cr-2ra-2R. Schubert-SoldernG. AdlerF. BitzerF. Staudinger    
 
FRIEDRICH ALBERT LANGE
(1828-1875)
Die Arbeiterfrage
[3/4]

    1. Der Kampf ums Dasein
2. Der Kampf um die bevorzugte Stellung

"Es ist eine Brutto-Zunahme von Arbeitern von 92 Prozent vorhanden - die Zunahme der weiblichen Arbeiterinnen beträgt 131 Prozent; Kinder sind beinahe ebensoviele, wie früher waren und doch sind alle die Krankheiten, welche spezifisch der Fabrikarbeit eigen waren, beinahe ganz verschwunden. Selten oder nie sieht man einwärtsstehende Kniee oder Plattfuß, hin und wieder nur eine leichte Krümmung des Rückens, die mehr aus Arbeit bei armseliger Nahrung, als aus Arbeit vornehmlich herrührt. Das  Fabrik-Sein  ist nicht mehr unter uns, es sei denn, daß ein alter Mann oder eine alte Frau hinkt, um uns an eine fürchterliche Vergangenheit zu erinnern. Die Gesichter der Leute sind von roter frischer Gesichtsfarbe, ihre Formen sind abgerundet - ihr ganzes Aussehen ist ein erfreuliches."

Zweites Kapitel
Der Kampf um die bevorzugte Stellung

Der Kampf ums Dasein geht schon in der großen organischen Natur unmittelbar über in den Kampf um die bevorzugte Stellung; allein die Erscheinungen, die wir hier zu betrachten haben, sind doch so eigentümlich für den Menschen, daß wir mit dem Prinzip der Erzeugung und Vernichtung des physischen Daseins nicht mehr ausreichen, wenn wir ihm nicht eine allgemeinere, auch die geistige Entwicklung der Individuen umfassende Deutung geben. Während Pflanzen und Tiere sich nur um die Behauptung des wärmsten, feuchtesten oder geschütztesten Plätzchens oder der fruchtbarsten Weideplätze streiten und höchstens die Häupter der Herden in physischem Kampf ihre Rangordnung feststellen, hat der Mensch eine solche Menge verschiedener Rangordnungen, eine solche Menge verschiedener Rangordnungen, eine solche Anzahl bevorzugter Stellungen aller Art in das System seines gesellschaftlichen Daseins aufgenommen, daß wir hier das Schaffen besonderer, bei den Tieren nur wenig entwickelter Triebe nicht verkennen können. Und, wenn auch eingeräumt werden muß, daß sich gerade in dieser reich entwickelten Organisation des Zusammenlebens die höhere Natur des Menschen kundgibt, so liegen doch auch ganz unzweifelhaft eben in den großartigen Abstufungen des Wohlbefindens, welche sich mit dieser Organisation verbinden, die schlimmsten Übelstände, so lange noch die große Masse der Menschheit die ganze Last des Wettbewerbs um das bloße Leben zu tragen hat, während eine bevorzugte Minderheit allein zur glücklichen Entwicklung gelangt.

Das Grundgesetz des Kampfes um das Dasein in der physischen Natur ist das der  Überproduktion von Lebenskeimen,  deren große Masse dem Untergang gewidmet ist. Wir finden nunmehr im gesellschaftliche Leben des Menschen ein ganz analoges Gesetz hinsichtlich derjenigen Eigenschaften, durch welche der Einzelne eine bevorzugte Stellung erwirbt und behauptet:  die Keime der Befähigung und Neigung zu einer leitenden Stellung sind in Massen ausgestreut und die große Mehrzahl derselben ist von der Natur zur Verkümmerung bestimmt.  Der Umstand, daß der Mensch diese Verkümmerung  empfindet,  daß er ein schmerzliches Bewußtsein davon hat, wenn er nur seine niederen Fähigkeiten gebrauchen kann, während die höheren ihn zu einer weiter gehenden Tätigkeit treiben möchten, die ewig versagt bleibt: dieser Umstand beirrt den eisernen Gang der Natur nicht im mindesten. Die Last des gewöhnlichen Kampfes um das Dasein ist es, die sich den aufstrebenden Kräften entgegensetzt; wäre die Sorge um das physische Dasein nicht, so würden die edelsten Eigenschaften in jedem Individuum sich mit derjenigen Vollkommenheit entwickeln können, welche der ihm innewohnenden Anlage entspricht. Unter sich kämpfen die edleren Triebe des Menschen keinen Vernichtungskampf; vielmehr streben sie harmonisch und einander fördernd empor und ringen mit großer Elastizität nach ihrer Entfaltung; allein die Nötigung zur gemeinen Arbeit hält die edleren Eigenschaften unter einem Druck nieder, der umso größer wird, je mehr alle Kräfte auf die Behauptung der bloßen Existenz verwandt werden müssen. Dieser Druck hat also beständig einen Gegendruck: nimm ihn auf irgendeine Weise weg und es schießen in ungeahnter Fülle Gestalten empor, welche oft die früheren Herrscher und Leiter der Völker in ihren Leistungen weit übertreffen. Verstärke den Druck und alle die herrlichen Talente werden verkümmern, mit dem Bewußtsein, daß sie verkümmern. Der Umstand, daß dieser Sachverhalt bisher so wenig beachtet wurde, verschlimmert das kränkende Bewußtsein der Unterliegenden noch, indem jeder zu glauben pflegt, daß er allein der Zurückgesetzte, er allein er vom Schicksal Verfolgte sei. Wenn daher ein solcher sich über Mangel an Beförderung beklagt und andere ihn als einen eitlen Mißvergnügten betrachten, so haben oft in gewissem Sinne beide Teile recht; nur sollte der erstere einsehen, daß der größere Teil seines Vorwurfs die  Natur  und die zur Zeit noch bestehenden gesellschaftlichen Einrichtungen trifft und die letzteren sollten bedenken, daß in der Regel unter solchen Gefühlen  wirkliche Kräfte  verborgen sind, die sich zugleich als unbefriedigte Triebe darstellen.

