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JOHANNES von MALOTTKI
Das Problem des Gegebenen
[ 3/7 ]

    - Einleitung - Der Umfang des Problems
I. Der Monismus des Gegebenen
II a. Der monistische Dualismus
II b. Der erkenntnistheoretische Dualismus
III. Die Logisierung des Gegebenen
IV. Der Monismus der Funktion
V. Das Gegebene als Grenzbegriff: Seine Dialektik
   
"Das logische Prius, das maßgebende, ist und bleibt das Gegebene und nur in der Form der Abbildung der gegebenen Realität an sich wird die Funktion des Denkens wirksam."
   

Zweites Kapitel
Der monistische Dualismus:
Korrelation des Gegebenen und des Bewußtseins.


I.

Die Frage, ob unsere gegenständliche Erkenntnis ein Gegebenes anzuerkennen habe, hat der Monismus des Gegebenen nicht zu klären vermocht. Indem er zwei Begriffe des Gegebenen, die im Grunde nicht mehr als den Namen gemeinsam haben, zu vereinigen suchte, gelang von seinem Standpunkt aus weder die Bestimmung des Gegebenen noch des Gegenstandes. Mit innerer Notwendigkeit drängt die Bewegung des Problems einer anderen Lösung entgegen. Die Problemlösung, die der Standpunkt der reinen Erfahrung bietet, weist eben durch ihre inneren Widersprüche über sich hinaus.

Es ist im Grunde ein Moment gewesen, das die Unmöglichkeit einer Absolutsetzung des Gegebenen offenbarte: der Begriff der Form. Die Nichtbeachtung der Tatsache, daß in unserer Erkenntnis ein Formproblem vorhanden ist, führte zu der Umbildung und Degradierung der gegenständlichen Welt, also dessen, was wir die Ergebnisgegebenheit nannten. Umgekehrt war die Bestimmung des "eigentlich" Gegebenen, der denkfremden Voraussetzung, durch die Hineinnahme formaler Momente nicht geglückt. So ist die Frage weiter offen geblieben: gibt es ein dem denkenden Subjekt im strengen Sinne Gegebenes, d. h. Bewußtseinsfremdes, das der Gegenstandserkenntnis als Grundlage und Maßstab dient? Die Verwirrung, die der Monismus des Gegebenen angerichtet hat, läßt nun vorerst das Bedürfnis entstehen, das Gegebene und das Wirkliche prinzipiell zu trennen. Und es liegt nahe, die Ergebnisgegebenheit beiseite zu lassen, wenn die Untersuchung jetzt auf das eigentlich Gegebene, auf die denkfremde und denkunabhängige Voraussetzung, gerichtet wird.

Auf dieser Ebene nimmt die Philosophie VOLKELTs das Problem des Gegebenen auf. VOLKELT geht davon aus, daß es bei der Gleichsetzung des Gegebenen und des Gegenstandes nicht bleiben darf. Die Voraussetzungsgegebenheit muß unter allen Umständen von der Ergebnisgegebenheit deutlich unterschieden werden. "Vielmehr müssen wir uns zum erkenntnistheoretischen Dualismus bekennen: der einmalige Gegenstand, den wir mit unseren Wahrnehmungen meinen, ist ein schlechtweg nicht unserem Bewußtsein unmittelbar Gegenwärtiges; es liegt außerhalb unserer Bewußtseinsgegebenheiten." (1) Geht VOLKELT in diesem Punkte über den Monismus des Gegebenen hinaus, so unterscheidet er sich auch in einer anderen Hinsicht von ihm. Die Verquickung der Voraussetzungs- und der Ergebnisgegebenheit im Begriff der reinen Erfahrung läßt die eigentliche Frage, ob es ein Denkfremdes gibt, gänzlich unbeantwortet. "Die reine Erfahrung verfügt schlechterdings über kein Mittel, um auch nur wahrscheinlicher- oder vermutungsweise zur Annahme irgendeines transsubjektiven Seins zu kommen." (2) Was das "transsubjektive Sein" für unser Problem bedeutet, ob es die gesuchte denkfremde Voraussetzung ist, werden wir noch untersuchen. Zunächst behalten wir im Auge, daß die Fragestellung VOLKELTs den Begriff des Gegebenen von jeder Verbindung mit Denkelementen freihalten will. Die Aussicht, das Problem des Gegebenen lösen zu können, scheint nach VOLKELTs Meinung nur dann zu bestehen, wenn das Gegebene seinem Sinne nach reduziert wird auf den Begriff der (denkfremden) Voraussetzung.

Mit diesem "kritischen" Gedankengang kreuzt sich aber bei VOLKELT eine andere Überlegung. Erweist sich auch nach seiner Ansicht der monistische Standpunkt als unmöglich, so liegt ihm doch ein berechtigtes Motiv zugrunde: der Gesichtspunkt der Tatsache und seine Bedeutung für das Gegebenheitsproblem. Wir sahen, wie das Tatsachenmotiv durch den Grundsatz der Rezeptivität in das Gegebenheitsproblem hineingebracht wurde. Von hier aus scheint ja das Gegebene im Bestand des Tatsächlichen vorzuliegen. Nun aber zeigt die innere Haltlosigkeit der reinen Erfahrung, daß Gegebenes und Tatsache, d. h. Gegenstand, nicht identisch sind. Dennoch, meint VOLKELT, besteht der Grundsatz der Rezeptivität zu Recht, er müsse nur in der richtigen Weise zur Anwendung gebracht werden. Der Monismus des Gegebenen hatte das Tatsachenmotiv für das Gegebene in der Weise wirksam werden lassen, daß er zur Aufstellung der denkfreien Tatsache schritt. Aber sofern innerhalb des denkbestimmten und denkbezogenen Tatbestandes ein denkfreies Objekt vorliegen sollte, ergaben sich die Widersprüche dieses Standpunktes. Und das hat auch VOLKELT der reinen Erfahrung gegenüber eingesehen: vom Denkbestimmten her läßt sich der Tatsachengedanke in keiner Weise für das bewußtseinsfremd Gegebene verwerten; vergeblich suchte der Monismus des Gegebenen die Bewußtseinsunabhängigkeit seiner Gegebenheiten zu eliminieren, ein Denkfremdes lag trotz alledem nicht vor.

