p-4Über GestaltqualitätenKomplexionen und RelationenÜber Annahmen    
 
ALEXIUS MEINONG
Über Gegenstände höherer Ordnung und
deren Verhältnis zur inneren Wahrnehmung

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"Auch daran zweifelt ja niemand, daß man nur wahrnehmen kann, was real ist: der Zeitpunkt aber so gut wie der Raumpunkt ist nichts als eine Grenze, also ideal. Ist also die Wahrnehmung aus sonstigen Gründen auf den Gegenwärtigkeitspunkt eingeschränkt, so ist ihr durch den letzterwähnten Umstand auch die Gegenwart entrückt; mit anderen Worten: es gibt überhaupt keine Wahrnehmung."

Dritter Abschnitt
Über das Vorstellen und Wahrnehmen
des zeitlich Verteilten


§ 17. Fragestellung

Es wird der Würdigung der Wahrnehmungsschwierigkeiten, wie wir sie bei den Gegenständen höherer Ordnung angetroffen haben, förderlich sein, nun auch der Tatsache zu gedenken, daß solche Schwierigkeiten unter Umständen auch bei Inferioren auftreten. Wir bleiben dabei insofern durchaus im Zusammenhang der bisherigen Untersuchungen, als Tatbeständen, in denen Inferiora als solche zur Geltung kommen, auch die Superiora als Korrelate nicht fehlen können, außerdem aber gerade von solchen Fällen zu reden ist, wo in der Regel das betreffende Superius die Stellung der Hauptsache einnimmt, d. h. im Zentrum der Aufmerksamkeit respektive innerhalb der Urteilssphäre (1) sich befindet, indes die zugehörigen Inferiora zunächst die Rolle des unentbehrlichen aber meist zurücktretenden Substrates zu spielen haben.

Näher handelt es sich hier insbesondere um solche Gegenstände höherer Ordnung, deren Inferiora zeitlich auseinanderliegen, wie man fürs Erste mit einer sogleich zu verbessernden Ungenauigkeit sagen kann. Als typisches Beispiel kann etwa die Melodie oder sonst einer jener Fälle dienen, die EHRENFELS unter dem Namen der "zeitlichen Gestaltqualitäten" zusammengefaßt hat. (2) Besteht die Melodie aus den sie ausmachenden Tönen, ist es ausgeschlossen, das Superius vorzustellen, ohne die Inferiora, dann kann die Melodie nicht vorgestellt werden, ehe sämtliche sie ausmachende Töne gegeben sind, also wenigstens, wo die Melodie gehört, nicht bloß phantasiert wird, nicht vor dem Auftreten des letzten Tones. Aber auch von den vorhergenden Tönen scheint keiner fehlen zu dürfen, so daß zum Vorstellen einer Melodie das gleichzeitige Vorstellen sämtlicher sie ausmachenden Töne unerläßlich erscheint. Ist dem so, dann haben wir in diesen zugleich vorgestellten Tönen jedenfalls Gegenstände vor uns, deren Pseudo-Existenz sich der inneren Wahrnehmung, wenn überhaupt, so sicherlich nicht ungesucht verrät, so daß diese sich hier den Tönen gegenüber schwerlich in günstigerer Lage befände, als gemäß früheren Erwägungen der Melodie oder anderen Gegenständen höherer Ordnung gegenüber. Ja, es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß hier die innere Wahrnehmung ihr Zeugnis noch viel beharrlicher weigert, so daß die Frage, ob die Tatsachen, für die dieses Zeugnis verlangt wird, überhaupt existieren, sich hier ungleich kräftiger Geltung verschafft, als in den bisher besprochenen Fällen.

Der Umkreis der hiermit aufgeworfenen quaestio facti betrifft nicht nur die eben berührten "zeitlichen Gestaltqualitäten". Auch wenn man zwei Objekte miteinander vergleicht, begegnet es nicht selten, daß man eines nach dem andern vorstellt und sich eines Zugleichvorstellens beider nicht recht besinnen kann. Immerhin aber sind Fälle, wo die zeitliche Verschiedenheit der Inferiora mehr den Charakter des Zufälligen an sich trägt, die Ausnahmen, oder stellen wenigstens die minder auffälligen Tatbestände dar, so daß die Untersuchung sich besser zunächst an Inferiora hält, bei denen das Nacheinander in irgendeiner Weise zum Wesen der Sache gehört. Wir betreten damit das Tatsachengebiet, dem SCHUMANNs oft erwähnter Aufsatz schon seinem Titel nach, also in besonders direkter Weise gewidmet ist. daß SCHUMANN jenes Zugleichvorstellen des zeitlich Verschiedenen nicht als Tatsache gelten lassen zu dürfen meint, kann nach früherem niemanden überraschen. Seinen Standpunkt teilt in der Hauptsache WILLIAM STERN, der sich durch seine dankenswerten Forschungen über das Vorstellen und Beurteilen von Veränderungen (3) ein besonderes Anrecht darauf erworben hat, in dieser Angelegenheit gehört zu werden.

Inzwischen handelt es sich hier nur um Schwierigkeiten, auf die ich bereits in meiner Abhandlung über psychische Analyse nachdrücklich genug hingewiesen zu haben hoffe (4) und denen gegenüber ich dort auch bereits Stellung genommen habe. Daß ich mich hier gleichwohl nicht begnüge, auf diese Ausführungen einfach zu verweisen, hat in Unklarheiten seinen Grund, die ich damals, zunächst wohl, weil ich Inhalt und Gegenstand noch nicht gehörig auseinanderhielt, nicht zu beseitigen vermochte. Vielleicht bin ich jetzt imstande, das Wesentliche der Sache klarer und darum auch überzeugender darzulegen.


§ 18. Vorstellungs- und Gegenstandszeit
- Die Zeitverteilung -

Mehr, als bei vielen anderen Dingen hängt hier die Einsicht in die Sachlage an der Sorgfalt und Präzision im Durchdenken der hier maßgebenden Begriffe. Daß derartige Bemühungen solchen, denen sie, gleichviel weshalb, zu anstrengend sind, für "scholastisch" gelten, weiß ich: aber es wäre am Ende doch ein seltsames Vorrecht, wenn die Psychologie oder ihr verwandte Wissenschaften es wirklich dem Belieben des Forschers freistellten, sich die Arbeit nach Wunsch leicht zu machen.

Vor allem wichtig scheint mir die ausreichende Beachtung der bereits im Analysen-Aufsatz hervorgehobene Tatsache, daß, wo vorgestellt wird, das Zeitmoment in mehr als einer Weise beteiligt sein kann. Ich habe dies durch den terminologischen Gegensatz zwischen "äußerer" und "innerer Vorstellungszeit" zum Ausdruck zu bringen versucht; (5) aber die sonst schon viel gebrauchte Gegenüberstellung von Außen und Innen scheint gerade hier den charakterisierenden Wert nicht zu haben, den ich ihr beimaß. Überdies aber stehen mir heute, wie ich hoffe, die terminologischen Hilfsmittel zu Gebote, unter deren Anwendung sich ohne bloß symbolischen Wortgebrauch und wohl auch richtiger als durch diesen sagen läßt, worauf es hier eigentlich ankommt.

Hält man, wie wir es oben getan haben, an jeder Vorstellungstatsache Akt, Inhalt und Gegenstand auseinander, so ergibt dies vorerst rein äußerlich die Möglichkeit, bei einer Vorstellungstatsache sozusagen an drei verschiedenen Stellen derselben von Zeit zu reden. Da nichts existiert, ohne zu bestimmter Zeit zu existieren, so gibt es auch keinen Vorstellungsakt, dem Zeitbestimmung fehlte, ebenso wenig natürlich einen solchen Vorstellungsinhalt, nur daß man es sofort als selbstverständlich betrachten wird, daß die Zeitbestimmung des Aktes und des zugehörigen Inhalts zusammenfällt. Muß ich sonach, wenn ich vorstelle, zu bestimmter Zeit vorstellen, so muß ich doch, wie ich seinerzeit dargetan haben, (6) nicht geradezu jedesmal das, was ich vorstelle, in zeitlicher Bestimmtheit vorstellen; immerhin wird es aber sehr häufig geschehen, und gerade mit Fällen dieser Art haben wir es im folgenden zunächst zu tun. Wir können also ohne Gefahr irgendeines Mißverständnisses von Aktzeit, Inhaltszeit und Gegenstandszeit reden, wenn wir uns nur hüten, unter der letzteren etwa die Zeit zu verstehen, zu der der Vorstellungsgegenstand pseudo-existiert. Um indes auch für diese, im Prinzip zunächst vierte Zeitbestimmung nicht ohne jeden Ausdruck zu sein, wollen wir diese Zeit für den Ausnahmefall, daß auch von ihr ausdrücklich gesprochen werden muß, als Pseudo-Gegenstandszeit bezeichnen.

Die Komplikation, die in diesem Auseinanderhalten von nicht weniger als viererlei Zeitbestimmungen gelegen scheint, verschwindet zu einem guten Teil, wenn man das tatsächliche Verhältnis dieser Zeitbestimmungen zueinander in Rücksicht zieht. Ist es richtig, daß, wie eben berührt, Aktzeit und Inhaltszeit unvermeidlich zusammenfallen - wir kommen übrigens auf diesen Punkt noch einmal zurück - dann kann man diese beiden Bestimmungen ohne Schaden unter dem einen Namen "Vorstellungszeit" zusammennehmen. Was aber eben als Pseudo-Gegenstandszeit benannt wurde, ist in Wahrheit nichts weiter als noch einmal die Inhalts- also die Vorstellungszeit; denn die Zeit, da das Vorgestellte "in der Vorstellung existiert", somit, wie wir wissen, pseudo-existiert, ist eben die Zeit, da das Betreffende vorgestellt wird. So steht der Vorstellungszeit eigentlich nur noch die Gegenstandszeit gegenüber, (7) und hier ist von einer notwendigen oder auch nur die Regel ausmachenden Koinzidenz dieser beiden Zeiten ganz und gar keine Rede. Der Beweis liegt in der trivialen Tatsache, daß ich jetzt nicht nur Gegenwärtiges, sondern auch Vergangenes und Künftiges, nämlich etwas als vergangen, bzw. als künftig vorstellen kann. Die Frage nun, ob die hiermit erwiesene Unabhängigkeit der Gegenstandszeit von der Vorstellungszeit gewisse Grenzen hat, ist eigentlich das, was un im gegenwärtigen Zusammenhang näher beschäftigen muß.

