ra-2Über die Grundbegriffe in der NationalökonomieR. Liefmann    
 
FRIEDRICH GOTTL-OTTLILIENFELD
(1823-1900)
Die wirtschaftliche Dimension
[5/8]

    Einleitung
I. Anlauf der Kritik
II. Vom Tatbestand der Wirtschaftlichen Dimension
III. Vom Werden der Wirtschaftlichen Dimension

"Das Dasein geltender Größen wirkte sich sprachlich in der Wendung aus, die dem ländlichen Alltag heute noch die geläufigste ist: 1 Pferd  gilt  7 Kälber. Oder es heißt dann, 7 Kälber seien 1 Pferd  wert.  Es kommt erst später zur Aussprache, wie hier die Verwendung des urtümlichen Adjektivs keineswegs die Vorstellung einer  Gleichwertigkeit,  sondern bloß einer  Wechselwertigkeit,  dessen mit sich führt, daß mit dem Blick auf die Vertauschbarkeit 7 Kälber 1 Pferd  vertreten  können, d. h. daß der Besitz der 7 Kälber leistungsgleich ist mit der Deckung des Bedarfs nach einem Pferd und umgekehrt."


III. Vom Werden der
Wirtschaftlichen Dimension


1.

Die hier aufgeworfene Frage nach dem Urtausch und Urpreis führt in die Vergangenheit zurück, aber führt auch gleich über alle Tatsachen hinaus! Nicht einfach, weil es kaum jemals möglich wäre, die Tatsache auch nur festzustellen, auf deren Grundlage sich ein sicheres Urteil darüber aufbauen läßt, wie es mit Tausch und Preis urtümlich wirklich vor sich ging. Darüber allerdings lassen sie wohl immer nur Hypothesen bilden, mit einem Anhaltspunkt an geschichtliche, vorgeschichtliche, völkerkundliche Tatsachen. Aber nicht einmal um Hypothesen von der Art handelt es sich, daß sie die Lücken unseres Wissens von jener fernen Vergangenheit ausfüllen sollen, getreu den berechtigten Anforderungen von Historie, Prähistorie und Ethnographie. Wenn immerhin von gewissen Tatsachen Gebrauch zu machen sein wird, um nicht ganz in die Luft zu bauen, so beansprucht das Ganze doch nur, eine  reine "Arbeitshypothese" der nationalökonomischen Theorie  zu sein! Eine bloße Ausmalung also, wie der Tausch und wie die Wirtschaftliche Dimension entstanden sein  könnte;  gleichgültig, ob die Nachprüfung durch weitere Tatsachen nun die Wahrscheinlichkeit erhöht oder erniedrigt, daß es auch wirklich so gewesen ist. Es kommt hier überhaupt nur darauf an, daß sich diese Ausmalung möglichst  frei von inneren Widersprüchen  erhält, also von dichterischer Wahrheit bleibt. Denn nur dann erfüllt sie ihren einzigen Zweck: die Zusammenhänge entwirren zu helfen, vor denen eine einfache Darlegung des Tatbestandes so hilflos steht.

Man tut der "klassischen Schule" Unrecht mit dem Vorwurf, daß sie bereits den einfachsten Menschen tauschen läßt. Vom Menschen  spricht  sie zwar, aber meint nie etwas anderes, als den Hampelmann des Erwerbs, ausgestattet mit der Gabe der "Wertschätzung"; und so liegt ihr Fehler doch bloß darin, dieser Puppe gelegentlich auch die Rolles des "Primitiven" zuzuweisen. Reifere Theorie, im Gegensatz zur "klassischen", vermeidet nicht bloß diesen angeblichen "methodologischen Individuealismus". Weder stellt sie sich damit schon aus dem menschlichen Zusammenleben heraus, noch nimmt sie vorweg zum Zusammenleben Stellung, nicht "individualistisch", nicht "universalistisch". Sie weiß dagegen, daß begriffliches Denken an das Leben selber nicht näher herankommt, als im Zuge des  Problems der gestaltungsmäßig verbürgten Dauer, der Andauer.  Daher aller Wirklichkeit gegenüber ihr  "Denken in Gebilden"!  Als eitel Gebilde sieht reife Theorie auch das Wirtschaftsleben; als eitel Gestaltungen von innerlich erarbeitetem Bestand, die zugleich der Umwelt richtig, nämlich dauergerecht eingepaßt sind. Auf den Tausch angewendet heißt das,  daß sich vom Standpunkt reifer Theorie aus der Tausch stets zwischen Gebilden abspielt,  als Vorgang von Gebilde zu Gebilde. Der erforderliche Entschluß zum Tausch bleibt dem  repräsentativen Subjekt des Gebildes  zugeschoben. Das ist der "Wirtschafter" für das Wirtschaftsgebilde, gleich wie es z. B. der "Unternehmer", als "Händler", für das Erwerbsgebilde ist. Darüber wird später zu handeln sein. Jedenfalls bleibt es eine reine Tatfrage, ob man sich das Gebilde so oder so aufgebaut, die Rolle des repräsentativen Subjekts so oder so ausgefüllt zu denken hat. So verliert auch die Alternative jeden Sinn, ob man z. B., um grob durchfahrend zu sprechen, die Dinge nun mehr römisch-rechtlich "individualistisch" oder mehr deutsch-rechtlich "universalistisch" aufzufassen hätte. An der Problemstellung des juristischen Denkens geht es hier ganz vorbei. Recht ist hier ein Tatbestand, wie jeder andere auch, im Gefüge der erlebten Wirklichkeit; nicht aber löst sich diese umgekehrt in eitel Rechtstatsachen auf.

