe des Throns relativ am sichersten. Die Sicherheit in der Despotie beruth lediglich darauf, die Augen nicht auf sich zu ziehen und mit der Macht nicht in Berührung zu geraten -, es ist die Sicherheit des Wildes, die lediglich daran hängt, daß der Jäger es nicht entdeckt.

In einem solchen Zustande ist die Entwicklung des Rechtsgefühls eine Unmöglichkeit. Bestände dasselbe lediglich in dem  Wissen  des Rechts, so würde ihr nichts entgegenstehen, aber das Wesen des Rechtsgefühls besteht im  Wollen,  in der Energie der sich als Selbstzweck fühlenden Persönlichkeit, dem zum unwiderstehlichen Bedürfnis, zum Lebensgesetz gewordenen Trieb der rechtlichen Selbstbehauptung. Die Erhebung desselben zu dieser Kraft ist aber Sache der Tat, und zwar nicht des Individuums oder einer kurzen Spanne Zeit, sondern der ganzen Nation und langer geschichtlicher Übung, sie ist mithin in der Despotie ebenso undenkbar, wie das Wachstum der Eiche auf nacktem Felsen - es fehlt der Untergrund. Darum nützt es auch nichts, wenn einzelne Individuen aus der persönlichen Berührung mit dem Auslange oder durch die Bekanntschaft mit seiner Literatur diese Tatsache kennen lernen, es dient nur dazu, sie, wenn sie es bloß beim theoretischen Wissen bewenden lassen, mit dem Zustande, den sie daheim vorfinden, zu entzweien oder sie zu Märtyrern zu machen, wenn sie es praktisch betätigen wollen. Der Versuch, die Masse dafür zu gewinnen, ist ebenso aussichtslos, wie der, ein Eichenreis auf dem kahlen Felsen zu pflanzen, die Palme im hohen Norden einzubürgern; im Treibhaus mag sie dort gedeihen, im Freien nicht. Die große Masse in der Despotie kennt nur das Gefühl der Abhängigkeit, Unterwürfigkeit, Untertänigkeit; die Lebensphilosophie, mittels deren sie sich mit dem bestehenden Zustand abfindet, ist die Politik der widerstandslosen, stumpfen Ergebung in der Unvermeidliche: die Apathie. Diese Stimmung, in Form eines Dogmas gebracht, ist der  Fatalismus:  Notwendigkeit alles dessen, was geschieht, aber nicht die Notwendigkeit des sich gleichbleibenden Gesetzes, die für denjenigen, der es kennt und beachtet, neben der Abhängigkeit zugleich die Unabhängigkeit und Sicherheit in sich schließt, sondern die Unabwendbarkeit des unberechenbaren Zufalls, des Fatums, welches jede Möglichkeit sich vor ihm zu schützen ausschließt und nichts übrig läßt als blinde Unterwerfung. Auf dem Gebiete des Rechts bezeichnen wir einen solchen Zustand, in dem statt des Gesetzes der Zufall herrscht, als  Willkür,  und wir sprechen damitüber denselben ein sittliches Verdammungsurteil aus. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß wir damit einen Maßstab zur Anwendung bringen, welcher der Stufe, auf die wir sie übertragen, fremd ist. Wie der Blinde, der das Licht nicht kennt, von der Willkür, - das Verständnis für die Willkür hat das des Rechts zur Voraussetzung.


Dritte Stufe: Die zweiseitig verbindende Kraft der Norm
Wir haben früher die gangbare Definition des Rechts adoptiert, welche dasselbe bezeichnet als Inbegriff der in einem Staate geltenden Zwangsnormen. Aber die vorstehende Entwicklung hat uns gezeigt, wie wenig die beiden Momente des staatlichen Zwangs und der Norm ausreichen, denjenigen Zustand herbeizuführen, den wir als  Rechtszustand  bezeichnen. Was fehlt noch daran? Das oben unter dem Namen der zweiseitig verbindenden Norm hervorgehobene Moment, daß die Staatsgewalt selber die von ihr erlassenen Normen respektiere, daß sie ihnen, so lange sie bestehen, die im Prinzip beigelegte allgemeine Geltung auch tatsächlich zugestehe. Er dadurch wird der Zufall in der Anwendung der Normen verbannt, an die Stelle der Willkür tritt die Gleichmäßigkeit, Sicherheit, Berechenbarkeit des Gesetzes. Das ist es, was wir unter  Rechtsordnung  verstehen, und was uns vorschwebt, wenn wir von einer  Herrschaft  von Recht und Gesetz sprechen, und das ist die Anforderung, die wir an das Recht erheben, wenn es der Vorstellung entsprechen will, die wir von ihm in uns tragen. Es ist die Aufgabe des  Rechtsstaates. 

Recht in diesem vollen Sinne des Wortes ist also die  zweiseitig  verbindende Kraft des Gesetzesf, die eigene Unterordnung der Staatsgewalt unter die von ihr selber erlassenen Gesetze. Unsere Sprache hat dieser Vorstellung noch eine schärfere Ausprägung gegeben durch die Begriffe  Willkür  und  Gerechtigkeit;  den Sinn, den die Sprache mit ihnen verknüpft, feststellen, heißt die Volksanschauung darlegen, aus der sie hervorgegangen sind.