Mit den Zeitbestimmungen, von denen bisher ausschließlich die Rede war, sind jene punktuellen Daten gemeint, die sich zur Zeitstrecke in analoger Weise verhalten, wie die punktuellen Raumdaten, die Ortsbestimmungen, zur Raumstrecke. Das Verhältnis zwischen Vorstellungs- und Gegenstandszeit betrifft aber natürlich auch die Zeitstrecken. Zu einer präzisen Fragestellung in dieser Richtung führt die Berücksichtigung des gleichfalls bereits in der Abhandlung über psychische Analyse (8) hervorgehobenen Unterschiedes zwischen Vorstellungsgegenständen oder auch Wirklichkeiten, deren Natur einer Zeitstreck bedarf, um sich zu entfalten, gegenüber solchen, deren Charakteristik sich in einem einzigen Zeitpunkt, einem zeitlichen Querschnitt gleichsam, zusammengedrängt findet, ohne natürlich der Gebundenheit dieses Schnittpunktes an eine Zeitstrecke irgendwie zu präjudizieren [vorweg urteilen - wp]. Es liegt nahe für Tatsachen, bzw. Gegenstände dieser Art die Bezeichnungen "Streckentatsache und Punkttatsache", bzw. "Streckengegenstand und Punktgegenstand" vorzuschlagen, erforderlichen Falles noch versehen mit einer den zeitlichen Charakter dieses Gegensatzes andeutenden Bestimmung, da das Analogon desselben auch auf räumlichem Gebiet nicht fehlt. Aber solche Benennung wäre undeutlich: kann man weder dem Raumpunkt, noch dem Zeitpunkt als solchem Existenz beimessen, so bleibt es immer mißverständlich, ein Wirkliches im Raum respektive in der Zeit, das insofern jedenfalls streckenhaft ist, als punktuell zu bezeichnen. Dagegen möchte der Kern des in Rede stehenden Gegensatzes zwar nicht darin zu suchen sein, ob der Gegenstand eine Zeitstrecke einnimmt, denn die nimmt er immer ein, (9) wohl aber darin, ob und wie der Gegenstand in dieser Zeitstrecke  verteilt  ist. Der Farbe, dem Ton als solchem fehlt solche Verteilung: der Melodie, dem Farbenwandel kommt sie in bestimmter Weise zu. Redet man aber einmal von einem andauernd erklingenden Ton, von einer unverändert bleibenden Farbe, so ist auch das ein Fall von Zeitverteilung, so gewiß nicht nur Bewegung, sondern auch Ruhe einen Fall von Zeitverteilung darstellt. Ich stelle in diesem Sinn im folgenden den zeitlich  distributierten  oder zeitverteilten Gegenständen, respektive Tatsachen zeitlich  indistributierte  gegenüber: eine analoge Unterscheidung in Betriff räumlicher Verteilung ist natürlich innerhalb der engeren Grenzen des einer räumlichen Bestimmung überhaupt Zugänglichen ebenso anwendbar, wird uns aber im weiteren nicht zu beschäftigen brauchen, so daß im gegenwärtigen Zusammenhang für "zeitlich distributiert" auch wohl kurzweg "distributiert" wird gesagt werden können. Diese Ausdrucksweise vorausgesetzt, läßt sich das Hauptproblem des Verhältnisses von Gegenstands- und Vorstellungszeit in die Frage fassen: kann oder muß wohl gar die Vorstellung eines distributierten Gegenstandes selbst eine distributierte Tatsache sein?

Im Grunde ist freilich auch diese Formulierung für unsere Bedürfnisse noch zu allgemein. Es könnte ja sehr wohl sein, daß die Vortstellung was immer für eines Gegenstandes nach ihren den Gegenstand nicht betreffenden, also ihren außerinhaltlichen Eigenschaften einen charakteristischen Verlauf zeigt, demgemäß sie außerinhaltlich für distributiert gelten muß. Was für uns Wichtigkeit hat, ist dagegen, wie es in dieser Hinsicht mit dem Inhalt bewandt ist, wenn der dem Inhalt doch in gewisser Weise korrelative Gegenstand eine charakteristische Zeitverteilung aufweist. Man könnte auch so fragen: wenn ein zeitlich distributierter Gegenstand vorgestellt werden soll, kann oder muß dem Nacheinander des Gegenstandes ein Nacheinander des Inhaltes entsprechen? - oder kürzer, obwohl nun wieder undeutlich: ist Zeit erforderlich, um ein zeitlich Ausgedehntes vorzustellen?


§ 19. Distributierte Gegenstände gegenüber distributierten Inhalten.

Versucht man, was an und für sich gewiß korrekt ist, die Frage empirisch an der Hand irgendeines konkreten Beispiels zu entscheiden, so scheint sich die Antwort so ungezwungen einzustellen, als läge hier überhaupt kein Problem vor. Es handle sich etwa darum, eine Bewegung vorzustellen. Man wird zu einer solchen Vorstellung häufig am besten dadurch gelangen, daß man einer sich wirklich vollziehenden Bewegung mit dem Blick folgt; je nach den Orten, die das Bewegte zu verschiedenen Zeiten einnimmt, erhält der Beschauer annähernd zu den nämlichen Zeiten entsprechend verschiedene Empfindungen und ist die letzte dieser Empfindungen vorüber, dann hat der Beobachter eben auch aufgehört, die Bewegung zu sehen. Mit der Gegenstandszeit geht hier also allem Anschein nach die Inhaltszeit durchaus parallel; es scheint ausgeschlossen, letztere auf einen Punkt zusammenzudrängen. So weit geht hier der Parallelismus, daß Gegenstands-, und Vorstellungszeit hier geradezu ungefähr zu koinzidieren scheinen. Daß dem nicht überall so ist, lehrt nun freilich die Empirie schon am wachen, (10) noch deutlicher am träumenden Subjekt; (11) aber das scheint vorerst doch nur darauf hinzuweisen, daß jener Parallelismus zwischen den beiden Zeiten sich in verschiedenen Fällen durch verschiedene Weisen funktioneller Abhängigkeit der einen Zeit von der anderen bestimmt, daß jedoch übrigens jedenfalls und der Natur der Sache nach der gegenständlichen Strecke stets eine inhaltliche Strecke gegenübersteht.

Es bleibt, seltsamerweise, möchte man fast sagen, erst einer apriorischen Erwägung überlassen, den hier der Empirie anhaftenden Schein der Einfachheit und Selbstverständlichkeit zu zerstören: übrigens aber ist diese Erwägung selbst der einfachsten und durchsichtigsten eine. Greifen wir, um hierüber ins Reine zu kommen, noch einmal auf das Beispiel von der gesehenen Bewegung zurück. Eine Kugel z. B. durchlaufe in der Zeit TT' eine Wegstrecke OO': das Wahrnehmen dieser Bewegung aber bestehe darin, daß ungefähr gleichzeitig die durch das jeweilige Zusammengegebensein gewisser Orts- und Zeitbestimmungen, also gewisser 0 mit gewissen T charakterisierten Zustände unserer Kugel, z. B. O1 T1, O2 T2 usf. hintereinander (in Wahrnehmungsvorstellungen) vorgestellt werden. Bezeichnen wir die in dieser Weise nacheinander pseudo-existierenden Vorstellungsgegenstände mit den entsprechenden kleinen Buchstaben, so können wir die Weise, wie diese Pseudo-Existenzen sich auf die Zeitstrecke TT' verteilen, durch zwei parallele Linien veranschaulichen, auf deren unterer etwa die Punkte der wirklich ablaufenden Zeit, auf deren oberer die zur tictac betreffenden Zeit pseudo-existierenden Vorstellungsobjekte nach den uns zunächst wesentlichen Bestimmungen verteilt sind. Fassen wir hier etwa die Zeitstrecke T1T2 ins Auge, so erhellt unmittelbar, daß innerhalb derselben besten Falles nur die Gegenstandsstrecke von o1t1 bis o2t2 zur Geltung kommt, nicht aber irgendein früherer oder gar späterer Teil der Gesamtstrecke. Ebenso wird in der Zeitstrecke T3T4 höchstens die Strecke o3t3 bis o4t4 vorgestellt. Man hat also schon deshalb kein Recht, die Zeitstrecke TT' als Vorstellungszeit für die Vorstellung des Gegenstandes oo' oder tt' anzusprechen, da diese Gesamtstrecken tatsächlich in der betreffenden Zeit unter den gegebenen Voraussetzungen gar nicht vorgestellt werden. Dies wird noch auffälliger, wenn man erwägt, daß, was eben als "bestenfalles" zutreffend bezeichnet worden ist, näher besehen überhaupt nicht zutrifft. Denn was eben von der ganzen Zeitstrecke TT' dargetan wurde, gilt natürlich in bekannter Weise nun auch wieder von beliebig kleinen Teilstrecken, so daß die letzte Konsequenz der in Rede stehenden Auffassung die ist, daß überhaupt keine Strecke vorgestellt wird, sondern bloß in jedem Punkt der Zeitstrecke TT' ein anderer Punkt der Gegenstandsstrecke tt' bzw. oo'. Und was hier unter Zugrundelegung des einfachsten Verhältnisses zwischen Vorstellungs- und Gegenstandszeit dargelegt wurde, gilt natürlich auch von jedem anderen Verhältnis, das darauf hinausläuft, die Gegenstandszeit auf die Teilstrecken, ja schließlich auf die Punkte der Vorstellungszeit aufzuteilen, gleichviel, wie diese Aufteilung sich sonst vollziehen mag. Man sieht daraus, daß der zunächst so selbstverständlich aussehenden Annahme, zum distributierten Gegenstand müsse eine distributierte Vorstellung gehören, so viel Schwierigkeiten im Weg stehen, daß man, wenigstens für Fälle der eben betrachteten Art, gar nicht zugeben darf, daß dies überhaupt möglich ist.