Es ist nur ein tief eingewurzelter Irrtum, welcher eine ungerechtfertigte Verherrlichung der Großen und eine bittere Kränkung der Zurückgesetzten in sich schließt, wenn so oft behauptet wird, daß jedes wahre Talent oder mindestens jedes große Genie sich durch alle Widerwärtigkeiten des Lebens durcharbeite und endlich sein Ziel mit einer gewissen dämonischen Notwendigkeit erreiche. Ein umfangreicher Blick ins Leben zeigt uns ein ganz anderes Bild. Hier sind überall viele berufen, aber wenige auserwählt. Will man die begünstigenden Umstände und relativ zufälligen Wendungen des Lebens selbst mit in die Rechnung aufnehmen; dann ist freilich kein Zweifel, daß es eine höhere Notwendigkeit gibt, nach welcher der Eine sich durcharbeitet, der andere zurückbleibt. Das hat aber gar nichts mit der Wahrheit, auf die wir hinweisen, zu schaffen: daß für jede höhere Stellung im Menschenleben, sei es nun auf dem Gebiet der Wissenschaft und Kunst, sei es im Staatsdienst oder in der Armee oder endlich in den Stufenfolgen der Industrie vom einfachen Arbeiter bis zum reichen Fabrikanten - daß es für jede solche Stellung zahlreiche befähigte Bewerber gibt, deren Talente entweder unbekannt bleiben oder trotz der Anerkennung im Wettbewerb zurückstehen müssen. Wo das scheinbar nicht so ist, vergißt man die  Einwirkung der höhren Stellng auf die Entwicklung der Anlage  mit in Anschlag zu bringen. Man vergleicht die Bewerber mit den Leistungen eines Mannes, der die höhere Stellung schon längere Zeit inne hatte und der nun ersetzt werden soll. Da findet man dann, daß nicht nur eigentlich kein einziger Bewerber etwas taugt, sondern daß auch der so unersetzliche Mann schon in seiner ganzen Person, in seinem ganzen Wesen etwas mehr darstellte, als diese Bewerber. Der Fabrikherr hat vielleicht unter seinen hundert Arbeitern zwanzig, welche das Zeug zu einem tüchtigen Meister in sich haben, aber sie sehen nicht danach aus; würden auch einige Zeit dazu brauchen, um sich einzuarbeiten. Dann will man sich dem Risiko einer verfehlten Wahl nicht aussetzen; man nimmt einen Mann, der sich schon anderswo bewährt hat. An dessen Stelle kommt womöglich wieder ein Bewährter und so weiter, bis irgendwo die Not dazu zwingt, mit einem noch nicht bewährten den Versuch zu wagen. Unter den zwanzig, die dann in Frage kommen, wird einer erkoren und wenn nun nicht Mißgunst, Ungeduld oder andere störende Umstände dazwischen kommen, so geht es in der Regel vortrefflich. Nach einiger Zeit leistet der Mann nicht nur das seinige, sondern seine ganze Persönlichkeit hat auch schon einen anderen Habitus angenommen: die bevorzugte Stellung hat sein Wesen in mehrfacher Beziehung vervollkommnet. Der Herr aber, welcher die Wahl zu treffen hatte, vergißt, die  für ihn  so günstige Natureinrichtung der  Überproduktion an Talenten  zu preisen. Er lobt vielmehr seinen eigenen Scharfsinn, kraft dessen es ihm gelungen sei, unter der großen Zahl derer, die in Frage kamen, genau den einzig richtigen Mann zu treffen.