Die Arbeitshypothese unterstellt, mehr der Einfachheit halber, als der Tatsachen wegen, das Gebilde etwa als  Sippe;  über das repräsentative Subjekt, den Wirtschafter, braucht man sich den Kopf nicht weiter zu zerbrechen. Auf dessen Verhältnis zu den Objekten der Wirtschaft wird vorläufig ohnehin nicht näher eingegangen, immer bloß von  haben  oder  nicht haben, wollen  oder  nicht wollen, nehmen  oder  geben  gesprochen. Käme es nun beim Tausch bloß auf ein Nehmen an, dann stände auch sein Ursprung gar nicht in Frage. Grundsätzlich ebensowenig, wenn es beim Tausch wieder nur auf ein Geben ankäme, zugleich aber die Arbeitshypothese die Last der Unterstellung ertrüge, daß von Sippe zu Sippe der schroffste Gegensatz zur "Fremdenfeindlichkeit" waltet. In beiden Fällen wäre der Tausch immer schon dagewesen. Tatsächlich aber verschränkt sich zum Tausch gleich ein  wechselseitiges  Geben  und  Nehmen! Der Vorgang ist daraufhin viel zu verwickelt, um sich von Anfang an und wie von selber überall dort einzustellen, wo der Bedarf nur von Gebilde zu Gebilde gedeckt werden kann. Es braucht immer erst einer  Erziehung zum Tausch.  Aber der Vorgang selber muß sich vorher von irgendwoher  zurechtlegen.  Den Weg über das "Gastgeschenk" nahm es sicher nicht. Als unverhohlene Anzapfung eines Geschenkes vonseiten des Gastes, sieht dieses Geschenk an den Gast mehr nach Ausnützung einer Import-Gelegenheit aus, in verkehrsarmer Zeit, aber durch eine anmutige Sitte verschleiert. Eine Kultur jedoch, die sich der Gastfreundschaft und solcher Sitte erfreut, sollte den Tausch noch gar nicht kennen? Das wäre Dichtung ohne Wahrheit. Mit der Nachbarschaftlichen Nothilfe ist es auch aus anderen Gründen nichts. Sie mag vielleicht der Leihe zur Mutter werden, der befristeten Überlassung, aber nicht dem Tausch; denn ihr, als einem Akt der Solidarität, fehlt der Hergang "Zug um Zug".

Diesen Hergang mochte dagegen etwas anderes lehren, das sich auch sonst trefflich in die Gelegenheit schickt: "Das Talionssystem [Rechtsprinzip, nach dem zwischen dem Schaden des Opfers und der Strafe, die der Täter erhalten soll, ein Gleichgewicht angestrebt wird. - wp], im rechtswirksamen Gegenspiel zum  Raub!  Was uns von diesem Rechtsinstitut als solchem überliefert ist, reicht sicher nicht bis in tauschlose Zeit zurück. Meist erscheint in diesen Buße-Tarifen sogar schon das Geld - "Wergeld"! Aber warum sollte das Institut selber, da es von einer so urwüchsigen Rechtsauffassung getragen ist, nicht älter sein, als der Tausch? Allerdings, der urtümlichste Grundsatz "Aug um Aug, Zahn um Zahn" ist darin aus sozialer Vernunft schon umgebogen; "Buße" ist "Talion" bereits im  vertretenden  Sinn. Es heißt z. B.: "Für ein ausgeschlagenes Auge büßt die Sippe des Täters zwei Rinder." Im gleichen Geist kann dann auch Raub schon durch ein  anderes  als das geraubte Objekt gesühnt werden. Das nun lehrt tatsächlich den Hergang "Zug um Zug"! Soweithin aber verläuft das Ganze trotz der Verschränkung noch in  einseitiger Vergeltung.  Der Eine tut es und muß es büßen, der Andere erleidet es und wird entschädigt. Aber der Tausch selber verläuft doch in  wechselseitiger Vergeltung,  das macht ihn zum "entgeltlichen" Vorgang; "do ut des" [Ich gebe, damit du gibst! - wp] lautet es dann gleichmäßig von beiden Seiten. Hier muß sich demnach erst ein verbindendes Mittelglied einschieben. Das Mittelglied liegt vor, sobald der Andere, und zwar im Hinlick auf die sichere Entschädigung, es wenigstens "duldet", was er früher geradeaus erlitten hat. Das aber trifft zu, sofern sich die für die Tat haftbare Sippe versteht zur  gütlich und vorweg erlegten Buße!  Darauf kann doch Findigkeit sicher einmal verfallen. Zwergstämme des inneren Afrika brechen aus den Urwäldern alljährlich in den Nächten vor der Ernte nach den Feldern der Negerstämme vor und heimsen dort an Frucht ein, was sie nur fortschleppen können; aber sie lassen Erhebliches an mitgebrachter Jagdbeute bei ihrem schleunigen Rückzug an Ort und Stelle zurück, unverkennbar, um Verfolgung und Rache der Neger zu beschwören. Dem ganzen Sinn nach vollzieht sich da alles so, wie es der Arbeitshypothese entspricht, wenn sie den Tausch aus dem gleichsam talionsrechtlich gezähmten Raub entspringen läßt. Richtig dazu ausreifen würde er natürlich erst in sehr langen Übergängen. Zur eigentlichen Reife gedeiht der Tausch immer erst dann, sobald der urtümliche Auswechsel von "Bündel gegen Bündel" jenem von "Objekt gegen Objekt" weicht.

