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WILLIAM THIERRY PREYER
Die Entdeckung des Hypnotismus
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"Kinder und Schwachsinnige oder unruhig und sehr erregbare Individuen, welche den einfachen Vorschriften nicht nachkommen können, werden nicht hypnotisch, weil sie die Augen nicht stillhalten. Bei Blödsinnigen reicht die Intelligenz nicht aus, die Aufmerksamkeit auf ein Objekt zu konzentrieren."

Erfolge des Braidschen Verfahrens

Die Resultate, welche BRAID mittels des beschriebenen Verfahrens erzielte, sind außerordentlich. Schon der Prozentsatz der hypnotisierbaren unter den sich freiwillig meldenden Individuen ist bei seinen öffentlichen Vorträgen auffallend hoch. So wurden einmal in einer Versammlung von etwa 800 Menschen in Manchester von 14 männlichen Personen, die ihm sämtlich fremd waren und freiwillig vortraten, 10 hypnotisch. In Rochdale wurden 20 an einem Abend hypnotisiert. In London hypnotisierte BRAID in einer medizinischen Privatgesellschaft am 1. März 1842 von 18 Personen innerhalb 10 Minuten 16, die er einen Leuchter anstarren ließ. Bei einer anderen Gelegenheit versetzte er 32 Schulkinder, die vom Mesmerismus niemals etwas gehört oder gesehen hatten, binnen 10 bis 12 Minuten in das erste Stadium des Hypnotismus.

Hierbei ist zu beachten,  daß je öfter ein Patient hypnotisiert wird, er umso empfänglicher wird  und schließlich  allein durch seine eigenen Vorstellungen,  d. h. durch Autosuggestion, in den eigentümlichen Zustand gerät. So kann es geschehen, wie oben berichtet wurde, daß, wenn er sich einbildet, es gehe etwas vor, obgleich er nicht sieht, wodurch er affiziert werden soll, er wirklich affiziert wird. Andererseits wird der geschickteste Arzt sich oft ganz umsonst anstrengen, wenn der Patient nichts erwartet, nicht körperlich und geistig den Vorschriften zu genügen, kann nicht hypnotisiert werden. Man braucht nur die Augen in Bewegung zu halten und die Aufmerksamkmeit nicht auf einen und denselben Gegenstand zu richten, so tritt die Hypnose nicht ein. Sie erscheint aber oft sehr leicht bei solchen, welche, die Hypnose zuversichtlich erwartend, den angegebenen Vorschriften sich gefügt haben. Ein Beispiel: In einem Vortrag erfaßten 22 bereits vorher hypnotisch gewesene Individuen verschiedene Teile ihrer Kleidungen oder Personen gegenseitig und wurden innerhalb etwa einer Minute, während der sie ihre Aufmerksamkeit jenem Akt zuwendeten und die Wirkung erwarteten, hypnotisch. Ein anderes Mal erhoben sich 16 früher hypnotisiert Gewesene ebenso und mit ihnen ein noch nie hypnotisiert Gewesener. In ungefähr einer Minute waren alle hypnotisiert, außer dem einen. Hierauf wurde dieser in der gewöhnlichen Weise hypnotisiert.

Solche  Kinder  und  Schwachsinnige  oder  unruhig  und sehr  erregbare  Individuen, welche den einfachen Vorschriften nicht nachkommen können, werden nicht hypnotisch, weil sie eben die Augen nicht stillhalten. Bei Blödsinnigen reicht die Intelligenz nicht aus, die Aufmerksamkeit auf ein Objekt zu konzentrieren, daher konnte sie BRAID nicht hypnotisieren. In gewöhnlichen Fällen von Geisteskrankheit, von Monomanie, erwies sich das Hypnotisieren dagegen oft heilsam. Auch bei den hypnotisierbaren Individuen existieren große Unterschiede der Empfindlichkeit, indem einige schnell und stark, andere langsam und schwach affiziert werden. In jedem Fall ist streng nach den gegebenen Vorschriften zu verfahren, sonst kann der Erfolg auch bei den Empfänglichsten ausbleiben.

Namentlich die Konzentration der Aufmerksamkeit auf die Augen, so daß dieselben, welche gewöhnlich im wachen Zustand immer in Bewegung sind, still bleiben, ist schwierig und am Unvermögen einige Minuten lang ein kleines glänzendes Objekt ohne Lidschlag und Augenbewegungen zu fixieren, scheitern viele Versuche. Aber abgesehen von diesen Fehlerquellen ist eine ungleiche Hypnotisierbarkeit auch desselben Individuums nach körperlichen Zustänen und je nach der  Stimmung  vorhanden. Geradeso haben alkoholische Getränke, Opium, Luftgas bekanntlich verschiedene Wirkungen je nach den Individuen und bei demselben Individuum wirken sie ungleich zu verschiedenen Zeiten.

Besonders darin spricht sich der individuelle Unterschied aus, daß einige Patienten nur den ersten Grad der Hypnose, die primäre Hypnose erreichen und nur sehr schwer oder gar nicht den zweiten Grad, die sekundären Erscheinungen, die Starrheit, zeigen. Die Wirklichkeit der Wirkungen des Opiums wird darum nicht bestritten, weil dieselbe individuell erhebliche Verschiedenheiten zumal der Intensität darbieten. So wird auch die Wirklichkeit der Hypnose nicht zu bestreiten sein, wenn sie auch sehr ungleich stark, je nach Individuum, auftritt.

Opium- und Luftgas-Narkosen haben mit der Hypnose auch gemein den bald raschen, bald allmählichen Übergang von einem geistigen Zustand in den entgegengesetzten.