Für die ganze Gestaltung der gesellschaftlichen Ordnung ist der Umstand von entscheidender Wichtigkeit, daß es meist einer gewissen Zeit bedarf, bis sich ein Anfänger in irgendeine neue Stellung eingelebt hat. Durch diesen anscheinend geringfügigen Umstand wird die natürliche Zahl der Bewerber um jede Stellung so sehr künstlich vermindert, daß mit Notwendigkeit eine  Überschätzung der Leistungen der höher Gestellten  nach ihrem Wert für die Gesamtheit daraus hervorgeht. Das ganze System der  hierarchischen Gliederung  in allen derartigen Stufenfolgen wird dadurch in Verbindung mit anderen, ebenfalls dahin wirkenden Umständen zu einem fürchterlichen Hemmnis des menschlichen Fortschritts. Da nämlich von Natur - eben wegen Unkenntnis des Gesetzes der Überproduktion an Talenten - sehr viele mit dem Bewußtsein ihrer Leistungsfähigkeit auch die Hoffnung voran zu kommen verbinden, so fehlt es fast niemals an solchen, welche bereit sind, sich die niedrigste Stellung gefallen zu lassen, wo sie nur eine weite Bahn zu hohen Ehren oder großem Gewinn vor sich sehen. Wie wären sonst z. B. all jene geworbenen Kriegsheere möglich gewesen, welche von den ältesten Zeiten an den Fluch der Menschheit gebildet haben?

In der Industrie tritt freilich diese hierarchische Gliederung am wenigsten klar hervor, weil hier über der ganzen Aristokratie der bloßen Arbeit sich mit einer furchtbaren Übermacht die Aristokratie des  Kapitals  erhebt. Wir brauchen uns daher nicht zu wundern, wenn in manchen Fabriken die Meister nicht viel besser gestellt sind, als die gewöhnlichen Arbeiter und wenn schließlich selbst der Faktor oder Dirigent, welcher den ganzen Betrieb leitet, neben dem Eigentümer nur eine sehr gedrückte Stellung einnimmt. Da jedoch, wie wir später sehen werden, eine mit dem größten Nachdruck von allen Seiten empfohlene Lösung der Arbeiterfrage wesentlich darauf hinausläuft, den Arbeitern im günstigsten Fall für das Emporsteigen zur Unternehmerstellung die Bahn frei zu machen, so ist es gewiß nicht umsonst, wenn wir hier die  Überproduktion der Fähigkeiten  mit demselben Ernst ins Auge fassen, wie im vorigen Kapitel die  Überproduktion von Lebenskeimen.  Ist es nämlich ansich schon unrichtig, das Aufsteigen in die Rolle des  Kapitalisten  und  Unternehmers  als eine bloße Fortsetzung der aufsteigenden Laufbahn eines geschickten  Arbeiters  zu betrachten, so wird das Ungenügende jener Lösung doch noch weit greller durch die Tatsache beleuchtet, daß neben jeder zur Entwicklung gelangenden Fähigkeit zahlreiche andere liegen, welchen diese Begünstigungen nicht zuteil werden.

Wie wir aber durch diese Erkenntnis geneigter werden müssen, uns der Zurückbleibenden, Verkümmernden, mit anderen Mitteln als bloßer Gewerbefreiheit und Freizügigkeit anzunehmen, so werden wir durch sie auch am sichersten vor sklavischer Vergötterung der Großen und Vornehmen bewahrt werden. Man hat beobachtet, daß sich die Bienen durch verändertes Futter aus den Larven der gewöhnlichen Arbeitsbienen willkürlich Königinnen ziehen können. Wenn sich herausstellt, daß der Mensch auf geistigem Gebiet derselben Entwicklung durch vervollkommnete geistige Nahrung fähig ist, so wird die Überschätzung der glänzenden Figuren, die sich auf der Bühne der großen Welt begegnen, abnehmen und es wird deutlich erkannt werden, daß dem Ruf nach  Gleichheit  eine tiefe und dauernde Berechtigung zugrunde liegt. Zwar wird auch die idealste Auffassung der zukünftigen Gestaltung der Menschheit niemals eine vollständige innerliche und äußerliche Gleichheit herstellen dürfen. Liegt doch gerade in der Ausbildung besonderer Talente für besondere Leistungen, in der Teilung der Arbeit auf geistigem Gebiet, ein hoher Vorzug, den die Vernunft dem Menschen einräumt. Allein bei aller quantitativen und qualitativen Verschiedenheit der Entwicklung wird man doch ein gemeinsames Wesen in allen Menschen viel sicherer und aufrichtiger anerkennen, als es in allgemeinen Sätzen jemals geschehen kann; und, was die praktische Folge davon ist, man wird sich hüten, den notwendigen, durch die höheren Verrichtungen bedingten Unterschied in der Stellung der Individuen durch künstliche Mittel zu einem Grad hinaufzuschrauben, bei welchem die Gleichheit des einen menschlichen Wesens ganz und gar verdunkelt wird. Allerdings wird die Beseitigung aller erblichen oder vom Kapitalbesitz abhängigen  festen Schranken  zwischen den verschiedenen Klassen der Gesellschaft mit zu den ersten Erfordernissen eines besseren Zustandes gehören; allein die eigentliche Lösung kann doch nur darin bestehen, daß die  Ungleichheiten selbst  auf das Maß dessen zurückgeführt werden, was die Harmonie des Gesamtlebens erfordert. Bei den alten Athenern beliefen sich die Diäten eines diplomatischen Gesandten etwa auf das Doppelte des Tagelohns. Unsere heutigen Gesandten brauchen den hundertfachen Tagelohn des eigentlichen Arbeiters und ähnliche Verhältnisse kehren allenthalben wieder. Wenn man bedenkt, daß der ganze Verbrauch dieser hohen Stellungen, ebenso wie der Verbrauch des Luxus, in letzter Linie immer darauf hinausläuf, daß eine große Anzahl von Händen nicht für die notwendigen Bedürfnisse aller arbeitet, sondern für die  Erhebung eines Einzelnen über den Standpunkt seiner Mitmenschen,  so sieht man leicht, daß eine Weltwende in Beziehung auf den Kampf um das Dasein fürs Erste gar nicht denkbar ist, ohne eine bedeutende Reduktion aller dieser Ungleichheiten. In ihnen ist - von einem höheren Standpunkt betrachtet - gleichsam das Kapital angesammelt, von welchem die Völker bis zur Rentabilität neuer Einrichtungen zehren können; denn die Gewöhnung unserer arbeitenden Welt, eine ungeheure Arbeitslast zu bewältigen und nur wenig Zeit dem Genuß und der Selbstvervollkommnung zu widmen, wird noch lange Zeit nachwirken, wenn einmal eine veränderte Gesetzgebung und andere Sitten begonnen haben, in allmählich ausgleichenden Sinn zu wirken, statt im differenzierenden.