Im Beispiel der Zwergstämme liegt gleichzeitig ein Hinweis, in welchen  Richtungen  sich dieser Urtausch ausgestalten wird. Gewiß gilt es irgendwie immer Überfluß und Mangel auszugleichen. Aber keineswegs schon ein  fallweises  Auftreten von beiden gibt den Ausschlag. Gelegentlicher Mangel ruft entweder die nachbarschaftliche Nothilfe herbei oder es treibt die Not zu einem Raum, der als das Einmalige mit seinen Folgen vergeht und weiter knüpft sich nichts daran. Gelegentlicher Überfluß verpufft ebenso. Selbst wenn jener primitive Zustand überwunden ist, bei dem einfach zerstört wird, was man selbst im Übermaß nicht zu vertilgen vermag, bereitet Überfluß der einfachen Wirtschaft nicht die geringste Sorge. Man darf nicht an die Verhältnisse der Erwerbswirtschaft denken, wo sich bei fehlendem Absatz die Warenmengen immer bedrohlicher auftürmen, wodurch dann freilich ein ganz vehementer Antrieb zum Tausch auflebt. Für die traditional in sich ruhende Wirtschaft liegt es ganz anders. Eine ausnehmend gute Ernte, ein glücklicher Fund, eine überreiche Beute, das setzt sich entweder im Wege seiner sinnvollen Verwertung dazu um, die Führung der Wirtschaft von ihren Anlagen her zu kräftigen; und wenn nicht sozusagen in Knochen und Fleisch, so setzt sich dieser Überfluß doch gleichsam in Fett der Wirtschaft um, in Gestalt von Vorräten für künftig hereinbrechenden Mangel. Sogar das Zusammentreffen von akutem Mangel an einem Objekt und akutem Überfluß an einem anderen Objekt, ändert an jener Art Lösung nichts. Bloß der Hampelmann des Erwerbs bleibt just daraufhin auf den Tausch erpicht, daß er in jedem Augenblick ein Bestimmtes "hat" und ein anderes Bestimmtes "will"; auf dieses Gegenüber schrumpft für ihn der ganze Zusammenhang der Wirtschaft ein. Hier aber muß man die Dinge anders sehen. Nur wenn nach der Lage der Wirtschaft der Überfluß in bestimmter Richtung zu einem  chronischen  wird, z. B. der an Jagdbeute, in anderer Richtung ebenso der Mangel, z. B. der an Feldfrucht, dann erst stellen sich jene  Reihen  des Wiederkehrenden ein, die zum Neuen allmählich hinleiten, im Sinne der Entwicklung dahin. Der Raub des Mangelnden kehrt wieder, aber auch die Buße in Gestalt des Überflüssigen kehrt wieder, beides umgreift die Macht der Sitte. Schließlich glättet sich der sozial immer noch holprige Verlauf des "vorweggebüßten Raubes" in steter Wiederkehr zu einem richtigen Tausch.

Nichts wird vielleicht so  eisern  umklammert bleiben von Sitte und Brauch, wie gerade der Urtausch! Denn ein schweres Stück bleibt es immer, dieser gütliche Verzicht auf Habe, rein nur aus Zwang der Vernunft. Als Verkehr von Gebilde zu Geblide, als von Sippe zu Sippe oder von Stamm zu Stamm, von Volk zu Volk, wird dieser Urtausch, einmal ausgestaltet, seine eingefahrenen Geleise dauernd streng einhalten; er liefert so die richtige Zutat zur traditionalen Wirtschaft, die sich immer nur in ihrer vorfindlichen Gestaltung zu bejahen sucht. Nun kommt die Einpassung in die Umwelt um einen wesentlichen Schritt weiter, sie ist richtiger, dauergerechter geworden, eben durch diesen auf Sitte und Brauch gestellten Ausgleich von Gebilde zu Gebilde, im Wege des Tausches.


2.

Die Sitte unterwirft sich natürlich auch die einschlägigen  Größen.  Einmal eingebürgert, wird sich dieser Urtausch jedesmal auf ein bestimmtes Verhältnis der vertauschten Objektmengen festlegen. Der Umfang des Vertauschten wird vielleicht schwanken, die Beteiligten daran wechseln, aber das Verhältnis der tauschgepaarten Mengen verharrt. Es leuchtet unschwer ein, warum an diesem Verhältnis eisern festgehalten wird. Erstens kann man sich die traditionale Wirtschaft, die den Tausch entstehen sah, gar nicht ungelenk genug gegenüber allem Rechnen und Veranschlagen denken. Diesem Unvermögen steuert ja soviel später erst der handelsmäßige Erwerb. Je hilfloser das Denken aber vor allem Größenhaften steht, desto mehr klammert es sich an das einmal davon Gegebene an. Zweitens wahrt sich diese Wirtschaft auch eine ziemliche Unempfindlichkeit in diesem Punkt. Als Ganzes läuft sie in ihrer überlieferten Gestalt ruhig weiter, ob nun an den wenigen Punkten, wo der Tausch eingreift, die Sache wirtschaftlich auch genau stimmt oder nicht. So erträgt selbst wechselnde Lage ein Gleiches im Verhältnis der Mengen. Drittens verbindet sich mit dieser Stumpfheit der Wirtschaft durchaus ein großes Mißtrauen ihrer Träger, das sie gegenüber dem ihnen unheimlichen Vorgang befällt; auch darüber hilft wieder nur die Sicherheit hinaus, daß es immer wieder so gehalten wird, wie es seit Gedenken so war. So vereinigt sich alles, auf das Verhältnis der vom Urtausch gepaarten Mengen gleichsam die sieben Siegel der Sitte zu drücken.