Wenn nun auch im Reich des Denkbestimmten von einem Gegebenen in diesem Sinne nicht gesprochen werden kann, so glaubt VOLKELT doch in anderer Weise den Grundsatz der Rezeptivität aufrechterhalten zu können. Unser Erkennen sei nämlich nicht nur denkendes Verknüpfen, sondern es gäbe daneben noch eine "durch sich selbst einleuchtende Gewißheit", die von der Gewißheit des Denkens unterschieden werden könne. Es gibt nach VOLKELT ein unmittelbare "Selbstgewißheit des Bewußtseins", in der wir, unabhängig von allem Denken, ein Etwas einfach im Bewußtsein haben. Und dieses unmittelbare Bewußtsein sei dadurch ausgezeichnet und gekennzeichnet gegenüber dem urteilenden Denken, daß es dem Grundsatz der Rezeptivität entsprechen soll. So biete es die Gewähr, daß in ihm das Gegebene unverfälscht und noch nicht vom Denken und seinen Formen berührt aufgefaßt wird.

In gewissem Sinne scheint also VOLKELT noch einmal den Versuch, der dem Monismus nicht geglückt ist, zu wiederholen: nämlich den Gedanken der Tatsache mit dem Begriff der Denkfremdheit zu verbinden. Zunächst bedeutet ihm ja die Selbstgewißheit des Bewußtseins "ein schlechterdings logisch Unauflösliches, ein für den Standpunkt des Denkens einfach Gegebenes, ein im Vergleich mit dem Denken schlechtweg Andersartiges." (3) Und auch der Tatsachengedanke wird zum Ausdruck gebracht: "Es handelt sich um eine Tatsache, die allem Denken, aller Logik gegenüber unangreifbar dasteht." (4) "Das Denken muß sie (diese vorlogischen Tatsachen), auch wenn sie ihm unbequem sind, anerkennen und mit ihnen fertig zu werden trachten." (5) Nach alledem könnte man annehmen, VOLKELTs Beginnen unterscheide sich in nichts von der Absolutierung des Gegeben zur denkfremden Tatsache und sei damit auch durch die an der denkfreien Tatsache geübte Kritik widerlegt.

Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, daß VOLKELTs "vorlogische Gewißheit" von der reinen Erfahrung in zwei Punkten abweicht und damit auch den gegen die letztere gerichteten Argumenten entgangen zu sein scheint. Zunächst hält VOLKELT daran fest, daß die in der Selbstgewißheit des Bewußtseins gegebene Tatsache auch immer einem Bewußtsein gegeben sein muß. Er sieht die größte Widersinnigkeit darin, die vorlogischen Tatsachen ihres eigentlichen Charakters, nämlich ihrer Bewußtseinsbezogenheit, zu entkleiden. Das bedeutet die Selbstaufhebung der unmittelbaren Bewußtseinsgewißheit.

Damit hängt ein Anderes zusammen. Ist der Bereich des in der vorlogischen Gewißheit Gegebenen an das Bewußtsein als an seine Bedingung gebunden, kann er nur im Bewußtsein aufgezeigt werden, dann ist er auch in seinem Anspruch anders zu bewerten, als die als denkunabhängig ausgegebenen Tatsachen der reinen Erfahrung. "Nach meiner Auffassung ... besteht das Gegebene in der Gewißheit des unmittelbaren Erlebens." (6) Damit hat VOLKELT eine entscheidende Wendung vollzogen. Was er das in der Selbstgewißheit des Bewußtseins Gegebene nennt, soll wohl vom Denken unberührt sein, da es ja ein in sachlicher Beziehung "vor" dem urteilenden Denken Liegendes und in diesem Sinne Vorgefundenes sein soll; es ist damit aber noch VOLKELTs Ansicht keineswegs von der Beziehung zum Bewußtsein losgelöst und auf sich selbst gestellt. Nur vom Denken ist das vorlogisch Gegebene unabhängig, dagegen weist der Terminus "unmittelbare Erlebnisgewißheit" unzweideutig auf ein das Gegebene "erlebendes Bewußtsein" hin. Anders ausgedrückt: Die vorlogische Gegebenheit VOLKELTs bedeutet kein Bewußtseinsfremdes, sondern ein primitives, dem verknüpfenden und zusammenhangschaffenden Denken voraufgehendes Stadium der Erkenntnis. Nicht liegt, wie der vieldeutige Ausdruck "gegeben" es zunächst erscheinen lassen mag, der Gegensatz von Voraussetzungs- und Ergebnisgegebenheit im bisher behandelten Sinne vor, daß also ein Transzendentes dem Immanenten gegenüberstehen würde, sondern innerhalb des bewußtseinsbezogenen Bestandes, innerhalb der Bewußtseinsimmanenz, werden zwei verschiedene Stadien des Erkenntnisvollzuges herausgegriffen: der erste primitive Akt des unmittelbaren Erlebens und das schließliche Ergebnis, der "fertige" Urteilsgegenstand. Diese Bedeutungsverschiebung, die der weite Begriff: gegeben verbirgt, ist wohl zu beachten.