Hier tritt uns dann aber die Frage entgegen, ob es überhaupt je möglich sein werde, die differenzierende Wirkung der bürgerlichen Einrichtungen ohne permanente Gewalttat in eine mäßig ausgleichende zu verwandeln; ob nicht vielmehr dasselbe Naturgesetz, welches uns den Kampf um das Dasein aufnötigt, auch dahin wirke, den bevorzugten Klassen ein stets wachsende Übergewicht zu verleihen, bis endlich eine völlige Spaltung in eine höhere und niedere Rasse als Resultat dieser Differenzierung hervortritt. Die Analogie der ganzen organischen Welt scheint für die letztere Annahme zu sprechen. Wir haben unsere Betrachtungen gleich beim Eingang des ersten Kapitels an DARWINs großartigen Überblick des Kampfes der Organismen angeknüpft. Dieser Kampf der Organismen ist bei DARWIN nur ein Teil der Lehre von der  Entstehung der Arten.  (1) Ein nicht minder bedeutungsvoller Satz des großen Naturkundigen läuft darauf hinaus, daß die während des Lebens erworbenen Eigenschaften durch die Fortpflanzung teilweise auf die Nachkommen übergehen. Wo sich nun gleiche Eigenschaften in mehreren Generationen gesellen, entsteht ein immer bestimmterer  neuer Charakter;  dieser kann sich zu einer Rasse, Spielart oder zu einer vollständig neuen Art ausprägen, indem er im Verlauf der Jahrtausende unmerklich mehr und mehr sich den Verhältnissen anpaßt. Alles Unzweckmäßige, alle Zwischenstufen werden durch den Kampf ums Dasein vertilgt und das Vollkommenere oder den Verhältnissen der Existenz besser Angemessene behauptet das Feld. Wenn diese Anschauung richtig ist, so können sich nicht nur unsere jetzigen Menschenrassen aus einer gemeinsamen Urform allmählich abgezweigt haben, sondern  es muß auch die Bildung neuer und namentlich höherer Rassen noch fort und fort möglich sein.  In jeder Absonderung einer  Adels-Genossenschaft,  welche sich nur unter sich fortpflanzt, liegt somit der Keim zur Bildung einer neuen, die Erde beherrschende Rasse, welche im Lauf der Jahrtausende die Abkömmlinge der Menschheit in die Rolle untergeordneter Wesen herabdrücken könnte - eine Rolle, die sich durch einen langen Sklavenzustand gewiß zuletzt auch im Äußeren und in der ganzen geistigen und leiblichen Befähigung der verschiedenen Rassen ausprägen würde. Es ist nicht zu leugnen, daß wir einen bedeutenden Anfang dieser Wirkungen in der Geschichte in vielen großen und deutlich sprechenden Erscheinungen vor uns haben. Die verschiedenen  Kasten  in Indien stammen wohl teilweise von ursprünglich verschiedenen Volksstämmen ab; mehrere aber sind nur durch die verschiedene Stellung in der Gesellschaft allmählich in ihrem ganzen Wesen so verschieden geworden, wie wir sie jetzt vor uns sehen und auch die unterdrückten Abkömmlinge der Urbewohner sind ohne Zweifel in einem durch Jahrhunderte vererbten Zustand der Entwürdigung physisch und geistig gesunken. Der  Adel  zeichnete sich in mehreren Epochen der Geschichte nicht nur durch ein anerzogenes vornehmes Wesen, sondern auch durch angeborene, namentlich physische Vorzüge aus. Wie aber diese Vorzüge zusammenhängen mit besserer Nahrung, körperlicher Übung, Muße und Entfaltung der Kräfte in ernstem Kampf oder heiterem Spiel, so ist es andrerseits auch keinem Zweifel unterworfen, daß einförmige und anstrengende Arbeit oder mühsame und schwierige Kunstübung ihren bleibenden Einfluß auf das Individuum ausüben; daß die Folgen dieser Einflüsse sich vererben und daß so durch die Verbindung von Erziehung und Vererbung sich allmählich immer bestimmtere Typen von