Aber dieses Verhältnis muß sich in irgendeiner Bestimmtheit doch erst einmal festlegen. Und ganz unsinnig können diese, zum festen Brauch gewordenen Verhältnisse der Mengen doch nicht sein, denn sonst fällt die Einpassung in die Umwelt auch nichts weniger als dauergerecht aus! Gewiß, aber solange eine waltende Sitte nicht sich selber überlebt, nicht schon von der weiteren Entwicklung ausgehöhlt ist zu leerem Brauch, streitet die Vermutung immerhin für ihre Vernünftigkeit. Das Wort "Unsitte" verdammt ja das Gegenteil. Nur darf man die Vernunft dabei nicht voreilig gleichen den  Beteiligten  zuschieben oder gar den Hergang dabei, dem Wort zuliebe, gleich zu einer regelrechten "Wertschätzung" zu persiflieren. Es geht ja der Erstarrung zur Sitte wohl unbedingt ein längeres Vorspiel voraus, ausgefüllt von eine halbblinden  Tasten  nach dem Richtigen. Wie roh und unsicher es einsetzt, darauf läßt schon der stets urtümliche Hergang "Bündel gegen Bündel" schließen. Da waltet im besten Fall eine sehr weitherzige Vernunft der Proportionen; vielleicht regelt sich das Verhältnis oft nur zwischen dem, was man hinzuschleppen vermag und dem, was wieder wegzuschleppen möglich ist, das letztere allerdings mit größerem Eifer. Für den späteren Hergang "Objekt gegen Objekt" aber sind doch allemal gewisse  Anhaltspunkte  geboten, selbst dem schwerfälligsten Denken.  Allem Tausch voran gelten bestimmte Verhältnisse zwischen Mengen verschiedener Objektgattungen.  Wechselt z. B. Kleinvieh gegen Großvieh im Tausch, dann drängt sich sicherlich die Tatsache auf, daß es ganz verschiedene Mengen davon sind, die auf den gleichen Weideflächen ihre Nahrung finden und dort von den gleichen Kräften gewartet und überwacht werden können. Das ist belangvoll genug, auch wenn man von Gewicht, Nährkraft usw. noch absieht. Oder, um das berühmte Beispiel nicht zu übergehen, besagt es ein  vorgegebenes  Verhältnis, daß man mit einem einzigen Sandkorn nichts anzufangen weiß, es sei denn Unfug, daß man vielmehr stets gleich einer tüchtigen Menge Sand bedarf, während schon das winzigste Körnchen Edelstein seinem Träger zu ersehntem Schmuck gereicht. Gerade übrigens mit dem, was der Theorie hier stets das Allererste und oft als das einzige von Belang gilt, mit der "Arbeit", hat es seine schweren Bedenken. Was soll da eigentlich Grundlage des Vergleichens werden, der Aufwand an verfügbarer fremder "Arbeit" oder das Opfer bei der eigenen "Arbeit"? Das ist nicht nur sehr Zweierlei, es kann besonders als der fragliche "Anhaltspunkt" ganz auseinandergehen. Unwirklich ist schon deshalb die Annahme,  hier  wäre das eigentliche Kriterium des Entscheides über die Größen, weil beim Urtausch sich das Ertauschte in der Regel überhaupt der eigenen Erarbeitung entzieht, wodurch jeder Vergleich vom Platz weg als unmöglich erscheint. Wie weit sich der Entschluß des einfachen Menschen von aller Rücksicht auf die "Arbeit" entfernen kann, lehrt z. B. der Bericht 'ADELBERT von CHAMISSOs von seiner Reise um die Welt, daß die Aleuten gegen ein paar Handvoll Tabak bereitwilligst mehrere kunstvoll aus Tiersehnen geflochtene Hemden hingaben, in denen Jahre mübseligster Frauenarbeit steckten. Gewiß, das hätte sich in weiterer Folge wie von selber richtiggestellt, auch ohne alle Metaphysik eines "Naturgesetzes"; einfach, weil die Männer zu früh mit dem Tabak, die Frauen zu spät mit den neuen Hemden fertig würden, was sich geltend machen muß, selbst wenn die ersteren nur auf Tabak aus wären, die letzteren nur Hemden zu flechten hätten. Aber in solcher Weise kommt nicht bloß schließlich die Rücksicht auf die "Arbeit" zu ihrem Recht; so regelt sich eben  jeglicher  Verstoß gegen jene  vorgegebenen Verhältnisse der Mengen, die allem Tausch vorangehen  und die sich allesamt schließlich auch im Tausch mehr oder minder  durchsetzen.  Wenn dafür auch die Beteiligten selber die Vernunft nicht gleich aufbringen - wie lautet doch das italienische Sprichwort: "Die Zeit ist klug!" Eine Art "Vernunft der Tatsachen" arbeitet sich durch, von den Entschlüssen der Beteiligten nur mehr aus der Rückschau bejaht; und so läuft das Vorspiel halbblinden Tastens nach dem Rechten, nachdem die Ausschläge nach linkts und nach rechts gependelt sind, schließlich im Ruhezustand der  Sitte  aus, als der  gewordenen Vernunft. 


3.

Lebt mit diesen "sittengemäßen Austauschverhältnissen" schon die  Wirtschaftliche  Dimension auf? Aus guten Gründen ist das zu verneinen. Man könnte sagen, diese Urpreise haben zu einem Teil viel zu viel, zum anderen Teil aber viel zu wenig von der Eigenheit jenes Tatbestandes an sich. Die Wirtschaftliche Dimensioin selber überbietet der "übliche Urpreis" wenigstens darin, daß er die fallweise tausgepaarten Mengen ganz unmittelbar zu einem Ausfluß der Sitte werden läßt; im Grunde handelt es sich um "sittengepaarte" Mengen und der Tausch sagt bloß jedesmal Amen zur herrschenden Sitte. Mit der Wucht verglichen, wie sich der "übliche Urpreisstand" durchsetzt, als bestimmende Norm des Tausches, läßt sich die Wirtschaftliche Dimension förmlich nur als "mitbestimmende" Norm aussagen. Gleich von hier aber bleibt jedoch der Urpreis hinter der Wirtschaftlichen Dimension umgekehrt zurück. Denn in die Wirtschaft hinein dient er bloß in ganz einseitiger Weise zur Richtschnur für eine Veranschlagung. Unter den vielen Objekten der Wirtschaft mögen es überhaupt nur einige sein, auf die ein Urpreis Bezug nimmt. Aber wenn es selbst alle wären, läßt sich jedes einzelne Objekt, ob nun seiner Gattung nach oder als Individuum, nur in einseitiger Weise veranschlagen. Man weiß danach z. B., daß von den aufwachsenden Kälbern, soweit sie der eigenen Wirtschaftsführung überschüssig zu werden drohen, 7 Stück eintauschbar sind gegen 1 Pferd, das man selber nicht aufzuzüchten wüßte; und daß in einer anderen der üblichen Tauschrichtungen, mit einer anderen Sippe oder einem anderen Stamm, etwa 1 Kalb eintauschbar ist gegen 3 Honigwaben. Von den Aussichten abgesehen, die daraus dem ungedeckten Bedarf an Pferden und an Honig erblühen, sagen diese Größen für die übrige Wirtschaftsführung nicht das Mindeste. Es ist nur ein Glück, daß sie auch gar nichts zu sagen brauchen! Ist doch einfach das Gebilde selber nicht auf "Wirtschaft als Rechnung" gestellt, da sich die Wirtschaftsführung vielmehr überallhin im ausgefahrenen Geleis bewegt. Die geltende Größe trifft also wohl zu, aber nicht ihr Januskopf. Sie blickt nur aus dem Gebilde heraus und man kann es kaum einen Markt nennen, wohin sie ausblickt. Wie sich irgendwo der tatsächliche Auswechsel der Objekte abspielt, wird natürlich genau so der Sitte unterworfen sein, wie alles hier. Da mag viel Feierlichkeit und äußere Bewegung herumweben, ein Markt, der sich passiv der geltenden Größe beugt, ohne sie aktiv zu stiften, entbehrt noch des eigenen Wesens. Gleiches gilt von der Wirtschaftlichen Dimension deshalb, weil das "sittegemäße Austauschverhältnis" sozusagen  zwischen  seinen beiden Objekten hängen bleibt, in der Schwebe zwischen ihnen, ohne sich je an das einzelne Objekt zu heften. Die uns so geläufige Umrechnung, daß ein Kalb gegen ein siebentel Pferd vertauschbar ist, ist der zahlenscheuen, unrechenhaften Zeit gar nicht zuzumuten, weil sie für sie auch ganz ohne Bedeutung bleibt. Genug, daß man nur weiß, sieben Kälber sind für ein Pferd preiszugeben.

