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THOMAS PAINE
Common Sense
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"Was die Religion betrifft, halte ich es für die unverzichtbare Pflicht einer jeden Regierung, alle Gläubigen zu schützen; ich wüßte nicht, was eine Regierung sonst damit zu tun hätte.."

Über die gegenwärtigen Möglichkeiten Amerikas,
mit einigen vermischten Bemerkungen

Ich habe bisher noch keinen getroffen, weder in England noch in Amerika, der nicht die Meinung geäußert hätte, daß die Trennung zwischen den beiden Ländern früher oder später kommen müsse. Und wir haben noch in keinem Fall weniger Urteilskraft bewiesen als bei dem Versuch, die Reife oder, wie wir es nennen, Tauglichkeit des Kontinents für die Unabhängigkeit zu beschreiben.

Da nun alle diese Maßnahmen billigen und sich nur in ihren Ansichten über den Zeitpunkt unterscheiden, wollen wir, um Fehler zu vermeiden, eine umfassende Prüfung der Dinge vornehmen und, wenn möglich, versuchen, den richtigen Zeitpunkt herauszufinden. Aber wir brauchen nicht lange danach zu suchen, die Untersuchung hört plötzlich auf, denn der Zeitpunkt hat uns gefunden. Das umfassende Zusammentreffen, die glorreiche Vereinigung aller Dinge beweisen dies.

Nicht in der Anzahl, sondern in der Einheit liegt unsere große Stärke; und doch reicht auch unsere gegenwärtige Zahl (33) aus, um der Macht der ganzen Welt zu trotzen. Der Kontinent hat zur Zeit von allen Mächten unter dem Himmel die größte Anzahl bewaffneter und ausgebildeter Männer; und er hat gerade den Grad an Stärke erreicht, wo keine einzelne Kolonie sich selbst verteidigen kann, aber das vereinte Ganze die Sache vollenden kann: mehr, oder weniger, als dies könnte fatale Auswirkungen haben. Unsere Landstreitmacht ist bereits ausreichend und was die Marine betrifft, müssen wir einsehen, daß Großbritannien, solange der Kontinent in seinem Besitz bleibt, es niemals zulassen wird, daß ein amerikanisches Kriegsschiff gebaut wird. Deshalb wären wir auf diesem Gebiet in hundert Jahren noch weiter als heute; aber die Wahrheit ist, daß wir nicht einmal so weit wären, da das Nutzholz in diesem Land von Tag zu Tag weniger wird, und was zum Schluß davon übrigbleibt, wird weit weg und schwer zu beschaffen sein.

Wäre der Kontinent übervölkert, müßten seine Leiden unter den gegenwärtigen Umständen unerträglich sein. je mehr Hafenstädte wir hätten, desto mehr würden wir zu verteidigen und auch zu verlieren haben. Unsere jetzige Bevölkerungsstärke entspricht in so glücklichem Maß unseren Bedürfnissen, daß niemand überflüssig ist. Die Verringerung des Handels macht eine Armee möglich, und der Bedarf der Armee schafft neuen Handel.

Wir haben keine Schulden; und alle Schulden, die wir wegen dieser Sache aufnehmen, werden ein rühmliches Andenken unserer Tugend darstellen. Wenn wir nur der Nachwelt eine stabile Regierungsform, eine eigene, unabhängige Verfassung hinterlassen können, wird die Sache um jeden Preis billig sein. Aber wenn man Millionen ausgibt, nur damit der Widerruf einiger niederträchtiger Gesetze erreicht und das gegenwärtige Kabinett gestürzt wird, ist das den Preis nicht wert und heißt die Nachwelt mit aller Grausamkeit zu mißbrauchen; denn es bliebe ihnen dann überlassen, das große Werk zu vollenden, und sie wären auch noch mit Schulden belastet, aus denen sie keinen Vorteil ziehen könnten. Solch ein Gedanke ist eines Ehrenmannes unwürdig und typisch für einen engstirnigen und kleinlichen Politiker.

Die Schulden, die wir aufnehmen müßten, könnte man außer acht lassen, wenn nur das Werk vollendet wäre. Keine Nation sollte ohne Schulden sein. Eine Staatsschuld ist eine nationale Bürgschaft und ist, wenn sie Zinsen trägt, in keinem Fall ein Ärgernis. Großbritannien ist mit Schulden von über 140 Millionen Pfund Sterling belastet, für die es über 4 Millionen Zinsen bezahlt. Und als Ausgleich für seine Schulden hat es eine große Flotte; Amerika hat keine Schulden und auch keine Flotte, und doch könnten wir für den zwanzigsten Teil der englischen Staatsschuld eine ebenso große Flotte haben. Die englische Flotte ist zur Zeit nicht mehr als 3,5 Millionen Pfund Sterling wert.

Die erste und zweite Ausgabe dieses Pamphlets wurden ohne die folgenden Tabellen veröffentlicht, die jetzt als Beweis dafür beigegeben wurden, daß die obige Schätzung der Flotte richtig ist. (Vgl. Entics Flottengeschichte, Einleitung, Seite 36) (34)

Hier die Kosten für ein Schiff jeder Klasse, inklusive der Ausrüstung mit Masten, Rahen, Segel und Takelage sowie der Heuer für einen Bootsmann und einen Zimmermann auf acht Monate, wie sie Herr Burchett (35), der Flottensekretär, errechnet hat:

Für ein Schiff mit 100 Kanonen 35 553 £
  90 ................... 29 886 £
  80 ................... 23 638 £
  70 ................... 17 785 £
  60 ................... 14 197 £
  50 ................... 10 606 £
  40 ................... 7 558 £
  20 ................... 3 710 £

Hieraus ist leicht der Wert, oder vielmehr der Preis der ganzen britischen Flotte auszurechnen, die im Jahre 1757 (36), auf dem Höhepunkt ihres Ruhms, aus folgenden Schiffen mit Kanonen bestand:

Schiffe Kanonen Preis/Schiff Summe
6 100 35 553 £ 213 318 £
12 90 29 886 £ 358 632 £
12 80 23 638 £ 283 656 £
43 70 17 785 £ 764 755 £
35 60 14 197 £ 496 895 £
40 50 10 606 £ 424 240 £
45 40 7 558 £ 340 110 £
58 20 3 710 £ 215 180 £
85 Korvetten, Kanonen
boote, Brander, zu-
sammengerechnet je
2 000 £ 170 000 £ Summe 3 266 786 £
    Dazu für Kanonen 233 214 £
    Gesamtsumme 3 500 000 £

Kein Land der Welt ist so günstig gelegen und durch seine inneren Gegebenheiten so befähigt, eine Flotte zu bauen wie Amerika. Teer, Holz, Eisen und Tauwerk gibt es im eigenen Land. Wir brauchen nichts aus dem Ausland zu beschaffen. Dagegen müssen die Holländer, die große Gewinne aus der Vermietung ihrer Kriegsschiffe an die Spanier und Portugiesen ziehen, das meiste Material, das sie benötigen, importieren. Wir sollten den Bau einer Flotte als Teil unseres Handels ansehen, da er die natürliche Industrie dieses Landes darstellt. Er ist die beste Geldanlage. Eine Flotte ist nach ihrer Fertigstellung mehr wert, als sie gekostet hat und sie ist einer der Punkte in der nationalen Politik, an dem sich der Handel und seine Protektion vereinigen. Laßt uns bauen! Wenn wir sie nicht brauchen, können wir sie immer noch verkaufen und dabei unsere Papierwährung durch Gold und Silber ersetzen.

Was die Bemannung einer Flotte betrifft, machen sich die Leute oft völlig falsche Vorstellungen; nicht einmal ein Viertel der Mannschaft muß aus ausgebildeten Matrosen bestehen. Kapitän Death, der schreckerregende Kommandant eines Kaperschiffes, stellte sich von allen Schiffen des letzten Krieges (37) den heißesten Gefechten und hatte nicht einmal zwanzig Matrosen an Bord, obwohl die volle Mannschaftsstärke über zweihundert betrug. Einige geschickte und umgängliche Matrosen werden in kurzer Zeit eine genügende Anzahl williger Landratten in die gewöhnlichen Aufgaben auf einem Schiff einweisen. Deshalb können wir niemals besser in der Lage sein, mit dem Seewesen zu beginnen, als jetzt, wo unser Holz bereitsteht, unsere Fischerei blockiert ist und unsere Matrosen und Schiffsbauer arbeitslos sind (38). Kriegsschiffe mit 70 oder 80 Kanonen wurden schon vor vierzig Jahren in Neuengland gebaut; warum sollte dasselbe jetzt nicht möglich sein? Die Schiffsbaukunst ist Amerikas größter Stolz, und in ihr wird es noch die ganze Welt übertreffen. Die großen Reiche des Ostens liegen zumeist im Landesinneren und können deshalb keine Rivalen sein. Afrika ist noch im Stadium der Barbarei, und keine europäische Macht hat eine so ausgedehnte Küste oder einen solchen Materialvorrat im Inneren. Wo sonst die Natur das eine gegeben hat, versagte sie das andere, nur in Amerika ist sie in beiden freigebig gewesen. Das riesige russische Reich ist fast ganz von der See abgeschlossen; deshalb sind seine endlosen Wälder, Teer, Eisen und Tauwerk nur Handelsartikel.