Nun wird es auch verständlich, daß das Gegebene bei VOLKELT einen unfertigen, vorläufigen Charakter hat. Diese Deutung könnte augenscheinlich auf das Bewußtseinsfremde im eigentlichen Sinne ebensowenig angewendet werden, wie auf die immanente Ergebnisgegebenheit, den objektiven Urteilsgegenstand. Verständlich wird die vorlogische Gegebenheit nur, wenn sie weder als transzendente Voraussetzungs-, noch als immanente Ergebnisgegebenheit erkannt wird: als das unmittelbare Erleben von Bewußtseinsinhalten, die weiterhin, nach VOLKELTs Ansicht, dem urteilenden Denken gegeben sind. So befinden wir uns in der vorlogischen Selbstgewißheit einerseits im Bereich des Gegebenen, - vom Standpunkt des urteilenden Denkens aus - andererseits - vom Standpunkt des Bewußtseins aus - in einer auf das letztere bezogenen und von dem letzteren abhängigen Sphäre. Sie bedeutet nur den Anfang der Erkenntnis, noch nicht die gegenständliche Wirklichkeit; denn ihre Seinsweise ist die des unmittelbaren Erlebens. Und so vertraut und gesichert uns die Intimität des Erlebens dünken mag, es vollzieht sich nicht im Sinne des allgemeingültigen Urteils.

Hieraus ergibt sich noch ein weiteres. Soll das Gegebene zunächst den Bestand der Erlebnisse, des unmittelbaren Bewußtseins, ausdrücken, dann geht es auch über den Bereich der reinen Erfahrung hinaus. "Das Erkennen hat nicht etwa nur am Empfindungsstoff ein unmittelbar Gegebenes, sondern alle durch Selbstgewißheit des Bewußtseins festgelegten Regelmäßigkeiten bilden für die Arbeit des Denkens eine vorlogisch vorhandene Schicht." (7) "Hier gehört also jedweder Inhalt, mag er Empfindung, Erinnerung, Phantasiegestalt, Gedanke, Gefühl, Begehren, Wollen sein, zum Gegebenen, wofern er mir durch die Selbstgewißheit des Bewußtseins verbürgt wird." (8) Das Gegebene umfaßt also nicht nur einfache Inhalte, sondern auch komplexe, in gewissen Beziehungen stehende, Gebilde. Aber ausdrücklich lehnt VOLKELT es ab, diese Bezeichnungen, die nur als "sprachliche Zeichen" anzusehen seien, im Sinne allgemeingültiger und notwendiger kategorialer Bestimmungen zu fassen. Die Sphäre des Geltens, der allgemein geltenden Aussagen, ist nicht gegeben. Und wo über das in der Selbstgewißheit des Bewußtseins Gegebene bestimmte Zusammenhänge und Beziehungen ausgesagt werden, da handelt es sich nach VOLKELT nicht um etwas logisch Notwendiges, begrifflich Allgemeines, sondern nur um die sprachliche Festlegung unmittelbarer, d. h. unfertiger und primitiver Erlebnistatsachen.

In dieser Weise sucht VOLKELT das positivistische Motiv, den Grundsatz der Rezeptivität aufrechtzuerhalten. Der Fehler des Monismus des Gegebenen bestand seiner Ansicht nach in der gewaltsamen Loslösung des rezeptiv aufgenommenen Gegebenen vom Bewußtsein, während das vorlogisch Gegebene wohl vom Denken, nicht aber von der Beziehung zu einem Bewußtsein unabhängig sei. Und das ist nun VOLKELTs Überzeugung: daß die Bewußtseinsrelation des Gegebenen der Forderung der Rezeptivität nicht zuwiderläuft. Anders ausgedrückt: VOLKELT versucht neben dem Denken und unabhängig von ihm ein andersgeartetes Erkenntnisvermögen aufzudecken, das im Gegensatz zur Spontaneität des Denkens rein rezeptiven Charakter haben soll. Mit dieser Unterscheidung der beiden Erkenntnisweisen glaubt er die Möglichkeit geschaffen zu haben, in gewissen Grenzen das positivistische Motiv für das Gegebenheitsproblem aufrechterhalten zu können. Und unter den oben behandelten Einschränkungen sollen doch noch gegebene Tatsachen vorhanden sein, an denen das Denken gänzlich unbeteiligt ist. "Wenn das Seiende, worauf sich das Denken erstreckt, in reinen Erfahrungstatsachen besteht, dann ist für das Denken ohne sein Zutun ein Seiendes Vorhanden." (9) Hier wird der Sachverhalt ganz deutlich. VOLKELT glaubt kein weiteres Erkenntnisprinzip als das der reinen Erfahrung zu benötigen, um den eigenen Bewußtseinsinhalt zu konstatieren. Ja, er will den Ausdruck "Urteil" auf diese einfachen Konstatierungen, die "ein bloßes Aussprechen der reinen Erfahrung sind", nicht anwenden (10). Aus alledem geht eindeutig hervor, daß wir es hier nach VOLKELTs Ansicht mit einer im Prinzip anders gearteten Erkenntnisweise zu tun haben.