Die Verschiedenheit der Symptome, welche verschiedene Individuen zeigen, wenn sie einmal hypnotisch geworden sind, sieht BRAID als eine starke Stütze seiner Ansicht an, daß es sich um subjektive Änderungen, um individuelle oder persönliche Zustände handelt und daß hier keine Täuschungen, insbesondere keine Simulationen vorliegen. Wenn verschiedene Menschen "zerstreut" sind, sind sie eben sehr verschieden zerstreut. Die Zerstreutheit und Hypnose sind in mancher Beziehung ähnlich. Denn gerade wie in der Zerstreutheit die "Geistesabwesenheit" die Erregbarkeit für neue Reize abschwächt, also physisch wirkt, ist in einem gewissen Stadium der Hypnose die ungewöhnlich und einseitig erregte Phantasie von physischen Folgen begleitet.

Hierdurch erklärt auch BRAID die Wirksamkeit des Streichens der Magnetiseure mit und ohne Berührung, indem die Aufmerksamkeit des Patienten erregt, sein Wille, seine Phantasie präokkupiert [vereinnahmt - wp] werden. Der Wille des Operateurs dagegen ist gleichgültig, indem auch, wenn er nicht hypnotisieren  will,  doch Hypnose eintreten kann und umgekehrt.

Außerdem hat BRAID Fälle beigebracht, welche dartun, daß  gegen  den festen Willen der Patienten oder wenigstens ohne denselben, wenn sie sich nur den Vorschriften fügen, bisweilen die Hypnose eintritt. In einer Vorlesung trat ein starker Arbeiter vor, welcher von einem Mediziner bestochen worden war, um zu widerstehen. Er versuchtes es, in dem er sich nicht den Vorschriften fügte, als ihm das aber BRAID auf den Kopf zusagte, fügte er sich mit einem Ausdruck von grimmigem Trotz und wurde eines der besten Beweismittel für die Macht des Verfahren, erinnerte sich auch nachher an nichts, was während des Schlafzustandes vorgefallen war.

Besonders beweisen die Fälle, in denen die den Patienten anstarrenden Magnetiseure selbst hypnotisch wurden, während der Patient wach blieb, die weitgehende Unabhängigkeit des Hypnotischwerdens vom Willen. Die Zahl der Skeptiker, welche vorher bestimmt erklärten, sie würden keinesfalls hypnotisch werden und dann doch mehrere Minuten nach dem Beginn des Starrens die Augen nicht mehr öffnen konnten, ist groß.

Ist aber der Wille hypnotisch zu werden vorhanden, dann  begünstigt  er den Eintritt der Hypnose wesentlich, so daß Anstarren eines beliebigen Objekts in der Nähe oder Ferne, in großer oder kleiner Gesellschaft, in Gegenwart oder in Abwesenheit des Operateurs sie schnell herbeiführen kann. Es sind mir jedoch mehrere Fälle von jungen energischen Männern vorgekommen, welche den lebhaften Wunsch hegten, hypnotisch zu werden, um den Zustand kennen zu lernen, welche in jeder Beziehung den Vorschriften Genüge leisteten und dennoch trotz häufiger, bei einem sogar (Herrn LEW MARKOWSKY) nach neunzehnmaliger Wiederholung des Versuchs, nicht die geringsten hypnotischen Erscheinungen zeigten. Dabei wurde das Starren ohne Nebengedanken trotz reichlicher Tränensekretion mit unangenehmen Gefühlen in den Augen und im Kopf und trotz schwacher Zuckungen der Arme, bis zu 40 Minuten fortgesetzt. Ein Student der Mathematik, welcher früher Schlafwandler gewesen war und fest erwartete, hypnotisch zu werden, zeigte trotzdem nicht die geringsten Anzeichen davon, während andere vorher fest überzeugt, daß sie widerstehen würden, von mir schon durch Ansehen hypnotisch gemacht wurden.


Die Erscheinungen des Hypnotismus

Wenn nach genügend langem Anstarren eines nicht aufregenden kleinen glänzenden Objekts die Augen sich unwillkürlich nahezu oder ganz geschlossen haben, so beginnt das  primäre  Stadium der Hypnose. Dasselbe ist im allgemeinen charakterisiert durch  gesteigerte Empfindlichkeit  und scheinbare  Willfährigkeit.  Wenn in diesem Stadium der Hypnotisierte nicht geweckt wird und genügen affiziert ist, so pflegt dann, meint BRAID, das  sekundäre  Stadium mit enorm  herabgesetzter Empfindlichkeit  und  kataleptischer Steifheit  einzutreten.

Jedoch ist diese Trennung in ein primäres und sekundäres Stadium nicht zutreffend und widerspricht BRAIDs eigenen Angaben, denen zufolge die Katalepsie oft sogleich eintrat.

Wie hochgradig die Sinnesschärfe im ersten Stadium zunehmen kann, zeigt folgende Angabe von BRAID:
    "Die vermeintliche Fähigkeit (der Hellsehenden) mit anderen Körperteilen als den Augen zu sehen, halte ich nach meinen Erfahrungen für eine Täuschung. Jedoch steht fest, daß einige Patienten die Form von Gegenständen angeben, welche 1 ½ Zoll von der Haut entfernt gehalten werden am Nacken, Scheitel, Arm, an der Hand oder an anderen Hautstellen. Aber sie vermögen es durch das Gefühl. Die außerordentlich gesteigerte Empfindlichkeit der Haut setzt sie in den Stand,  die Form des Objekts an der Abkühlung oder Erwärmung der betreffenden Hautstelle  durch dasselbe zu erkennen."
Desgleichen werden Patienten vom Operateur gezogen oder bewogen, seinen Bewegungen zu folgen nicht durch seinen Willen oder irgendeine ihm eigene magnetische Kraft oder durch ihre durch ihre Einbildung, sondern weil sie ihr verfeinertes Gefühl die  Luftströmungen  als angenehm und unangenehm unterscheiden läßt, denen sie folgen oder von denen sie sich zurückziehen je nach ihrer Richtung. Diese enorme Empfindlichkeit gegen einen Lufthauch und Temperaturveränderungen kommt aber auch, wie ich fand, bei höchst gesteigerter Aufmerksamkeit im wachen Zustand vor, so daß man bei geschlossenen Augen im Dunkeln jedesmal die langsame geräuschlose Annäherung der Hand erkennt. Die Hypnotischen nähern sich regelmäßig auch den ihnen zusagenden, wohlklingenden, wohlriechenden Gegenständen und ziehen sich von den ihnen unangenehmen kalten, übelklingenden, übelriechenden zurück. Läßt man sie aber ein wenig in Ruhe, dann verfallen sie leicht in völligen Torpor [Erstarrung - wp] mit kataleptischen [passives Festhalten eingenommener Körperhaltungen - wp] Erscheinungen und Aufhören aller Sinnestätigkeit.