Wenn man unsere Sicherheit in Betracht zieht, sollten wir dann tatsächlich ohne Flotte bleiben? Wir sind heute nicht mehr das kleine Volk, das wir vor sechzig Jahren waren: zu jener Zeit hätten wir unser Eigentum unbesorgt auf der Straße oder eher auf den Feldern lassen können, und wir schliefen sicher ohne Schloß und Riegel an unseren Türen und Fenstern. Dies hat sich jetzt geändert, und unsere Sicherheitsvorkehrungen sollten mit der Zunahme unseres Eigentums wachsen. Vor zwölf Jahren hätte ein gewöhnlicher Pirat den Delaware heraufsegeln und von der Stadt Philadelphia ständige Kontributionen in jeder Höhe fordern können; dasselbe wäre auch in anderen Städten möglich gewesen. Ja, sogar jeder waghalsige Bursche auf einer Brigg von 14 oder 16 Kanonen hätte den ganzen Kontinent ausrauben und eine halbe Million wegschleppen können. Dies sind Tatsachen, die unsere Aufmerksamkeit verlangen und die auf die Notwendigkeit eines Flottenschutzes hinweisen.

Einige werden vielleicht sagen, daß uns Großbritannien, nachdem wir uns wieder vertragen haben, schützen wird. Aber können wir so unklug sein und glauben, daß es zu diesem Zweck eine Flotte in unseren Häfen stationieren wird? Der gesunde Menschenverstand sagt uns, daß die Macht, die versucht hat, uns zu unterjochen, von allen die ungeeignetste ist, uns zu verteidigen. Eine Unterwerfung kann auch unter dem Vorwand der Freundschaft erreicht werden, und wir wären nach langem und tapferen Widerstand zum Schluß doch noch betrogen und versklavt. Und wenn wir die Schiffe nicht in unseren Häfen haben wollen, frage ich, wie Großbritannien uns beschützen kann? Eine Flotte, die drei- oder viertausend Meilen entfernt ist, kann von keinem großen Nutzen sein, schon gar nicht in plötzlichen Notfällen. Wenn wir uns dann doch selbst schützen müssen, warum nicht gleich für uns allein? Warum für andere?

Die Liste der englischen Schiffe ist lang und bewundernswert, aber nicht einmal ein Zehntel davon ist gleichzeitig einsatzbereit; viele Schiffe existieren gar nicht mehr, und dennoch werden ihre Namen hochtrabend auf der Liste weitergeführt, solange noch eine Planke von dem Schiff existiert. Nicht einmal ein Fünftel der dienstbereiten Schiffe können zugleich an einer bestimmten Stelle zusammengezogen werden. Ost- und Westindien, das Mittelmeer, Afrika und andere Erdteile, die Großbritannien beansprucht, stellen große Anforderungen an die Flotte. Durch eine Mischung aus Vorurteil und Unachtsamkeit sind wir zu einer falschen Vorstellung von der englischen Flotte gekommen; wir haben geredet, als ob wir ihr in voller Stärke auf einmal begegnen müßten, und haben deshalb geglaubt, daß wir eine ebensogroße Flotte haben müssen; und da dies nicht sofort durchführbar war, haben es einige getarnte Tories (39) ausgenutzt, um uns bei unserem Vorhaben zu entmutigen. Nichts ist unwahrer als das; denn wenn Amerika nur den zwanzigsten Teil der englischen Flotte hätte, würde es ihr weit überlegen sein: weil wir ja fremde Gebiete weder besitzen noch beanspruchen, könnte unsere gesamte Streitmacht an unserer eigenen Küste eingesetzt werden, wo wir schließlich eine Überlegenheit im Verhältnis 2:1 gegenüber denen hätten, die drei- oder viertausend Meilen herübersegeln müßten, bevor sie eingreifen könnten, und die dann dieselbe Strecke für Ausbesserungen und Verstärkung zurückzusegeln hätten. Und obwohl Großbritannien mit seiner Flotte unseren Handel mit Europa kontrollieren könnte, hätten wir dieselbe Möglichkeit dann über dessen Handel mit den Westindischen Inseln, die, in der Nachbarschaft des Kontinents gelegen, ganz unserer Gnade ausgeliefert wären.

Man könnte eine Methode finden, die es erlaubt, eine Seestreitmacht auch im Frieden zu unterhalten, falls wir es nicht für notwendig halten, eine ständige Flotte zu schaffen. Wenn man an die Kaufleute Prämien zahlt, damit sie Schiffe bauen und in ihren Dienst stellen, die mit 20, 30, 40 oder 50 Kanonen ausgerüstet sind (die Prämien müßten entsprechend des Verlustes an Laderaum für die einzelnen Kaufleute variieren), dann könnten fünfzig oder sechzig dieser Schiffe zusammen mit einigen Wachtschiffen, die ständig im Dienst sind, eine ausreichende Flotte bilden, und das ohne uns mit dem Nachteil zu belasten, der in England so laut beklagt wird, nämlich daß man in Kauf nehmen muß, daß die Flotte im Frieden auf den Docks verrottet. Die Stützen von Handel und Verteidigung zu vereinen: das ist gesunde Politik; denn wenn unsere Macht und unser Reichtum sich gegenseitig tragen, brauchen wir keinen äußeren Feind zu fürchten.

Fast alles, was wir zu unserer Verteidigung brauchen, haben wir im Überfluß. Hanf wächst gar im Übermaß, so daß es uns nicht an Tauwerk mangelt. Unser Eisen ist dem anderer Länder an Qualität überlegen: Unsere Handfeuerwaffen halten dem Vergleich mit denen der übrigen Welt stand. Kanonen können wir nach Belieben gießen. Salpeter und Schießpulver produzieren wir täglich. Unser Wissen vergrößert sich stündlich. Entschlossenheit ist uns angeboren, und der Mut hat uns noch nie verlassen. Also, was brauchen wir noch? Warum zögern wir? Von Großbritannien können wir nichts als unseren Ruin erwarten. Wenn es noch einmal an die Regierung Amerikas gelassen wird, ist es dieser Kontinent nicht mehr wert, daß man darin lebt. Immer entstünden Neidgefühle. Aufruhr wäre an der Tagesordnung, und wer wäre da, um ihn zu beschwichtigen? Wer würde sein Leben aufs Spiel setzen, um seine eigenen Landsleute dem fremden Gehorsam zu unterwerfen? Die Streitigkeiten zwischen Pennsylvania und Connecticut wegen einiger nicht abgegrenzter Ländereien zeigt die Bedeutungslosigkeit einer britischen Regierung und beweist zur Genüge, daß allein eine kontinentale Regierung die kontinentalen Angelegenheiten regeln kann.

Ein anderer Grund, warum die jetzige Zeit jeder anderen vorzuziehen ist, liegt darin, daß je weniger Leute wir sind, desto mehr Land noch nicht in Besitz genommen ist, das später, anstatt vom König an seine unwürdigen Vasallen verschwendet zu werden, nicht nur zur Entlastung unserer Schulden, sondern auch zur beständigen Unterstützung der Regierung dienen könnte. Keine Nation unter dem Himmel hat je einen solchen Vorteil gehabt.

Der Zustand der Unmündigkeit (wie er immer genannt wird), in dem sich die Kolonien noch befinden, ist bei weitem kein Argument gegen, sondern für die Unabhängigkeit. Wir sind genug an der Zahl, und wären wir mehr, wären wir vielleicht uneiniger. Es ist eine Tatsache (die es zu beachten gilt): je bevölkerungsreicher ein Land ist, desto kleiner sind seine Armeen. Was die militärische Stärke betrifft, so übertrafen die Alten bei weitem uns Heutige; und der Grund dafür liegt auf der Hand: da auf einen Bevölkerungszuwachs der Handel folgt, sind die Menschen damit zu sehr beschäftigt, als daß sie sich noch andere Dingen widmen könnten. Der Handel mindert den Geist der Verteidigungsbereitschaft und des Patriotismus. Und die Geschichte lehrt uns zur Genüge, daß die kühnsten Errungenschaften immer in der Frühzeit einer Nation erreicht wurden. Mit der Zunahme des Handels hat England seinen Geist verloren. Die Stadt London nimmt, trotz ihrer Größe beständige Kränkungen mit der Geduld eines Feiglings hin. Je mehr die Menschen zu verlieren haben, desto weniger sind sie bereit, etwas zu wagen. Die Reichen sind im allgemeinen Sklaven ihrer Angst und unterwerfen sich der höfischen Macht mit der zitternden Falschheit eines Wachtelhundes.