Von "Preis" übrigens, als dem jüngeren Lehnwort aus dem Romanischen, konnte damals überhaupt nicht die Rede sein. Dagegen wirkte sich vielleicht das Dasein geltender Größen auch schon sprachlich in der Wendung aus, die dem ländlichen Alltag heute noch die geläufigste ist: 1 Pferd  "gilt"  7 Kälber. Oder es heißt dann, 7 Kälber seien 1 Pferd  "wert".  Es kommt erst später zur Aussprache, wie hier die Verwendung des urtümlichen Adjektivs keineswegs die Vorstellung einer "Gleichwertigkeit", sondern bloß einer  Wechselwertigkeit,  also dessen mit sich führt, daß mit dem Blick auf die Vertauschbarkeit 7 Kälber 1 Pferd "vertreten" können, d. h. daß der Besitz der 7 Kälber leistungsgleich ist mit der Deckung des Bedarfs nach einem Pferd und umgekehrt. Keineswegs ist hier aber die "Substantivierung" von "wert" zu "Wert" so begründet, wie etwa beim "Wergeld", beim "verd" als "Loskaufpreis". Diese Zahl, gleichviel auf welche "Einheiten" gestellt, drückt wahrhaft so etwas wie die "Soziale Dimension" der Einzelnen aus, wie sie steigt und fällt, zugleich mit jenem Grad des Vorzugs vor anderen, der sich in eben dieser Zahl ausdrückt. Aber der Umstand, daß sich 7 Kälber gegen 1 Pferd vertauschen, der räumt doch weder den Kälbern hüben, noch den Pferden drüben irgendeinen Vorzug ein, noch schafft er überhaupt die Möglichkeit einer größenhaften Abstufung.

Selbst wenn sich die "sittegemäßen Austauschverhältnisse" um ein und dasselbe Objekt herum häufen, ändert das nichts. Muß man laut früherem Beispiel 7 Kälber hingeben, um 1 Pferd zu ertauschen, währen man schon für 1 Kalb 3 Honigwaben erhält, dann geht davon höchstens der Eindruck aus, daß ein Pferd "viel mehr wert" sei, als eine Honigwabe; beim körperlichen und sonstigen Abstand dazwischen gibt das nicht weiter zu denken. Ein lebhafterer Eindruck erwacht unmittelbar und schlägt sich als Anerkennung von "Kostbarkeit" am betreffenden Objekt nieder, wenn dieses in auffallend kleiner Menge immer nur gegen auffallend große Mengen anderer Objekte ertauschbar bleibt - die "Kleinodien"! In derlei Extremen wird allerdings so etwas wie eine Wirtschaftliche Dimension ganz unmittelbar  anschaulich.  Aber sie kommt noch keiner wirtschaftlich charakteristischen Zahl gleich, wie eben der "Loskaufpreis" nach der anderen Seite hin. Dazu fehlt es noch an der gemeinsamen Grundlage des Vergleiches unter den Verhältnissen, am "gemeinschaftlichen Nenner". Selbst wenn es von den Objekten, die man sich durch Abtausch von Überfluß zu verschaffen pflegt, auch bekannt wäre, daß sie in anderen der üblichen Richtungen des Verkehrs wieder durch andere Objekte ertauscht werden, selbst wenn man z. B. weiß, daß sich 2 Pferde anderswo auch gegen ein gutes Schwert vertauschen, bringt das den bisherigen Sachverhalt nicht zum Wanken. Bloß für  uns  versteht es sich von selber, die Verhältnisse sofort umzurechnen und es uns klar zu machen, daß "folglich" 14 Kälber ein gutes Schwert "wert" seien. Abermals dürfte man jener Zeit das schwere Stück solcher Umrechnung erst gar nicht zumuten! Davon abgesehen, daß die einfache Wirtschaftsführung des Rechnens überhaupt nicht bedarf, entbehrt jene Umrechnung an sich jeder praktischen Bedeutung. Kommt doch für die betreffende andere Wirtschaftsführung weder die Ertauschbarkeit von Pferden gegen Schwerter, noch die von Schwertern gegen Pferde in Frage; beides zählt einfach nicht zu den traditionalen Zutaten, um die schon der Urtausch das hier gemeinte Wirtschaftsgebilde bereichert hat. Und selbst für den Fall, daß ein solcher Tausch einmal praktisch würde, wäre jene Umrechnung durchaus nicht so unmittelbar von Belang, wie wir es uns vormachen.