In einem Fall gelang es mittels Hin- und Herbewegen eines Glastrichters in 15 Fuß Entfernung eine Patientin, die sich selbst und zwar ohne Assistenz, hypnotisiert hatte und deren Augen verbunden waren, anzuziehen, wenn der Trichter gegen den Operateur, abzustoßen, wenn er von ihm weg bewegt wurde. Auch nach links und rechts bewegte sie sich dem Schwanken des Trichters entsprechend und folgte über 22 Stufen Herrn BRAID eine Treppe hinab und dann hinauf, vorsichtig auftretend wie eine Nachwandlerin. Plötzlich schrak sie zusammen und zitterte, als an der Haustür geklingelt wurde. Oben angekommen, wurde mit der "anziehenden" Bewegung fortgefahren, die Patientin schien auch jetzt noch den Hauch zu spüren, konnte sich aber nicht mehr bewegen; sie war kataleptisch geworden. Sie wurde in das Zimmer getragen und geweckt; man war aber nicht imstande, ihr beizubringen, was sie getan hatte. Sie glaubte auch später noch, man habe sie zum Besten gehalten.

Von anderen Patienten, denen es ähnlich erging, welche aber nicht, wie die meisten Hypnotisierten jede Spur von Erinnerung an das Vorgefallene verloren hatten, wurde dagegen anerkannt, daß es die Strömungen der Luft sind, welche das Nachfolgen und Ausbiegen bestimmen. Andere konnten sie ebenso wie BRAID anziehen und abstoßen. Diesem ungemein gesteigerten Tast- und Temperatursinn ist es auch zuzuschreiben, daß die Hypnotisierten  mit verbundenen Augen durch das Zimmer gehen können ohne gegen die Möbel anzustoßen,  wobei Temperaturdifferenzen oder Unterschiede im Wärmeleitungsvermögen der Gegenstände und der Luftwiderstand sie leiten.

Nur einige der auffallendsten sonstigen Wirkungen, die BRAID entdeckte, mögen hier erwähnt werden.


Das Sehen

Je mehr sich der hypnotische Zustand geltend macht beim Aufhören des Wachseins, um so unvollkommenener wird das Sehen. Durch anhaltendes Fixieren eines Punktes wird das ganze Gesichtsfeld bald verändert, Helles dunkel und alles Farbige anders; die Grenzen der vorher erkannten Objekte verwischen sich und hierdurch allein schon können Unerfahrene verwirrt werden und fast die Fassung verlieren.

Die Augenlider schließen sich, behalten aber längere Zeit eine zitternde Bewegung. Nur bei wenigen wurden sie gewaltsam, wie durch einen Krampf der Kreismuskelfasern geschlossen.

In mehreren Fällen von Schwachsichtigkeit wurde in der Weise hypnotisiert, daß BRAID während des Starrens die Augen der Patienten fächelte oder dann und wann einen Luftstrom darüber hingehen ließ. Die Hypnose dauerte dann von 6 bis 12 Minuten ohne den sonst vorhandenen Zustand der Abstumpfung des Gesichtssinns. Die durch derartiges Hypnotisieren herbeigeführten Erfolgen waren sehr auffallend, indem die Sehschärfe zunahm und eine dauernde Besserung erzielt wurde.

Übrigens unterscheidet BRAID allgemein mit Recht Hypnotische, welche, duch die halbgeschlossenen Lider an der Augenbinde vorbei, sehen, von denen, welche gar nichts sehen. Erstere sehen sogar oft besser als im Normalzustand.


Das Hören

Im ersten Stadium ist die Hörschärfe größer als sonst, im zweiten minimal. Besonders diejenigen Hypnotischen, welche den Operateur nachahmen, sind dazu imstande durch ihr Vermögen ungemein schwache Geräusche, wie die Bewegungen der Kinnlade des Operateurs zu hören, während sie zu derselben Zeit durch sehr starken Schall nicht affiziert zu werden scheinen. Der Gehörsinn ist übrigens - abgeseen von der Empfindlichkeit der Haut gegen einen Luftstrom - der letzte, welcher erlischt.

Von der tatsächlich nachgewiesenen Verfeinerung des Gehörs ausgehend unternahm es BRAID Schwerhörige und Taube, bei denen keine unheilbare Schädigung des Hörorgans anzunehmen war, zu hypnotisieren und erzielte gute Resultate. Sogar Taubstumme wurden in mehreren weitläufig beschriebenen Fällen in den Stand gesetzt, etwas zu hören, nachdem sie hypnotisiert, ihre Glieder ausgestreckt und die Ohrn sanft gefächelt worden waren! Es ist aber eine häufige Wiederholung der Hypnosen und Hörproben erforderlich, um Erfolge zu erzielen. Ein Schwerhöriger, welcher das Ticken einer Taschenuhr in einem Abstand von etwa 3 Fuß nicht hörte, hörte es, nachdem er hypnotisiert wurde, in 35 Fuß Entfernung und ging ohne Zögern geradewegs auf die Schallquelle zu.