Bevor wir hierauf eingehen, verfolgen wir den Gedankengang des Problems zunächst weiter. Ist nämlich der Grundsatz der Rezeptivität in gewissem Sinne auch beibehalten, so ist damit doch nicht einem Monismus des Gegebenen das Wort geredet. Von der "vorlogischen Schicht" des Gegebenen ist, was aus dem bisher Gesagten einleuchtet, die gegenständliche Erkenntnis der Wirklichkeit nicht zu begreifen. Denn nur der Anfang der gegenständlichen Welt liegt im Bestand des Gegebenen vor. Die Selbstgewißheit des Bewußtseins, in der es sich findet, geht in Einzelfällen des Erlebens auf, die nichts von "Begrifflichkeit und Wesensgesetzlichkeit" mit sich führen. Der Bereich des allgemein Gültigen und Gesetzlichen ist jeder "Gegebenheitsphilosophie" unerreichbar.

Richten wir unser Augenmerk auf das Problem des Gegenstandes und seine Erkenntnis, dann verändert sich die Situation von Grund auf. Unter dem Gesichtspunkt der Denkfremdheit, nicht mehr der Bewußtseinsfremdheit, erweisen sich die vorlogischen Gegebenheiten als selbständige, von der Eigenart der Selbstgewißheit konstituierte Erkenntniserlebnisse. Unter dem Gesichtspunkt des Gegenstandes, der Ergebnisgegebenheit, haben sie jedoch keinen selbständigen Wert; sie sind ja noch nicht die volle gegenständliche Wirklichkeit und stellen eine untergeordnete Stufe der letzteren dar. Wir deuteten schon in der Einleitung an, daß das Gegebene im Sinne des Ergebnisses letztlich irgendwie am Satz der Spontaneität des Denkens orientiert ist. Und so liegt es nahe, auf das logische Denken für die Gegenstandsbegründung zurückzugreifen. Aber daneben besteht doch auch die andere Frage, ob der Gegenstand, die Ergebnisgegebenheit, allein vom Denken her sicherzustellen ist, oder ob nicht vielmehr auch ein Bewußtseinsfremdes als seine Voraussetzung anzuerkennen wäre. Das Denken und das Bewußtseinsfremde, das eigentliche Gegebene, sind ja die beiden Motive, von denen aus das Problem des Gegenstandes in Angriff genommen wird. Daß der von VOLKELT als gegeben bezeichnete Bestand der vorlogischen Gewißheit nicht das Gegebene schlechthin ist, wissen wir. Die bisher aufgezeigte Gegebenheit soll ja nur Denkfremdheit, dagegen nicht Bewußtseinsfremdheit aufweisen, und eben nach diesem Bewußtseinsfremden und seinem eventuellen Anteil an der Gegenstandskonstituierung fragen wir jetzt. Denn das wissen wir schon vom Monismus des Gegebenen her: eine Identität des Bewußtseinsfremden und des Gegenstandes ist nicht möglich.

Diesen ganzen Fragenkomplex sucht VOLKELT zu klären, indem er für das in der Selbstgewißheit des Bewußtseins gegebene vorlogische Erkenntnisstadium eine Ergänzung sucht, derart, daß dadurch die volle Gegenständlichkeit erreicht wird. Nach seiner Meinung stoßen wir nämlich im Bereich der vorlogischen Erfahrungen auf das Bewußtsein einer sachlichen Notwendigkeit, das gewisse Vorstellungsverknüpfungen begleitet. VOLKELT nennt diese Gewißheitsweise die "Denknotwendigkeit". Und das Charakteristische dieses neuen Gewißheitstyps gegenüber der unmittelbaren Selbstgewißheit soll in der Allgemeingültigkeit und sachlichen Notwendigkeit vorliegen, mit der wie die von der Denknotwendigkeit begleiteten Vorstellungsverbindungen auszeichnen. Das Allgemeingültige und Notwendige weist nun aber über das unmittelbare Erlebnis hinaus und das bedeutet eine Durchbrechung der vorlogischen Gewißheit. "Das Anerkennen der Gültigkeit einer Vorstellungsverknüpfung ist die Form, in der ich des Hinausweisens über mein Bewußtsein, der Überwindung der reinen Erfahrung gewiß werde." (11) Mit anderen Worten: die Denknotwendigkeit, die den Vorstellungsverbindungen ein "Gelten" zuerkennt, führt aus der vorlogischen Selbstgewißheitssphäre hinüber in die durch Allgemeingültigkeit ausgezeichnete gegenständliche Welt. Hier kommt nun das Spontaneitätsmotiv zunächst in augenfälliger Weise zur Anerkennung und dadurch unterscheidet sich VOLKELTs Standpunkt vom Monismus des Gegebenen, der bekanntlich das Formmoment gänzlich aus dem Gegenstandsproblem ausschalten wollte. Denn offenbar läßt sich das unmittelbar Gewußte deshalb nicht in die Sphäre des Allgemeingültigen aufnehmen, weil es vom Denken unberührt ist und andererseits erst die Denknotwendigkeit und die vom Denken konstituierten Verknüpfungen und Zusammenhangweisen den Zugang zur gegenständlichen Welt erschließen.