In der Tat, hier führt uns die heute geläufige Auffassung der Dinge in die Versuchung, die Verhältnisse des Urtausches, soweit sie widerspruchslos ausmalbar sind, ganz und gar zu verkennen. Denn nicht nur die Umrechnung der Kälber auf Schwerter versteht sich für uns von selber, son wenig "zeitgemäß" sie für damals wäre; wir setzen auch blindlings voraus, daß sich dann auch Kälber und Schwerter getreu dem Ergebnis dieser  Umrechnung  vertauschen, daß also für 14 Kälber ein gutes Schwert zu haben sei und so auch umgekehrt. Da sitzt nun der Trugschluß! Man halte doch fest, dieser Urtausch bewegt sich stets in fest eingefahrenen Richtungen und so ist es wohl nur in einer ganz anderen Richtung des Verkehrs der Brauch, daß Schwerter auch gegen Kälber vertauscht werden; vielleicht an ganz anderen Orten, unter ganz anderen Leuten und nur dort wäre ein solcher Tausch realisierbar. Jeder dieser Tauschverkehre bleibt für sich wieder eingemauert in strenger Sitte. Vielleicht weiß man gar nicht voneinander und selbst wenn es von der einen Stelle zur anderen bekannt wäre, gemäß der Annahme, keiner Stelle fällt es ein, eine bloße Umrechnung der anderen Stelle als maßgebend zu empfinden. Seit altersher werden in jener anderen Richtung des Verkehrs Schwerter auch gegen Kälber vertauscht, aber durchaus nicht die "umgerechneten" 14, sondern vielleicht 20 Kälber gegen ein gutes Schwert. Warum denn nicht, was geht denn diese Leute und ihre Sitten jene Umrechnung an? Freilich, soweit in aller Sitte zu irgendeinem Ausmaß stets auch Vernunft lebt, ist wohl anzunehmen, daß auch ohne jeden Zusammenhang zwischen hier und dort die Abweichung nicht ins Unendliche geht; die "Vernunft der Tatsachen" hält vermutlich die errechneten und die wirklichen Proportionen einander recht nahe. Aber eine genaue Übereinstimmung wäre sicher nur ein unwahrscheinlicher Zufall.

Nur uns, die wir der Erwerbswirtschaft verflochten sind und die "Allkäuflichkeit" der Dinge und lebhaftestes Markttreiben samt allem Zubehör vor Augen haben, nur uns leuchtet es unmittelbar ein, daß sich zwei verschiedene Objekte untereinander stets in dem Verhältnis vertauschen, in welchem sie sich auf dem gleichen Markt einzeln mit einem dritten Objekt vertauschen. Unter gewissen Vorbehalten, von denen später zu reden ist, dürfte man in dieser Hinsicht sogar den Satz verwenden: zwei Dinge untereinander, sind auch demselben dritten Ding gleich. Zu dieser Auffassung verstehen wir uns blindlings, erstens, weil uns der Blick auf die Wirtschaftliche Dimension gegönnt ist, die ohne jede Umrechnung die ganze Sachlage übersehen läßt. Zweitens aber erwarten wir, daß sich eine erhebliche Abweichung zwischen den einschlägigen Mengen keinen Tag, keine Stunde behaupten könnte! Angenommen, im nämlichen Marktbereich vertauschten sich 7 Kälber gegen 1 Pferd, dann auch 2 Pferde gegen 1 Schwert, aber auch 20 Kälber gegen ein Schwert - welch gutes "Geschäft"! Man setzt einfach die mitgebrachten Kälber, obwohl man eigentlich Honig erhandeln wollte, zunächst im Verhältnis von 7:1 in Pferde, diese im Verhältnis von 2:1 in Schwerter um, worauf man diese nun tauschweise in Kälber zurückverwandelt, mit dem Erfolg, daß man von je 14 Kälbern schließlich auf 20 gelangt und um soviel mehr auch erhandelten Honig nach Hause bringen kann! Was aber in anderer Reihenfolge mit mitgebrachten Pferden genauso gut gelingt, auch mit mitgebrachten Schwertern; denn es bleibt das "unrichtige" Verhältnis der drei Objekte von allen drei Seiten her angreifbar. Sobald diese Angriffe in Gang geraten, dann nimmt natürlich in der "Gewinn" verheißenden Richtung der Verkehr so überhand, daß sich sowohl das Ertauschen von Pferden gegen Kälber "versteift", als auch das von Schwertern gegen Pferde und endlich jenes von Schwertern gegen Kälber; bis sich in diesen Verhältnissen der vertauschten Mengen ein Ausgleich so einstellt, daß der Reihum-Tausch seinen Sinn verliert. Denn schließlich ließe er bei der gleichen Anzahl von Kälbern landen, von der man ausgegangen wäre - oder doch nun ausgehen müßte. Auf dem Weg dieser  Arbitrage  [Ausnützen von Preisunterschieden für gleiche Waren auf verschiedenen Märkten - wp]  von Objekt zu Objekt,  in Gestalt dieses  Ausgleichs im Dreieck,  würde sich, so scheint es, selbst bei "Naturaltausch" eine völlige "Ausbalanzierung" aller Preisverhältnisse vollziehen. Dann erst erschienen für unsere Auffassung diese Verhältnisse als "richtig", während uns doch jener Abstand zwischen den 14 und den 20 Kälbern als "Fehler" erscheint.