Die Jugend ist die Saatzeit für gute Gewohnheiten, bei Nationen ebenso wie bei Menschen. Ein halbes Jahrhundert später dürfte es schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein, auf dem Kontinent eine einheitliche Regierung zu bilden. Die große Vielfalt der Interessen, verursacht durch ein Anwachsen von Handel und Bevölkerung, würde Verwirrung hervorrufen. Kolonie stünde gegen Kolonie; jede könnte auf der anderen Hilfe pfeifen, und während sich die Stolzen und die Törichten an ihren kleinlichen Unterschieden ergötzen, würden die Klugen darüber klagen, daß man nicht schon früher die Union gebildet habe. Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, sie zu schaffen. Der vertraute Umgang miteinander, der in der Jugend entsteht, und die Freundschaft, die im Unglück geschlossen wird, halten am längsten und sind unveränderlich. Unsere Union ist jetzt durch beide Charakterzüge gekennzeichnet: Wir sind jung und waren in Not; aber unsere Eintracht hat allen Widrigkeiten getrotzt, und dies ist wahrlich eine denkwürdige Zeit, auf die die Nachwelt stolz sein kann.

Der gegenwärtige Zeitpunkt ist gleichermaßen auch jene besondere Zeit, die es für eine Nation nur einmal gibt, nämlich die Zeit, in der sie sich selbst eine Regierung geben kann. Die meisten Nationen ließen diese Chance ungenutzt und sind dadurch gezwungen worden, Gesetze von Eroberern anzunehmen, anstatt sie selbst zu machen. Zuerst hatten sie einen König, und dann eine Regierungsform; da doch zuerst die Artikel oder die Charta einer Regierung festgelegt und dann Männer bestimmt werden sollten, die sie anwenden. Aber wir sollten aus den Fehlern anderer Nationen lernen, die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und unsere Regierung vom richtigen Ende her beginnen.

Als WILHELM der Eroberer England unterwarf, gab er den Einwohnern Gesetze kraft seines Schwerts; und solange, wir nicht einwilligen, daß eine Regierung in Amerika gesetzmäßig und bevollmächtigt gebildet wird, laufen wir Gefahr, daß sich ihrer glücklich ein Schurke bemächtigt, der uns genauso behandeln könnte, und wo bleibt dann unsere Freiheit, wo unser Eigentum?

Was die Religion betrifft, halte ich es für die unverzichtbare Pflicht einer jeden Regierung, alle Gläubigen zu schützen; ich wüßte nicht, was eine Regierung sonst damit zu tun hätte. Laßt doch einen Menschen sich von der Enge seiner Seele, der Selbstsucht seiner Prinzipien befreien, die Geizhälse aller Art nur so ungern aufgeben, und er wird sofort seine Sorgen darüber los. Mißtrauen ist der Begleiter niedriger Seelen und Gift für jede gute Gesellschaft. Ich selbst glaube fest und gewissenhaft, daß es der Wille des Allmächtigen ist, daß es mannigfaltige religiöse Überzeugungen bei uns gibt: das eröffnet ein weiteres Feld unsere christlichen Wohltaten. Wären wir alle nur eines Glaubens, fehlte es unseren religiösen Einrichtungen am Betätigungsfeld. Und mit diesem liberalen Prinzip sehe ich die verschiedenen Glaubensgemeinschaften bei uns als Kinder derselben Familie an, die sich sozusagen nur in ihren Vornamen unterscheiden.

Weiter oben habe ich einige Gedanken über die Zweckmäßigkeit einer kontinentalen Charta geäußert (denn ich will nur Hinweise geben, keine fertigen Pläne), und an dieser Stelle gestatte ich mir, dieses Thema noch einmal aufzugreifen mit der Bemerkung, daß eine Charta als feierliche Verpflichtung zu verstehen ist, die die Gemeinschaft eingeht, um die Rechte jedes einzelnen Teils zu wahren, und zwar in bezug auf die Religion, die persönliche Freiheit und das Eigentum. Ein solider Vertrag und eine korrekte Rechnung sorgen für eine lange Freundschaft.

Oben habe ich auch die Notwendigkeit einer breiten und gleich gewählten Vertretung angesprochen; es gibt keine politische Angelegenheit, die unsere Aufmerksamkeit mehr verdiente. Eine beschränkte Zahl von Wahlberechtigten wie auch eine kleine Zahl von Volksvertretern ist gleichermaßen gefährlich. Aber wenn die Anzahl der Volksvertreter nicht nur klein ist, sondern auch noch aus ungleichen Wahlen resultiert, wird die Gefahr noch größer. Als Beispiel dafür erwähne ich folgendes: als die Assoziations-Petition (40) im Parlament von Pennsylvania verhandelt wurde, waren nur 28 Vertreter anwesend; alle Abgeordneten vom Bezirk Buck, acht an der Zahl, stimmten dagegen, und wenn sieben der Abgeordneten aus Chester dasselbe getan hätten, wäre diese ganze Provinz ausschließlich von zwei Bezirken [county] regiert worden. Dieser Gefahr ist sie ständig ausgesetzt. Auch die ungerechtfertigte Überschreitung seiner Kompetenzen, die dieses Parlament bei der letzten Sitzung beging, um einen unzulässigen Einfluß auf die Delegierten dieser Provinz zu gewinnen, sollte eine Warnung für das ganze Volk sein, nicht leichtfertig die Macht aus den Händen zu geben. Es wurden eine Anzahl von Bestimmungen für die Delegierten zusammengestellt, die, was ihren Sinn und ihre praktische Anwendung betrifft, einen Schuljungen beleidigt hätten, und nachdem sie von wenigen, sehr wenigen, außerhalb des Hauses gebilligt worden waren, wurden sie dem Parlament vorgelegt und dort im Namen der ganzen Kolonie verabschiedet; wenn die ganze Kolonie gewußt hätte, mit welch bösem Willen dieses Parlament an die Erledigung einiger notwendiger öffentlicher Maßnahmen ging, hätte sie nicht einen Moment gezögert, es eines solchen Vertrauens für unwürdig zu halten.

Unmittelbare Notwendigkeit macht vieles tragbar, was dann leicht zur Unterdrückung wird, wenn man es auf Dauer beibehält. Zweckdienlichkeit und Recht sind zwei verschiedene Dinge. Als das Unglück Amerikas Beratungen erforderte, gab es kein anderes Verfahren, das so naheliegend und, in dieser Zeit, so angemessen war, als Vertreter aus den verschiedenen Körperschaften zu diesem Zweck zu benennen, und die Weisheit, mit der sie entschieden haben, hat diesen Kontinent vor dem Untergang bewahrt. Aber da es mehr als wahrscheinlich ist, daß wir immer einen KONGRESS haben werden, muß doch jeder Freund einer gerechten Ordnung zugeben, daß die Art und Weise, wie die Mitglieder dieser Körperschaft gewählt werden sollen, einige Überlegungen verdient. Und ich formuliere dies als Frage an jene, die das Studium der Gesellschaftswissenschaften betreiben: Stellen nicht das Recht der Vertretung und das Recht der Wahl eine zu große Machtfülle für eine einzige Körperschaft dar? Wenn wir für die Nachwelt planen, sollten wir bedenken, daß Tugend nicht vererbbar ist.

Von unseren Feinden erhalten wir Maximen und werden durch ihre Fehler oft erst zur Vernunft gebracht. Herr CORNWALL (41) (einer der Minister des Schatzamtes) behandelte die Petition der New Yorker Versammlung geringschätzig, weil diese Versammlung, so sagte er, nur aus 26 Mitgliedern bestehe; diese geringfühige Anzahl, argumentierte er, könne nicht mit Anstand für das Ganze sprechen. Wir danken ihm für seine unfreiwillige Aufrichtigkeit. (42)

UM ZUM SCHLUSS ZU KOMMEN: Wenn dies einigen seltsam vorkommt oder sie nicht gewillt sind, so darüber zu denken, spielt das keine Rolle, denn es gibt viele starke und schlagkräftige Argumente, um zu zeigen, daß nichts so schnell unsere Angelegenheiten regeln kann wie eine offene und entschlossene Unabhängigkeitserklärung. Einige dieser Argumente sind:

Erstens:  Es ist Sitte, daß, wenn zwei Nationen sich im Krieg befinden, einige andere Nationen, die nicht an dem Streit beteiligt sind, als Vermittler dazwischentreten und die Vorverhandlungen für einen Friedensschluß herbei führen. Aber solange sich Amerika als Untertan Großbritanniens bezeichnet, kann keine andere Macht, sosehr sie auch dazu in der Lage wäre, ihre Vermittlung anbieten. Deshalb könnten wir in unserem jetzigen Stadium auf ewig weiterstreiten.

Zweitens:  Es ist unrealistisch anzunehmen, daß Frankreich oder Spanien uns irgendwelche Unterstützung anbieten werden, wenn wir diese Hilfsleistungen nur dazu benutzen wollen, den Bruch zu überwinden und die Verbindungen zwischen Großbritannien und Amerika zu stärken; denn diese Mächte wären es ja dann, die unter den Folgen zu leiden hätten.

Drittens:  Solange wir uns als Untertanen Großbritanniens bezeichnen, müssen wir in den Augen der fremden Mächte als Rebellen erscheinen. Ein solcher Präzedenzfall, daß nämlich Männer als Untertanen in Waffen stehen, ist auch für deren inneren Frieden gefährlich. Wir könnten auf der Stelle dieses Paradoxon lösen; aber Widerstand und Unterwerfung zu vereinen ist ein Gedanke, der zu hoch ist für das allgemeine Verständnis.