Es ist nun aber doch nicht so, daß die vorläufige, unfertige, Gegebenheitssphäre der Selbstgewißheit des Bewußtseins allein vom Denken und seiner Gesetzlichkeit überwunden und ergänzt wird. Es kommt noch ein anderes Moment hinzu. VOLKELT bezeichnet ja selbst seinen Standpunkt als dualistisch, und hier ist der systematische Ort, wo das Motiv der Rezeptivität noch einmal zur Anerkennung gebracht wird. Wir erinnern uns, daß bisher die Frage nach dem Gegebenen im eigentlichen Sinne noch offen ist. Das, was VOLKELT das Gegebene nennt, ist ja kein Bewußtseinsfremdes, sondern, wie er annimmt, nur ein Denkfremdes. Zu der bewußtseinsfremden Gegebenheit dringen wir nun nach VOLKELTs Auffassung mittels der Denknotwendigkeit vor. Der Sinn des denknotwendigen Denkens liegt danach darin beschlossen, daß es "indem es seine notwendigen Setzungen vollzieht, über sich selbst hinausgetrieben zu werden sachlich gewiß ist." (12) Anders ausgedrückt: in den mit sachlicher Notwendigkeit verknüpften Bewußtseinsinhalten haben wir zugleich die Gewißheit, mehr als eine subjektive Denkvornahme vollzogen zu haben; wir "meinen" damit zugleich ein Seiendes, auf das unser Denken "hinzielt". Damit kommt das zum Ausdruck, was VOLKELT die "Seinsgültigkeit" der Denknotwendigkeit nennt; und damit ist der Grundsatz der Rezeptivität wieder aufgenommen. Allgemeingültige und denknotwendige Bestimmungen liegen über den Bereich der reinen Erfahrung hinaus. Deshalb sind sie aber noch nicht allein der Gesetzlichkeit des Denkens unterstellt, sondern, indem unser Denken kraft seines intentionalen Charakters ein Bewußtseinsfremdes und Bewußtseinsunabhängiges meint oder "setzt", empfängt es von diesem Gegebenen her die maßgebenden und bestimmenden Gesichtspunkte für seinen Vollzug. Wohl geht VOLKELT über den Monismus des Gegebenen hinaus: "Zusammenhang ist das oberste Kritierium, das sich das Denken vermöge seiner Wesensart auferlegt." (13) "Der Zusammenhang ist der das Denken letzten Grundes bestimmende und weitertreibende Faktor." (14) Es ist die Einsicht in den Formcharakter unserer Erkenntnis, die hier zum Ausdruck kommt. Denn der Zusammenhang läßt sich nicht einfach in der vorlogischen Erfahrung vorfinden. Zugleich erfährt aber der Spontaneitätsgedanke eine Einschränkung durch die Aufnahme des Rezeptivitätsmotivs. Ist auch das Denken an der Konstituierung von Zusammenhängen und allgemeingültigen Bestimmungen beteiligt, so liegt doch kein subjektives Tun vor. Die Gewißheit der sachlichen Notwendigkeit, die die denknotwendigen Schritte des Denkens begleitet, läßt sich nicht anders erklären, als daß die Gesetzlichkeiten unseres Denkens sich auf ihnen entsprechende Bestimmungen des Bewußtseinsfremden gründen. Von hier aus läßt sich nun die Frage nach dem Bewußtseinsfremden beantworten. "Wenn der Zusammenhang nicht dem vom Denken gemeinten Seienden als solchem zukäme, sondern nur eine denkimmanente Stellung bedeutete, so wäre dasjenige, was ich nicht anders denn als Zusammenhang beurteilen kann, als ein irgendwie Zusammengeratenes anzusehen, als ein Haufen, der ich weiß nicht wie zusammengewürfelt wurde." (15)

VOLKELT nimmt also ein Bewußtseinsfremdes an. Es bildet die Grundlage für die Bestimmung des Denkens. Freilich ist der naive Realismus des Monismus des Gegebenen überwunden. Die Identität des Bewußtseinsfremden und des Denkgegenstandes läßt sich nicht aufrechterhalten. Insofern macht sich der Formgedanke bei VOLKELT bemerkbar. Und er setzt an Stelle der Identität von Voraussetzungs- und Ergebnisgegebenheit eine Relation zwischen dem Bewußtseinsfremden und dem Denken, und in dieser Beziehung "entsteht" der Denkgegenstand, die Ergebnisgegebenheit. Aus der monistischen Identität ist gemäß VOLKELTs dualistischem Standpunkt ein Sich-Entsprechen der Voraussetzung und des Ergebnisses der Erkenntnis geworden. "Unser Bewußtsein ist nicht einfach das Wahre, sondern es wird des Wahren nur gewiß." (16) Die vom Monismus behauptete Identität erfährt damit ihre Sprengung; denn immer sind wir an die Form der Gewißheit gebunden. Das Gegebene als Voraussetzung und das Gegebene als Ereignis fallen nicht zusammen. Wir sind, so meint VOLKELT, auf die vermittelnde Tätigkeit des Denkens angewiesen, wenn wir des Bewußtseinsfremden habhaft werden sollen. Soll sich der Gegenstand nach dem Gegebenen in seinen Bestimmungen richten, dann scheint das nur geschehen zu können, wenn das Bewußtseinsfremde selbst diese Bestimmungen aufweist. Mit einem Wort: das bewußtseinsfremd Gegebene ist für VOLKELT die an sich bestehende Realität, deren Bestand unabhängig von der Beziehung zu einem Bewußtsein gilt und auch da ist, ohne daß ein Bewußtsein sich darauf richtet. Im Grunde konstituiert also das Denken nicht die Wirklichkeit, sondern auch diese ist nach VOLKELTs Überzeugung gegeben: d. h. nicht nur als denkfremde, sondern überhaupt als bewußtseinsunabhängige Realität. Das logische Prius, das maßgebende, ist und bleibt das Gegebene und nur in der Form der Abbildung der gegebenen Realität an sich wird die Funktion des Denkens wirksam. Das Denken ist dessen gewiß, mit seinen "gesetzten" Zusammenhängen "die jeweilig sachlichen, das ist: transsubjektiven Zusammenhänge getroffen zu haben." (17)