Arbeiterklassen ausbilden. In jeder weit getriebenen Teilung der Arbeit steckt der Keim zur Kastenbildung und wenn wir in die älteren Perioden der Geschichte zurückgehen, so finden wir allenthalben eine starke Neigung zur Vererbung der Handwerke und Künste und hinwiederum zur Erstarrung der bloß gewohnheitsmäßigen Vererbung zu einer festen gesetzlichen Schranke. Durch diese kastenmäßige Teilung der Arbeit bildeten sich einerseits Fähigkeiten aus, ohne welche die fast unglaublichen Leistungen mancher Arbeitszweige bei den so äußerst geringen technischen Hilfsmitteln des Altertums kaum zu erklären sein würden; andererseits aber ging jede solche sich von Geschlecht zu Geschlecht vererbende Spezialisierung der menschlichen Anlagen stets mit einer Verkümmerung Hand in Hand, unter welcher das allgemeine Wesen des Menschen und namentlich seine Anlage zur Vernunft und Freiheit leiden mußte. Ist doch schon die Vielseitigkeit der Anlagen und Triebe selbst ein unterscheidendes Zeichen der menschlichen Spezies gegenüber den mit einseitigeren Neigungen und Fähigkeiten begabten Tieren und weder das kunstvolle Netz der Spinne, noch der kluge Zellenbau der Biene können uns irgendein Vorbild geben, das mit der höchsten Bestimmung unseres Geschlechts etwas zu schaffen hätte.

Wäre nicht das Gegengewicht unseres Strebens zur Vernunft und Freiheit da, welches stets wieder aus dem Besonderen zum Allgemeinen, aus dem bloßen Dienen zum Beherrschen der Natur und der Verhältnisse führt, so wäre an und für sich durchaus nicht abzusehen, warum nicht das Gesetz der "natürlichen Züchtung" ("natural selection") (2) auch die Menschheit im Durchgang durch das Kastenwesen allmählich wieder in verschiedene niedere und höhere Spezies trennen sollte, von denen die ersteren aus den Arbeitern, die letzteren aus den bevorzugten Klassen hervorgingen. Statt dessen sehen wir, wie alle Anfänge zur Herausbildung einer höheren Menschenrassej früher oder später schmählich zugrunde gehen. Entweder werden die Adelsstämme in plötzlicher Katastrophe ausgerottet oder sie verschwinden wieder allmählich in der Masse oder die Geschichte schreitet über das ganze Volk hinweg, welches in dieser Weise geteilt ist. Die Existenz bevorzugter Volksklassen hat sich bisher noch durch alle Zeiten hindurch erhalten; die Vererbung hat dabei stets eine bedeutende Rolle gespielt; das Prinzip, nach welchen sich in diesem Falle die Ungleichheit immer mehr steigern müßte, ist in den Naturgesetzen, denen im Allgemeinen auch das Menschengeschlecht unterliegt, mit Händen zu greifen und dennoch haben alle jene Bildungen keinen Bestand: es ist, als ob eine unsichtbare Macht im Interesse der Einheit des Menschengeschlechts ihnen ihre Grenze zöge, die sie vergeblich zu überschreiten trachten. Ja, es ist sogar in der Menschheit eher die entgegengesetzte Bewegung bemerkbar, nach welcher teils durch die Hebung, teils durch die Vernichtung der schwächeren Rassen sich eine immer größere Gleichheit des ganzen Geschlechts anbahnt. Es gehört nicht hierher, auszuführen, daß auch in der allgemeinen Natur diese reduzierende Bewegung, welche DARWIN in seiner genialen Theorie nicht genug bedacht hat, neben der differenzierenden eine bedeutende Rolle spielt. Wir nehmen daraus nur einen Grund mehr, um anzunehmen, daß es auch für die Zukunft zu einer definitiven Spaltung der Menschheit nicht kommen wird, obwohl gerade aus dem Gegensatz von Kapital und Arbeit sich  eine gefährlichere Adelsbildung entwickeln könnte, als irgendeine frühere. 