Bemerkenswert ist auch, daß sich der Hypnotische häufig leisen Tönen nähert, laute, wenn auch harmonische, flieht. Eine Dissonanz, auch wenn nicht laut ertönend, kann empfindliche Individuen in der Hypnose zusammenfahren machen, auch wenn sie musikalisch sind und im wachen Zustand von derselben nicht unangenehm affiziert werden.


Das Riechen

Auch der Geruchssinn ist anfangs enorm verfeinert, dann erloschen, um nach dem Erwecken sogleich wieder zu erscheinen.

Kranke, die längere Zeit, einmal sogar 9 Jahre lang nicht hatten riechen können, waren nach zweimaligem Hypnotisieren dazu imstande. Eine hypnotisierte Patientin konnte eine Rose am Duft in 46 Fuß Entfernung spüren, indem sie mit verbundenen Augen, wie der Jagdhund das Wild, sie aufsuchte und fand. Baldrian und stärkstes Ammoniakwasser vertrieben dagegen die Hypnotischen im ersten Stadium schleunigst. Im zweiten können diese Riechmittel, wie die Rose, ohne irgendeine Wirkung dicht unter die Nase gehalten werden, worauf sie dann ein Anblasen zur Perzeption bringt. Dieses gänzliche Fehlen des Geruchssinns, die totale Anosmie, habe ich oft konstatiert. Bei geschlossenem Mund bewirkten starke Riechmittel dicht unter der nase keinerlei Änderungen, während sogleich nach dem Anblasen dieselben schon von weitem eine Abwendung des Kopfes veranlaßten oder richtig benannt wurden.

Ein Geruch kann auch bei Hypnotischen sofort entsprechende Vorstellungen wachrufen. Manche erkannten am Geruch, wer von ihren Bekannten anwesend war, indem sie, wenn man die Nase zuhielt, äußerten, jetzt seien sie fortgegangen. Vorher hieß es: "Ich  sehe  den und den.Das "Hellsehen" war also ein Riechen.


Das Schmecken

In einem fortgeschrittenen Stadium der Hypnose ist das Urteil über Geschmacksempfindungen völlig aufgehoben oder pervers. BRAID erwähnt, es beruhe nicht auf Betrug, daß gewöhnliches Trinkwasser für Essig, Honig, Kaffee, Milch, Branntwein, Wermuth, Limonade usw. von Hypnotisierten erklärt werde (wie ein Magnetiseur Namens STONE 1851 in London zeigte). Vielmehr erinnert daran, daß Geschmackshalluzinationen auch bei Geisteskranken und Narkotisierten und anderen Kranken und Vergifteten vorkommen, welche ebensowenig wie bei Hypnotischen durch eine Einwirkung auf den Willen, durch "Sympathie" oder Nachahmung entstehen. Die "fixe Idee" sei die Ursache. hier wie bei den suggerierten Kälte- und Wärme-Empfindungen, Gesichts- und Gehörs-Wahrnehmungen der Hypnotischen ist die enorme Lebhaftigkeit einer Vorstellung daran schuld, daß alle anderen unbeachtet bleiben, nicht in das Bewußtseinsfeld voll eindringen, daß die sinnlichen Eindrücke nicht mehr richtig beurteilt werden können.

Einen gänzlichen Verlust des Geschmacksvermögens, die totale Ageusie, konstatierte ich in der Weise, daß ich dem Hypnotisierten eine widerlich schmeckende, ekelerregende Salzlösung in einem Trinkglas in die Hand hielt. Finger und Daumen umspannten es und als ich sagte: "Trinken Sie etwas Zuckerwasser!" trank er mehrere Schluck schnell nacheinander, würde auch ohne Zweifel das Glas geleert haben, wenn ich es nicht fortgenommen hätte. Ich fragte dann: "Das schmeckt gut, nicht wahr?" worauf ein stark bejahendes Kopfnicken und laute Zustimmung kam. Gleich nach dem Anblasen war der Patient außerstande, auch nur einen Tropfen der Salzlösung im Mund zu behalten, so widerlich schmeckte sie.


Das Fühlen

Wie sehr der Tastsinn und Temperatursinn im ersten Stadium verfeinert sind, geht aus dem Vermögen der Hypnotisierten hervor, die Gestalt eines Objektes am Hinterkopf und Nacken durch Temperaturdifferenzen - wenn diese groß sind manchmal in 18 bis 20 Zoll Abstand - zu erkennen. Regelmäßig ist anfangs eine Steigerung der Feinheit des Berührungssinnes, dann eine Abstumpfung zu konstatieren, so daß Wärme und Kälte, Stechen oder Kneipen keine Antwortsbewegung veranlassen. Die Starre bleibt.

Hiervon ausgehend hypnotisierte BRAID in Fällen von krankhaft gesteigerte Sensibilität, um sie herabzusetzen, stärker, in solchen von sensorischer Lähmung schwächer mit sehr großem Erfolg. War im ersten Fall die Hautempfindlichkeit so groß, daß eine leise Berührung an einzelnen Stellen den heftigsten Schmerz erregte, so genügte es im Schmerz-Paroxysmus [Anfall - wp] zu hypnotisieren, um ihn für immer zu beseitigen! Letzterenfalls erzielte das Hypnotisieren bei Lähmungen beispiellose Erfolge.

Die Analgesie Hypnotischer geht so weit, daß ihnen Zähne gezogen worden sind, ohne daß sie es wußten. Nur darf der Patient vorher nicht wissen, wann gerade die Operation vorgenommen werden soll, sonst kann er wegen der Befangenheit nicht leicht tief genug hynotisiert werden, um ihn gegen Schmerz völlig unempfindlich zu machen. Indessen ist schon bei weniger tiefen Hypnosen eine geringere Schmerzempfindlichkeit leicht herbeizuführen.