Es braucht nicht viel zu der Einsicht, daß wir dabei in "erwerbswirtschaftlicher" Befangenheit gleich drei Dinge übersehen, um daraufhin mit dieser Auffassung von "richtig" und "fehlerhaft" selber ganz in die Irre zu gehen. Erstens ist beim Urtausch sicher noch nicht der Markt im hier unterstellten Sinn vorhanden. Es mögen sich am gleichen Ort und zur gleichen Zeit die mannigfaltigsten Gruppen von Tauschenden zusammenfinden, immer suchen einander nur die, zwischen denen ein Tauschverkehr in Übung steht. Zweitens fehlt es doch gänzlich an jener Beweglichkeit der Proportionen, die zutreffen muß, bevor in der angedeuteten Weise die Bauernregel von "Angebot und Nachfrage" ihre Herrschaft antreten kann, bekanntlich als das "Grundgesetz der Wirtschaft". Drittens fehlt zur Arbitrage hier das Wesentlichste: die Arbitrageure! In einer Zeit, die so zahlenscheu ist, die sich in den verwickelten Vorgang des Tausches ohnehin nur am sicheren Gängelband der Sitte hineinwagt, da soll nun einer oder gar alle sich kopfüber in eine ganze Kette von Tauschvorgängen stürzen, die man kaum durchzurechnen weiß und sie trotzdem alle auf sich nehmen, wo ihnen vermutlich schon vor dem einzigen graut, der sie zu diesem "Markt" geführt hat! Gleich drei Unmöglichkeiten hintereinander unterbauen sich der Auffassung, wonach hier eine "Richtigkeit" der Größen und Verhältnisse auf dem Spiel stehe. Einmal schon, "richtig" oder "unrichtig" für wen denn? Es rechnet ja überhaupt noch niemand; oder doch kaum über ein oder zwei übliche Tauschvollzüge hinaus, sich aber nicht in die Wirtschaft zurück. Und was soll den "falsch" daran sein, wenn zwei in der Sitte festgefahrene Tauschrichtungen, die überhaupt nichts miteinander zu schaffen haben, sich je in bestimmten Proportionen bewegen. Jede der tauschenden Gruppen wird einfach nach ihrer eigenen Fasson selig. Von "Fehlern" zu reden, gebricht es an jedem Recht. Ebensogut könnten wir jener Leute Runen und Knotenschrift an der Hand der heutigen Orthographie auf "Fehler" untersuchen.


4.

Soweit der Arbeitshypothese erster Teil. Als reine Ausmalung sucht sie bloß frei von inneren Widersprüchen zu sein. Nicht aber will sie in Sachen der Vergangenheit "Schleier lüften", nicht einmal den ausdrücklichen Gegenbeweis antreten, als ob die Wirtschaftliche Dimension ein "Uranfängliches" sei. Das Ganze erschöpft sich in der Absicht, daß man dem fraglichen Tatbestand sozusagen in den Rücken kommt, ihn, statt von seinem Dasein her, einmal von seinem  Fehlen  her beleuchtet. Man sieht, in der Gestalt der "sittegemäßen Urpreise" ist widerspruchslos etwas denkbar, das in unbedingtester Geltung steht, aber als geltende Norm ebenso starr, wie auch völlig einseitig ist, auf eine einzige der üblichen Richtungen des Verkehrs abgestellt. Während dagegen die Wirtschaftliche Dimension als Norm zwar bloß "mitbestimmend" ist für den Entschluß zum Preis, dabei aber im Grundsatz beweglich bleibt, dem Ausgleich, der "Ausbalanzierung" zuliebe; und vor allem ist sie von  allseitiger  Geltung! Vom Objekt aus gesehen, dem sie sich anheftet, beherrscht die Wirtschaftliche Dimension sofort alle denkbaren Richtungen des Verkehrs. Sie überhebt daher vorweg aller Arbitrage von Objekt zu Objekt, allen Ausgleichs im Dreieck; daß sich zwei Objekte nach dem Verhältnis der gleichen Mengen vertauschen, in welchen sie das nämlich dritte Ding ertauschen, versteht sich hier ganz von selbst, denn es geht aus dem Walten der Wirtschaftlichen Dimension automatisch hervor.

So zeichnet sich auch der Sachverhalt klar heraus, von dem man ausgehen muß, will man sich den Werdegang der Wirtschaftlichen Dimension ausmalen: die geschilderten Verhältnisse des Urtausches sind es, dieser mithin als der  prävalore  Tausch zu nehmen. Wie liegt es da? Kreuz und quer über den Wirtschaftsraum hin, spinnen sich bestimmte, ganz einseitige Richtungen des Verkehrs, jede einzelne wieder in der Hut starrer Sitte. Ein Netz tauschmäßigen Verkehrs hält die traditional in sich ruhenden Wirtschaftsgebilde, die Sippen und Stämme, zwar schon verknüpft, aber es ist dieses Netz sehr wenig dicht. AUf die Objekte der Wirtschaft bezogen ist es nicht entfernt erschöpfend. Nur vereinzelte Objekte sind in ihm verflochten, jedes Objekt bloß nach wenigen Richtungen, vielleicht gar bloß nach einem einzigen anderen Objekt hin. Aber mag nachher auch reichere Entwicklung anheben, so daß die bevorzugteren Objekte des Verkehrs zugleich in mehrere, ja in viele der üblichen Verkehre verflochten sind, so bleibt doch die Ausgangslage für das Entstehen der Wirtschaftlichen Dimension immer die gleiche. Ja, vom einzelnen Objekt her gesehen, wird das Bild seiner Tauschgeschicke eigentlich nur steigend verworrener, je lebhafter es zum Objekt des Tausches wird. In schier beziehungslosem Nebeneinander gelten dann für das nämliche Objekt steigend mehr "sittengemäße Austauschverhältnisse" zu anderen Objekten hin. Jedes Objekt liefert nach ihm benannte Zahlen für mehrere oder viele dieser Proportionen zugleich. Aber selbst, wenn man sich diese Proportionen alle auf den Fuß der Objekteinheit zurückgerechnet denkt, ergibt sich wiederum ein beziehungsloses Nebeneinander von Zahlen, die nun durchaus verschiedene Namen tragen. Auf die Einheit "Pferd" des Beispiels bezogen, lautet die Aufzählung dann "7 Kälber", "ein halbes Schwert" und setzt sich vielleicht fort: "2 Ochsen", 1 Morgen Land" und so weiter. Erstens aber steht es dahin, ob diese Reihe von Zahlen immer gleich von einer Stelle aus übersehbar bleibt. Zweitens ist dieser Aufschluß fragwürdigen Belangs. Der Ausgleich im Dreieck waltet ja nicht vor, mithin verbietet sich jeder Schluß von diesen Zahlen aus, hinsichtlich der Tauschgeschicke anderer Objekte, grundsätzlich bleibt der Aufschluß über das Größenspiel des Tausches überhaupt aus. Es ist wahr, die Wirtschaft heischt solchen Aufschluß noch gar nicht; jedenfalls fehlen aber bereits alle Voraussetzungen dafür! Man sieht den Wald nicht vor Bäumen, so wenige es deren auch sind. Es fehlt durchaus an jener charakteristischen Zahl für jedes Objekt, die, von Objekt zu Objekt verfolgt, den erschöpfendsten Aufschluß über das ganze Größenspiel des Tausches darbietet.