Wer sein Handeln nach dem Maße des Rechts oder Gesetzes einrichtet, handelt  recht-  oder  gesetzmäßig, gesetzlich, legal,  im entgegengesetzten Fall  rechts-  oder  gesetzwidrig, ungesetzlich, illegal,  er begeht eine Rechts oder Gesetzwidrigkeit, ein  Unrecht  (5). Alle diese Ausdrücke erleiden sowohl auf die Staatsgewalt als die Untertanen Anwendung; auch erstere kann sich eine rechts- oder gesetzwidrige Handlung, ein Unrecht zu schulden kommen lassen. Aber die Staatsgewalt steht anders zum Recht als der Untertan. Erstere hat den Beruf und die Macht, das Recht zu  verwirklichen,  d. h. den Widerstrebenden zur Befolgung zu zwingen, die Aufgabe des letzteren erschöpft sich daran, es zu  befolgen,  erstere hat fremde Handlungen, dieser bloß seine eigenen Handlungen danach einzurichten, erstere hat zu befehlen, dieser zu gehorchen. Diese Verschiedenheit der Stellung verleiht dem Unrecht, das die Staatsgewalt begeht, im Gegensatz zu dem des Untertanen einen eigentümlichen Charakter, und die Sprache hat dies richtig herausgefühlt, indem sie dasselbe  Willkür  tauft. Der Untertan, welcher das Gesetz übertritt, handelt  gesetzwidrig,  nicht  willkürlich.  Willkür ist das Unrecht des  Vorgesetzten,  es unterscheidet sich von dem des Untergebenen dadurch, daß jener dabei die Macht  für sich,  dieser die Macht  gegen  sich hat. Handelt letzterer anstatt der abstrakten Norm dem  konkreten  Gebot des Vorgesetzten entgegen, so macht er sich einer  Widergesetzlichkeit,  eines  Ungehorsams  schuldig. So wenig die beiden letzteren Ausdrücke auf den Vorgesetzten, so wenig findet der Ausdruck  Willkür  - und, wie wir sehen werden, auch der der  Gerechtigkeit  - auf den Untergebenen Anwendung.

Etymologisch ist Willkür der Wille, der sich selber seinen Inhalt wählt ("kürt" von Kür, Kur = Wahl), also Wahlfreiheit des Willens. Aber wesentlich dabei ist neben dem Willen das Dasein eines  Gesetzes.  Die Willensmacht, welche kein Gesetz über sich hat, ist nicht Willkür, sondern bloße Macht; zur Willkür wird die Macht des Willens erst, wenn neben ihr das Gesetz auftritt. Darum kann inu der Geschichte des Rechts auf der Stufe der einseitig verbindenden Kraft der Rechtsnorm von Willkür noch nicht die Rede sein, und darum durften wir sie erst an dieser Stelle einführen. So wenig der Schatten vor dem Licht da war, so wenig die Willkür vor dem Recht. Als rein negativer Begriff hat sie den Gegensatz des Rechts, dessen Negation sie enthält, zu ihrer Voraussetzung d. h. die Erkenntnis des Volkes von der Notwendigkeit der zweiseitig verbindenden Kraft der staatlichen Normen. Im Lichte dieser Auffassung mag uns der oben geschilderte Zustand auf der Vorstufe des Rechts als Herrschaft der reinen Willkür erscheinen, aber wir sollen nicht vergessen, daß wir damit innerlich ein Moment in ihn hineintragen, das ihm selber fremd war. Der Neger, der von seinem Fürsten als Sklave verkauft oder zur Feier eines Festes abgeschlachtet wird, empfindet das nicht als Willkür, sondern als bloße Tatsache, er sieht die Gewalt, die ihn vernichtet, nicht mit anderen Augen an, als wie wir den Orkan oder den Hagelschlag. Willkür empfindet nur derjenige, in dem das Gefühl des Rechts lebendig ist, und nur in demselben Maße, in dem es dies ist, - die Empfindlichkeit gegen die Willkür ist der Gradmesser der Entwicklung der moralischen Kraft des Rechtsgefühls.

Die Bedeutung des Ausdrucks Willkür reicht aber weiter, als ich im bisherigen, wo ich ihn nur in Anwendung auf die Mißachtung des Gesetzes von Seiten der Staatsgewalt gebraucht habe, angenommen habe. Unsere Sprache bedient sich des Ausdruckes nämlich in doppeltem Sinn, in guten (in bonam partem) und schlechtem (in malam partem). In jenem: für eine Handlung, die das Gesetz  verstattet,  in diesem für eine, die es  untersagt.  Im physischen Sinn nennen wir eine willkürliche Bewegung diejenige, welche nicht die Natur in uns, sondern die wir selber aus eignem Entschluß vornehmen. Der Gegensatz, den wir dabei in Gedanken behalten, ist unsere Abhängigkeit vom Naturgesetz; Willkür ist hier also die Freiheit, welche uns neben dem Naturgesetz zusteht. Im juristischen Sinn bediente sich unsere frühere Rechtssprache des Ausdrucks: Willküren für die Beliebungen von Gemeinden, Korporationen usw., welche sie über die ihrer Verfügungsgewalt unterworfenen Verhältnisse trafen. Willkür war hier also gleichbedeutend mit der Freiheit  neben  dem Gesetz, der Begriff deckte sich mit dem jetzt dafür gangbaren Fremdwort: Autonomie, das sprachlich ganz dasselbe aussagt (autos nomos = sich selber Gesetz). Sprachlich weisen beide auf dieselbe Vorstellung hin, Willkür im guten Sinn und Autonomie ist Willensbestimmung  neben  dem Gesetz.