Denn da die Vererbung von Besitz und Rechten beim Menschen eine ungleich größere Rolle spielt, als die unmittelbare Vererbung leiblicher und geistiger Eigenschaften; da ferner ein vererbtes Kapital dazu verwendet werden kann, in den Nachkommen der Besitzer durch die Erziehung, durch Bildungsmittel im weitesten Sinne einen höheren Sinn zu wecken, ritterliche Eigenschaften zu pflegen, die Intelligenz und den guten Geschmack zu steigern: so hat die höhere Bourgeoisie durch ihre beispiellose Übermacht des Kapitalbesitzes allem Anschein nach die Mittel in Händen, aus ihrem Schoß einen weltbeherrschenden Adel zu schaffen, allein glücklicherweise zeigt sie nicht die mindeste Neigung dazu. Wie der mittelalterliche Adel, dessen Überreste noch in der Gegenwart eine so bedeutende Rolle spielen, durchaus nicht zu bewegen war, vom Prinzip der physischen Vorzüge, durch die er seine Stellung gewonnen hatte, abzulassen und sich durch intellektuellen Fortschritt die Herrschaft auch unter veränderten Zeitverhältnissen zu sichern, so geht die Geldaristokratie mit verhältnismäßig seltenen Ausnahmen vom Prinzip des bloßen Erwerbs nicht ab. Sie begnügt sich leicht mit einem äußeren Anstrich von Bildung, gerät dabei oft in das Fratzenhafte, verachtet das Einfache und Edle, versäumt es, in ihrer Nachkommenschaft vor allen Dingen männlichen Mut und Erhabenheit über den Wechsel äußerer Geschicke zu erzeugen und so bleibt ihre vermeintlich so unüberwindliche Geldmacht ein Koloß auf tönernen Füßen.

Weit drohender scheint die Gefahr, daß die Arbeiter der Industrie unter der Herrschaft des Kapitals zu einer physisch und geistig untergeordneten Rasse herabsinken möchten. Wenn man sieht, unter welchen beständigen Kämpfen sich im Musterland industrieller Entwicklung, in England, die Anforderungen der Menschlichkeit gegenüber den Anforderungen der industriellen Ausbeutung der Arbeitskraft behaupten mußten; wie sich das Kapital in seiner Gier nach billiger, bequem verwendbarer Arbeitskraft immer und immer wieder der Frauen und Kinder zu bemächtigen suchte, um aus den schwächsten Wesen das größte Übermaß physischer Arbeitskraft herauszupressen, so kann man sich des Gedankens nicht erwehren, daß ohne den mutigen Widerstand zahlreicher Ärtze, Staatsmänner und Menschenfreunde aller Stände hier in der Tat eine bleibende Degeneration der Menschenrasse hätte erzeugt werden müssen, aus dem einfachen Grund, weil die Existenzbedingungen der Baumwollspinnerei für degenerierte Wesen relativ günstiger sind, als für voll gesund entwickelte Menschen. (3) Hatte doch in den Vereinigten Staaten die Verbindung unserer modernen Berechnung mit dem antiken Institut der Sklaverei schon einen förmlich volkswirtschaftlichen Lehrsatz daraus gemacht, daß der "schnellere Umtrieb" von Negerleben vorteilhafter sei, als der langsamere; d. h. daß es am zweckmäßigsten sei, die Neger - die man doch kaufen mußte - durch Erpressung übermenschlicher Arbeitsleistung schnell zugrunde zu richten und aus dem erzielten Gewinn das Kapital zu ersetzen, d. h. neue, noch nicht durch die tödliche Anstrengung ruinierte Neger anzukaufen. Warum hätte es nicht ohne das Gegengewicht der Menschlichkeit im krüppelbedürftigen England allmählich dahin kommen sollen, nach dem Prinzip der "natürlichen Auswahl" auch eine Generation von verkrüppelten Menschen zu erzeugen? Die Anfänge dazu ließen sich hundertfach nachweisen, allein bisher ist solchen Anfängen noch immer kurz oder lang Einhalt geboten worden.
LITERATUR Friedrich Albert Lange - Die Arbeiterfrage - Ihre Bedeutung für Gegenwart und Zukunft, Winterthur 1894
    Anmerkungen
    1)  Die Entstehung der Arten  (species) von Tieren und Pflanzen wurde in früheren Zeiten einfach auf die Erschaffung der Welt oder auf die Arche NOAHs zurückgefüht und der Glaube an ihre Unveränderlichkeit und an die Unmöglichkeit der Entstehung neuer Arten hat sich trotz der entgegenstehenden Tatsachen bis in die neueste Zeit erhalten. Es ist hier nicht am Platze, auf diese Frage einzutreten; da aber die schon früher vielfach aufgestellte Ansicht einer allmählichen Entwicklung aller Pflanzen- und Tierformen im Laufe ungeheurer Zeiträume durch das entscheidende Auftreten DARWINs bei den Naturforschern herrschend geworden ist, so daß, so weit es sich nicht um plumpes Vorurteil handelt, nicht mehr die Hauptfrage - der Entwicklung selbst - im Streit ist, sondern nur noch relativ untergeordnete Fragen der Art und Weise; so ergibt sich auch als unmittelbare Folgerung, daß nicht nur fort und fort noch neue Arten überhaupt entstehen können, sondern daß sich auch aus dem Menschengeschlecht selbst, so weit die Fortentwicklung nur der allgemeinen Regel aller Organismen folgt, abermals eine höhere Art von Wesen entwickeln könnte. (Vgl. die folgende Anmerkung) Die Frage, ob in der Tat jenes Naturgesetz fort und fort der einzige Weg der Vervollkommnung auch für den Menschen ein neuer Faktor und damit ein Wendepunkt in den Kampf ums Dasein eintritt, ist der Kern der sozialen Frage in allen ihren Gestalten, vom Sturz der antiken Kultur und des mittelalterlichen Feudalismus bis zu unserer heutigen Arbeiterfrage.