Von hier löst sich daraufhin auch der Sinn ungezwungen ab, der dem  Werden  der Wirtschaftlichen Dimension innewohnt. Trotz der kümmerlichen Entwicklung des prävaloren Tauschverkehrs bietet sich für das einzelne Objekt doch nur ein verworrenes Bild seiner Tauschgeschicke, trügerisch auch als Aufschluß über das Ganze des Größenspiels. Jene Verworrenheit und diesen Trug zugleich gilt es zu überwinden, durch eine  untrügliche Vereinheitlichung des Ausdruckes der Tauschgeschicke des Objekts!  Das klingt dann zu jener einzigen Zahl aus, die sich dem Objekt selber anheftet, als der ihm charakteristischen und zwar wirtschaftlich charakteristischen, weil sie bloß von Objekt zu Objekt verfolgt zu werden braucht, um gleich erschöpfenden Aufschluß über das ganze Größenspiel des Tausches zu liefern und damit die Richtschnur für alle "Wirtschaft als Rechnung". Aber wie ersteht diese Zahl, von woher entleiht sie ihre Benennung, da sie ja bloß als gleichbenannte Zahl ihren Sinn erfüllt? Mit anderen Worten, wie vereinheitlicht sich der Ausdruck für das Gewirre der prävaloren Proportionen in bezug auf das einzelne Objekt?

In rohen Umrissen tritt das Bild der Lösung ohne weiteres vor den sinnenden Blick. Denkt man sich das Netz der prävaloren Proportionen kreuz und quer zwischen den Objekten geflochten, dann ist es höchst lückenhaft, unübersichtlich und überall dort verworren, wo die Proportionen einander widerstreiten, als Schuld des fehlenden Ausgleichs im Dreieck. Wie auf einen Schlag ändert sich das alles, denk man sich eine bestimmte Objektgattung gleichsam in die Mitte treten und nun spinnen einheitlich von ihr aus die Proportionen nach allen übrigen Objekten, alle im Sinne geltender Größen, bestimmender Norm, so daß sich die Objekte auch untereinander nach der Weisung dieser Proportionen vertauschen. Anstelle jenes verworrenen Netzes ist nun ein  klarer Stern der tauschmäßigen Beziehungen  getreten. Für alle Objekte vereinfachen sich erst noch diese Proportionen, indem man sie je auf den Fuß der Einheit jedes Objekts zurückrechnet. In diesen durchaus gleich, nämlich nach der Einheit der benannten Zahlen des bevorzugten Objektes, da bringt sich das ganze Tauschgeschick jedes Objektes erschöpfend zu einheitlichem Ausdruck. Seine wirtschaftlich charakteristische Zahl leuchtet damit wie von selber auf, unter dem einzelnen Strahl jenes großen Sterns der tauschmäßigen Beziehungen. Nur dem bevorzugten Objekt allein bleibt dieser untrüglich vereinheitlichte Ausdruck seiner Tauschgeschicke versagt; es belichtet alle, eben deshalb verharrt es selber im Dunkel! Bloß ein gleichmäßiges Auf und Ab in der Reichweite des Strahlenwurfs, ein gemeinsames Anschwellen oder Sinken der vom Stern her aufleuchtenden Zahlen, verrät sei eigenes Tauschgeschick. Weil dieses Objekt die eigene Einheit allen geltenden Größen ringsum unterschiebt, besagt es selber das schlechthin und letzten Endes Geltende -  Geld! 

Das Bild ist roh, es übergeht die Vorbehalte, unter denen sich der Werdegang der Wirtschaftlichen Dimension abspielt. So den Vorbehalt, ob es denn unbedingt eine dem Tausch selber verflochtene Objektgattung sein muß, was da in die Mitte tritt; ob sie sich nicht überhaupt in der Rolle erschöpfen könnte, die Einheit für alle anderen Zahlen zu liefern Immerhin, auch dieses rohe Bild drängt aller weiteren Erwägung einige Fragen vorläufig auf. Auf welche Anlässe hin tritt da überhaupt etwas in die Mitte, alle Objekte der Wirtschaft auf sich beziehend, soweit sie dem Tausch verflochten sind? Wie vermögen diese einheitlichen Beziehungen zur Mitte hin entscheidend zu werden für alle Beziehungen auch kreuz und quer, von Objekt zu Objekt? Was verleiht dem, dessen Einheit hier alles vereinheitlicht, die Gewalt eines letzten Endes Geltenden? Mit anderen Worten, was wird da zum Geld, im Gegenspiel zum Werden der Wirtschaftlichen Dimension und wodurch wird es zum Geld? Gleich dabei sieht man es ab, hier zu erörtern ist der höchst verwickelte Tatbestand des sprachnotwendigen Namens "Geld" wirklich  bloß in dem Ausmaß, in dem er sich mit dem Tatbestand der Wirtschaftlichen Dimension überschneidet.
LITERATUR Friedrich Gottl-Ottlilienfeld, Die wirtschaftliche Dimension - eine Abrechnung mit der sterbenden Wertlehre, Jena 1923