Ein Stabsarzt hat mir schon vor vielen Jahren, ehe vom Hypnotismus in weiteren Kreisen die Rede war, versichert, daß er den Soldaten seines Bataillons nie anders Zähne ziehe, als nachdem er sie durch Hypnotisieren unempfindlich gemacht habe. Er ließ sie einige Male tief einatmen und zugleich einen glänzenden Gegenstand anstarren. Andere Militärärzte ebenso.

Die in Europa seltenen Fälle von schmerzlos während einer Hypnose ausgeführten größeren chirurgischen Operationen für Täuschungen zu erklären, liegt kein Grund vor, da ESDAILE im Hospital von Kalkutta 300 derartige Operationen vollzog.

Die heftigsten Kopfschmerzen sind in sehr vielen Fällen durch Hypnotisieren beseitigt worden, ebenso die quälendsten rheumatischen Schmerzen.

Bei der Prüfung der Hautsensibilität Hypnotischer wurde eine merkwürdige Ungleichheit derselben je nach den berührten Stellen von BRAID entdeckt. Er fand nämlich, daß ssehr komplizierte Bewegungen durch die leisesten Berührungen oder durch sanften Druck auf gewisse Stellen des Gesichts, Schädels und Halses oder durch Reibung dieser Stellen hervorgerufen werden können. Da es sich aber hierbei nicht allein um eine gesteigerte Wirkung der Hautnervenerregung handelt, so wurden diese Erscheinungen als eine besondere Art des Hypnotismus, als Phreno-Hypnose für sich behandelt.

Der Empfindlichkeit für Luftzug wurde bereits gedacht. Sogar in 50 ja 90 Fuß Entfernung kann ein besonders empfindliches hypnotisches Individuum ein Blasen mit den Lippen oder dem Blasebalg spüren und sich abwenden. Ein starkes Blasen hat dann ein sofortiges Erwachen zur Folge. Und zwar kommt ein Stadium vor, in dem Unempfindlichkeit gegen Stechen und Kneipen besteht, zugleich aber das Anhauchen oder Kitzeln mit einer Federfahne sofort erweckend wirkt.


Die Muskeltätigkeit

Im allgemeinen haben Hypnotische - hierdurch sich von den Nachtwandlern unterscheidend - die Neigung völlig bewegungslos ihre anfängliche Stellung beizubehalten. Von Bewegungen sieht man dann nur das Vibrieren der Augenlider und die Atembewegungen. Wenn man aber eine Extremtität hebt oder sonst Muskeln in Tätigkeit versetzt, wird sehr leicht eine Tendenz zu kataleptischer Starre hervorgerufen. Die Glieder bleiben dann in einem Tonus beliebig lange, wie es scheint, nicht im schlaffen Zustand des gewöhnlichen Schlafes. Auffallend ist dabei, daß nachher keine der Muskelanspannung entsprechende Ermüdung beobachtet wird, wenn auch die Steifheit eine sehr lange Zeit dauerte.

Hält der zu Hypnotisierende einen Gegenstand in der Hand, so umfaßt er ihn fester in der tiefen Hypnose, während er bei gewöhnlichem Schlaf aus der Hand fällt.

Ich lasse daher jeden, der von mir hypnotisiert zu werden wünscht, ein Lineal in die Hand nehmen. Läßt er es nach eingetretenem Lidschluß fallen, dann ist er nur eingeschlafen, hält er es fester und zwar in jeder ihm von mir erteilten Stellung, dann ist er hypnotisch-kataleptisch.

Vor dem Eintritt der Katalepsie ist das Vermögen der Hypnotischen, das Gleichgewicht zu erhalten, erstaunlich. Wie die Nachtwandler fallen sie nicht. In der natürlichsten (und darum anmutigsten) Weise bewegen sie sich so, daß sie in keiner Lage das Gleichgewicht verlieren. Läßt man sie in der errungenen Stellung, so werden sie leicht allmählich kataleptisch, so daß nach BRAIDs Ansicht vielleicht die unübertroffene Schönheit einer griechischen Plastik mit auf der Verwertung kataleptischer Stellungen hypnotischer Bacchantinnen und anderer Modelle beruth. Die Stellungen der Yogis in Indien gehören gleichfalls hierher.

Die Sprache ging in einem Fall bei einer Selbsthypnose für die Dauer von 2 Stunden verloren. Ich habe wiederholt Hypnotische durch einen sanften Druck auf die Mitte der Stirn sprachlos gemacht und die kategorische Behauptung, sie könnten nun nicht mehr sprechen. Fragte ich sie dann nach ihrem Namen, so wurde entweder gar nicht geantwortet oder unter außerordentlichen Anstrengungen, wie sie selbst bei habiteullen Stotterern in dem Grad kaum vorkommen, nur der Anfangsbuchstabe, wie B-B-B-B oder W-W-W-W-W zustande gebraucht. Dieses gilt für solche, die nie früher hypnotisiert worden waren. Übrigens trat Aphasie und Stottern in der Hypnose bei einigen auch ohne Druck auf die Stirn auf, der nur der Behauptung Nachdruck verleihen soll. Andererseits werden Hypnotische nur durch äußere Eindrücke zu Muskelanstrengungen veranlaßt. Solange die sogenannten Willkürbewegungen noch vorhanden sind, ist keine Katalepsie vorhanden. Nach und nach treten jene zurück, diese erhält an Intensität wachsend das Übergewicht.

Daher empfahl BRAID bei mancherlei frischen Fällen von Muskelschwäche uns spastischen Kontraktionen die Hypnotisierung. Während der Hypnose brachte er die sonst durch die Antagonisten beherrschten Muskeln in Tätigkeit, die kontrahierten zur Ruhe.