Viertens:  Es sollte ein Manifest veröffentlicht und an die ausländischen Mächte geschickt werden, in dem wir die Leiden schildern, die wir erlitten haben, und auch die friedlichen Mittel, die wir zur Abhilfe erfolglos eingesetzt haben; zugleich müßte erklärt werden, daß, da wir nicht länger glücklich und sicher unter der grausamen Macht des britischen Hofes leben konnten, wir uns genötigt sahen, jegliche Verbindung mit ihm abzubrechen. Ebenso müßten wir alle Höfe unserer friedlichen Haltung ihnen gegenüber versichern und unseren Wunsch äußern, mit ihnen Handel zu treiben. Eine solche Denkschrift würde mehr Gutes für diesen Kontinent bewirken, als wenn man ein Schiff mit Petitionen belädt und nach Großbritannien schickt.

In unserer gegenwärtigen Eigenschaft als britische Untertanen können wir im Ausland weder empfangen noch angehört werden. Der Brauch an allen Höfen ist gegen uns und wird es auch bleiben, bis wir durch die Unabhängigkeit anderen Nationen gegenüber ebenbürtig werden.

Dieses Vorgehen mag zunächst seltsam und auch schwierig erscheinen, aber es wird, wie alle anderen Maßnahmen, die wir bereits ergriffen haben, bald vertraut und angenehm sein; und der Kontinent wird sich, bis die Unabhängigkeit erklärt wird, wie ein Mensch fühlen, der eine unangenehme Aufgabe von Tag zu Tag vor sich herschiebt und dabei doch weiß, daß sie erledigt werden muß, der es haßt, sie zu beginnen, der wünscht, sie wäre schon erledigt, und der beständig vom Gedanken an ihre Notwendigkeit verfolgt wird.



ANHANG

Seit der Veröffentlichung der ersten Ausgabe dieses Pamphlets, oder genauer gesagt, noch am selben Tag, an dem es erschien, wurde die Rede des Königs (43) in dieser Stadt (44) bekannt. Selbst wenn ein prophetischer Geist die Veröffentlichung dieser Arbeit bestimmt hätte, könnte er sie nicht zu einem geeigneteren Augenblick oder einem notwendigeren Zeitpunkt herausgebracht haben. Die Blutrünstigkeit des einen [d. h. des Königs] beweist die Notwendigkeit der Durchführung des anderen [d. h. der Unabhängigkeit]. Die Menschen lesen es aus Rache, und die Rede hat, anstatt einzuschüchtern, einen Weg gebahnt für die mannhaften Prinzipien der Unabhängigkeit.

Höflichkeit und auch Schweigen (aus welchen Gründen auch immer sie resultieren), haben eine schädliche Wirkung, wenn sie gemeinen und schlechten Taten auch nur ein Minimum an Unterstützung verleihen; deshalb folgt klar daraus - wenn man dieser Maxime zustimmt-, daß die Rede des Königs, ein Stück vollendeter Schurkerei, die allgemeine Verachtung sowohl des Kongresses als auch des Volkes verdient hätte und noch verdient. Aber da die innere Ruhe einer Nation in großem Maße von der Reinheit der NATIONALEN GEPFLOGENHEITEN (so können sie angemessen bezeichnet werden) abhängt, ist es oft besser, einige Dinge mit schweigender Verachtung zu übergehen, als von solch neuen Formen der Mißbilligung Gebrauch zu machen, die die geringste Veränderung an diesem Hüter unseres Friedens und unserer Sicherheit bewirken könnten. Und vielleicht ist es vor allem diesem Anhang klugen Feingefühls zuzuschreiben, daß die Rede des Königs bisher noch keine öffentliche Verurteilung erfahren hat. Die Rede, wenn man sie überhaupt so bezeichnen kann, ist nichts als eine absichtliche, unverschämte Verleumdung der Wahrheit, des Gemeingutes und der Existenz der Menschheit; und sie ist ein förmliches und hochtrabendes Mittel, um dem Stolz der Tyrannen menschliche Opfer darzubringen. Aber ein allgemeines Massaker an der Menschheit, eines der Privilegien der Könige, ist die sichere Folge; denn da die Natur Könige nicht kennt, kennen sie sie umgekehrt auch nicht, und obwohl sie Menschen unserer eigenen Schöpfung sind, kennen sie uns nicht und sind Götter ihrer eigenen Schöpfer geworden. Die Rede hat ein Gutes für sich, nämlich daß sie nicht versucht, uns zu täuschen, und so können wir auch nicht, selbst wenn wir es wollten, von ihr getäuscht werden. Brutalität und Tyrannei werden in ihr deutlich. Sie läßt uns nicht im unklaren, und jede Zeile macht uns klar, schon im Augenblick, in dem wir sie lesen, daß der nackte und ungebildete Indianer, der die Wälder nach Beute durchstreift, weniger ein Wilder ist als der König von England.

Sir JOHN DALRYMPLE (45), der mutmaßliche Verfasser einer weinerlichen, jesuitischen Schrift mit dem täuschenden Titel  Adresse des ENGLISCHEN Volkes an die Einwohner AMERIKAS hat, vielleicht in der falschen Annahme, daß die Leute  hier  durch die pompöse Schilderung eines Königs erschreckt werden können, eine wahrhafte Beschreibung des gegenwärtigen [Königs] geliefert (obwohl das seinerseits sehr unklug war): "Aber", sagt dieser Autor, "wenn ihr geneigt seid, einer Regierung die Ehre zu erweisen, über die wir uns nicht zu beklagen haben" (er meint den Marquis von Rockingham (46) bei der Aufhebung der Stempelgesetze), "dann ist es unfair, sie dem Fürsten zu verweigern,  durch dessen NICKEN ALLEIN sie überhaupt die Erlaubnis hat, irgend etwas zu tun".  Hier wird einmal wahres Torytum offenbar! Dies ist Abgötterei ohne Maske, und wer in Ruhe eine solche Doktrin hören und verkraften kann, hat seinen Anspruch auf Vernünftigkeit verwirkt, ist ein Abtrünniger von der Ordnung der Menschheit und sollte angesehen werden als einer, der nicht nur die wahre Würde eines Menschen aufgegeben hat, sondern unter den Rang eines Tieres gefallen ist, und verachtet wie ein Wurm durch die Welt kriecht.

Jedoch spielt es jetzt keine große Rolle mehr, was der englische König sagt oder tut; er hat bösartig jegliche moralische und menschliche Verpflichtung verletzt, Natur und Gewissen mit Füßen getreten, und er hat sich durch seinen beständigen, ihm angebotenen Geist der Anmaßung und Grausamkeit den allgemeinen Haß zugezogen. Jetzt liegt es im Interesse Amerikas, für sich selbst zu sorgen. Es hat schon eine junge und große Familie, für die zu sorgen eine größere Pflicht ist, als sein Eigentum zu verschleudern, um eine Macht zu unterstützen, die zur Schande aller Menschen und Christen geworden ist. IHR, deren Amt es ist, über die Moral einer Nation zu wachen, welcher Sekte oder Glaubensrichtung ihr immer angehört, und auch ihr, die ihr unmittelbar die Wächter der öffentlichen Freiheit seid. wenn ihr euer Heimatland von europäischer Korruption reinhalten wollt, müßt ihr euch insgeheim die Trennung wünschen. Aber ich überlasse den moralischen Teil der privaten Überlegung und werde meine weiteren Bemerkungen hauptsächlich auf folgende Themen beschränken:

Erstens:  Daß es im Interesse Amerikas liegt, sich von mGroßbritannien zu trennen.

Zweitens:  Welches ist der leichteste und praktikabelste Plan?WIEDERVERSÖHNUNG oder UNABHÄNGIGKEIT?, mit einigen gelegentlichen Anmerkungen.

Zur Bekräftigung des ersten Punktes könnte ich, wenn ich es für richtig hielte, hier die Meinung von einigen der fähigsten und erfahrensten Männer dieses Kontinents anführen, deren Ansicht zu diesem Thema noch nicht allgemein bekannt ist. Aber tatsächlich ist dies doch ein selbstverständlicher Standpunkt: denn keine Nation, die vom Ausland abhängig ist, in ihrem Handel beschränkt wird und in ihrer gesetzgeberischen Autonomie gehemmt und eingeschränkt ist, kann jemals zu einer bedeutenden Stellung gelangen. Amerika weiß noch nicht, was Wohlstand ist, und obwohl die Fortschritte die es gemacht hat, ohne Beispiel in der Geschichte anderer Nationen sind, ist dies doch nur ein Anfangsstadium, verglichen mit dem, wozu es fähig wäre, wenn die Gesetzgebung - wie es eigentlich sein sollte - in seinen eigenen Händen läge. England begehrt zur Zeit stolz, was ihm nur schaden würde, wenn es das erreichen könnte, und der Kontinent zögert in einer Angelegenheit, die sein endgültiger Untergang sein wird, wenn man sie nicht in Angriff nimmt. Es ist nicht die Eroberung Amerikas, sondern der Handel, woraus England den Nutzen zieht, und der würde größtenteils weitergeführt, wären die beiden Länder auch so unabhängig voneinander wie Frankreich und Spanien, denn für viele Artikel können beide keine besseren Märkte finden. Aber im Moment ist die Unabhängigkeit dieses Landes von Großbritannien oder einem anderen Staat der erste und einzige Punkt, über den es sich zu streiten lohnt und der, wie alle anderen Wahrheiten, die von der Notwendigkeit aufgedeckt werden, jeden Tag klarer und überzeugender erscheint:

Erstens:  Weil es früher oder später doch dazu kommen wird.