Im Gegensatz davon ist die Willkür im bösen Sinn als Willensbestimmung  gegen  das Gesetz zu definieren, aber mit der Beschränkung: als die dem Gesetz widersprechende Willensbestimmung desjenigen, der zu  befehlen  hat, und dem eben die Macht, die er besitzt, einen Spielraum neben dem Gesetz offen läßt. Die Machtsphäre des Willens  neben  dem Gesetz ist also das Gemeinsame, worin die beiden Bedeutungen des Ausdrucks zusammentreffen, und was die Sprache im Auge hatte, als sie die beiden Anwendungsfälle trotz ihrer sonstigen erheblichen Verschiedenheit unter  einen  Begriff brachte.

In dem letzteren Sinn gebrauchen wir den Ausdruck bekanntlich nicht bloß von der Staatsgewalt, sondern von jedem, der zu befehlen, d. h. der die Aufgabe und die Macht hat, die Ordnung herzustellen. So vom Vater in Bezug auf seine Kinder - wir beschuldigen ihn der Willkür, wenn er das eine Kind vor dem andern bevorzugt, oder wenn er es grundlos straft. Dasselbe gilt vom Herrn gegenüber den Sklaven, vom Lehrer gegenüber den Schülern.

Aber, wird man mir einwenden, daß der Vater, der dies tut, übertritt doch kein  Gesetz,  denn kein Gesetz verbietet es ihm. Eben daraus ergibt sich, daß wir den Begriff des Gesetzes, wenn wir diesen Ausdruck beibehalten wollen, von dem Rechtsgesetz auf das Sittengesetz zu erweitern haben. Die sittliche Bestimmung des väterlichen Verhältnisses zeichnet dem Vater als dem Gewalthaber gewisse Normen vor, an die er unserem sittlichen Gefühl nach gebunden ist; mißachtet er sie, so bezeichnen wir diese Mißachtung der sittlichen Normen mit demselben Ausdruck der Willkür, wie die der rechtlichen durch die Träger der Staatsgewalt.

Die Notwendigkeit dieser erweiterten Begriffsfassung der Norm bewährt sich im staatlichen Verhältnis, zu dem wir nunmehr zurückkehren. Wir reden nämlich nicht bloß von willkürlichen Entscheidungen des Richters und Willkürakten der Regierung, wobei wir den Maßstab des positiven Rechts anlegen, sondern auch von willkürlichen Gesetzen. Nun steht aber die gesetzgebende Gewalt nicht wie der Richter und die Regierung  unter,  sondern  über  dem Gesetz; jedes Gesetz, welches sie erläßt, wie immerhin auch sein Inhalt beschaffen sei, ist im Rechtssinn ein vollkommen legaler Akt. Im juristischen Sinn kann die Gesetzgebung daher nie eine Willkür begehen, das würde heißen, daß ihr nicht das Recht zustände, die bestehenden Gesetze zu ändern - ein Widerspruch der gesetzgebenden Gewalt mit sich selber! Aber so wie der Vater, wenn auch nicht rechtlich, so doch sittlich verbunden ist, die ihm anvertraute Gewalt der Bestimmung des Verhältnisses gemäß zu gebrauchen, ebenso der Gesetzgeber die ihm zustehende Gewalt im Interesse der Gesellschaft. Sein Recht ist wie das des Vaters zugleich Pflicht, auch für ihn ergeben sich aus der Aufgabe, die ihm gestellt ist, Anforderungen, denen er gerecht werden, Normen, die er beachten soll, auch er also kann sich eines Mißbrauches der ihm anvertrauten Gewalt schuldig machen.