Eine der rätselhaftesten hierhergehörigen Erscheinungen, die BRAID beobachtete, ist die Verschiedenheit der Wirkungen desselben Sinneseindrucks. Die "mesmerisierenden Striche" bringen die Muskeln zur Aktion, heben die Extremität, die "demesmerisierenden Striche" in entgegengesetzter Richtung bewirken Muskelruhe und Senken des erhobenen Glieds. Nun bemerkte er aber, daß auch  dieselben  Bewegungen des Magnetiseurs, welche die Muskeltätigkeit veranlaßt hatten, auf die kontrahierten Muskeln wirkend, Muskelruhe zur Folge haben konnten, wobei sein Wille irrelevant war. Die Erklärung suchte er darin, daß die "automatischen" Bewegungen des Hypnotischen völlig ohne sein Wissen geschehen, indem der sinnliche Eindruck nur eine Tendenz, sich überhaupt zu bewegen, abgibt, die Richtung und Art der Bewegung aber  die natürlichste unter den zur Zeit möglichen  sein wird. Demnach wird ein tätiger Muskel erschlaffen, ein ruhender sich kontrahieren bei derselben äußeren Einwirkung. Ein gesenkter Arm hebt sich beim Anfassen der Hand, ein gehobener senkt sich. Von Willkür ist dabei keine Rede.


Die halbseitige Hypnose

"Im Zustand des Torpors [Starre - wp] aller Sinne und der Steifheit des Rumpfes und der Glieder wird ein Luftzug oder sanfter Druck gegen  ein  Auge das Sehvermögen für dieses Auge und Gefühl und Motilität [Beweglichkeit - wp] auf  einer Körperhälfte  - derselben Seite, welcher das betroffene Auge zugehört - wieder herstellen, aber das andere Auge unempfindlich und die andere Körperhälfte steif lassen, wie sie vorher war. Doch wird auf keiner Seite Gehör und Geruch in diesem Fall wieder hergestellt. In vielen Fällen, wenn der Patient durch Seitwärtsblicken hypnotisiert worden ist, erhält sein Körper die Tendenz, sich nach jener Seite zu drehen, wenn er schläft. Es schien rätselhaft, daß durch die Einwirkung auf ein Auge, sowohl Sensibilität wie Motilität  derselben  Körperhälfte wiedergegeben werden konnten, da doch der motorische Einfluß von der  entgegengesetzten Gehirnhemisphäre  mitgeteilt wird. Mir deucht, daß die partielle Dekussation [kreuzweise Überschneidung - wp] der Sehnerven hierfür in Betracht kommen könnte."


Der Phreno-Hypnotisums

Die Eigentümlichkeit der Hypnotischen, nach Erregung gewisser Hautnerven seitens des Operateurs verschiedene Zustände, Emotionen, Leidenschaften, Gefühle zu äußern, nennt BRAID "Phreno-Hypnotismus". Das Wort ist eine Nachbildung des älteren "Phreno-Magnetismus" und soll daran erinnern, daß, ähnlich wie in der Phrenologie gewissen äußerlich bezeichneten Hautstellen des Kopfes gewisse Gehirnteile funktionell entsprechen sollen, durch die Berührung gewisser Hautstellen, namentlich des Kopfes, gewisse geistige Tätigkeiten bei Hypnotischen in vielen Fällen wachgerufen werden können.

Jedoch sind die empfindlichen Hautstellen, deren Berührung bestimmte Äußerungen veranlaßt, nicht bei allen Individuen dieselben. Bei allen ist aber außer Frage nichts zu beobachten, was für das Überströmen irgendeines Agens aus dem Operateur in den Hypnotischen oder für einen direkten Einfluß seines Willens spräche, denn auch bei der Berührung der Patienten mit einem 3 Fuß langen Glasstab treten die Erscheinungen ein, wie nach Berührung mit der Hand und auch ohne und gegen den Willen des Operateurs, wenn er z. B. an etwas anderes denkt.

Dagegen kann oft ein ganz unscheinbarer Sinneseindruck die stärkste Wirkung haben und namentlich die Nachahmung sich in auffallendster Weise geltend machen, indem die Hypnotischen durch die nur halbgeschlossenen Augenlider sehen und mit geschärftem Gehör hören.

Daher machen die Phreno-Hypnotischen den Eindruck von  gelehrigen  Personen und es erscheint möglich ihnen allerlei beizubringen, was den konventionellen Äußerungen von Gemütszuständen widerspricht. Denn sie gebärden sich, als wenn sie im höchsten Grad das Bestreben hätten, jeden geäußerten Wunsch anderer zu erfüllen. Sie bewegen sich wie Automaten. Sie werden nur durch suggerierte (eingeredete) Vorstellungen zu Bewegungen veranlaßt.


Verfahren, die Phreno-Hypnose herbeizuführen

Man hypnotisiere den Patienten in der gewöhnlichen Weise, halte seine Arme 1 bis 2 Minuten lang ausgestreckt, bringe sie dann sanft wieder in ihre frühere Lage - die Hände auf den Schoß - und lasse ihn einige Minuten lang vollkommen in Ruhe. Dann drücke man sehr sanft mit einer Fingerspitze oder zwei Fingerspitzen gegen eine Stelle der Kopfhaut. Tritt keine Veränderung des Gesichtsausdrucks, keine Bewegung ein, dann reibe man sanft die Stelle und frage leise, woran der Patient denkt, was er wünscht, was er tun möchte, was er sieht. Man wiederhole dann die Fragen, den Druck, die Berührung, die Reibung der Stelle, bis eine Antwort erfolgt.

Wenn der Patient nicht spricht, kann ein sanfter Druck auf die Augäpfel ihn dazu veranlassen. Ist die Haut zu empfindlich, dann kann er erwachen. Dann beginne man wieder und warte etwas länger, im gegenteiligen Fall weniger lang.

Diese Manipulationen müssen mit demselben Patienten immer wieder und wieder vorgenommen werden mit Abwechseln im Zeitpunkt des Anfangens. Die besten Fälle kommen oft erst nach der ersten und zweiten Probe zum Vorschein.

Flüstern und Sprechen der Anwesenden ist dabei zu vermeiden.