Zweitens:  Weil sie um so schwerer zu erreichen sein wird, je länger sie hinausgeschoben wird.

Ich habe mich in öffentlichen und privaten Gesellschaften oft heimlich über die großen Irrtümer derer amüsiert, die reden, ohne zu denken. Und von den vielen, die ich gehört habe, scheint mir der folgende am weitesten verbreitet zu sein: Wenn es zu diesem Bruch [mit England] vierzig oder fünfzig Jahre später gekommen wäre, und nicht jetzt, wäre der Kontinent viel eher in der Lage gewesen, die Abhängigkeit abzuschütteln. Darauf antworte ich, daß unsere jetzigen militärischen Fähigkeiten von den Erfahrungen herrühren, die wir im letzten Krieg gesammelt haben und die in vierzig oder fünfzig Jahren völlig vergessen wären. In jener Zeit würde der Kontinent keinen General oder Offizier mehr haben, und wir, oder die, die uns folgen, wären genauso unkundig in kriegerischen Dingen wie die alten Indianer. Und allein dieses Argument beweist, genauer betrachtet, unwiderlegbar, daß die jetzige Zeit allen anderen vorzuziehen ist, nämlich: Am Ende des letzten Krieges hatten wir Erfahrung, aber wir waren zu wenige, und in vierzig oder fünfzig Jahren wären wir genug, aber hätten keine Erfahrung; deshalb muß der richtige Zeitpunkt irgendwo zwischen den beiden Extremen liegen, wo von dem einen noch genügend übrigbleibt und ein angemessener Zuwachs beim anderen erreicht ist: und dieser Zeitpunkt ist jetzt.

Der Leser möge mir diese Abschweifung verzeihen, die eigentlich nichts mit dem Punkt zu tun hat, mit dem ich zuerst begann und auf den ich mit folgendem Argument zurückkomme:

Sollten die Angelegenheiten mit Großbritannien noch einmal geregelt werden und sollte es die regierende und souveräne Macht in Amerika bleiben (was unter den gegenwärtigen Umständen hieße, daß wir unsere Sache ganz aufgeben müßten), beraubten wir uns der Mittel, die zur Senkung unserer Schulden - die wir haben oder aufnehmen - dienen könnten. Der Wert des Hinterlandes, das einigen Provinzen durch die unrechte Ausdehnung der kanadischen Grenzen (47) heimlich geraubt wurde, beträgt, wenn man nur 5 Pfund Sterling pro 100 acres veranschlagt, bis zu 25 Millionen in pennsylvanischer Währung, der Pachtzins bei einem Penny pro acre bis- zu zwei Millionen jährlich.

Durch den Verkauf dieser Ländereien könnten die Schulden ohne Belastung gesenkt werden, und der Pachtzins darauf wird die jährlichen Ausgaben der Regierung immer mehr verringern und schließlich voll decken. Es spielt keine Rolle, auf wie lange die Schuld abbezahlt wird, solange die Ländereien, wenn sie verkauft werden, zu ihrer Verminderung verwendet werden können; für die Abwicklung wird der jeweilige Kongreß als kontinentaler Treuhänder fungieren.

Ich komme jetzt zu meinem zweiten Punkt, nämlich: Welches ist der leichteste und praktikabelste Plan, WIEDERVERSÖHNUNG oder UNABHÄNGIGKEIT?, mit einigen gelegentlichen Anmerkungen. Wer sich an der Natur orientiert, ist in seiner Beweisführung schwer zu widerlegen, und deshalb antworte ich meistens,  daß, da die UNABHÄNGIGKEIT der EINZIGE EINFACHE WEG ist, der uns voll entspricht, und die Wiederversöbnung eine ungeheuer verwickelte und komplizierte Angelegenheit ist, in die ein verräterischer und unberechenbarer Hof einbezogen werden muß, die Antwort auf der Hand liegt. 

Der gegenwärtige Zustand Amerikas ist für jeden, der fähig ist, nachzudenken, wahrhaft alarmierend. Ohne Gesetze, ohne Regierung, ohne jegliche Machtmittel außer solchen, die auf einer Erlaubnis beruhen und von ihr abhängen, zusammengehalten von einer beispiellosen Übereinstimmung der Gefühle, die trotzdem Wechseln unterworfen sein kann und die jeder heimliche Feind aufzulösen versucht. Unser gegenwärtiger Zustand bedeutet Gesetzgebung ohne Gesetz, Weisheit ohne einen Plan, eine Verfassung ohne einen Namen und, was einen merkwürdig berührt, vollständige Unabhängigkeit, die nach Abhängigkeit strebt. Dieser Fall ist ohne Beispiel; so etwas hat es noch nie zuvor gegeben, und wer kann sagen, wie es ausgehen wird? Niemandes Eigentum ist sicher in dem gegenwärtigen, aufgelösten System. Der Wille der Menge ist ziellos, und da sie kein festes Ziel vor Augen hat, handelt sie nach Lust und Laune. Nichts ist strafbar, so etwas wie Verrat gibt es nicht; deshalb glaubt jeder, er hätte die Freiheit zu tun, was er möchte. Die Tories hätten es nicht gewagt, sich so provokativ zu versammeln, wenn sie gewußt hätten, daß dadurch gemäß den Gesetzen des Staates ihr Leben verwirkt ist. Es sollte ein Unterschied gemacht werden zwischen englischen Soldaten, die im Kampf gefangen werden, und Einwohnern Amerikas, die man bewaffnet aufgreift. Die ersten sind Gefangene, die anderen aber Verräter. Die einen haben ihre Freiheit vermerkt, die anderen ihren Kopf.

Trotz unserer Weisheit gibt es noch offenkundige Schwächen in manchem, was wir tun, und das fördert die Uneinigkeit. Das kontinentale Band ist noch zu lose geknüpft, und wenn etwas nicht rechtzeitig getan wird, ist es zu spät, überhaupt etwas zu tun, und wir werden in ein Stadium zurückfallen, in dem weder Wiederversöhnung noch Unabhängigkeit möglich sein werden. Der König und seine unwürdigen Anhänger versuchen wieder ihr altes Spiel, nämlich den Kontinent zu spalten, und es fehlt ihnen nicht an Druckern unter uns, die fleißig trügerische Falschheiten verbreiten. Der listige und heuchlerische Brief, (48) der vor wenigen Monaten in zwei New Yorker Zeitungen und dann auch noch in zwei anderen erschien, macht deutlich, daß es Menschen gibt, denen es an Urteilskraft und an Ehrlichkeit fehlt.

Es ist leicht, sich in der Ecke zu verkriechen und von Wiederversöhnung zu reden. Aber haben diese Menschen ernsthaft überlegt, wie schwierig diese Aufgabe ist und als wie gefährlich sie sich erweisen könnte, wenn sich der Kontinent darüber spaltet? Haben sie all die vielfältigen gesellschaftlichen Stellungen der Menschen in Betracht gezogen, deren Situation und Verhältnisse sowohl als ihre eigenen zu beachten sind? Haben sie, sich in die Lage der Leidtragenden hineinversetzt, deren ganze Habe bereits verloren ist, und in die des Soldaten, der alles für die Verteidigung seines Landes aufgegeben hat? Wenn ihre unbesonnene Mäßigung allein ihrer privaten Situation entspricht, ohne Rücksicht auf andere, wird der Ausgang sie davon überzeugen, daß sie ihre Rechnung ohne den Wirt gemacht haben.

Stellt uns den Zustand wieder her, sagen einige, wie er 1763 (49) war. Darauf antworte ich, daß es jetzt nicht in der Macht Großbritanniens liegt, diese Forderung zu erfüllen, und es wird dies auch nicht vorhaben. Aber selbst wenn, und wenn sie sogar gewährt würde, lautet meine angemessene Frage: Mit welchen Mitteln soll ein solcher korrupter und treuloser Hof bei seinen Verpflichtungen gehalten werden? Ein anderes Parlament, ja sogar das jetzige, könnte am Ende die Verpflichtung aufheben unter dem Vorwand, sie wäre aufgrund von Gewalt erreicht oder unklug gewährt worden; und wo wäre in diesem Fall unsere Rechtshilfe? Nationen kann man nicht verklagen, Kanonen sind die Anwälte der Kronen, und das Schwert - nicht das der Justiz, sondern das des Krieges - entschiede den Streit. Um zum Zustand von 1763 zurückzukehren, reicht es nicht aus, daß nur die Gesetze in den damaligen Stand versetzt werden, sondern auch unsere Verhältnisse müssen in den damaligen Stand versetzt werden; daß unsere verbrannten Häuser repariert oder wiederaufgebaut, unsere privaten Verluste ersetzt, unsere öffentlichen Schulden, die wir zur Verteidigung aufgenommen haben, abgelöst werden; sonst wären wir millionenmal schlechter dran, als in jener beneidenswerten Zeit. Wenn ein solches Verlangen vor einem Jahr erfüllt worden wäre, hätte dies Herz und Seele des Kontinents gewonnen. Aber jetzt ist es zu spät, der Rubikon ist überschritten.