Freilich kann man fürs erste versuchen, diese Konsequenz durch Hinweis auf fernere und nähere Analogien abzulehnen. Die Kugel, von der eben im Beispiel die Rede war, durchmißt ein Stück ihres Weges  nach  dem anderen: und doch trägt niemand Bedenken zu sagen, sie habe in der Zeit TT' den Weg 00' durchlaufen. Auch von einem Buch sagt man unbedenklich, man habe es ganz durchgelesen, wenn man eine Seite um die andere durchgelesen hat. Man kann in diesem Fall auch mit ziemlicher Richtigkeit behaupten, man habe alle Zeilen oder auch alle Buchstaben in den Zeilen gesehen und daß dabei die Buchstaben alle zugleich existieren, ist unwesentlich: derselbe Erfolg hätte sich in der Hauptsache auch eingestellt, wenn etwa ein Buchstabe nach dem anderen isoliert in unser Gesichtsfeld getreten wäre. Wie kommt es, darf man billig fragen, daß in allen Fällen dieser Art die an der obigen schematischen Figur gekennzeichnete Schwierigkeit nicht zur Geltung kommt? Allein die Antwort liegt hier sofort zutage: man kann ja Gründe haben, unter dem Namen  eines  Gegenstandes zu vereinigen, was in Wahrheit nichts als ein objektives Kollektiv von Gegenständen ist und liegen diese zeitlich auseinander, dann steht auch dem sukzessiven Erfassen des im Grunde nur konventionell so genannten  einen  Gegenstandes nichts im Weg. Handelt es sich dagegn um einen wirklich einheitlichen Gegenstand mit sukzessiven Teilen, dann kann sukzessives Vorstellen eben nur die Teile erfassen, nicht aber das Ganze, so daß sich allgemein behaupten läßt: distributierte Gegenstände höherer Ordnung können nur mittels indistributierter Inhalte vorgestellt werden; die zeitlich verschieden bestimmten Inferiora müssen dem Vorstellen zugleich, wenn auch natürlich nicht  als  gleichzeitig, gegeben sein.

Man wird vielleicht einwenden, daß, wer die bloße Sukzession der Vorstellungen von den Inferioren für unzureichend erkannt hat, noch keineswegs auf die Annahme simultanen Vorstellens derselben angewiesen sei. Es handelt sich ja auch hier wie bei allen Superioren, zunächst um ein Übereinstimmendes auch für den Fall, daß die Inferiora wechseln: könnte dieses Übereinstimmende nicht in einer charakteristischen Relation zwischen den zeitlich aneinander stoßenden Inferiorenvorstellungen bestehen? Die Annahme von Realrelationen zwischen Gliedern, deren eines dem anderen zeitlich folgt, wird ja auch aus anderen Gründen kaum zu vermeiden sein. Gleichwohl ist dieses Auskunftsmittel unzureichend: das Superius ist ja, wie bereits im zweiten Abschnitt zu erwägen war,  gegenständlich  mehr, als das objektive Kollektiv der Inferiora. Es genügt nicht, daß der psychische Zustand dessen, der die Melodie vorstellt,  irgendwie  verschieden ist vom Zustand dessen, der bloß die einzelnen Töne hintereinander vorstellt: das, worin diese Verschiedenheit begründet ist, muß vielmehr innerhalb der Sphäre dessen liegen,  was  er tatsächlich vorstellt. Über die Realrelation zwischen den sukzessierenden Vorstellungen könnte ihn freilich allenfalls die innere Wahrnehmung unterrichten: aber abgesehen von der Unnatürlichkeit, etwa zum Vorstellen einer Melodie die innere Wahrnehmung heranzuziehen, wäre damit das ganze Problem nur zurückgeschoben. Es käme ja wieder darauf an, in welcher Weise nun die Relation zwischen sukzessierenden Gliedern seitens der inneren Wahrnehmung zu erfassen wäre, ob durch bloß sukzessives Vorstellen der beiden Vorstellungen, oder, da solche erwiesenermaßen nicht genügt, in welcher Weise sonst.

Nun könnte es aber auch noch einen Ausweg zu geben scheinen, bei dem nichts Außergegenständliches herangezogen wird. Folgt einer Wahrnehmungsvorstellung des Gegenstandes A eine solche des Gegenstandes B, dann kann das Subjekt durch das Vorstellen des A immer derart dispositionell modifiziert sein, daß diese Veränderung sich nun am Gegenstand B durch irgendeinen gegenständlichen Zusatz geltend macht. Ähnliches könnte sich auch zutragen, wenn A und B als Gegenstände von Einbildungsvorstellungen auftreten. Auch die Anzahl der sukzessiv vorgestellten Gegenstände kann beliebig groß angenommen werden. Das Vorstellen des distributierten Superius bestände dann entweder im Vorstellen dieses am Ende der Sukzession auftretenden Zusatzgegenstandes oder auch im Vorstellen er der Inferiora und dann jenes Zusatzes etwa zugleich mit dem letzten Inferius. Der Gedanke entbehrt keineswegs guter empirischer Grundlagen; und schon vorgängig ist ja kaum zu bezweifeln, daß bei sukzessierenden Vorstellungen der Einfluß der Antezedenzien [des Vorausgegangenen - wp] auch gegenständlich zur Geltung kommt. Gleichwohl kann der gesuchte Gegenstand höherer Ordnung darin nicht gelegen sein: denn es ist unmöglich, ein Superius vorzustellen, wenn dessen Inferiora oder auch nur einige davon nicht vorgestellt werden. Für Komplexionen, die uns hier zunächst angehen, ist das besonders handgreiflich, weil die Bestandstücke hier geradezu als wesentliche Teile in das Superius eingehen. Aber auch in betreff der Relationsvorstellungen ist deren natürliche Unselbständigkeit gegenüber den Gliedvorstellungen unmittelbar einleuchtend. Ist dem aber so, dann ist ein gegenständliches Moment, das am Ende einer Sukzession pseudo-existiert, ohne daß die vorher vorgestellten Gegenstände mehr pseudo-existieren, in keinem Fall der Gegenstand höherer Ordnung, der diese Gegenstände zu Inferioren hat. (12)

Noch weitere diskutierbare Annahmen stehen, so viel ich sehe, nicht zu Gebote. Denn etwa auf die oben zunächst bloß schematisch vorgenommene Unterscheidung zwischen Aktzeit und Inhaltszeit zurückzugreifen, um darauf hin zu vermuten, die sukzessierenden Teilgegenstände müßten freilich simultan vorgestellt werden, dies aber könne mit Hilfe entsprechend sukzessierender Inhalte geschehen, - derlei bietet sich doch schon dem ersten Blick als allzu aussichtslos dar. So viel auch der Gedanke des Vorstellungsinhaltes noch an theoretischer Schärfe zu wünschen übrig lassen mag, das  eine  ist klar, daß die Relation zwischen Akt und Inhalt , mag man sie auch noch so äußerlich fassen, eine zeitliche Verschiedenheit zwischen ihren Gliedern unter keiner Bedingung gestattet: es wäre einfach absurd, einer Vorstellung, die existiert, einen Inhalt zuzuschreiben, der nicht existiert.

So muß denn die oben aufgeworfene Frage, ob zeitlich distributierte Gegenstände als solche distributierte Vorstellungen gestatten oder verlangen, für Gegenstände höherer Ordnung endgültig mit Nein beantwortet werden. Die entscheidenden Gründe hierfür liegen, wie wir sahen, einmal darin, daß das Superius mehr ist, als das objektive Kollektiv der Inferiora, dann darin, daß das Superius nicht vorgestellt werdn kann, ohne daß die Inferiora vorgestellt werden. Daß Akt und Inhalt einer Vorstellung nicht zeitlich auseinander liegen können, braucht dann kaum noch besonders in Rücksicht gezogen zu werden. Wir gelangen damit zu dem Ergebnis, daß, was die direkte Empirie in betreff der Beschaffenheit der Vorstellungen des Sukzessiven auf den ersten Blick wahrscheinlich mach, der Wahrheit nicht gemäß ist: die Theorie hat nun zu versuchen, dem als trügend erkannten Schein nun auch eine positive Charakteristik der Sachlage gegenüber zu stellen.

Den nächsten natürlichen Anhalt für eine vorerst freilich noch recht dürftige Konzeption gewährt hier jenes Erfahrungsmaterial, von dem wir eben gesehen haben, daß es nicht im Sinne eines Parallelismus zwischen Gegenstandszeit und Vorstellungszeit gedeutet werden darf. Soll ich eine Melodie, die aus den Tönen A, B, C, D besteht, anschaulich vorstellen, so ist der natürlichste Weg hierzu das Hören der betreffenden Töne in der richtigen Reihenfolge: auch das bloße Einbilden einer Melodie wird beim Einbilden der einzelnen Töne in richtiger Folge seinen natürlichen Anfang nehmen. Für alle Fälle dieser Art ergibt sich nun ganz von selbst, daß die Vorstellung der Melodie der des letzten Tones keinesfalls vorangehen, wohl aber ihr nachfolgen kann. Weiter ist die schließlich erforderliche Gleichzeitigkeit der Tonvorstellungen, die simultane Pseudo-Existenz der vorgestellten Töne, kaum anders zustande gekommen anzunehmen als durch entsprechende Nachdauer der betreffenden Tonvorstellungen. Diese Nachdauer aber und die durch sie zuletzt erzielte Simultaneität ist auch wieder nicht so zu denken, als ob dann am Ende alle Töne der Melodie zusammenklängen: noch weniger dürfte sich etwa ein Farbenwandel als Mischfarbe oder gar eine räumliche Bewegung als das Unding eines sich an mehreren Orten zugleich befindlichen Dinges darstellen. Vielmehr muß an den nachdauernden Inferioravorstellungen die Zeitlage ihrer Gegenstände zueinander und eventuell auch zum Zeitpunkt des Vorstellens irgendwie zur Geltung kommen: ich stelle dann die Töne der Melodie zwar zugleich vor, doch nicht  als  zugleich; eventuell erscheint mir außerdem die Melodie auch noch als mehr oder weniger vergangen. In betreff der Art und Weise, wie ein solcher Erfolg erzielt zu denken wäre, habe ich bereits im Analysenartikel einiges deutlicher zu machen versucht: (13) so dürftig der Versuch ausgefallen ist, hier wäre nicht der Ort, daran zu bessern. (14) Denn das, worauf es hier zunächst ankommt, die unerläßliche Simultaneität der Vorstellungen sukzessiver Inferiora, ist, wie wir sahen, durch Erwägungen gesichert, deren Stringenz durchaus unabhängig ist von dem Maß, in dem es gelingt, sich den näheren Sachverhalt mit wünschenswerter Anschaulichkeit vorstellig zu machen.