    2) Der Begriff der "natürlichen Zuchtwahl" (natural selection) ist von DARWIN unter Anregung und nach Analogie der bei den englischen Landwirten so ungemein vervollkommneten künstlichen Züchtung in Beziehung auf die Rassen und Spielarten der Haustiere gebildet worden. Die künstliche Züchtung versteht es, durch eine planmäßige Paarung von Tieren mit besonders hervorstechenden Eigenschaften die Tierformen zu gewissen Zwecken förmlich umzubilden, z. B. unter Aufopferung anderer Eigenschaften Rindvieh mit möglichst viel Fleisch, Schafe mit besonders reicher Wolle, Rennpferde, schwere Karrenpferde usw. auszubilden. Nach DARWINs Theorie tut nunmehr die Natur dasselbe auf langsamem Weg und durch den bekannten Mechanismus des Schaffens und Vernichtens, was der Mensch mit der Tierwelt planmäßig in der kurzen Frist weniger Generationen vollbringt. Indem nämlich unter Verfolgung, Nahrungsmangel und klimatischen Übeln stets diejenigen Formen schneller aussterben, welche für die Lebensverhältnisse stets diejenigen Formen schneller aussterben, welche für die Lebensverhältnisse des betreffenden Geschöpfes schlechter passen, die anderen dagegen kräftiger und länger erhalten bleiben, müssen notwendig die letzteren mit der Zeit das Übergewicht erhalten und durch Vererbung ihrer Eigenschaften, die sich dann bei der Nachkommenschaft immer bestimmter ausprägen, immer mehr die Rasse beherrschen, bis sich zuletzt die ursprünglichen unvollkommeneren Formen im Kampf ums Dasein neben ihnen nicht mehr behaupten können und spurlos verschwinden. Es ist kaum zu bezweifeln, daß auch der Mensch - selbst abgesehen von den großen Rassenunterschieden - diesem Gesetz unterliegt, und daß die physische und geistige Beschaffenheit mancher Völker sich auf dem Wege der Vererbung erworbener Eigenschaften und des größeren Einflusses der kräftigen und zu den Lebensverhältnissen des Volkes besonders passenden Individuen auf die Fortpflanzung des ganzen Stammes ein immer bestimmteres Gepräge annimmt. Dabei treten jedoch stets allgemein menschliche Bildungsverhältnisse, Revolutionen und Wanderungen oder friedlicher Handelsverkehr wieder ausgleichend dazwischen und verhüten eine dauernde Spaltung. Die verschiedenen Rassen kann man sich entweder auf dem Wege der natürlichen Zuchtwahl entstanden denken oder auch so, daß ursprünglich in verschiedenen Gegenden getrennt ein ähnlich Entwicklungsprozeß aus ähnlichen Gründen zu menschlichen Bildungen führte. Jedenfalls stehen gegenwärtig die Rassen zueinander im Kampf ums Dasein, in welchem schon ganze Menschenstämme der kaukasischen Rassen unterlegen sind oder bald unterliegen dürften. Gleichzeitig beherrschaft das Gesetz der natürlichen Zuchtwahl namentlich das Schicksal der verschiedenen Mischlingsrassen. Man hat das Aussterben derselben vielfach als Beweis dafür angesehen, daß die Rassen verschiedene Arten (species) seien, indem man die Fortpflanzungsfähigkeit überhaupt als ein sicheres Kriterium der ursprünglichen Arten ansah. Diese Anschauung ist veraltet und, was die Tierwelt betrifft, durch sichere Tatsachen widerlegt. Man bedenkt gewöhnlich nicht, daß jede Bastardbildung uns wieder an die ersten Anfänge jener Entwicklung zurückführt, welche den bestehenden Arten unter dem Einfluß des Kampfs ums Dasein und der natürlichen Zuchtwahl schon ihr relativ vorteilhaftestes Gepräge gegeben hat. Gerade das Naturprinzip der Herstellung des Zweckmäßigen durch einfaches Schaffen und Vernichten führt von selbst darauf, daß weitaus die Mehrzahl der Bastardbildungen - als gleichsam mißlungene Versuche, die rechte Mischung zu treffen - dem Untergang geweiht sein muß, während doch plötzlich irgendeine bestimmte Mischung unter gegebenen Lebensverhältnissen zu einer neuen, nicht nur fortpflanzungsfähigen, sondern sogar überlegenen Rasse erwachsen kann.