Außerdem: die Waffen zu ergreifen, nur um die Aufhebung eines Finanzgesetzes zu erzwingen, scheint vor dem göttlichen Gesetz so ungerechtfertigt und mit menschlichen Gefühlen so unvereinbar wie umgekehrt die Waffen zu ergreifen um Gehorsam dafür zu erzwingen. Der Gegenstand rechtfertigt auf beiden Seiten nicht die Mittel und Wege, denn Menschenleben sind zu kostbar, als daß sie wegen solcher Belanglosigkeiten geopfert werden sollten. Die Gewalt, die uns angedroht und angetan wird, die Zerstörung unseres Eigentums durch eine Armee, die Verheerung unseres Landes mit Feuer und Schwert: dies rechtfertigt den Gebrauch der Waffen vor dem Gewissen. Und im Moment, in dem eine solche Art der Verteidigung notwendig wurde, hätte alle Unterwerfung unter Großbritannien aufhören sollen, und man müßte die Unabhängigkeit Amerikas von dem Tag an datiert und verkündet haben, an dem die erste Muskete gegen uns abgefeuert wurde. Dieser Weg ist ein Weg der Beständigkeit, weder durch Launen beeinflußt noch aus Ehrgeiz beschritten, sondern durch eine Kette von Ereignissen bestimmt, für die die Kolonien nicht verantwortlich sind.

Ich werde diese Bemerkungen abschließen mit den folgenden aktuellen und wohlmeinenden Hinweisen. Wir sollten uns überlegen, daß es drei verschiedene Wege gibt, die Unabhängigkeit zu erreichen, und daß einer dieser drei früher oder später das Schicksal Amerikas sein wird: nämlich durch die legale Stimme des Volkes im Kongreß, durch militärische Macht oder durch den Mob. Es wird nicht immer der Fall sein, daß unsere Soldaten auch Bürger sind und die Masse aus vernünftigen Männern besteht; die Tugend ist, wie ich vorher schon gesagt habe, nicht vererbbar und währt auch nicht ewig, Sollte die Unabhängigkeit über den ersten dieser Wege erreicht werden, haben wir jede Gelegenheit und jede Ermutigung, die edelste und reinste Verfassung dieser Erde zu verwirklichen. Wir haben es in der Hand, die Welt noch einmal von neuem zu erschaffen. Eine Situation ähnlich der jetzigen hat es seit den Tagen Noahs nicht mehr gegeben. Der Geburtstag einer neuen Welt steht vor der Tür, und ein neues Menschengeschlecht, vielleicht so zahlreich wie ganz Europa, soll durch die Ereignisse weniger Monate seinen Anteil an der Freiheit erlangen. Diese Gedanken sind ehrwürdig - und wie unbedeutend, wie lächerlich erscheinen doch so besehen die kleinen, armseligen Nörgeleien einiger schwacher oder eigennütziger Menschen, wenn man sie gegen die Sache einer ganzen Welt aufwiegt.

Sollten wir die momentane, günstige und verlockende Zeit versäumen und die Unabhängigkeit später durch andere Mittel erreichen, müssen wir uns die Folgen selbst zuzuschreiben oder vielmehr denen, deren enge und voreingenommene Seelen grundsätzlich gegen die Maßnahme sind, ohne sie zu prüfen oder darüber nachzudenken. Es gibt gute Gründe für die Unabhängigkeit, an die die Menschen lieber im stillen denken sollten, als daß man sie ihnen öffentlich verkündet. Wir sollten jetzt nicht darüber debattieren, ob wir unabhängig sein werden oder nicht, sondern bestrebt sein, die Unabhängigkeit auf einer festen, sicheren und ehrenvollen Basis zu erreichen, und beunruhigt, daß wir noch nicht damit angefangen haben. Jeder Tag überzeugt uns von ihrer Notwendigkeit. Sogar die Tories (wenn es solche Wesen noch unter uns gibt) sollten von allen am eifrigsten sein, sie zu fördern; denn wie zuerst die Ernennung der Komitees (50) sie vor dem Volkszorn geschützt hat, wird auch eine weise und fest etablierte Regierung das einzige Mittel sein, sie weiterhin zu schützen. Wenn sie also nicht genug Tugend haben, Whigs (51) zu sein, sollten sie wenigstens klug genug sein, sich die Unabhängigkeit zu wünschen.

Kurz gesagt, die Unabhängigkeit ist das einzige BAND, das uns zusammenhalten und verbinden kann. Dann haben wir unser Ziel vor Augen, und unsere Ohren werden dann rechtmäßig vor den Ränken eines intrigierenden und grausamen Feindes verschlossen sein; dann werden wir auch in einer entsprechenden Lage sein, mit Großbritannien zu verhandeln, denn es gibt Gründe für die Annahme; daß der Stolz jenes Hofes weniger verletzt wird, wenn er mit den amerikanischen Staaten über die Friedensbedingungen verhandelt, als mit jenen, die er "rebellische Untertanen" nennt, über die Beilegung des Streits. Unser Zögern ist es, das ihn zu seiner Hoffnung auf Eroberung ermutigt, und unsere Langsamkeit führt nur zur Verlängerung des Krieges. Da wir bisher ohne Nutzen unseren Handel eingestellt haben, um eine Abhilfe unserer Beschwerden zu erreichen, laßt uns nun das Gegenteil versuchen, nämlich selbst und unabhängig unseren Beschwerden abhelfen und ihnen dann anbieten, den Handel wieder aufzunehmen. Der handeltreibende und vernünftige Teil der Engländer wird immer noch zu uns stehen, denn Frieden mit Handel ist besser als Krieg ohne Handel. Und wenn dieses Angebot abgeschlagen wird, werden es andere Höfe annehmen.

Damit will ich die Sache jetzt ruhen lassen; und da noch kein Angebot kam, die Doktrin zu widerlegen, die in den früheren Ausgaben dieses Pamphlets aufgestellt wurde, ist dies ein negativer Beweis, nämlich daß entweder die Doktrin nicht widerlegt werden kann oder daß die Partei, die ihr anhängt, zu zahlreich ist, als daß man ihr noch entgegentreten könnte. DESHALB sollte jeder von uns, anstatt den anderen mit mißtrauischer oder zweifelnder Neugier anzustarren, seinem Nachbarn die herzliche Hand der Freundschaft entgegenstrecken und sich in die gemeinsame Front einreihen, die gleich einem Gnadenerlaß jede frühere Meinungsverschiedenheit vergessen lassen soll. Löscht die Namen der Whigs und Tories aus, und laßt keinen anderen mehr hören als den  eines guten Bürgers, eines offenen und entschlossenen Freundes und eines ehrenhaften Verteidigers der MENSCHENRECHTE und der FREIEN UND UNABHÄNGIGEN STAATEN VON AMERIKA


AN DIE VERTRETER DER
RELIGIÖSEN GEMEINSCHAFT DES VOLKES,
GENANNT QUÄKER,

oder an diejenigen unter ihnen, die an der Veröffentlichung einer kürzlich erschienenen Schrift beteiligt waren, betitelt "Das alte Zeugnis und die Grundsätze der Gemeinde, genannt die Quäker, erneuert in bezug auf den König und die Regierung, den Aufruhr betreffend, der jetzt in diesen und anderen Teilen Amerikas herrscht, an das ganze Volk gerichtet" (52)

Der Autor [THOMAS PAINE] ist einer der wenigen, die niemals die Religion entehren, indem sie sie entweder verspotten oder jede Glaubensrichtung grundsätzlich kritisieren. jedermann ist bezüglich der Religion allein Gott verantwortlich und nicht den Menschen. Deshalb ist dieser Brief eigentlich nicht an euch als religiöse, sondern als politische Körperschaft gerichtet, die sich mit Dingen beschäftigt, in die sich einzumischen euch die erklärte Friedfertigkeit eurer Prinzipien verbietet. Da ihr ohne eigentliche Vollmacht für die ganze Gemeinde der Quäker aufgetreten seid, sieht sich der Autor, um mit euch auf gleicher Ebene zu stehen, gezwungen, für alle die zu sprechen, die für jene Schriften und Prinzipien sind, gegen die sich euer Zeugnis richtet. Und er hat diesen besonderen Standpunkt ausgewählt, damit ihr in ihm jene charakterliche Anmaßung erkennt, die ihr bei euch nicht seht. Denn ihr habt weder einen Anspruch noch ein Recht auf ein  politisches Mandat. 

Wenn die Menschen vom richtigen Weg abgekommen sind, ist es kein Wunder, daß sie stolpern und fallen; und aus der Art, wie ihr euer Zeugnis abgelegt habt, wird deutlich, daß die Politik für euch als religiöse Gemeinschaft nicht euer richtiger Weg ist. Denn wie wohlgesetzt es euch auch erscheinen mag, es ist doch nur ein Mischmasch aus Gutem und Bösem, töricht zusammengesetzt, und die Schlüsse die daraus gezogen werden, sind unnatürlich und ungerecht.