Die bisherigen Ausführungen betrafen, wie eingangs bemerkt, Gegenstände, an deren Inferioren die (unter einander verschiedenen) Zeitbestimmungen direkt als Bestandstücke dieser Inferiora beteiligt sind. Es bedarf nun keiner besonderen Begründung mehr, warum das Gesagte auch dann seine Geltung behält, wenn Umstände, die zunächst nicht innerhalb, sondern außerhalb der betreffenden Inferiora liegen, die Eventualität einer bloß sukzessiven Erfassung dieser Inferiora der Erwägung aufdrängen. Soll ich zwei Farben oder Töne vergleichen, so werde ich es in der Regel darauf anlegen, die beiden Gegenstände hintereinander zur Vorstellung zu bringen, muß sie aber darum noch gar nicht als hintereinander vorstellen, sei es, daß ich weiß, daß die betreffenden Wirklichkeiten tatsächlich simultan existieren, sei es, daß mich ihre Zeit überhaupt nicht interessiert, ihre tatsächliche Aufeinanderfolge also eine zufällige ist. Wir können kurz auch so sagen: die Gegenstandszeit der Inferiora ist hier die nämliche, falls sie nicht etwa völlig außer Betracht bleibt; aber die Vorstellungszeit der Inferiora scheint zunächst verschieden und dies legt auch hier den Gedanken nahe, in der Sukzession des Vorstellens der Inferiora auch das Erfassen des Superius für beschlossen zu halten. Nun ist aber hier das Superius nicht einmal ein distributierter Gegenstand: die Vorstellung dieses Gegenstandes kann also hier ihrem Inhalt nach sozusagen a potiori [der Hauptsachen nach - wp] keine distributierte Tatsache sein. Damit ist dann aber auch ganz im Sinne des oben Dargelegten mit gewährleistet, daß zur Zeit, da das Superius vorgestellt wird,  beide  oder allgemein eben sämtliche Inferiora simultan vorgestellt werden müssen.


§ 20. Polemische Nachträge

Wie man sieht, sind wir sonach doch zu eben der Position gelangt, die SCHUMANN und STERN bekämpfen. Was ich beiden entgegenzuhalten habe, dürfte im Wesentlichen durch das obige klar genug geworden sein, um nur noch einiger Nachträge zu bedürfen.

Was ich an den Darlegungen beider Autoren als eigentlichen, fundamentalen Mangel verspüre, ist dies, daß sie die oben als mehr apriorisch denn empirisch bezeichneten Erwägungen gar nicht in den Kreis ihrer Untersuchungen einbezogen haben. daß der in der nächsten Empirie gelegene Anschein für die Simultaneitätsposition eher ungünstig als günstig ist, darüber hat sich wohl kein Vertreter dieser Position Täuschungen hingegeben. Wem gleichwohl diese Position durch andere Gründe aufgezwungen ist, der bedarf einer Entkräftung dieser Gründe, nicht aber des neuerlichen Hinweises darauf, daß, sofern diese Gründe nicht berücksichtigt werden, man auch mit einfacheren Mitteln sein Auslangen finden könnte.

SCHUMANN im Besonderen konzediert die Unerläßlichkeit der Simultaneität für denjenigen, der annimmt, daß das Beurteilte in das Urteil "eingeschlossen" sei. (15) Ich habe berührt, warum ich dies, das Wort "Einschluß" ausreichend bildlich verstanden, annehmen muß. Aber ich habe bei der obigen Begründung der Simultaneitätsthese immer nur vom Vorstellen, in keiner Weise vom Urteilen zu reden nötig gehabt; und daß das Vorstellen seinen (pseudo-existierenden, "immanenten") Gegenstand "einschließe", trivial gesagt, daß das Vorstellen nicht zu einer Zeit  x,  das Vorgestellte zu einer Zeit  y  gegeben sein könne, das scheint mir so selbstverständlich und insbesondere von jeder Urteilstheorie so unabhängig, daß ich die hypothetische Form jenes Zugeständnisses nicht wohl für eine wirkliche Einschränkung desselben gelten lassen kann.

Auf alle Fälle aber habe ich in betreff der positiven Seite der SCHUMANNschen Aufstellung das schon oben Hervorgehobene zu wiederholen. "Daß Komplexe von Bewußtseinszuständen nur dann ein einheitliches Ganzes bilden könnten, wenn sie simultan im Bewußtsein wären", (16) behaupte auch ich nicht. Aber ich muß überdies eben auch noch bestreiten, daß, damit ein Superius vorgestellt werde, es genüge, daß die Vorstellungen der Inferiora  irgendein  Ganzes ausmachen: sie müssen viel mehr in ganz  bestimmte  Relation zu einander treten und demgemäß ganz bestimmte Komplexionen bilden; Komplexionen dieser Art verlangen aber eben Simultaneität ihrer Bestandstücke.

Nebenbei scheint es, als ob SCHUMANN an vermeintlichen Konsequenzen der Simultaneitätsposition Anstoß nähem, die sie, so viel ich sehe, gar nicht hat. Daß ein Satz "nicht richtig verstanden werden könnte, wenn die einzelnen Wortvorstellungen nicht gleichzeitig im Bewußtsein wären", (17) wäre freilich übertrieben; aber dergleichen wird doch höchstens derjenige behaupten wollen, der meint, daß es beim Verstehen auf die Worte ankomme und nicht auf deren Sinn. Auch daß SCHUMANN unter günstigen Umständen "beim Auftauchen eines neuen Eindruckes das Nichtvorhandensein des vorangegangenen ziemlich sicher ... konstatieren kann, (18) und gleich ihm jeder Normalsinnige in tausend Fällen des täglichen Lebens, das könnte der Simultaneitätsthese erst unter der Voraussetzung Eintrag tun, daß "gleichzeitig vorstellen" soviel besagen soll, wie  "als  gleichzeitig vorstellen" respektive beurteilen, was aber nur so lange begegnen kann, als man Vorstellungszeit und Gegenstandszeit nicht gehörig auseinanderhält.

An WILLIAM STERNs Ausführungen scheint mir vor allem trotz der Sorgfalt, die sie übrigens auszeichnet oder vielleicht gerade wegen dieser, der Nachteil besonders deutlich, den das unzureichende Auseinanderhalten von Vorstellungsakt, -Inhalt und -Gegenstand mit sich führt. Außerdem aber dürfte für den Standpunkt, den er einnimmt, in besonderem Maße ein erkenntnistheoretisches Interesse maßgebend sein, die Angelegenheit der Zeitwahrnehmung nämlich, die er durch Annahme einer "psychischen Präsenzzeit" sicher zu stellen versucht. "Sobald man an die Möglichkeit einer direkten Wahrnehmung zeitlicher Verhältnisse ... glaubt", meint er, (19) "kann der Bewußtseinsakt, in welchem diese Wahrnehmung erfolgt, selbst nicht mehr punktuell, momentan sein." Mit dem Verzicht auf diese Forderung aber sind "alle der Annahme einer eigentlichen Zeitwahrnehmung entgegenstehenden Schwierigkeiten beseitigt; denn sobald der Satz anerkannt ist:  Die innerhalb einer gewissen Zeitstrecke (der Präsenzzeit) liegenden Bewußtseinsinhalte können einen einheitlichen Bewußtseinsakt bilden  -, bietet auch der weitere Satz zu keinen prinzipiellen Bedenken mehr Anlaß:  Diese dem Bewußtseinsakt objektiv zukommende Präsenzzeit nebst den in ihr enthaltenen zeitlichen Verhältnissen kann auch unmittelbar subjektiv zu einem Inhalt werden."  (20)

Eine ins Einzelne gehende Diskussion dieser Aufstellung würde, wie vielleicht unmittelbar ersichtlich, schon im Hinblick auf das, was ich eben als terminologische Unvollkommenheit derselben bezeichnen zu müssen meinte, sich ziemlich umständlich gestalten. Auch in diesem Fall empfiehlt es sich darum, statt an die Worte sich an die völlig klaren Intentionen des Autors zu halten. Es gilt einfach, darüber ins Klare zu kommen, wie die oben vertretene Simultaneitätsthese sich zur Annahme von Zeitstreckenwahrnehmungen verhält.


§ 21. Die Wahrnehmbarkeit des Vergangenen.
"Psychische Präsenzzeit".

Akt und Inhalt einer Vorstellung, so fanden wir oben, kann zeitlich nicht auseinander liegen; die eben mitgeteilte Stelle läßt nun erkennen, daß STERN hiermit das Wahrnehmen einer Zeitstreckentatsache für unverträglich hält. Worauf gründet sich, dies ist die nächste Frage, die Annahme einer solchen Unverträglichkeit?

Die Frage scheint leicht zu beantworten. Vorerst ist klar, daß, was oben vom Vorstellungsakt dargetan wurde, auch vom Urteilsakt gegenüber seinem Inhalt gilt. Stelle ich nur das vor, was ich "auf einmal" vorstelle, so urteile ich in Wahrheit nur über das, worübber ich "auf einmal" urteile und was vom Urteilen im Allgemeinen gilt, gilt auch vom Wahrnehmen im Besonderen. Anerkanntermaßen aber kann man nur wahrnehmen, was ist, und nicht, was war oder sein wird: der Wahrnehmungsakt scheint sonach mit dem Wahrgenommenem gleichzeitig sein zu müssen. Ist also das Wahrzunehmende eine zeitliche Streckentatsache, so müßte auch die Wahrnehmung eine sein, näher müßte der Inhalt der Wahrnehmung parallel mit dem Wahrzunehmenden in der Zeit ablaufen. Das wäre aber eben das Gegenteil von der oben in Anspruch genommenen Indistributiertheit des Urteils und ist daher durch diese ausgeschlossen.