    Man sieht hieraus, daß im weitesten Gesichtskreis der Erdoberfläche und der Menschenrassen von einer Aufhebung des Kampfs ums Dasein noch lange keine Rede sein kann und daß sich das Problem, mit dem wir uns beschäftigen, nur auf gegebene Kulturvölker und Produktionsverhältnisse beziehen kann; immerhin mit der Aussicht, daß eine  relative  Erledigung der großen Frage leicht auch zur definitiven für die ganze Menschheit erwachsen könnte, da neben einer Bevölkerung, welche eine glückliche Lösung der sozialen Frage mit der Erhaltung unserer gegenwärtigen Kultur zu verbinden wüßte, alle anderen Elemente auch bei der friedlichen Form des Wettbewerbs um das Dasein sich assimilieren oder allmählich verschwinden müßten. Für unsere Kulturverhältnisse ist nun aber die einzige wesentliche Gefahr des dauernden Rückschritts darin enthalten, daß die kaum überwundene mittelalterliche Spaltung in Adel und Leibeigene von einer noch schlimmeren in Herren und Arbeiter abgelöst werden, sowie andererseits der Umstand, daß das Übel gewissermaßen noch im  Entstehen  erkannt und in Angriff genommen wird, zu den schönsten Erwartungen berechtitgt. Auch sind die Ansätze zur Spaltung der Menschheit durch Adelsbildung gescheitert, obwohl sich hier mit der natürlichen Züchtung in der systematischen "Reinhaltung des Blutes" noch die künstliche verband. Umso mehr steht zu hoffen, daß die  natural selection,  mit welcher das goldene Band des Kapitalbesitzes die besser gepflegten und an Herrschaft gewöhnten Familien mehr und mehr zusammenbindet, den bewußten Gleichheitsbestrebungen unseres Zeitalters gegenüber zu keiner bleibenden Macht erstarken werde. Die mobile Natur des Geldbesitzes allein kann hiergegen nicht schützen, da sich auf die Dauer auch aus der veränderlichsten Geldaristokratie doch überall ein festes Patriarchat und damit die Brücke zur weiteren Adelsbildung absondern wird.
    3) Das große durchschlagende Mittel, durch welches in England eine bleibende Degeneration der Arbeiterbevölkerung, zumal in den Baumwollspinnereien, verhütet wurde, ist die  Verkürzung der Arbeitszeit.  Vgl. darüber das vortrefflich Werk von J. M. LUDLOW und Lloyd JONES (deutsch von J. von HOLTZENDORFF, Berlin 1868), wo Seite 10f das Zeugnis des Fabrikinspektors ROBERT BAKER angeführt wird, der in den Jahren von 1828 bis 1832 als Artz in Leeds praktizierte und zugleich mit täglicher und nächtlicher Besichtigung verschiedener Fabriken beschäftigt war: "Die erzeugten Ungestaltheiten bestanden in einwärts gekrümmten Knieen, Plattfuß und Krümmung des Rückgrates. Die erste dieser Ungestaltheiten war in den Fabrik-Distrikten gemeinhin als "factory leg" (Fabrik-Bein) bekannt. Es gab kaum eine Stelle in einem Distrikt, in welchem sie nicht zu sehen waren." Ein anderer Herr, den BAKER zitiert, Mr. S. SMITH, erster Chirurg am Krankenhaus von Leeds, sagt: "Im Jahr 1832 hatte ich häufige Gelegenheit, Mittags einen Distrikt zu passieren, wenn die Arbeiter von der Arbeit gingen, um Mittag zu essen. Ein großer Teil von ihnen waren blasse, magere, abgezehrte, mutlos aussehende Geschöpfe, die keine Neigung zu Heiterkeit und Frohsinn zeigten. Im gehörigen Alter waren die Hüften breit, aber spitz und eckig, die Schultern zugespitzt, der Kopf wurde nicht aufrecht gehalten, sondern in sehr gebeugter Haltung." -
    Nachdem seit 1831 die Fabrikgesetzgebung ihre Wirkung getan hatte, sah die Sache nach etwa 25 Jahren nach dem Zeugnis desselben Herrn BAKER ganz anders aus. In einem 1859 gehaltenen Vortrag über "die physischen Folgen verringerter Arbeit" (zitiert nach LUDLOW und JONES, Seite 79f) sagt derselbe: "Es waren im Jahre 1856 und es sind gegenwärtig in den Fabriken des Vereinigten Königreichs 682 517 Personen beschäftigt, gegen 354 684 Personen im Jahr 1835. Von diesen gehören 387 517 dem weiblichen Geschlecht an, gegen 167 696 im Jahr 1835; 46 071 sind Kinder zwischen 8 und 13 Jahren im Vergleich zu 56 455. Es ist eine Brutto-Zunahme von Arbeitern von 92 Prozent vorhanden - die Zunahme der weiblichen Arbeiterinnen beträgt 131 Prozent; Kinder sind beinahe ebensoviele, wie früher waren und doch sind alle die Krankheiten, welche spezifisch der Fabrikarbeit eigen waren, beinahe ganz verschwunden. Selten oder nie sieht man einwärtsstehende Kniee oder Plattfuß, hin und wieder nur eine leichte Krümmung des Rückens, die mehr aus Arbeit bei armseliger Nahrung, als aus Arbeit vornehmlich herrührt. Das "Fabrik-Sein" ist nicht mehr unter uns, es sei denn, daß ein alter Mann oder eine alte Frau hinkt, um uns an eine fürchterliche Vergangenheit zu erinnern. Die Gesichter der Leute sind von roter frischer Gesichtsfarbe, ihre Formen sind abgerundet - ihr ganzes Aussehen ist ein erfreuliches."