Von den empfindlichsten Hautstellen ist die Mitte der Stirn besonders empfindlich gegen Druck.

Durch Erregung der Kaumuskeln wird die Bewegung des Essens und Trinkens erregt.

Reizung des Kopfnickers, eine Kopfneigung bewirkend, kann die Vorstellung von Handgeben als Freundschaftszeichen erwecken, die hinzukommende des Trapezmuskels, das seitliche Kopfneigen verstärkend, noch größere Anhänglichkeit zur Äußerung bringen.

So lassen sich sehr mannigfaltige Ausdrucksbewegungen durch Suggestion ohne Worte hervorrufen.


Phreno-hypnotische Experimente

Die ersten Versuche fanden im April 1842 in Liverpool statt, mißlangen aber gänzlich. Im Dezember desselben Jahres gelang jedoch ein Versuch. Beide Male waren die Manipulationen bekannter Magnetiseure angewendet worden. BRAID schrieb aber das ungleiche Resultat nicht einer ungleichen Wirksamkeit des magnetischen Fluidum zu wie jene. Er schloß, daß es durch die verschiedene Empfindlichkeit der verschiedenen Hautstellen bedingt sei, welch letztere verschiedene Eindrücke gäben, wenn sie in gleichartiger Weise gedrückt würden und verschiedene Vorstellungen erweckten, wodurch alte Assoziationen wachgerufen würden, so daß bei wiederholter gleichartiger Reizung dieselben Ideen sich wiederum einstellen könnten. Dieses schien ihm viel wahrscheinlicher, als daß das Gehirn durch ein vom Operateur ausgehendes Agens affiziert werde, das durch den Schädel hindurch dringe; und um es zu beweisen drückte er Stellen, unterhalb welcher keine Hirnteile sich befinden. Das Ergebnis bestätigte die Ansicht. Denn auch Druck auf die Spitze des Warzenfortsatzes, das Nasenbein, das Kinn hatte besondere Manifestationen ebenso zur Folge wie Druck auf verschiedene Stellen des Schädels, oben und seitlich. Ferner ergab sich, daß dieselben Stellen in gleicher Weise bei verschiedenen Patienten gedrückt, nicht dieselben Vorstellungen oder Emotionen wecken. Jedoch konnte daran ungleiche Tiefe der Hypnose schuld sein, wie BRAID meinte. Wenn er sie nämlich nicht das  supersensitive  Stadium erreichen ließ, traten die mimischen Bewegungen und gesprochenen Antworten auf Fragen mannigfaltiger und deutlicher hervor.

Faktisch besteht eine große individuelle Verschiedenheit. Einige sind im vollkommenen Phreno-Hypnotismus nach  einer  Probe, andere erst nach einigen Proben, viele nach vielen gar nicht. In vielen Fällen vermied BRAID sorgfältig persönliche Beeinflussung durch andeutende Fragen, Suggestionen, in anderen richtete er Fragen an seine Patienten. Fremde und Freunde sah er ohne seine Assistenz dasselbe wie er vollbringen.

Auch experimentierte er an mehreren Freunden, auf deren Intelligenz, Ehrenhaftigkeit und Offenheit er sich verlassen konnte, sowie an Kindern mit dem befriedigendsten Erfolg.

Er vergleicht die Versuche mit den Fällen, in welchen durch Flüstern in das Ohr Schlafendere gewisse Träume erzeugt wurden.

Vor dem 2. Juni 1843, also innerhalb eines halben Jahres, hatte er 45 perfekte Fälle von Phreno-Hypnotismus selbst herbeigeführt. davon beschreibt er 25, welche sämtlich so überaus unglaublich klingen, daß sie hier nicht wiederzugeben sind. Denn jeder unbefangene Leser wird sich, wenn er die Berichte liest, nicht leicht ausreden lassen, hier handle es sich nicht allein um Suggestionen, sonden auch um Täuschungen.

Ein anderer Grund, weshalb diese phreno-hypnotischen Versuche BRAIDs nicht mitzuteilen sind, ist die Art ihrer Darstellung. Es wurde nämlich diese oder jene von den Phrenologen so oder so benannte Stelle des Kopfes gedrückt, gerieben, berührt - sogar einmal mit einem Glasstab nicht einmal berührt, sondern nur bezeichnet - und oft erfolgte dann eine Handlung, Bewegung, Äußerung der Hypnotischen, welche die Phrenologie [Vorläufer der Neurologie - wp] scheinbar bestätigte, auch dann, wenn die Patienten von Phrenologie angeblich gar nicht wußten. So wurden nacheinander 6, 8 auch 12 "Vermögen" in Tätigkeit gesetzt, ehe das Selbstbewußtsein wieder erweckt war; und wenn auch in einem Fall ein bis dahin skeptischer Künstler und Verächter aller Phrenologie hingerissen die Worte schrieb: "Ist das Verstellung, so ist es das vollkommenste Spiel, das ich jemals sah; nie habe ich die Natur so deutlich und so schöne sich äußern gesehen", so folgt daraus nicht, daß gerade die Berührung der phrenologischen Hautstellen die ihnen entsprechenden "Fakultäten" zur Äußerung brachte. Hätte BRAID genauer die Stellen des Kopfes bezeichnet, welche man drücken muß, um Nachahmung, Wohlwollen, Freundschaft, Ehrfurcht, Festigkeit, Mitleid und dgl. zur Darstellung zu bringen, dann könnte man seine (durch viele namhaft gemachte angesehene Männer) bezeugten Angaben kontrollieren. Er selbst hat übrigens später seine phrenologische Ausdrucksweise gänzlich aufgegeben und niemals behauptet, seine Versuche sprächen zugunsten der phrenologischen Organologie. Er erklärt dieselben, wie sogleich gezeigt werden soll, nach gänzlich anderen Prinzipien.