Aber nicht jeder Mißbrauch derselben ist Willkür; ein schlechtes, ein verfehltes Gesetz ist darum noch kein willkürliches. Des letzteren Ausdruckes bedienen wir uns nur in zwei Fällen. Einmal bei solchen Bestimmungen, welche ihrer Natur nach "willkürlicher", "positiver" Art sind, d. h. eine äußerliche, durch allgemeine Rechtsprinzipen nicht vorgezeichnete Regulierung erfordern, wie z. B. die Fixierung der Fristen der Verjährung. Wir gebrauchen dabei den Ausdruck in dem obigen guten Sinn: Willensbestimmung in Bezug auf einen Punkt, hinsichtlich dessen der Wille des Gesetzgebers durch die Prinzipien, durch die er sich unserer Ansicht nach leiten lassen soll,  nicht  gebunden ist. Im gehässigen Sinn dagegen gebrauchen wir den Ausdruck von solchen gesetzlichen Bestimmungen, bei denen der Gesetzgeber nach unserem Dafürhalten sich mit den allgemeinen Prinzipien des Rechts in Widerspruch gesetzt hat, wir erheben also damit gegen ihn den Vorwurf, daß er die Normen, die wir für ihn verbindlich erachten, außer Acht gelassen hat. Als gleichbedeutend bedienen wir uns hier des Ausdrucks:  ungerecht.  Die Kategorie der willkürlichen gesetzlichen Bestimmungen umfaßt demnach zwei ganz verschiedene Arten derselben: die  positiven,  für die es an jedem unserer Ansicht nach verbindlichen Maßstab fehlt, und die  ungerechten,  bei denen derselbe hintangesetzt ist.

Mit dem Ausdruck  ungerecht,  den wir bisher geflissentlich vermieden haben, führen wir einen Begriff ein, der mit dem der Willkür in engster Verbindung steht, den des  Gerechten.  Sprachlich bezeichnet er das  dem Recht Gemäße.  Den Ausdruck Recht im juristischen Sinn für das positiv geltende Recht genommen, würde "gerecht" mithin gleichbedeutend mit "gesetzlich", "rechtmäßig" sein. Jeder fühlt aber, daß er einen engeren Sinn hat. Von dem Untertanen, der das Gesetz befolgt, sagt niemand, daß er gerecht, von dem, der es übertritt, daß er ungerecht handle; wer zu gehorchen hat, kann eben so wenig gerecht, wie willkürlich handeln. Beides kann nur derjenige, welcher zu befehlen, d. h. die Macht und Beruf hat, Ordnung zu schaffen - die Ordnung des Staates: der Gesetzgeber und der Richter, die des Hauses: der Vater, die der Schule: der Lehrer, kurz jeder Vorgesetzte im Verhältnis zu seinen Untergebenen (6). Die lateinische Sprache hat in  justitia  (d. i. die Macht oder der Wille, welcher just sistit, d. h. das Recht, die Ordnung herstellt) diesen Gedanken treffend ausgeprägt, während unser deutsches Wort Gerechtigkeit das charakteristische Moment nicht hervorhebt. Gerechtigkeit und Willkür wären hiernach Korrelate; erstere wäre die Übereinstimmung, letztere die Nichtübereinstimmung dessen, der den Beruf und die Macht hat, die Ordnung im Kreise der ihm Untergebenen herzustellen, mit den Normen, an die wir ihn gebunden erachten.

Wir haben oben gesehen, daß diese Gebundenheit doppelter Art sein kann:  rechtlicher  und  sittlicher.  Für den Richter ist sie der ersteren, für den Gesetzgeber der zweiten Art, ersterer steht unter, dieser über dem Gesetz, jener ist rechtlich angewiesen, das Gesetz anzuwenden, und er ist gerecht, wenn er dies tut; die Ungerechtigkeiten des Gesetzes selber hat er nicht zu verantworten, sie fallen auf Rechnung des Gesetzgebers. Für diesen, der das Gesetz erst aufzustellen hat, läßt sich der Maßstab des Gerechten nicht dem Gesetz selber entnehmen, er muß und soll das Gerechte erst suchen und finden, um es im Gesetz zu verwirklichen. Es ist wünschenswert, diese Zwiespältigkeit des Begriffs der Gerechtigkeit sprachlich auszudrücken, und es bietet sich als nächst gelegener Ausdruck der der  richterlichen  und  gesetzgeberischen  Gerechtigkeit dar. Allein der Begriff der Gerechtigkeit fällt, wie oben gezeigt, mit der durch den Staat gehandhabten nicht zusammen, jener Gegensatz kann mithin nicht nach Einrichtungen benannt werden, die nur dem Staat angehören. Die geeignetste Bezeichnung dürfte  formale  und  materielle  Gerechtigkeit sein.

Nur die erstere fällt in den Bereich der gegenwärtigen Untersuchung, denn wir haben es hiernicht damit zu tun, woher die Staatsgewalt die Normen zu  nehmen,  sondern damit, daß sie die von ihr aufgestellten selber zu  beachten  habe. Die Bedingtheit des Verständnisses des Artbegriffs durch die Kentniss des Gattungsbegriffs legt mir jedoch die Nötigung auf, den Begriff der Gerechtigkeit hier wenigstens insoweit zu erörtern, als dies durch jenen Zweck geboten ist.