Ich habe diese Erwägungen lange für binden und sonach die Unmöglichkeit einer wie immer gearteten Zeitwahrnehmung für erwiesen gehalten. In der Tat führt der Verziecht auf die Zeitstrecken-Wahrnehmung erkenntnistheoretische Schwierigkeiten, die unüberwindlich heißen müßten, nicht mit sich. Zugleich aber ist damit der Bereich der Wahrnehmungs-Erkenntnis auf den jeweiligen Gegenwärtigkeitspunkt beschränkt; und diese so oft anstandslos akzeptierte Annahme verrät, wenn ich recht sehe, die Unhaltbarkeit der Position. Auch daran zweifelt ja niemand, daß man nur wahrnehmen kann, was real ist: der Zeitpunkt aber so gut wie der Raumpunkt ist nichts als eine Grenze, also ideal. Ist also die Wahrnehmung aus sonstigen Gründen auf den Gegenwärtigkeitspunkt eingeschränkt, so ist ihr durch den letzterwähnten Umstand auch die Gegenwart entrückt; mit anderen Worten: es gibt überhaupt keine Wahrnehmung.

Vorerst könnte man es hier nun freilich zu weit gegangen finden, wenn dem Gegenwärtigkeitspunkt sozusagen die Existenzfähigkeit abgesprochen erscheint, weil es eben ein Punkt ist. Denn wenn Punkte nicht existieren können, was soll man dann etwa von der Existenz eines räumlich Ausgedehnten denken, aus dem man ja an beliebigen Stellen Punkte herausheben kann; sollte dann wohl die Existenz des Ausgedehnten an eben so vielen Stellen unterbrochen sein? Man überlege aber vor allen, ob die Nichtexistenz des Punktes, wenn man gewiß nicht über den Punkt hinaus, d. h. zu einer, wenn auch noch so kleinen Strecke übergeht wirlich eine Unterbrechung in der Existenz der Strecke bedeutet. Natürlich ist dies zu verneinen; es kommt aber noch hinzu, daß oben nicht dem Punkt schlechtweg, sondern nur dem sozusagen isolierten Punkt, dem Punkt ohne Strecke die Unverträglichkeit mit der Existenz nachgesagt sein sollte. Der Punkt selbst freilich kann nicht existieren, sondern nur bestehen; aber wo der Punkt ist, kann sehr wohl etwas existieren, nur nicht beschränkt auf den Punkt. Gerade dies wäre aber beim Gegenwärtigkeitspunkt der Fall: er hängt freilich, wenn man das so sagen darf, gleichfalls an einer Strecke; aber was kann dies helfen, wenn das woran er hängt, als vergangen oder künftig eben seiner Natur nach nicht existiert, sondern höchstens war oder sein wird?

Wie man sieht, ist es also gar nicht Grau in Grau gemalt, wenn einmal SCHUMANN der in Rede stehenden Auffassung die Konsequenz entgegenhält: "Da die Vergangenheit nicht mehr, die Zukunft noch nicht ist, so wäre die Zeit ein Wirkliches, das aus zwei Hälften besteht, die beide nicht wirklich sind." (21) Es würde zu weit führen, wollte ich hier versuchen, Paradoxien oder auch Unverträglichkeiten dieser Art mit ausreichender Gründlichkeit bis zu ihren Wurzeln zu verfolgen. Ich muß mir darum am einfachen Hinweis darauf genügen lassen, daß dergleichen nicht zum geringsten Teil dem aus dem Vulgärdenken in die Theorie herübergenommenen Existenzbegriff und dem auf diesen gebauten Realitätsgedanken zur Last fällt. Wie wenig hier alles in Ordnung ist, mag ein Beispiel dartun. "Der letzte weggeschmolzene Schnee" ist, weil etwas Vergangenes, ideal; der "goldene Berg" ohne Zeitbestimmung ist nach gewöhnlicher Auffassung real, obwohl er nie existiert hat und nie existieren wird. Hier ist es schon auffallend unnatürlich, beide Fälle einfach unter das Schema "nicht-existierend" zu subsumieren, noch mehr, dem, das zu keiner Zeit war oder sein wird, einen Realitätsvorzug einzuräumen gegenüber dem, was tatsächlich vorhanden ist. Die dem historischen Interesse so nahe liegende Tatsächlichkeit des Vergangenen, der eine eben solche des Künftigen zur Seite steht, fordert, wenn ich recht sehe, unweigerlich die Einbeziehung des Vergangenen und Künftigen in den Bereich des Realen. Man überwindet damit, wie näher darzulegen ich mir für eine andere Gelegenheit aufsparen muß, das unberechtigte Eindringen eines völlig subjektiven Momentes in unseren Existenzgedanken, daß im Umstand hervortritt, daß jede Existenz als vergangen, gegenwärtig oder künftig determiniert sich darstellt, diese Determination aber jedesmal nichts anderes, als eine Relation zwischen Urteilszeit und Gegenstandszeit bedeutet, die dem Wirklichen am Ende doch gerade so zufällig sein muß, wie es für dasselbe zufällig ist, ob es und wann es von irgendjemandem erkannt wird.

Kann es also in Wahrheit der Realität eines Wirklichen nichts abtragen, ob und wann ein erkennendes Subjekt sich damit beschäftigt, so entfällt damit auch der auf den Realitätsgedanken gegründete prinzipielle Ausschluß des Vergangenen aus dem Gebiet des Wahrnehmbaren. Ist damit aber auch jeder Grund, Wahrnehmung auf Gegewärtiges einzuschränken, behoben? Man scheint manchmal eine Schwierigkeit darin zu finden, (22) daß dem Erkennen die Fähigkeit zugeschrieben werde, Vergangenes sei es überhaupt, oder doch wenigstens unmittelbar zu erfassen. Allein ersteres wird durch jedes Vergangenheitswissen, Letzteres im Besonderen durch die Funktionen des Gedächtnisses entkräftet, und auf den von mir erbrachten Beweis für die eigenartige unmittelbare Evidenz der Gedächtnisurteile (23) muß ich hier ausdrücklich Bezug nehmen, weil sich von diesen ein ganz natürlicher Übergang zu den Wahrnehmungsurteilen darzubieten scheint. Gedächtnisurteile sind von Natur ungewiß, sie sind in diesem Sinne Vermutungen. Aber ihre Zuversicht wächst im Allgemeinen mit der Abnahme der Distanz zwischen Urteilszeit und Gegenstandszeit. Nullwert kann diese Distanz, wie wir sahen, nicht annehmen, sofern es sich um zeitlich distributierte Gegenstände handelt. Könnte sie das, dann hätte die gegen die absolute Gewißheit limitierende Ungewißheit der Gedächtnisurteile diese Grenze wirklich erreicht und man hätte den Idealfall jener absoluten Gewißheit vor sich, die die Erkenntnistheorie für Wahrnehmungsurteile, genauer für die Urteile innerer Wahrnehmung in Anspruch nimmt. Ist nun aber dieses Ideal nicht nur praktisch, sondern auch begrifflich unerfüllbar, warum könnte man nicht das, was diesem Ideal an Erreichbarem zunächst steht, also die für alle praktischen Bedürfnisse immer noch ausreichend gewissen und sicheren Gedächtnisurteile über die der Urteilszeit unmittelbar vorangehende, ausreichend kurz bemessene Spanne zeit als Wahrnehmungsurteile bezeichnen?

Ehe man sich entschließt, sich in dieser Weise zu bescheiden, ist noch auf eine Klasse von Gegenständen bedacht zu nehmen, bei denen die obigen Schwierigkeiten dem Zustandekommen eines Wahrnehmungsurteils im strengen Sinn unter günstigen Umständen nicht im Weg zu stehen scheinen: ich meine die zeitlich indistributierten Gegenstände. Gesetzt, ich sehe ein Buch, das vor mir liegt oder höre einen anhaltenden Ton oder bin mir eines Gefühles bewußt, das eine Weile andauert. Ohne übrigens der äußeren Wahrnehmung die Dignität der inneren zuschreiben zu wollen, darf man sagen, daß Beispiele dieser Art alle darin übereinstimmen, daß hier alle Zeitschwierigkeiten zu entfallen scheinen, falls man nicht etwa die Dauer des betreffenden Gegenstandes mit in das Wahrnehmungsurteil einzubeziehen versucht. Dem natürlich eine Zeitstrecke einnehmenden Urteilsakt steht ein gleichfalls konstanter Inhalt zu Gebote. Was mit Hilfe dieses Inhaltes erkannt wird, ist zunächst nicht etwa ein konstanter Gegenstand als solcher, es ist vielmehr konstant derselbe Gegenstand. Tatsächlich  ist  aber der erkannte Gegenstand konstant; und sofern, wie anzunehmen doch kaum entbehrlich sein wird, das Wahrgenommene die Wahrnehmung entweder hervorruft oder doch bedingt, ist dafür gesorgt, daß Wahrnehmung und Wahrgenommenes zeitlich (mehr oder weniger genau) zusammenfällt und so die Wahrnehmung im Recht bleibt.

Gleichwohl wird man sich nun aber einer Täuschung darüber auf die Dauer nicht hingeben können, daß man es hier zwar mit einer praktisch günstigeren, theoretisch aber doch keineswegs eigenartigen Sachlage zu tun hat. Ist wie eben wieder berührt, der zeitlich indistributierte Gegenstand als solcher konstant (also von einem zeitlich distributierten unveränderten Gegenstand wie etwa der Ruhe nur dadurch verschieden, daß diese Konstanz außer Betracht bleibt, so gilt am Ende doch auch für ihn, wie für jeden zeitlich distributierten Gegenstand, daß zwei Strecken, die als Ganze zusammenfallen, es niemals ihren sämtlichen Teilen nach anders als paarweise können und daß bei völlig genauer Betrachtung die zusammenfallenden Paare gar nicht Strecken-, sondern Punktpaare sind. Gelangt also günstigstenfalls der wahrgenommene Gegenstand mit dem Wahrnehmungsurteil im Ganzen wirklich zeitlich zur Deckung, so doch niemals allen seinen Teilen, ja überhaupt keiner Zeitstrecke nach. Erfaßt also das Urteil den zeitlich ausgedehnten Gegenstand, so gilt für jeden aus der Zeitdauer dieses Urteils herausgegriffenen Punkt, daß das Urteil auf Vergangenes oder wohl auch Künftiges, aber durchaus nicht oder höchstens einem verschwindenden Anteil nach auf ein mit dem Urteil Gleichzeitiges, in diesem Sinn also Gegenwärtiges geht.