Es handelt sich, wie wir nun sehen, um eine ontologische Relation zwischen dem Gegebenen, also dem, was VOLKELT das Transsubjektive nennt, und dem Denken. Das Gegebene ist zwar nicht mit dem Gegenstand des Urteilens identisch, aber es ist zum transzendenten Gegenstand geworden, der, wenn das Denken sich auf ihn richtet, abgebildet wird. Die Konsequenz dieser Auffassung ist die Abbildtheorie, die VOLKELT zwar nicht "im eigentlichen Sinne" aufrechterhalten will, denn das würde ja bedeuten, "daß auch das ganze begriffliche Gepräge des Urteils genau ebenso wie im Bewußtsein des Urteilenden gleichfalls im transsubjektiven Vorgang existiere." (18) Aber die Grundlage der im Denken abgebildeten Gegenstände soll doch an sich existieren; d. h. sofern sie eben nicht vom Denken konstituiert wird, soll sie gegeben sein, während die Akte des Verknüpfens und Determinierens "allein auf Rechnung des Subjektes" kommen. Den letzteren Gedanken fanden wir ja schon beim Monismus des Gegebenen. Allein dieser schloß daraus auf die Ungültigkeit der Denkvornahmen. Hier geht VOLKELT entschieden weiter: vollzieht sich das Denken auch in subjektiven Formen, so es es darum doch nicht lediglich eine subjektive Denkbewegung. Vielmehr stützt es sich auf das Bewußtseinsfremde, auf das Transsubjektive. Auch so aber bleibt der Grundsatz der Rezeptivität der leitende Gedanke; denn den Hintergrund dieser Auffassung bildet der Gedanke, daß die subjektive Form des Urteils doch zu dem "stimmt", "was durch das Urteil transsubjektiv getroffen werden soll." (19) Und das wiederum erscheint am verständlichsten, wenn das urteilende Denken sich möglichst genau nach den Formen des Transzendenten, des Gegebenen, richtet.

Die Frage ist nur, was mit dem von VOLKELT als gegeben Bezeichneten, also dem "Denkfremden", werden soll. Mit der eben abgeleiteten transzendenten Gegebenheit ist es ja, sofern es notwendig ein Bewußtseinsbezogenes ist, nicht identisch. Ebenso ließ die Unvollkommenheit des vorlogischen Erfahrungsbereiches seine Deutung als Gegenstand des Denkens nicht zu. Auf der anderen Seite soll aber durch die Relation auf ein erlebendes Bewußtsein keinerlei Trübung und Umformung des Gegebenen erfolgen, es soll ja rein rezeptiv aufgenommen sein und, wenn auch in primitiver Form, das rein Gegebene erfassen. So liegt es nahe, das in der Selbstgewißheit des Bewußtseins Gegebene als das Material zu bezeichnen für die weitere logische Bearbeitung. Und dieses Material ist nach VOLKELTs Auffassung eine nicht wegzudenkende Voraussetzung unserer Wirklichkeitserkenntnis. Die Wissenschaft fände überhaupt nichts zu bearbeiten vor, "wenn ihr nicht letztlich die Selbstgewißheit des Bewußtseins mit der unermeßlichen Fülle ihres Inhalts in Bereitschaft stände, so wäre das Denken vor einer vollkommenen Leere." (20) Und deshalb bedarf das Denken überall des unmittelbar Gegebenen, um überhaupt wissenschaftliche Leistungen vollbringen zu können. Offenbar ist hier der Form-Inhalt-Gedanke für das Verhältnis des Gegebenen zum Denken maßgebend gewesen. Das in der vorlogischen Erfahrung Gegebene soll den Inhalt der Erkenntnis abgeben, demgegenüber im Denken ein "rationaler Faktor" gesehen wird. Indessen soll sich ja das Denken ebenfalls nach dem Gegebenen richten, nur daß es dabei anders verfährt, als die unmittelbare Selbstgewißheit des Bewußtseins. Die vorlogische Erfahrung "hat" das Gegebene unmittelbar, das urteilende Denken erschließt mittels seiner Denkformen das Gegebene. So mündet VOLKELTs Gedankengang in die Überzeugung aus, daß unsere gesamte Erkenntnis, die unmittelbare wie die mittelbare, durch ein Gegebenes geleitet und bestimmt wird. Das Gegebene selbst ist letzten Endes die Realität an sich, die uns in der angegebenen doppelten Weise zugänglich ist. Dabei ordnet sich das unmittelbar Gegebene im Hinblick auf die gegenständliche Wirklichkeit dem Denken als Inhalt unter.