Das praktische Ziel der Gerechtigkeit ist die Herstellung der  Gleichheit,  das der materiellen die  innere  Gleichheit, d. h. das  Gleichgewicht  zwischen Verdienst und Lohn, zwischen Strafe und Schuld, das der formalen die  äußere  Gleichheit, d. h. die  Gleichmäßigkeit  in der Anwendung der einmal aufgestellten Norm auf alle Fälle. Die Lösung der ersteren Aufgabe ist im Staat Sache des Gesetzgebers. Er kann aber, wo das Verhältnis dies zuläßt und erfordert, den Richter anweisen, selber jenen Maßstab des inneren Gleichgewichts zur Anwendung zu bringen, wodurch dann derselbe für letzteren den Charakter eines  formal  verbindlichen annimmt. Die Aufgabe des Richters geht auf in der Lösung der zweiten Aufgabe ( Rechtspflege);  warum nur  seine,  warum nicht auch die aller anderen Organe, welche mit der Ausführung der Gesetze betraut sind ( Verwaltung),  wird unten gezeigt werden.

Eine Entscheidung des  Richters,  welche dem Gesetz entspricht, nennen wir  gerecht,  eine Verfügung der  Verwaltungsbehörde  im gleichen Fall nicht gerecht, sondern  gesetzmäßig,  im entgegengesetzten Fall aber beide gleichmäßig  willkürlich.  Daraus ergibt sich, daß Willkür und Gerechtigkeit nicht schlechthin korrelate Begriffe sind, daß die Negative hier nicht mit der Positive zusammenfällt, sondern über sie hinausreicht. Der Begriff der Gerechtigkeit ist auf diejenigen Gewalten beschränkt, für welche der Gedanke der  Gleichheit im Recht  der maßgebende ist: den Gesetzgeber und den Richter. Der Begriff der Willkür dagegen erleidet auf alle Staatsbehörden Anwendung, auf jede Verwaltungsbehörde und selbst auf die Regierung; letztere kann  willkürlich  handeln, wenn sie nämlich den Lauf des Rechts hemmt, aber sie kann nicht  gerecht  handeln, da sie keinen Anteil an der Rechtspflege hat. Umgekehrt wenden wir auf Gott den Begriff der Gerechtigkeit an, während der der Willkür mit seinem Wesen unverträglich ist. Dort Willkür ohne die Möglichkeit der Gerechtigkeit, hier Gerechtigkeit ohne die Möglichkeit der Willkür - beide Begriffe decken sich also nicht.

Also der Grundsatz der  Gleichheit  im Recht ist es, auf dem der Begriff der Gerechtigkeit beruht? Was ist denn so Großes um die Gleichheit, daß wir den höchsten Begriff des Rechts - denn das ist die Gerechtigkeit - nach ihr bemessen? Warum soll das Recht die Gleichheit erstreben, da die ganze Natur sie verleugnet? Und welchen Wert hat die Gleichheit unabhängig von jeder inhaltlichen Bestimmung derselben? Gleichheit kann ja auch Gleichheit des Elends sein. Ist es ein Trost für den Verbrecher, zu wissen, daß die Strafe, die ihn ereilt hat, auch alle anderen in gleicher Lage treffen wird? Die Forderung der Gleichheit scheint ihren letzten Grund in einem häßlichen Zuge des menschlichen Herzens, in Mißgunst und Neid zu haben - niemand soll es besser oder weniger schlecht haben, als ich; bin ich elend, so auch jeder andere!

Allein nicht darum wollen wir im Recht die Gleichheit, weil sie an sich etwas Erstrebenswertes wäre - denn das ist sie keineswegs, und es ist dafür gesorgt, daß neben aller Gleichheit des Rechts aus tausend Quellen wiederum die Ungleichheit hervordringt - sondern darum wollen wir sie, weil sie die Bedingung des  Wohles  der Gesellschaft ist. Wenn die Lasten, welche die Gesellschaft ihren Mitgliedern auferlegt, ungleich verteilt werden, so leidet nicht bloß derjenige Teil, der zu schwer belastet ist, sondern die ganze Gesellschaft, der Schwerpunkt ist verrückt, das Gleichgewicht gestört, und die natürliche Folge davon ist der soziale Kampf zum Zweck der Herstellung des Gleichgewichts, unter Umständen eine höchst gefährliche Bedrohung und Erschütterung der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung.

LEIBNIZ findet das Wesen der Gerechtigkeit in dem Gedanken des Ebenmaßes, aber das Ebenmaß, das er verlangt, scheint weniger den praktischen Zweck der gleichen Verteilung des Schwergewichts und der dadurch zu erzielenden Festigkeit der sozialen Ordnung als die ästhetische Befriedigung des Gefühls für Schönheit, den harmonischen Eindruck dieser Ordnung nach Art eines Kunstwerkes im Auge zu haben. Bei einem Verhältnis aber, bei dem es sich nicht um die Schönheit, sondern um die Verfolgung praktischer Zwecke handelt, ist nicht der ästhetische, sondern der praktische Gesichtspunkt der maßgebende, und die Forderung der Gleichheit läßt sich hier nur durch den Nachweis begründen, daß und wie sie durch die Natur jener Zwecke geboten ist. Es muß mithin nachgewiesen werden, wie die Aufgabe, welche die Gesellschaft zu lösen hat, durch die Verwirklichung der Gleichheit bedingt ist. Die römische Societas soll uns darauf die Antwort erteilen.