So steht man denn, soweit ich sehe, unvermeidlich vor dem Dilemma: entweder es gibt überhaupt kein Wahrnehmen oder man muß auf die Forderung der Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung mit dem Wahrgenommenen verzichten. Ersteres aber könnte nur dann annehmbar erscheinen, wenn letzterer Verzicht die sonst als Wahrnehmungen anerkannten Tatbestände um jede Eigenartigkeit gegenüber anderen Urteilen brächte. Dem ist aber keineswegs so. Für die naive Betrachtungsweise, der der Wahrnehmungsgedanke ja jedenfalls zunächst entstammt, ist die fragliche Gleichzeitigkeit sicher kein primäres, sondern nur ein konsekutives [abgeleitetes - wp] Moment, dem die Voraussetzung zugrunde liegt, daß die Wahrnehmung die Wirklichkeit, auf die sie geht, zur Ursache oder doch Bedingung habe. Diese Abhängigkeit aber, wenn kausal, gestattet streng genommen die Gleichzeitigkeit gar nicht; wenn konditional, verlang sie sie zum Mindesten nicht, da das Abhängigkeitsverhältnis wieder nur die bis auf die Punkte zu restringierenden Teile paarweise, nicht aber die beiden Ganzen betrifft. Dem Verlauf der Wirklichkeit concomitiert [simultan verlaufend - wp] mehr oder minder genau die Wahrnehmungsvorstellung  von dieser Wirklichkeit ihren Bestandstücken nach, konstant oder sich verändernd, je nachdem die Wirklichkeit dem Typus der Ruhe oder dem der Bewegung folgt. Bei jedem Punkt dieser gegenständlichen Linie hebt das "Zurücksinken" des in jenem Punkt gegebenen Gegenstandes in die subjektive Vergangenheit (24) an: bei jedem Punkt setzt zugleich ein Urteil ein, dessen Gewißheitsgrad mit jenem Zurücksinken wohl in funktionellem Zusammenhang stehen wird. Im Ganzen ergibt dies natürlich nicht etwa eine unendlich große Anzahl solcher Anschlußurteile, sondern ein einziges, wie auch immer komplexes Urteil mit stetig wachsendem Gegenstand, falls sich die wahrgenommene Wirklichkeit stetig verändert hat, - eines mit unverändertem Gegenstand bei unveränderter Wirklichkeit. So hat man hier im Ganzen einen Vorstellungs- und Urteilstatbestand vor sich, der immerhin um einiges verwickelter sein mag, als man von den Tatbeständen des Wahrnehmens erwarten möchte, die man sich stets für besonders einfach zu halten gewöhnt hat. Aber es liegt eine ausreichend präzise Charakterisiertheit vor, um darauf hin der hergebrachten Unterscheidung des Tatsachenwissens in das von der gegenwärtigen und der nicht-gegenwärtigen Wirklichkeit immer noch statt zu geben.

Kurz also: die Wahrnehmung hängt nicht an der Gleichzeitigkeit mit dem Wahrgenommenen und wird darum auch nicht durch die Forderung der Gleichzeitigkeit zwischen Urteilsakt und Urteilsinhalt bedroht. Kann ich sonach in diesem Punkt der Position STERNs nicht beipflichten, so schlagen die eben angestellten Erwägungen im wesentlichen doch weit mehr zugunsten als zu ungunsten dessen aus, was STERN, wie bereits bemerkt, durch Aufstellung des Begriffes der "psychischen Präsenzzeit" leisten will. Zuletzt ist es ihm ja doch darum zu tun, die Wahrnehmbarkeit der Bewegung oder sonstiger Veränderung gegenüber einseitigem Hervorheben des Erfordernisses der Gleichzeitigkeit zu vertreten: wir aber haben gefunden, daß er damit ganz im Recht ist. Kann ich sonach auch Vergangenes wahrnehmen, so offenbar nicht über jede Grenze hinaus und es ist ganz passend, die Zeit, innerhalb deren ich dies kann, in besonderem Sinne als gegenwärtig, als "Präsenzzeit" zu bezeichnen. Sie mit Hilfe des Einheitsgedankens zu  definieren,  (25) halte ich dann freilich wieder aus bereits angegebenen (26) Gründen für untunlich: psychische Tatsachen, näher Inhalte können sich sicher in vielerlei Weisen zu Einheiten zusammenschließen, d. h. vielerlei Komplexionen ausmachen, ohne daß Wahrnehmung daran beteiligt wäre. Dennoch ist in diesem Hinweis auf die Einheitlichkeit des Gegenwärtigen jedenfalls ein für dieses wesentlicher Punkt getroffen. Sehe ich von einem Aussichtspunkt aus einen Eisenbahnzug die Landschaft durchqueren, so nenne ich dessen Bewegung gegenwärtig, vielleicht auch noch, wenn die Zeit, während der ich ihn verfolgen kann, nicht ganz kurz ist. Den Pfiff der Lokomotive und einen auf diesen folgenden Vogelruf werde ich nicht leicht auf einmal für gegenwärtig erklären, auch wenn der Pfiff nach dem Beginn, der Ruf vor dem Ende der von mir "gesehenen" Bewegung zu hören war. Es wird eben nicht leicht einen Gesichtspunkt geben, unter dem sich Pfiff und Ruf für mich zu  einem  Ganzen vereinigt.

Zusammenfassend kann man also etwa sagen: Nimmt man STERNs Ausführunen bei den Worten, so muß man ihnen entgegenhalten, daß darin dem Prinzip der Gleichzeitigkeit von Wahrnehmung und Wahrgenommenem das Prinzip der Gleichzeitigkeit von Wahrnehmungsakt und -inhalt und das daraus resultierende Prinzip der Simultaneität sämtlicher zum nämlichen Akt gehöriger Inhalte geopfert ist, indes der Konflikt durch Aufgeben des ersten Prinzips zu lösen gewesen wäre. Hält man sich dagegen an die Sache und die Meinung des Autors, so darf man es diesem nur Dank wissen, daß er einer, wie ich wenigstens an mir selbst erfahren habe, sehr verlockenden Scheinkonsequenz des zweiten, an sich zu Recht bestehenden Gleichzeitigkeitsprinzips nachdrücklich entgegentritt und damit der Wahrnehmung ihr gutes Recht wahrt. Kann man einen Ton, eine Farbe wahrnehmen, so auch eine Melodie oder eine Bewegung, soweit sie sich innerhalb der Grenzen der "Präsenzzeit" abspielt, - natürlich Melodie wie Bewegung nur ihren Bestandstücken nach, indes die auf diese Bewegung gegründete, durch sie fundierte Idealkomplexion (zunächst eigentlich Idealrelation) streng genommen so wenig wahrgenommen werden als existieren kann. (27) Immerhin hält man es meist nicht so streng: nimmt man aber keinen Anstoß daran, das Intervall gleichzeitiger Töne zu "hören", bei dem es meiner Meinung nach gewiß nicht  nur  auf die Verschmelzung, d. h. auf eine Realrelation hinauskommt, so ist auch gegen das "Hören" der Melodie selbst ohne Einschränkung auf die Bestandstücke nichts einzuwenden.

Daß dieser Auffassung gegenüber der Gegensatz zwischen Wahrnehmungs- und Gedächtniswissen viel von seiner anscheinenden Schärfe einbüßt, ist nicht zu leugnen: aber die Wirklichkeit zeigt auch sonst mehr fließende Grenzen, als dem Theoretiker lieb sein kann. Vollends den Bereich dessen, was man seit SIGMUND EXNER oft "primäres Gedächtnis" genannt hat, von dem deutlich zu sondern, was in die "Präsenzzeit" fällt, möchte, falls ich mit den obigen Ausführungen im Recht bin, doch weniger Aussicht auf Erfolg haben, als auch STERN meint. (28)

Daß zur Bezeichnung fließend abgegrenzter Tatsachen auch Wörter mit fließend abgegrenzter Anwendungssphäre erforderlich sind, versteht sich: darum ist es auch ganz am Platz, mit SCHUMANN und STERN auf den Vulgärsinn des Wortes "Gegenwart" zurückzugreifen. Nur bleibt daneben die Konzeption des Gegenwärtigkeitspunktes  nicht minder in ihrem Recht; und wer, indem er den Gegensatz von Gegenwärtig und Vergangen in diesem zweiten Sinn faßt, sich vor die Frage gestellt findet, ob man Vergangenes wahrnehmen könne, wird dem obigen gemäß vor dem Paradoxon nicht zurückschrecken dürfen, die Frage zu bejahen. Er wird sogar die Paradoxie noch bis zu der Behauptung steigern müssen, daß im Grunde Vergangenes das einzig Wahrnehmbare sei.


§ 22. Schlußbemerkungen: das Hauptergebnis

Ich komme zum Ausgangspunkt der dem Vorstellen von zeitlich distributierten Gegenständen gewidmeten Untersuchungen zurück. Es wird also dabei bleiben müssen, daß, wer die Melodie vorstellen will, zugleich die sämtlichen Töne vorstellen muß, die sie ausmachen, - allgemeiner: daß, um ein Superius von zeitlich verschiedenen Inferioren vorzustellen, diese Inferiora simultan vorzustellen sind. Zugleich damit erhält nun aber auch der Umstand seine Bedeutung, der anerkanntermaßen die eigentliche Wurzel der Gegnerschaft gegen die Simultaneitätsposition ausmacht: das eigentümliche Verhalten der inneren Wahrnehmung zu den im obigen unerläßlich gefundenen Inferioren. Für den Hauptvorwurf der gegenwärtigen Darlegungen, dem im Besonderen deren zweiter Abschnitt gewidmet war, hat das die nicht wohl zu verkennende Bedeutung, daß die innere Wahrnehmung sogar Gegenständen gegenüber, denen eine in ihrer Natur gelegene Wahrnehmungsflüchtigkeit keineswegs nachzusagen ist, unter Umständen ganz regelmäßig den Dienst versagt.