Die ersten beiden Seiten (das Ganze umfaßt noch nicht einmal vier) rechnen wir euch hoch an, und wir erwarten dieselbe Höflichkeit von euch, denn die Liebe und das Verlangen nach Frieden ist nicht auf das Quäkertum beschränkt, sie sind der natürliche wie auch der religiöse Wunsch aller Menschen; und deshalb übertreffen wir, als Menschen, die für eine eigene, unabhängige Verfassung arbeiten, alle anderen in unseren Hoffnungen, Absichten und Zielen.  Unser Plan ist ein ewiger Friede.  Wir sind des Streits mit Großbritannien müde, und wir sehen, daß nur eine endgültige Trennung dem ein Ende machen kann. Wir handeln konsequent, denn um einen ewigen und ununterbrochenen Frieden zu erreichen, ertragen wir die Übel und Lasten der Gegenwart. Wir bemühen uns und werden uns immer bemühen, eine Verbindung zu trennen und zu lösen, die unser Land bereits mit Blut befleckt hat und die, solange ihr Name besteht, die fatale Ursache allen künftigen Mißgeschicks für beide Länder sein wird.

Wir kämpfen weder aus Rache noch aus Eroberungslust, weder aus Stolz noch aus Leidenschaft; wir beleidigen die Welt nicht mit unseren Flotten und Armeen, wir verheeren und plündern sie nicht. In unserem eigenen Land werden wir angegriffen, in unseren Häusern und auf unserem Grund und Boden werden Gewalttätigkeiten an uns begangen. Wir sehen unsere "Freunde" als Straßenräuber und Einbrecher, und da wir keine Rechtsmittel zu unserer Verteidigung haben, sind wir gezwungen, sie mit militärischen Mitteln zu bestrafen und das Schwert zu gebrauchen für die Fälle, in denen man früher den Strick benutzt hat. Vielleicht fühlen wir mit den zugrunde gerichteten und beleidigten Leidenden überall und in jedem Teil des Kontinents mit einem Maß an Empfindsamkeit, wie es einige von euch noch nie gefühlt haben. Aber gebt acht, daß ihr nicht die Ursache und den Grund eures Zeugnisses verwechselt. Nennt nicht seelische Kälte Religion, und setzt nicht den Bigotten anstelle des Christen.

0 ihr parteiischen Diener euer eigenen, anerkannten Prinzipien! Wenn das Tragen von Waffen Sünde sein soll, muß es das Entfesseln eines Krieges um so mehr sein, bei allem Unterschied zwischen willkürlichem Angriff und unvermeidlicher Verteidigung. Wenn ihr deshalb wirklich gewissenhaft predigt und aus eurer Religion kein politisches Steckenpferd machen wollt, dann überzeugt uns alle davon, indem ihr eure Doktrin unseren Feinden vorhaltet,  denn auch sie tragen WAFFEN Beweist uns eure Aufrichtigkeit, indem ihr sie in St. James's (53) veröffentlicht, bei dem Oberkommandierenden in Boston, bei den Admirälen und Kapitänen, die wie Piraten unsere Küsten verheeren, und bei all den mordenden Schurken, die in SEINEN Diensten stehen und dem ihr zu dienen vorgebt. Hättet ihr die rechtschaffene Seele eines BARCLAY (54), würdet ihr  eurem  König Reue predigen. Ihr würdet dem königlichen Lumpen seine Sünden vorhalten und ihn vor der Verdammnis warnen. Ihr würdet eure parteiischen Schmähreden nicht nur gegen die Geschmähten und Beleidigten richten, sondern wie gewissenhafte Geistliche laut wehklagen und  keinen verschonen.  Sagt nicht, daß ihr verfolgt werdet, und versucht nicht, uns zu den Urhebern jenes Vorwurfs zu machen, den ihr selbst erhebt. Denn wir bezeugen es vor allen Menschen, daß wir uns nicht über euch beklagen, weil ihr  Quäker  seid, sondern weil ihr dies  vorgebt  und es doch NICHT seid.

Ach! Es erscheint aus der besonderen Tendenz einiger Stellen eures Zeugnisses und auch anderweitig aus eurem Verhalten hervorzugehen, daß alle Sünde  auf den Akt des Waffentragens  reduziert wäre und nur darin bestünde, und dies auch nur, wenn das  Volk  es tut. Ihr scheint Parteinahme mit Gewissen verwechselt zu haben, denn im allgemeinen mangelt es euren Handlungen doch an Einheitlichkeit, und für uns ist es ungeheuer schwierig, vielen eurer vorgeblichen Skrupel Glauben zu schenken, denn wir sehen, daß sie von denselben Männern vorgebracht werden, die im gleichen Augenblick, in dem sie gegen den Mammon auf dieser Welt eifern, ihm dennoch nachjagen mit einem Schritt, so stetig wie der der Zeit, und begierig wie der des Todes.

Das Zitat aus den Sprüchen Salomon (55) auf der dritten Seite eures Zeugnisses, daß "wenn eines Menschen Wege dem Herrn gefallen, er sogar seine Feinde in Frieden mit ihm leben läßt", ist von euch sehr unklug gewählt ; denn es stärkt doch den Beweis, daß die Wege des Königs, den ihr so gern unterstützen wollt, dem Herrn nicht gefallen, sonst herrschte er in Frieden.

Ich komme jetzt zum letzten Teil eures Zeugnisses, im Vergleich zu dem all das Vorhergehende nur wie eine Einleitung erscheint: "Es war schon immer unser Urteil und Prinzip, seit wir berufen sind,  das Licht Christi  zu bekennen, das bis zum heutigen Tag in unserem Gewissen offenbar ist, daß das Einsetzen und Absetzen von Königen und Regierungen Gottes besonderes Vorrecht ist, aus Gründen, die er am besten kennt; und daß es nicht unsere Aufgabe ist, dabei Hand anzulegen oder uns einzumischen, uns etwa über unseren Rang zu erheben oder gar ihren Untergang oder Sturz zu planen und zu bewerkstelligen, sondern für den König, die Sicherheit unserer Nation und das Wohl aller Menschen zu beten, auf daß wir ein friedvolles und ruhiges Leben in aller Güte und Rechtschaffenheit führen unter der Regierung, die Gott über uns zu setzen geruht hat.

Wenn das wirklich eure Prinzipien sind, warum haltet ihr dann nicht an ihnen fest? Warum laßt ihr nicht zu, daß Gottes Werk (wie ihr von ihm selbst getan wird? Gerade diese Prinzipien lehren euch, geduldig und demütig auf den Ausgang aller öffentlichen Maßnahmen zu warten und diesen Ausgang als göttlichen Willen für euch anzunehmen. Welche Ursache gibt es also für euer  politisches Zeugnis,  wenn ihr aufrichtig an seinen Inhalt glaubt? Und allein seine Veröffentlichung beweist, daß ihr entweder nicht glaubt, was ihr bekennt, oder nicht genug Kraft habt zu praktizieren, was ihr glaubt.

Die Prinzipien des Quäkertums führen direkt dazu, jeden Menschen zum ruhigen und harmlosen Untertanen jeder beliebigen Regierung zu machen,  die über ihn gesetzt ist.  Und wenn das Ein- und Absetzen von Königen und Regierungen Gottes besonderes Vorrecht ist, wird er dessen sicherlich nicht von uns beraubt werden; deshalb führt euch dieses Prinzip dahin, alles, was Königen jemals geschah oder geschehen wird, als sein Werk zu billigen. - OLIVER CROMWELL (56) dankt euch. KARL (57) starb also nicht durch Menschenhand, und sollte sein gegenwärtiger stolzer Imitator dasselbe vorzeitige Ende erfahren, müssen die Autoren und Verleger des Zeugnisses gemäß der darin enthaltenen Doktrin dieser Tatsache applaudieren. Könige verschwinden nicht durch Wunder, und Wechsel in Regierungen werden nur durch gewöhnliche und menschliche Mittel herbeigeführt - und genau das tun wir jetzt. Sogar die Vertreibung der Juden wurde, obwohl sie durch unseren Heiland prophezeit wurde, mit Waffengewalt durchgeführt. Da ihr euch einerseits weigert, das Mittel zu sein, solltet ihr euch andererseits auch nicht einmischen, sondern den Ausgang schweigend abwarten; und solange ihr euch nicht auf die göttliche Autorität berufen könnt, um zu beweisen, daß er diese Welt geschaffen und in der größtmöglichen Entfernung, im Osten wie im Westen, von jedem Teil der Alten Welt errichtet hat, dennoch ihre Unabhängigkeit vom korrupten und lasterhaften englischen Hof mißbilligt; solange ihr also, sage ich, dies nicht beweisen könnt, wie könnt ihr da aufgrund eurer Prinzipien rechtfertigen, daß das Volk gereizt und erregt wird, "um es in der  Abscheu  vor allen solchen  Schriften  und  Maßnahmen  fest zusammenzuschließen, die den Wunsch und den Plan bezeugen, die  glückliche  Verbindung mit dem Königreich Großbritannien, derer wir uns bisher erfreut haben, unsere gerechte und notwendige Unterwerfung unter den König und die, die gesetzmäßig unter ihm in Ämtern sind, zu lösen".