Wir versuchten im bisherigen schon auf die tieferen Beweggründe und Motive einzugehen, die zu der dargestellten Auffassung geführt haben. Fassen wir die ganzen Erörterungen zusammen, dann läßt sich folgendes feststellen. VOLKELT versucht einen Dualismus durchzuführen, der von den beiden fundamentalen Grundsätzen der Rezeptivität und der Spontaneität bestimmt wird. Für unser Problem folgte daraus, daß sowohl ein Bewußtseinsfremdes wie auch das Denken die Gegenstandserkenntnis begründen. Aus der Identität des Gegebenen und des Gegenstandes wird eine Relation des Gegebenen zum Bewußtsein. Der Gegenstand ist nur als Ergebnis "gegeben"; d. h. die Erkenntnis entwickelt sich in der Richtung auf einen synthetischen Vollzug. Der Fortschritt vom Monismus des Gegebenen zum Dualismus VOLKELTs kommt also zustande durch die Aufnahme des Formgedankens innerhalb des Gegenstandsproblems und dem entspricht eine Reduktion der Bedeutung des Gegebenen für den Gegenstand. Und zweifellos erscheint die Art, in der VOLKELT das Problem behandelt, weit plausibler, als der Gegebenheitsabsolutismus. An zwei Punkten jedoch setzen bei näherer Betrachtung gegen VOLKELTs Versuch Bedenken ein. Hält nicht VOLKELT, ganz wie der Monismus des Gegebenen, ein unmittelbares, rezeptives "Erfassen" des Gegebenen für möglich? Wir sahen doch schon, daß jede Erkenntnis Formelemente enthält. Läßt sich nun ein derartiger Bruch innerhalb der Erkenntnis, wie VOLKELT ihn durch seine Unterscheidung von vorlogischer Gewißheit und urteilendem Denken konstatiert, aufrechterhalten? Die innere Unmöglichkeit der "denkfreien Tatsache" hat uns mißtrauisch gemacht. Ist die Selbstgewißheit des Bewußtseins, so fragen wir, tatsächlich ein denkfreies Vorfinden von Tatsachen? Und noch in einer anderen Beziehung führt uns die Kritik des Monismus zu Schwierigkeiten in VOLKELTs Überlegungen. Ist die Deutung des Gegebenen im Sinne eines Bewußtseinstranszendenten nicht auch im Grunde eine Wiederaufnahme der monistischen "denkfreien Tatsache"? Diesmal nicht mit Rücksicht auf ihr denkfreies Erfassen, sondern im Hinblick auf ihre absolute Bewußtseinsunabhängigkeit. Wir erinnern uns doch dessen, daß der Gegenstand, die Tatsache, stets Bewußtseinsbezogenheit aufweist. Und nun soll trotz alledem das Gegebene den Charakter eines transzendenten Realen haben? Wird hier nicht Voraussetzungs- und Ergebnisgegebenheit doch durcheinander gebracht? Es scheint so, als ob in diesen beiden Punkten der monistische Gedanke der denkfreien Tatsache bei VOLKELT noch nachgewirkt hat.

Hierüber müssen wir uns noch Klarheit verschaffen. Daß das Erkennen schlechthin rezeptiven Charakter haben soll, lehnt auch VOLKELT gegenüber dem Gegebenheitsabsolutismus ab. Aber in reduzierter Form glaubt er den Grundsatz der Rezeptivität wenigstens für einen Teil der Erkenntnis aufrechterhalten zu können. Er geht davon aus, daß die Empfindungs- und Erlebnisinhalte als psychische Elemente Bewußtheit aufweisen und dieses unmittelbare Bewußtsein soll das rezeptive Erfassen von gegebenen Tatsachen verbürgen, da es dem Denken prinzipiell vorausliege. Allerdings ist VOLKELT behutsamer als der Monismus des Gegebenen: diese so aufgenommenen Tatsachen seien noch keine vollgültigen Gegenstände; dazu würden sie erst sofern das Denken zu diesem Material hinzukommt. Aber auch so liegt hier deutlich eine Unmöglichkeit vor. "Die Bewußtheit der seelischen Erlebnisse, das unmittelbare Bewußtsein von ihnen, ist, wie wir längst wissen, kein cogitare, kein Vorstellen, kein inneres Wahrnehmen, aber auch kein 'Innewerden', kein unmittelbares Erfahren und überhaupt keinerlei Erkennen." (21) Außerhalb des urteilenden Denkens gibt es kein noch so primitives und vorläufiges Erkennen. Abgesehen davon, daß es ein unmittelbares Erkennen nicht gibt, würde sich doch das "unmittelbar Vorgefundene" niemals mit dem Gegebenen decken. Denn auch das Unmittelbarste der Erkenntnis muß, um Tatsache zu sein, erkannte Tatsache sein, d. h. an die Formen unseres Empfindens und Anschauens gebunden sein. Will man das in den Empfindungsinhalten vorliegende Faktum bezeichnen, dann kann man von einem Material, wenigstens für die physische Wirklichkeit sprechen. Aber diese Materialien sind für sich noch keine Tatsachen. Der Versuch VOLKELTs, durch die Unterscheidung der vorlogischen Gewißheit vom urteilenden Denken eine rezeptive, denkfreie Erkenntnis des Gegebenen zu ermöglichen, muß genau so scheitern, wie das monistische Beginnen. Hier deutet sich das schon von selbst an, was wir später noch schärfer betonen werden: das Gegebene ist dem Gegensatz von unmittelbarer und mittelbarer Erkenntnis enthoben und liegt in gleichem Maße dem Gegensatzpaar voraus. In jedem Falle bleibt das Erkennen als Erkennen an die Formen unseres Bewußtseins gebunden; d. h. die erkannte Tatsache ist nicht gegeben, sondern Ergebnis. Umgekehrt kann dann auch das Gegebene keine Tatsache, kein gegenständliches Element der Wirklichkeit, eine Realität an sich, sein.