Ich habe den im dritten Abschnitt eingeschlagenen Weg zu diesem Ergebnis gewählt, weil sich auf demselben einerseits die Gegenstände höherer Ordnung zugleich von einer charakteristischen Seite zeigen, andererseits, weil dadurch einiger Einblick in das Wesen des Wahrnehmens ganz im Allgemeinen zu gewinnen war. Übrigens aber fehlt es auch sonst keineswegs an Zeugnissen dafür, daß man durchaus nicht nur dort von der inneren Wahrnehmung im Stich gelassen wird, wo es sich um Gegenstände höherer Ordnung handelt. Zum Beleg diene hier etwa der kurze Hinweis auf die vielen Fälle, wo wir gehörte Worte verstehen, ohne daß die direkte Wahrnehmung uns viel mehr als den Wortklang als "gegeben" zu verraten vermag. Deutlicher noch als einzelne Wörter zeugen Sätze, namentlich längere. Die übertriebenen Forderungen, die SCHUMANN in dieser Sache dem Vertreter der von ihm bekämpften Ansicht beimißt, sind oben (29) bereits abgelehnt worden: nicht sämtliche Wörter des Satzes müssen gegenwärtig bleiben, wohl aber sämtliche Vorstellungsbestandstücke, aus denen sich der meist recht komplexe Sinn der betreffenden Rede zusammensetzt. Und noch deutlicher, als einzelne Sätze sind Satzfolgen, in denen Syllogismen oder gar Schlußketten zum Ausdruck gelangen, gleichviel, ob dabei die in der Logik akkreditierten "Formen" gewahrt sind oder nicht. Von alters her setzt man der unmittelbaren Evidenz mancher Urteile die mittelbare Evidenz anderer entgegen: was sollte man sich aber zuletzt unter dieser mittelbaren Evidenz denken, wenn nicht eine Evidenz, die ein Urteil aus einem oder mehreren anderen Urteilen schöpft? Und wie ließe sich aus den Prämissen - unter ausreichend günstigen Umständen - Evidenz für die Konklusio schöpfen, wenn die Quelle für die Evidenz der Prämissen, die diesen zugrunde liegenden Vorstellungen respektive deren Gegenstände, beim Fällen der Konklusio nicht mehr "gegeben" wären? Dennoch sind für die innere Wahrnehmung Vorstellungen, wie Gegenstände, soweit sie nicht auch an der Konklusio beteiligt sind, in der Regel entschwunden und die ganze für alle Erkenntnis so fundamentale Tatsache der Evidenzvermittlung bleibt jedem Verständnis entrückt, bis man sich entschließt, die Lücken, welche das Material innerer Wahrnehmung aufweist, mit Hilfe theoretischer Konstruktion zu ergänzen.

Es ist nun freilich nicht zu verkennen, daß dies und Ähnliches weder unter allen Umständen gleiche Beweis-, noch für alle Untersuchenden gleiche Überzeugungskraft haben wird. Ohne Zweifel zeigt sich vor allem die innere Wahrnehmung unter besonderen Umständen einmal auch besonders leistungsfähig und läßt dann z. B. auch die Fortdauer von Vorstellungen während einer längeren gehörten Rede deutlich erkennen. Wenn man etwa zum Zwecke einer wichtigen Verrichtung eine Anweisung erhält, namentlich wenn durch eine Beschreibung klar gemacht werden soll, was vielleicht natürlicher durch eine Zeichnung verständlich zu machen wäre, da kann man zuweilen recht wohl beobachten, daß man ein Stück nach dem anderen, wie es die Folge der Wörter oder Sätze bietet, festhält, um dann alles zur erforderlichen Komplexion zusammenzufügen. Ferner werden gewiß auch in dieser Sache subjektive Verschiedenheiten nicht fehlen: direkte Zeugnisse, wie SCHUMANN deren kurz ablehnt, (30) werden mindestens nicht ohne weiteres zur Seite zu schieben sein. Von zwei Beobachtern hat ja ceteris paribus [unter sonst gleichen Bedingungen - wp] immer der das Präjudiz [Vorurteil - wp] für sich, der noch sieht, wo der andere nicht mehr sieht. Endlich hat dort, wo die direkte Empirie versagt, die Vorliebe vieler Forscher, Physisches, genauer Physiologisches statt des Psychischen zu interpolieren, immer einen gewissen Spielraum, wenn dieser auch, wo es sich einmal um Evidenz und insbesondere um Notwendigkeit handelt, meines Erachtens immer eine unüberschreitbare Grenze findet. Mögen aber auch sonach manche Erwägungen und Erfahrungen nachträglich wieder gleichsam zugunsten der inneren Wahrnehmung ausschlagen, es werden Instanzen genug übrig bleiben, welche die aus den Untersuchungen des dritten Abschnittes gewonnene Erkenntnis noch bekräftigen, daß auch dort, wo eine an der Natur der Gegenstände gesetzmäßig hängende Wahrnehmungsflüchtigkeit nicht vorliegt, Tatbestände, die unter gewissen Umständen der inneren Wahrnehmung sehr wohl zugänglich sind, unter anderen Umständen sich dem Kenntnisbereich dieser Wahrnehmung entziehen.

Inzwischen möchte ich durch mein Verweilen bei Tatsachen, für deren Würdigung THEODOR LIPPS mit so verdienstvollem Nachdruck eingetreten ist, nicht nachträglich den Schein erwecken, als hätten die Gegenstände höherer Ordnung im Allgemeinen und die fundierten Gegenstände im Besonderen sozusagen das Licht direkter Empirie zu scheuen. Vielmehr war es in erster Linie das Absehen der gegenwärtigen Ausführungen, insbesondere des zweiten Abschnittes derselben, darzutun, daß die durch sie vertretene Theorie allen an eine solche beim gegenwärtigen Stand unseres Wissens zu stellenden billigen Ansprüchen Genüge leistet. Man darf eben nur an die Beschaffenheit dieser Empirie selbst nicht übertriebene Anforderungen stellen, zu denen nicht in letzter Linie das Verlangen zu zählen wäre, die Daten dieser Erfahrung müßten jedesmal so handgreiflich sein, daß sie sich in jedem Fall mühelos auch dem ungeübten, am Ende wohl gar widerwilligen Beobachter aufzwingen.

Näher aber möchten die im zweiten Abschnitt niedergelegten Hauptuntersuchungen dargetan haben, daß der Versuch, die Existenz von (fundierten) Gegenständen höherer Ordnung im Hinblick auf das angeblich versagende Zeugnis innerer Wahrnehmung zu bestreiten, bereits ad absurdum geführt wird durch die Menge und Beschaffenheit der Tatsachen, deren Existenz auf ganz der nämlichen Grundlage in Abrede zu stellen wäre, da dem fraglichen Gesichtspunkt zugleich ungefähr alle psychischen Erlebnisse, höchstens etwa mit Ausschluß einiger besonders aufdringlicher Gefühle, zum Opfer fallen müßten. Die Natur des Irrtums aber, der zu so unannehmbaren Konsequenzen führt, besteht dann darin, daß der Gegner der Gegenstände höherer Ordnung, man darf wohl sagen, dem Zeugnis des naiven Menschenverstandes zum Trotz, für unwahrgenommen und daher (wegen Nicht-Existenz) für unwahrnehmbar hält, was genauer besehen nur wahrnehmungsflüchtig ist.

Ob es mir gelungen ist, dieses Ergebnis derart sicher zu stellen, um auch den Gegner zu überzeugen? Es hieße die Hindernisse, die einer Verständigung in solchen Dingen trotz redlichsten Willens der Beteiligten im Wege stehen, gar sehr unterschätzen, wenn ich eines solchen Erfolges auch nur mit einiger Zuversicht gewärtig wäre. Aber eben im Hinblick auf jene Hindernisse möchten die vorliegenden Ausführungen ihren Zweck erreicht haben, wenn durch sie dargetan ist, daß diejenigen, die bisher durch Konzeption und Ausgestaltung der Theorie der Gegenstände höherer Ordnung die Psychologie und Erkenntnistheorie zu fördern bemüht waren, durch die ihnen bisher entgegengehaltenen Einwendungen noch nicht das Recht verloren haben, ihren Weg in der eingeschlagenen Richtung fortzusetzen. Zur Charakteristik von Weg und Ziel aber mögen denen, die daran im Sinne, sei es der Zustimmung, sei es der Ablehnung, Interesse nehmen, am Schluß dieser Darlegungen noch ein paar Worte nicht unwillkommen sein.