Die römischen Juristen erkennen den Grundsatz der Gleichheit ausdrücklich als den leitenden Gesichtspunkt, als das Organisationsprinzip der societas an, aber nicht die  äußere, absolute, arithmetische,  welche jedem Teilnehmer ganz denselben Teil zuerkennt wie dem anderen, sondern die  innere, relative, geometrische,  welche den Anteil bemißt nach dem, was jeder beisteuert. Es war also nicht die Idee der abstrakten Gleichheit der einzelnen Individuen, sondern die des Gleichgewichts zwischen Einsatz und Gewinn, m. a. W. die Idee des  Äquivalents  in besonderer Anwendung auf die Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die gedeihen soll, muß der vollen Hingabe des einzelnen Mitgliedes an den Gesellschaftszweck sicher sein, und zu dem Zweck muß sie ihm das volle Äquivalent für seine Mitwirkung gewähren; tut sie es nicht, so gefährdet sie ihren eigenen Zweck, das Interesse des benachteiligten Mitgliedes vor der Verfolgung des gemeinsamen Zweckes schwächt sich ab, sein Eifer, seine Tatkraft erlahmt, eine der Federn der Maschine versagt, und damit gerät letztere selber ins Stocken. Ungleichheit in der Verteilung der Vorteile der Gesellschaft und die dadurch bewirkte Schädigung des Einzelnen ist Schädigung der Gesellschaft selber.

Das praktische Interesse des Bestehens und Gedeihens der Gesellschaft also ist es, welches ihr den Grundsatz der Gleichheit in diesem Sinne diktiert, nicht der aprioristische kategorische Imperativ einer in allen menschlichen Verhältnisse zu verwirklichenden Gleichheit; würde die Erfahrung zeigen, daß sie bei der Ungleichheit besser bestehen kann, so würde letztere den Vorzug verdienen. Ganz dasselbe gilt auch von der bürgerlichen Gesellschaft, gleichmäßig was die  Art  der Gleichheit anbetrifft, welche das Gesetz innerhalb ihrer zu verwirklichen hat, als das  praktische Interesse  derselben. Nicht der Standpunkt des Individuums, sondern der der Gesellschaft ist dafür der maßgebende. Von ersterem aus gelangt man zu der äußeren, mechanischen Gleichheit, welche alle mit demselben Maße mißt: Kleine und Große, Reiche und Arme, Kinder und Erwachsene, Kluge und Dumme, und welche dadurch, daß sie das Ungleiche als gleich behandelt, in Wirklichkeit die größte Ungleichheit herbeiführt (summum jus summa unjura). Dabei kann die Gesellschaft nicht bestehen; es hieße die Verschiedenheiten, die innerhalb ihrer tatsächlich vorhanden sind und sein müssen, praktisch negieren. Die Anforderung einer derartigen Gleichheit wäre um nichts besser, als wenn alle Glieder des menschlichen Körpers völlich gleich gestaltet sein wollten; sie müssen verschieden sein, damit von einem Körper die Rede sein kann. Ebenso im gesellschaftlichen Körper. Die Gleichheit, welche innerhalb seiner zu verwirklichen ist, kann nur die relative sein: das Gleichmaß zwischen der Leistungsfähigkeit und der auferlegten Leistung, zwischen der Aufgabe und den Mitteln zu ihrer Lösung, zwischen Verdienst und Lohn, zwischen Verschuldung und Strafe. Ihr Wahlspruch lautet: suum cuique (Jedem das Seine), - das suum bemessen nach der Eigenartigkeit der Voraussetzungen. Darauf beruht der Begriff der wahren Gerechtigkeit. Die Gleichheit, welche sie anstrebt, ist die des Gesetzes selber, das Gleichgewicht zwischen den Bestimmungen des Gesetzes und ihren Voraussetzungen. Darauf beruht der Begriff der wahren Gerechtigkeit. Die Gleichheit, welche sie anstrebt, ist die des Gesetzes selber, das Gleichgewicht zwischen den Bestimmungen des Gesetzes und ihren Voraussetzungen. Gerecht nennen wir dasjenige Gesetz, bei dem unserem Urteil nach dieses Gleichgewicht vorhanden ist, ungerecht dasjenige, bei dem wir es vermissen. Ungerecht ist das Gesetz, welches dem Armen dieselben Lasten auferlegt, wie dem Reichen, denn es sieht über die Verschiedenheit der Leistungsfähigkeit hinweg, ungerecht das Gesetz, welches das leichte Verbrechen mit derselben Strafe belegt, wie das schwere, denn es ignoriert das Ebenmaß zwischen Verbrechen und Strafe, ungerecht dasjenige, welches den Unzurechnungsfähigen ebenso behandelt, wie den Zurechnungsfähigen, denn es mißachtet das Moment der Verschuldung.