Hier seien nur zur Erläuterung einige Experimente erwähnt, bei welchen die gedrückten Hautstellen deutlich bezeichnet sind.

Ein sanfter Druck auf das Nasenbein bewirkte bei einer Hypnotischen ausgelassenes Lachen; unmittelbar nach dem Aufhören der Berührung trat der leere Gesichtsausdruck wieder ein, welcher dem gewöhnlichen Hypnotismus eigen ist. Der Übergang war plötzlich, so daß die Berührung auch während des Absingens ernster Lieder sofort die Lachlust weckte. Reiben oder Kneipen der Haut war an jener Stelle ohne Wirkung.

Beim Drücken des Kinns dieser Patientin stockte die Atmun unter Seufzen und Schluchzen, jedoch nur solange die Berührung dauerte.

Wurden Nase und Kinn zugleich berührt, so kam eine höchst lächerliche Kombination von Lachen und Weinen, wie bei Hysterischen, zum Vorschein. Beides schwand als der Druck aufhörte. Reiben und Kneipen des Kinns waren ohne Wirkung. Auch war keine andere Hautstelle in der Weise empfindlich.

Wurde die Haut über den Ohren gedrückt, dann nahm das Gesicht einen wilden Ausdruck an, der Atem war angehalten, das Antlitz rot, die Zähne knirschten. Waren die Arme nicht starr, so wurden sogar Versuche, den Anwesenden Gewalt anzutun, gemacht.

Bei häufiger Wiederholung dieser Experimente waren die Erfolge und Antworten dieselben. Die Patientin wußte aber nachher nichts davon.

Bei einem zweiten hypnotischen Individuum bewirkte Reibung über dem Nasenbein das Verlangen etwas zu riechen, über dem Kinn, etwas zu essen, über dem Orbikularmuskel eine geringe Lachlust, dicht über der Nasenwurzel subjektive Gesichtsempfindungen.

In einem dritten Fall bewirkte Reibung der Haut gegen die Orbita-Ränder subjektive Gesichtserscheinungen. Obwohl nun BRAID versichert, der Augapfel sei sorgfältig vor Druck bewahrt worden, liegt es nahe, diese wie die anderen Angaben über die "Spektren" auf mechanische Netzhautreizung zu beziehen, welche Phosphene [Lichtreiz ohne Licht - wp] veranlaßt. Jedoch bewirkte in einem vierten Fall Druck über den Augenbrauen vielfarbige, vielgestaltige subjektive Bilder, heitere und glänzende und Druck unter dem Auge die Vorstellung des Meeres, eines Schiffes und ertrinkender Menschen.

Als zu ersten Mal die von Phrenologen der Nachahmung zugeschriebene Kopfstelle - und zwar zufällig - berührt worden war, wurde alles gesprochene nachgesprochen: Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch, Lateinisch, Griechisch mit äußerster Präzision. Später wurden derartige Beobachtungen oftmals wiederholt mit gleichem Erfolg, einmal sogar der Gesang der JENNY LIND Deutsch und Italienisch auffallend korrekt von einer grammatikalisch ununterrichteten Person in der Hypnose wiedergegeben, ohne daß sie ein Wort davon verstanden hätte und ohne im wachen Zustand eine solche phonische Nachahmung auch nur versuchen zu können.

Im ganzen scheinen mehr wohlunterrichtete hochgebildete Individuen als ungebildete verwendet worden zu sein, jedoch gaben zwei gesunde und kräftige Mägde, von denen die eine behauptete, sie könne überhaupt nicht hypnotisiert werden, ganz ähnliche Resultate. Das Nachsprechen in fünf Sprachen, das Farbensehen und vieles andere gelang gerade so wie oben. Die auffallendsten Äußerungen geschahen sogar, ohne daß irgendjemand etwas sprach. Beide Patientinnen wurden unabhängig voneinander geprüft.

Musik hatte bei einigen auffallend anmutige Tanzbewegungen zur Folge. Überhaupt wurden die Zeugen der phreno-hypnotischen Experimente sowohl durch den raschen Übergang von einem Zustand in den andern, wie durch die vollkommene Wahrheit ihrer Darstellung in das größter Erstaunen versetzt. Ehrfurcht, Freundschaft, Abneigung, Hoffnung u. a. wurden durch Mienen und Gebärden in ungebreiflicher Schönheit lebendig geäußert und zwar von angesehenen, einer Täuschung unfähigen Persönlichkeiten. Ganz dasselbe zeigen die hystero-epileptischen Patientinnen CHARCOTs, welche unnachahmlich die Drohung, die Furcht, die Lust, den Abscheu etc. darstellen. "Es ist unmöglich, den Blick himmlischer Beseeligung zu beschreiben", welchen die Patientin darbot, schreibt GAMGEE (1878), der den Ausdruck mit dem von den alten Meistern ihren Heiligen und Märtyrern gegebenen vergleicht. Es kann in der Tat vermutet werden, daß sowohl durch anhaltendes Blicken nach oben in stundenlangem Gebet in knieender Stellung, wie durch äußerste Konzentration der Aufmerksamkeit während der Folterqualen mancher Märtyrer, Hypnotismus eintrat, in beiden Fällen die Vergeistigung des Antlitztes fixierend, in letzterem den Schmerz lindernd. Eine strenge Methodistin, welche seit vielen Jahren nicht mehr tanzte und Tanzen für sündhaft hielt, zeichnet sich durch Geschicklichkeit beim Walzen aus. Nach dem Erwachen wußte sie nichts davon.

Alle derartigen phreno-hypnotischen Experimente sind, meint BRAID, sehr leicht zu demonstrieren. Er beschreibt die Fälle, welche er beobachtete, als wenn es jedem, wie ihm gelingen müsse, die geschilderten merkwürdigen Erscheinungen hervorzurufen.

LITERATUR - William Thierry Preyer, Die Entdeckung des Hypnotismus, Berlin 1889