Einerseits muß zugestanden werden, daß die Hoffnungen, die das Beschreiten dieses Weges begleitet haben, keine ganz bescheidenen gewesen sind. Fast alles wissenschaftliche Tun hebt mit Analyse des Gegebenen an: darum ist, und dies mit Recht, auch die wissenschaftliche Psychologie zunächst analytische Psychologie gewesen und wird niemals aufhören,  auch  analytische Psychologie zu sein. Zu je besseren Erfolgen aber die Analyse führte, um so näher lag es, zu übersehen, daß diese neben Gewinn auch Verlust oder doch die Gefahr des Verlustes mit sich führt. Schon die Alltagserfahrung belehrt darüber, um wie viel leichter es zu sein pflegt, auseinander zu nehmen, als zusammenzusetzen. Nun ist das Analysieren des Psychologen freilich kein Auseinandernehmen im gewöhnlichen Sinn: gibt es aber im Psychischen Tatsächlichkeiten, die gleichsam über den Elementen oder Scheinelementen stehen, auf welche die Analyse führt, dann werden diese Tatsächlichkeiten entweder durch die Analyse zerstört oder sie bleiben mindestens, weil analytischer Behandlung im gewöhnlichen Sinn selbst nicht zugänglich, unbeachtet. Für den Stand des theoretischen Wissens über psychische Tatsachen mußte der eine und der andere Effekt die nämliche Bedeutung haben: vom Nichtsehen und Übersehen zum Ignorieren ist zudem nur ein Schritt und durch diesen Schritt hat sich der psychologische "Empirismus" trotz der Unanfechtbarkeit seiner methodologischen Grundlagen sicher oft genug denen gegenüber ins Unrecht gesetzt, denen vielleicht minder entwickeltes analytisches Interesse es leichter machte, an den vor der Analyse sich geltend machenden Tatsächlichkeiten festzuhalten. Aber  empiristischen  Einseitigkeiten war am Ende doch nicht anders als  empirisch  beizukommen; wir kennen ja nur  eine  Erkenntnisquelle für das Tatsachenwissen: die *Erfahrung. Das nun zu erfassen, natürlich eben empirisch zu erfassen, - das zu bearbeiten und zwar womöglich experimentell zu bearbeiten, wovon der ältere Empirismus nichts wissen konnte oder wollte, indes es gleichwohl zu den wichtigsten Tatsächlichkeiten des psychischen Lebens gehört, darin liegt, wie kaum von irgendeiner Seite bestritten werden wird, wennn nicht  die,  so doch jedenfalls  eine  Hauptaufgabe der modernen Psychologie. Die Tatsachen aber, um die es sich da zunächst handelt, sind in erster Linie eigenartig charakterisierte Gedanken und die  Gegenstände,  in denen diese Charakterisiertheit zunächst beschlossen ist, umfaßt, wenn ich recht sehe, zwanglos der Begriff der Gegenstände  höherer  Ordnung.' Von ihnen steht dann wieder eine Hauptklasse, die  "fundierte  Gegenstände" genannt habe, nicht nur den Interessen der Psychologie besonders nahe, sondern sie tritt dadurch, daß den Vorstellungen von diesen Gegenständen zumeist eine ganz fundamentale Bedeutung als Erkenntnismittel  zukommt, zugleich in das Zentrum der Erkenntnistheorie. Den Versuch, dies darzutun, muß ich freilich einer anderen Gelegenheit vorbehalten: (31) wo aber von den Hoffnungen die Rede ist, welche die Vertretung und den Ausbau der neuen Theorie begleiten, kann doch nicht unerwähnt bleiben, daß es nicht zuletzt erkenntnistheoretische Bedürfnisse waren, aus denen die Theorie erwachsen ist und daß diese zugleich ein Versuch sein möchte, der *Erkenntnistheorie neue oder doch unter neuen Gesichtspunkten sich darstellende Tatsachengrundlagen zu gewinnen.

Andererseit möchte ich nun aber doch auch nicht den Schein aufkommen lassen, als wäre mein gutes Zutrauen auf Gegenstände höherer Ordnung im Allgemeinen und fundierte Gegenstände im Besonderen so groß, daß ich in den neu gebildeten Ausdrücken Zauberformeln gefunden zu haben meinte zur Lösung aller Grundprobleme der Psychologie und Erkenntnistheorie, - oder daß ich geneigt wäre, in den an diese Termini derzeit sich knüpfenden Konzeptionen für irgendein beliebig eng abzugrenzendes Tatsachengebiet "der Weisheit letzten Schluß" zu erblicken. Ich meine ganz im Gegenteil, daß, was in dieser Sache bisher vorliegt, nichts weiter als ein erster Anfang ist, nicht mehr bedeutet als ein paar unsichere Schritte in einer Richtung, von der sich einstweilen kaum mehr sagen läßt, als daß sie mindestens nicht  nur  nach seitwärts, sondern jedenfalls  auch  nach vorwärts weist. Immerhin habe ich den neuen Weg bereits ein Stück weiter verfolgt, als die bisherigen Publikationen ersehen lassen: ich weiß insbesondere, daß dieser Weg auf eine Fülle neuer Fragestellungen führt und damit der monographischen Detailforschung unerschöpfliche Gebiete zu erschließen verspricht. Aber es wird hier so wenig wie allenthalben sonst fehlen können, daß im Fortgang der Einzelarbeit, die auch hier das entscheidende Wort zu sprechen hat, neues Licht auf deren Ausgangspunkt fallen, und daß in diesem Licht dann bestenfalles roh und unbeholfen erscheinen wird, was die ganze einer ersten Konzeption verfügbare Leistungskraft in Anspruch nahm. Und daß es an solcher Voraussicht nicht fehlt, mag insbesondere den Gegner dieser Konzeptionen nicht ganz unwissenswert sein; liegt darin doch die Gewähr für sie, daß diejenigen, deren Zusammenarbeiten diese Konzeptionen zunächst entsprungen sind, für jeden Einwurf dankbar bleiben werden, aus dem sie Anregung oder Belehrung schöpfen können. Vorerst aber soll es mir persönlich zur besonderen Befriedigung gereichen, wenn der Autor, dessen Polemik den Anlaß zu den vorstehenden Untersuchungen abgegeben hat, ihnen die Überzeugung entnimmt, daß sein Eintreten in die Kontroverse kein erfolgloses Bemühen war.
LITERATUR - Alexius Meinong, Über Gegenstände höherer Ordnung und deren Verhältnis zur inneren Wahrnehmung, Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinneswahrnehmung, Bd. 21, 1902
    Anmerkungen
    1) Was mich zur Aufstellung dieses Begriffes geführt hat, findet man dargelegt in dieser Zeitschrift 6, "Beiträge zur Theorie der psychischen Analyse", Seite 369f
    2) CHRISTIAN von EHRENFELS, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. 3, 1890, Seite 263f
    3) Eigentlich mehr noch als dessen "Psychologie der Veränderungsauffassung" kommt für den gegenwärtigen Zusammenhang in Frage dessen Abhandlung "Psychische Präsenzzeit", WILLIAM STERN, diese Zeitschrift 13, Seite 325
    4) MEINONG, diese Zeitschrift 6, "Beiträge zur Theorie der psychischen Analyse", Seite 444f
    5) MEINONG, diese Zeitschrift 6, "Beiträge zur Theorie der psychischen Analyse", Seite 438f
    6) MEINONG, diese Zeitschrift 6, "Beiträge zur Theorie der psychischen Analyse", Seite 447f
    7) Übereinstimmend unterscheidet HÖFLER (Psychologie Seite 352) "Zeit des Aktes" und "Zeit des Inhaltes" indem er noch "Inhalt" sagt, wo richtiger "Gegenstand" zu sagen wäre.
    8) MEINONG, diese Zeitschrift 6, "Beiträge zur Theorie der psychischen Analyse", Seite 448
    9) Deshalb ist auch EHRENFELS' Gegenüberstellung des Zeitlichen und Unzeitlichen hier nicht einfach herüberzunehmen.
    10) Vgl. HÖFLER, Psychologie, Seite 352
    11) Ein Beispiel, übrigens kaum eines der auffallendsten, berichtet WILLIAM STERN in dieser Zeitschrift 13, Seite 336
    12) Mit Recht stellt darum WILLIAM STERN in seiner "Psychologie der Veränderungsauffassung" der "direkten Veränderungsauffassung" die "Übergangszeichen" gegenüber. Die Veränderung des A in B kann ich aus einem Zeichen erschließen, in dem vielleicht nur B, vielleicht auch nicht einmal dieses enthalten ist. Das Superius "Veränderung des A in B" aber kann ich nicht vorstellen, noch weniger wahrnehmen, wenn nicht beide Inferiora mitvorgestellt, bzw. mitwahrgenommen werden können.
    13) Vgl. MEINONG in dieser Zeitschrift 6, "Beiträge zur Theorie der psychischen Analyse", *Seite 443f
    14) Vgl. einstweilen HÖFLER, Psychologie, Seite 195, 355f
    15) FRIEDRICH SCHUMANN, diese Zeitschrift 17 "Zur Psychologie der Zeitanschauung", Seite 118
    16) FRIEDRICH SCHUMANN, diese Zeitschrift 17, "Zur Psychologie der Zeitanschauung", Seite 121
    17) FRIEDRICH SCHUMANN, diese Zeitschrift "Zur Psychologie der Zeitanschauung", Seite 120
    18) FRIEDRICH SCHUMANN, diese Zeitschrift "Zur Psychologie der Zeitanschauung", Seite 121
    19) WILLIAM STERN, "Psychische Präsenzzeit", diese Zeitschrift 13, Seite 331
    20) WILLIAM STERN, "Psychische Präsenzzeit", diese Zeitschrift 13, Seite 332
    21) FRIEDRICH SCHUMANN, "Zur Psychologie der Zeitanschauung", diese Zeitschrift 17, Seite 127
    22) Vgl. z. B. STRONG in "Psychological Review" Nr. 3, Seite 156
    23) MEINONG, "Zur erkenntnistheoretischen Würdigung des Gedächtnisses", Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. 10, 1886, Seite 7f
    24) Vgl. die schon erwähnten Ausführungen im Analysenartikel, MEINONG - in dieser Zeitschrift 6, "Beiträge zur Theorie der psychischen Analyse", *Seite 443f
    25) WILLIAM STERN, "Psychische Präsenzzeit", diese Zeitschrift 13, Seite 327
    26) Vgl. oben, Höfler Seite 153
    27) Vgl. oben § 7
    28) Vgl. WILLIAM STERN, "Psychische Präsenzzeit", diese Zeitschrift 13, Seite 338f
    29) Vgl. SCHUMANN
    30) FRIEDRICH SCHUMANN, Zur Psychologie der Zeitanschauung, diese Zeitschrift 17, Seiten 120, 121
    31) Zu vorläufiger Illustration sei auf die oben berührte Stellung der Fundierung zum Gegensatz von "intellectus" und "sensus" zurückverwiesen, den man ja jederzeit zunächst erkenntnistheoretisch genommen hat. Insbesondere wäre, das Verhältnis der "Fundierungsgegenstände" zu den "Erfahrungsgegenständen" mit dem des KANTschen Apriori und Aposteriori in Verbindung zu bringen, schwerlich das Gewaltsamste, was an KANT-Interpretation bereits geleistet worden ist.