Das führt hinüber zu der anderen Schwierigkeit VOLKELTs: der Auffassung des Gegebenen als einer bewußtseinsunabhängigen Realität. Eine Identität der Realität des Gegebenen und des Gegenstandes soll zwar nicht mehr möglich sein. Insofern ist VOLKELT auch in diesem Punkte vorsichtiger, als der Gegebenheitsabsolutismus. Das unabweisliche Formmoment innerhalb der gegenständlichen Erkenntnis löst die behauptete Identität des Gegebenen und des Gegenstandes auf in eine Relation, in ein Verhältnis, - aber der Gleichheit. Und das Denken hat die Aufgabe, diese Gleichheit festzustellen. Auch hier hat also im Grunde der monistische Gedankengang, der in der bewußtseinsimmanenten Sphäre allein gültige kategoriale Bestimmungen auf ein Bewußtseinsfremdes überträgt, fortgewirkt. Wie soll man sich aber eine bewußtseinstranszendente Realität als Gegebenes vorstellen? Zumindest müßte sie doch räumlicher oder zeitlicher Natur sein, da man doch kein Reales voraussetzen kann, das sich - wie VOLKELT behauptet - mit den im Denken gesetzten Bewußtseinsinhalten vergleichen läßt, ohne diesen in ihrer Seinsweise zu entsprechen. Mit diesem Ähnlichkeits- oder Kongruenzcharakter des Gegebenen wäre aber gerade sein bewußtseinsimmanentes Wesen offenbar. Außerdem gibt uns die Zergliederung der Wirklichkeit unserer Urteilsobjekte gar keine Veranlassung, sie als Abbild einer "dahinter" liegenden, an sich bestehenden, Wirklichkeit aufzufassen. Das würde eine Degradierung unserer Wirklichkeit bedeuten, die in offenem Widerspruch mit dem Eindruck steht, den wir von der Wirklichkeit der Urteilsobjekte haben. Denn diese erscheint uns als die Wirklichkeit schlechthin, mit der allein wir es zu tun haben. Gibt es überhaupt ein Gegebenes im Sinne einer bewußtseinsfremden Voraussetzung, auf das sich unser Denken bezieht, dann wird diese Beziehung notwendigerweise ein anderes Gepräge haben müssen, als die von VOLKELT behauptete ontologische Gleichheitsrelation.

Von hier aus eröffnet sich schon der Ausblick darauf, daß die Voraussetzungsgegebenheit kein Wirkliches sein kann, denn die Wirklichkeit ist uns allein innerhalb des Bewußtseins zugänglich, sie kann nichts Bewußtseinsfremdes sein. Und auch das wird hier schon deutlich: daß das Fehlgehende in dieser Auffassung VOLKELTs augenscheinlich von der Bestimmung des Denkens als eines Abbildens herzurühren scheint. Ein Abbilden verlangt allerdings eine Realität, die es abbilden kann, aber eben damit ergeben sich unüberwindliche Widersprüche. So wird wahrscheinlich die Lösung des Gegebenheitsproblems nur von einer präzisen Analyse unseres Erkennens aus erfolgen können, wenn der Nachweis erbracht wird, daß das Erkennen kein Abbilden ist. Vom Dualismus her, wie ihn VOLKELT vertritt, ist jedenfalls eine sinnvolle Bestimmung des Gegebenheitsbegriffes innerhalb des Erkenntnisproblems nicht zu gewinnen. Die ganze Anlage seines Gedankenganges führt zu einer transzendenten Voraussetzungsgegebenheit, die selbst schon nur für die Ergebnisgegebenheit gültige Bestimmungen enthält.
LITERATUR - Johannes von Malottki, Das Problem des Gegebenen, Berlin 1929
    Anmerkungen
    1) JOHANNES VOLKELT, Gewißheit und Wahrheit, 1918, Seite 264
    2) VOLKELT, ebenda Seite 128
    3) VOLKELT, ebenda Seite 67
    4) VOLKELT, ebenda Seite 58
    5) VOLKELT, ebenda Seite 59
    6) VOLKELT, ebenda, Seite 321
    7) VOLKELT, ebenda, Seite 106
    8) VOLKELT, ebenda Seite 321
    9) VOLKELT, ebenda Seite 197
    10) JOHANNES VOLKELT, Erfahrung und Denken, 1886, Seite 154
    11) JOHANNES VOLKELT, Gewißheit und Wahrheit, 1918, Seite 155
    12) VOLKELT, ebenda, Seite 195
    13) VOLKELT, ebenda, Seite 217
    14) VOLKELT, ebenda, Seite 218
    15) VOLKELT, ebenda, Seite 172
    16) VOLKELT, ebenda, Seite 222
    17) VOLKELT, ebenda, Seite 218
    18) VOLKELT, ebenda, Seite 276
    19) VOLKELT, ebenda, Seite 495
    20) HEINRICH MAIER, Wahrheit und Wirklichkeit, 1926, Seite 514
    21) Vgl. dazu HEINRICH MAIER, ebenda Seite 515ff


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