Man kann dies zugeben und doch die praktische Bedeutung der Gerechtigkeit in diesem Sinn für die Gesellschaft in Abrede stellen. Wenn letzteres von Seiten der Ethik nicht zu geschehen pflegt, so hat dies nicht darin seinen Grund, daß sie jene praktische Bedeutung stillschweigend einzuräumen beabsichtigt, sondern daß ihr der Gedanke an sie gänzlich fern liegt; der Gesichtspunkt, den sie für die Gerechtigkeit anruft, ist der ethische: derselbe apodiktische [logisch zwingende, demonstrierbare - wp] Imperativ des sittlichen Gefühls, auf den sie ihr ganzes System des Sittlichen baut. Die Auseinandersetzung mit demselben kann erst bei der Theorie des Sittlichen erfolgen, wo ich ihm den praktischen Gesichtspunkt des Wohles der Gesellschaft gegenüber setzen werde. Das Ergebnis derselben wird sich wie für alle Fragen des Sittlichen so auch für die von der Gerechtigkeit als maßgebend erweisen, aber schon bei der gegenwärtigen Veranlassung dürfen und wollen wir nicht versäumen, die praktische Seite der Gerechtigkeit hervorzuheben. Nicht um sie in erschöpfender Weise zu behandeln, was sich durch die untergeordnete Bedeutung, welche die Frage für den gegenwärtigen Zweck hat, von selbst ausschließt, sondern um ihr das eigene Nachdenken des Lesers zuzuwenden.

Der sicherste Weg, um zur Klarheit zu gelangen, wird für ihn darin bestehen, wenn er die Frage negativ faßt: wie wirken ungerechte Gesetze in politischer, national-ökonomischer und moralischer Beziehung? Ich glaube, es dürfte ihm nicht schwer fallen, die nachteiligen Wirkungen derselben nach allen drei Richtungen zu konstatieren und dadurch positiv zur Erkenntnis zu gelangen, in welchem Maße die Kraft, das Wohl und Gedeihen des Gemeinwesens an der Gerechtigkeit hängt.

Ich greife einen einzelnen Anwendungsfall heraus, nicht weil gerade er besonders wichtig wäre, sondern weil sich bei ihm die Erkenntnis des wahren Verhältnisses der Beachtung am leichtesten entziehen kann: Es ist die nationalökonomische Seite der Strafgerichtsbarkeit. Ich lasse dabei die ethische ganz außer Acht und halte mich ausschließlichh an den utilitaristischen Gesichtspunkt.

Die Strafe in der Hand des Staates ist ein zweischneidiges Schwert; bei verkehrtem Gebrauch kehrt sie ihre Spitze gegen ihn selbst, schädigt mit dem Verbrecher zugleich ihn selber. Mit jedem Verbrecher, den er hinrichtet, beraubt er sich eines seiner Mitglieder, mit jedem, den er ins Gefängnis oder Zuchthaus sperrt, legt er dessen Arbeitskraft lahm. Die Erkenntnis des Werts eines Menschenlebens und der Menschenkraft hat für das Kriminalrecht eine eminente praktische Bedeutung. Hätte nicht BECCARIA in seinem berühmten Werk über Verbrechen und Strafen (1764) seine Stimme gegen die Maßlosigkeit der Strafen erhoben, so hätte ADAM SMITH in dem seinigen über die Ursachen des Nationalreichtums (1776) es tun müssen. Wäre es  ihm  zugefallen, so würde er ausgeführt haben, daß die Gesellschaft, welche ohne die dringendste Nötigung das Leben oder die Arbeitszeit der ihrigen dem Strafzweck opfert, eben so gegen ihr eigenes Interesse handelt, wie der Eigentümer, welcher sein Tier durch Mißhandlung schädigt. Wie in der Urzeit des Menschengeschlechts die Erkenntnis des Wertes des Menschenlebens und der Menschenkraft der erste Schritt zur Menschlichkeit war, indem diese Erkenntnis den Sieger bestimmte, den gefangenen Feind am Leben zu lassen, anstatt ihn abzuschlachten, ebenso kann und soll dieselbe Erkenntnis auch in dem Verhalten der Gesellschaft gegen den inneren Feind der Menschlichkeit den Weg bahnen - ihr eigenes wohlverstandenes Interesse erheischt die sorgsamste Abwägung der anzudrohenden Strafen. Wo die Geldstrafe ausreicht, keine Freiheitsstrafe, wo letztere ausreicht, keine Todesstrafe! Bei der ersten Strafe erleidet nur der Schuldige, nicht die Gesellschaft einen Nachteil, bei den letzteren muß sie das Übel, das sie über ihn verhängt, mit eigenem Verlust erkaufen, jedes Zuviel fällt auf sie zurück.

Die bisherige Ausführung hatte zum Zweck, die Begriffe, welche die Begriffsentwicklung der zweiseitigen Norm an uns herantrug: Willkür, Gleichheit, Gerechtigkeit genauer festzustellen und die Anwendung, welche sie auf den Gesetzgeber erleiden, von derjenigen beim Richter, um die es uns allein zu tun ist, abzuheben. Wir kehren nunmehr zur zweiseitigen Norm zurück.