Was für ein Schlag ins Gesicht ist das! Die Menschen, die gerade im Kapitel vorher still und passiv die Einrichtung, Änderung und Beseitigung von Königreichen und Regierungen in die Hände Gottes gelegt haben, widerrufen jetzt ihre Prinzipien und bemühen sich um Teilnahme an diesem Geschäft. Ist es möglich, daß der Schluß, der hier richtig zitiert wurde, auf irgendeine Weise aus der besagten Lehre folgt? Die Ungereimtheiten sind zu offensichtlich, als daß man sie übersehen könnte, die Absurdität zu groß, als daß man nicht darüber lachen müßte; dies konnte auch nur von jenen stammen, deren Verstand durch den engen und mürrischen Geist einer verzweifelnden politischen Partei getrübt ist: Denn ihr seid nicht als die ganze Gemeinde der Quäker anzusehen sondern nur als parteiischer und unbedeutender Teil.

Hier, endet die Analyse eures Zeugnisses (das scheuen ich keinen auffordere, wie umgekehrt ihr das getan habt, sondern nur zu lesen und gerecht zu beurteilen), der ich noch die folgende Bemerkung anfüge: "Das Ein- und Absetzen von Königen" muß sicher bedeuten daß man einen zum König macht, der es noch nicht ist und einen absetzt, der bereits König ist. Und was hat das bitte mit unserem jetzigen Fall zu tun? Wir wollen weder  einsetzen  noch  absetzen,  weder einen  machen  noch einen  vernichten,  sondern einfach nichts mit ihnen zu tun haben. Deshalb führt euer Zeugnis, unter welchem Aspekt man es auch betrachtet, nur dazu, eure Urteilskraft zu entehren, und aus vielen anderen Gründen hättet ihr es lieber sein lassen sollen, als es zu veröffentlichen.

Erstens:  Weil es zur Verminderung und Herabsetzung jeder Religion führt und es von äußerster Gefahr für die Gesellschaft ist, daraus einen Streitpunkt in politischen Disputen zu machen.

Zweitens:  Weil es eine Gemeinschaft, in der zahlreiche Mitglieder die Veröffentlichung politischer Zeugnisse verwerfen, so darstellt, als ob alle daran beteiligt wären und zustimmen würden.

Drittens:  Weil es zur Zerstörung der kontinentalen Harmonie und Freundschaft führt, die ihr selbst durch eure jüngsten freigebigen und wohltätigen Spenden habt errichten helfen und deren Erhaltung für uns alle von größter Bedeutung ist.

Und damit sage ich euch, ohne Zorn oder Groll, Lebewohl. Ich wünsche aufrichtig, daß ihr als Menschen und Christen alle bürgerlichen und religiösen Rechte immer in vollem Umfang und ohne Unterbrechung genießen könnt und sie auch eurerseits anderen sichern helft, daß das Beispiel aber, das ihr so unklug mit der Vermischung von Religion und Politik gegeben habt,  von jedem Einwohner AMERIKAs verworfen und mißbilligt wird. 
LITERATUR - Thomas Paine, Common Sense, Stuttgart 1892
    Anmerkungen
    33) Die Einwohnerzahl der Kolonien betrug ungefähr
    1700:275000
    1760: 1,6 Millionen
    1770: 2,2 Millionen
    1780: 2,7 Millionen
    1800: 5,3 Millionen
    (Zahlen aus: Concise Dictionary of American History, ed. by Wayne Andrews, New York 1963.)
    34) JOHN ENTICK, A New Naval History, or, Compleat View of the British Marine, London 1757
    35) JOSIAH BURCHETT (1666?-1746), von 1698 bis 1742 Staatssekretär im Marineministerium.
    36) Die englische Flotte wurde nach Ausbruch des Siebenjährigen Krieges wesentlich verstärkt.
    37) Siebenjähriger Krieg
    38) Eine Folge des Handelsboykotts gegen England.
    39) Als Tories oder Loyalisten wurden in Amerika die Gegner der Unabhängigkeitsbestrebungen bezeichnet, die loyal zu Krone und Parlament standen und eine Wiederversöhnung mit Großbritannien befürworteten. Ihre Kontrahenten, Whigs genannt, setzten sich für eine Stärkung der Rechte der Kolonien oder für die Unabhängigkeit ein. Beide Begriffe, Tory und Whig, entstanden im EngIand des späten 17. Jahrhunderts im Konflikt um die Politik Karls 11., wo die Anhänger des Königs und seiner Prärogative gegenüber dem Parlament, die Befürworter von Monarchie und Bischofskirche als Tories bezeichnet wurden; ihre Gegner, die Whigs, betonten die Souveränität des Parlaments, die Lehre vom Widerstandsrecht, Naturrecht und Gesellschaftsvertrag.
    40) Die Associators waren eine paramilitärische Organisation, 1747 von BENJAMIN FRANKLIN in Philadelphia gegründet, die sich im Gegensatz zu der pazifistischen Haltung der Quäker Pennsylvanias aktiv am englisch-französischen Kolonialkrieg beteiligten.
    41) CHARLES W. CORNWALL 1774-80 Minister des englischen Schatzamtes.
    42) Diejenigen, die ganz begreifen wollen, von welch großer Bedeutung eine breite und gleiche Vertretung für einen Staat ist, sollten BURGHs (43) politische Abhandlungen lesen.
    43) JAMES BURGH (1714-75), politischer Schriftsteller, Mitglied im "Club of Honest Whigs", der sich in London um BENJAMIN FRANKLIN scharte. Hauptwerk:  Political Disquisitions  (3 Bde., 1774/75).
    44) 10. Januar 1776; Rede GEORGs III.; vgl. Nachwort, Seite 111f
    45) Sir JOHN DALRYMPLE (1726-1810), englischer Historiker und Pamphletist Der genaue Titel der von Paine hier erwähnten Schrift lautet:  The Address of the People of Great Britain to the Inhabitants of America,  London 1775.
    46) CHARLES WATSON-WENTWORTH, zweiter Marquis von Rockingham, 1765/66 und 1782 englischer Premierminister, der als Whig den amerikanischen Forderungen nicht schroff ablehnend gegenüberstand; 1766 veranlaßte er die Zurücknahme des "Stamp act".
    47) Gemeint ist das Quebec-Gesetz von 1774, vgl. Nachwort, Seite 110
    48) PAINE könnte sich hier auf die Zeitung  New York Gazette and the Weekly Mercury beziehen,  in der am 11. Dezember 1775 von ihrem Herausgeber, dem bekannten Tory HUGH GAINE, ein Leitartikel veröffentlicht wurde in dem er versuchte, die Kolonien zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen. Vgl. N. F. Adkins (Hrsg.), Thomas Paine, Common Sense and Other Political Writings, New York 1953, Seite 178, Anm. 31.
    49) 1763, am Ende des Siebenjährigen Krieges, schien für die Kolonien das Verhältnis zum Mutterland noch ungetrübt; erst danach begannen mit den verschiedenen Besteuerungsversuchen die Konflikte.
    50) "Committees of Correspondence" ?
    51) Vgl. Anm. 39
    52) Diese Schrift entstand am 20. Januar 1776 auf einer Versammlung der Quäker von Pennsvlvania und New Jersey Philadelphia.
    53) St. James's Palace, London, Sitz der englischen Könige bis zu Queen Victoria.
    54) "Du hast Glück und Unglück erlebt; du weißt, was es heißt, aus dem Vaterland vertrieben und gestürzt zu werden, aber auch auf den Thron gesetzt zu werden und zu regieren. Und da du einmal unterdrückt wurdest, müßtest du eigentlich genau wissen, wie verhaßt der Unterdrücker den Menschen wie auch Gott ist. Wenn du dich nach all diesen Warnungen und Verkündigungen nicht aus ganzem Herzen zum Herrn kehrst, sondern ihn vergißt, der an dich gedacht hat in deiner Trübsal, und dich der Wollust und Eitelkeit ergibst, so wird deine Verdammnis wahrlich groß sein. Gegen diese Verstrickungen und gegen die Versuchung jener, die dich nähren und zum Bösen leiten, ist das beste und verbreitetste Heilmittel, sich zu dem Licht Christi zu wenden, das in deinem Gewissen scheint und das dir niemals schmeicheln kann noch wird, und dich in deiner Sünde nie in Ruhe lassen wird." (Barclays Adresse an KARL II.) ROBERT BARCLAY (1648-90), schottischer Quäker dessen  Apology for the True Christian Divinity  (1678) zur "Bibel" des Quäkertums wurde.
    55) Salomo, Sprüche 16,7.
    56) OLIVER CROMWELL, einer der Führer der puritanischen Heere im Bürgerkrieg, war 1649 Hauptverantwortlicher für die Hinrichtung KARLs I.
    57) KARL I. (vgl. Anm. 4)