Wir bestimmten den Begriff derselben oben als  Unterordnung  der Staatsgewalt unter die von ihr selber erlassenen Gesetze. Was heißt Unterordnung? Wie kann die Staatsgewalt sich  unterordnen, da sie ja ihrem Begriff nach keine andere Gewalt  über  sich hat? Oder wenn die Unterordnung lediglich in Selbstbeschränkung besteht, wer sichert dieselbe? Wie gelangt sie zu dem Gedanken, sich ein Maß, eine Beschränkung in Bezug auf den Gebrauch ihrer Gewalt aufzuerlegen? Tut sie wohl daran? Darf sie es in allen Richtungen tun? Oder gibt es nicht eine Sphäre, wo auch das bloß einseitig verbindende Gesetz und selbst die Invidualverfügung ihre volle Berechtigung hat?

Das sind die Fragen, auf welche wir uns Aufklärung verschaffen müssen. Ich ordne das Material, das sie in sich schließen, unter folgende drei Gesichtspunkte:
    1. das  Motiv, 
    2. die  Garantien, 
    3. die  Grenzen  der Unterordnung der Staatsgewalt unter das Gesetz
LITERATUR, Rudolf von Jhering, Der Zweck im Recht, Leipzig 1884
    Anmerkungen
    1) Gleichwohl ist einer unserer namhaftesten Juristen vor dieser ungeheuerlichen Idee eines Rechtssatzes ohne Rechtszwang nicht zurückgebebt. PUCHTA (Pandekten § 11, Note g) meint: wenn die Gesetzgebung das Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle aufhebe, so habe dies nur den Erfolg, dasselbe seiner "Wirkung auf den Richter zu berauben", es besteht also seiner Ansicht nach gleichwohl als Recht fort, nur der Richter wendet es nicht an! Ganz so gut könnte man sagen: wenn das Feuer durch Wasser gelöscht ist, so bleibt es immer noch Feuer, es brennt nur nicht. Für das Feuer ist das Brennen nicht wesentlicher, als für das Recht die Erzwingung seiner Befolgung durch den Richter. Was PUCHTA irre führte, war die oben erörterte Möglichkeit der freiwilligen Befolgung von Normen innerhalb eines gewissen Kreises; wäre sie ausreichend, um der Norm den Charakter eines Rechtssatzes zu verleihen, so müßten auch die Normen eines verbotenen Vereins Rechtssätze sein.
    2) Von den praktischen Römern richtig erkannt. Gegen die Träger der staatlichen Gewalt: die Magistrate, verstatteten sie, so lange sie im Amt waren, keinen Gerichtszwang.
    3) Verwertung der Vorstellung des  Bindens  für das Verhältnis von Seiten der Sprache: deutsch  Verbindlichkeit,  lateinisch  obligatio  (von ligare = binden), das altrömische  nexum  (von nectere = binden),  contrahere  (das Band zusammenziehen),  solvere  (es lösen),  jus  (= das Bindende, von der Sanskritwurzel ju = verbinden).
    4) Die Vorstellung des Auflegens sprachlich ausgedrückt: lateinisch in  lex  (leg-ere = leg-en; lex publica = Gesetz, lex privata = Auflage im Testament oder Vertrag), sodann in  imperare  (endo parare = auflegen, der imperativ weist sprachlich wie sachlich auf ein imperium zurück) deutsch  Auflage,  Obliegenheit. Für das Abhängigkeitsverhältnis des Untergebenen bedient sich die Sprache des  Hörens, Horchens:  die  Hörigen,  gehorsam, gehorchen, 
    ebenso lat.  ob-edire  von audire. Übertragen von Personen auf Sachen:  das Gehören  = die Sache gehört mir.
    5) Die entsprechenden lateinischen Ausdrücke:  justum,  injustum, injuria 
    von jus,  legitimum  von lex.  Rechtlich  hat bekanntlich einen anderen Sinn, ebenso das von lex (loi) gebildete  loyal.  Beide präzidieren im Gegensatz zu der möglicherweise bloß durch die Rücksicht auf den sonst eintretenden Zwang bewirkten  äußeren  Befolgung des Gesetzes, dem legalen gesetzmäßigen  Handeln,  die  innere  mit dem Zweck des Rechts in Harmonie befindliche  Willens-stimmung, die  Gesinnung;  der rechtliche, loyale Mann handelt gesetzmäßig, auch wenn er das Gesetz nicht zu fürchten hat, aus innerem Drang; - die  Loyalität  ist das Endziel des Rechts, die  Legalität  ist nur die Vorstufe dazu.
    6) Unsere Sprache bedient sich des Ausdruckes: gerecht und ungerecht noch in einem weiteren Sinn, der uns hier nicht interessiert, nämlich in Anwendung auf das Urteil (wissenschaftliches, ästhetisches, sittliches), das jemand über einen anderen oder dessen Leistungen fällt. Auch hier kehren die oben hervorgehobenen entscheidenden Merkmale des Begriffs wieder, nämlich einmal die Superiorität dessen, der urteilt, über denjenigen, der beurteilt wird - er wirft sich damit zum Richter desselben auf, er stellt sich über ihn - und sodann die Annahme einer Gebundenheit desselben auf, er stellt sich über ihn - und sodann die Annahme einer Gebundenheit desselben an gewisse seinem Urteil zugrunde zu legende Normen; beachtet er sie, so urteilt er gerecht, mißachtet er sie, so nennen wir sein Urteil ungerecht.