ra-2Albert SchäffleHeinrich Cohnvon EhrenfelsWertlehre bei Marx und Lassalle    
 
FRIEDRICH von WIESER
Über den Ursprung
des wirtschaftlichen Wertes

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"Wir sind so gewohnt, die Produktionshandlungen mit der Sorge um Sicherung der begehrten Güterquantitäten auszuführen, daß uns bei ihnen Handlung und Tendenz in Eins verschmelzen und daß wir geneigt sind, das Charakteristische statt in die leitende Tendenz in das äußere Gerüst des Aktes zu setzen. Es ließe sich jedoch ausdenken, daß die Bedingungen der Güterversorgung derart wären, daß die Menschen zwar das, was sie brauchen, nicht schon von Natur aus fertig vorfänden, aber daß es ihnen gleichwohl möglich wäre, alles, was das angespannteste und launenhafteste Begehren nur wünschen mag, durch Produktion herzustellen, ohne irgendein noch so leises Gefühl der Anstrengung und ohne irgendeine noch so ferne Gefahr, Entbehrung zu leiden, weder aus Mangel an Stoffen, noch durch die Form der Dinge, noch durch Zeit und Ort, worin man sie zur Verfügung hätte. Gesetzt, die Produktion wäre von dieser Art, so würde sie technisch vollkommener sein, als sie es jetzt ist und würde doch ihr wirtschaftliches Wesen eingebüßt haben. Die Produktion gliche dann solchen  produktiven  Arbeiten, wie sie wohl große Herren treiben, um sich zu zerstreuen. Man würde hämmern und schnitzen, aber ohne Furcht vor Schaden, wenn man schlecht hämmerte und schnitzte. Oder sie wäre den produktiven Arbeiten eines Künstlers, der, wie ein Maler oder Bildhauer, äußere Güter verwendet, in jenem Teil zu vergleichen, in welchem das Wirtschaftliche seiner Arbeit vom Künstlerischen zurückgedrängt ist. Die Produktion wäre dann ein Spiel der Technik, eine Unterhaltung des Geistes, eine Beschäftigung, aber sie wäre kein wirtschaftliches Unternehmen mehr."


II. Hauptstück
Die Objekte und die näheren
Umstände der Wertschätzung


(Wirtschaftliche Güter und Wirtschaft)

Der hat keine Hoffnung, ein Werkzeug zu verstehen, der weder die Gegenstände, auf die es beim Gebrauch gerichtet wird, noch die Absicht, mit der es gebraucht wird, kennen lernen wollte.

Die Wertschätzung ist eine Hilfstätigkeit des Wirtschaftens, ihre Objekte sind die wirtschaftlichen Güter und sie dient der Erreichung der wirtschaftlichen Absichten. Wer sie verstehen will, muß also zuvor wissen, was wirtschaftliche Güter sind und worauf die wirtschaftliche Tätigkeit abzielt.


1. Abschnitt
Über die wirtschaftlichen Güter im Allgemeinen

Güter überhaupt sind sachliche oder sachlich schätzbare Mittel der Bedürfnisbefriedigung. man rechnet zu ihnen die nützlichen Sachen und persönlichen Arbeitsleistungen, mögen sie nun Nutzen in näherer oder entfernterer Weise, mögen sie ihn unmittelbar oder durch Abwehr von Schaden herbeiführen; die persönlichen Arbeitsleistungen indessen nur insoweit, als sie uns nicht als selbständiger Inhalt eines persönlichen Lebens, sondern als bloßes Mittel zur Erreichung abgesonderter Lebenszweck erscheinen. Die Arbeit als Anstrengung, Last, Genuß, Bestrebung ist ein Teil des Lebensinhaltes; als Ursache äußerer Erfolge ist sie sachlich schätzbar wie das Sachgut, ist der kaltblütig berechnenden Erwägung des Verstandes und der Bestimmung des Willens unterwerbar. Man kann sie, bei gleicher unmittelbarer Einwirkung auf die Person des Arbeitenden, so oder so, je mit verschiedenem Schlußerfolg verwenden, man hat sich, will man gegen sein eigenes Geschick nicht gleichgültig sein, zu entscheiden, wie sie zu verwenden sei und man wird bei dieser Entscheidung, will man sie vernünftig treffen, nur solche Umstände gelten lassen, die man bei den Entscheidungen über die Verwendung der Sachgüter gelten läßt.

Unter welchen Bedingungen aber werden Güter bewirtschaftet?

Einige von den Bedingungen sind leicht zu bestimmen. Man wird nur solche Dinge wirtschaftlich behandeln, die nicht bloß nützlich sind, sondern deren Nutzen man auch kennt; hierin liegt, daß man sich über die eigene Bedürftigkeit klar sein, daß man den äußere wohltätigen Einfluß wahrnehmen und den Gegenstand, von dem er ausgeht, selbständig von anderen unterscheiden muß.

Andere sind schwieriger zu bestimmen und es herrscht bezüglich ihrer ein lebhafter Streit. Ich werde, um rascher zu meinem eigentlichen Gegenstand zu kommen, auf den Streit der Meinungen nicht eingehen und mich darauf beschränken, meine Meinung auszusprechen.

Nur solche unter den den Menschen bekannten Gütern werden bei fortgeschrittener Kultur bewirtschaftet, welche in einer den Bedarf nicht überschreitenden Menge vorhanden sind und auf deren Menge die Menschen zugleich Einfluß nehmen können, sie es daß sie dieselbe zu vermehren, sei es, daß sie sie zu erhalten, sei es selbst, daß sie sie herabzumindern vermögen. Ausgeschlossen sind alle Güter, die im Überfluß vorhanden sind, ferner alle, über welche die Menschen gar keine Verfügungsgewalt haben, endlich noch alle, über welche sie zwar Macht besitzen, ohne aber auf ihre Menge einwirken zu können. Der Umstand, daß die Ausübung der Verfügungsgewalt in den meisten Fällen eine Arbeitsanstrengung erfordert, ist grundsätzlich ohne Belang; auch wenn die Arbeitsanstrengung nicht erforderlich wäre, wäre doch der Anlaß zur Bewirtschaftung gegeben. Nur in Zuständen der Unkultur kann dieser Umstand entscheidend werden.

Die beiden Bedingungen der Eingeschränktheit des verfügbaren Gütervorrats und der Verfügungsgewalt über die Größe des Gütervorrats bedürfen einer genaueren Erörterung.


2. Abschnitt
Die Eingeschränktheit des verfügbaren Gütervorrats
eine Bedingung des Wirtschaftens

Das Mengenverhältnis, welches ich als Eingeschränktheit des Vorrats bezeichne, wird öfter als Seltenheit oder Mangel bezeichnet. Diese Namen treffen nicht genau zu. Sie passen nur für Quantitäten, die relativ - im Verhältnis zum Bedarf - und selbst absolut geringfügig sind; die wirtschaftlichen Vorräte eines Landes sind oft absolut und relativ sehr beträchtlich. Eher ginge es an, von Knappheit der Vorräte, knapp zugemessener Quantität zu sprechen.

Die unzutreffenden Namen entspringen meist einer unzutreffenden Auffassung. Gewöhnlich wird man auf die Tatsache, daß die wirtschaftlichen Gütervorräte quantitativ eingeschränkt sind, nur in den eigentlichen Fällen des Mangels, der Seltenheit oder Rarität aufmerksam. Die übrigen Fälle, in denen es dem menschlichen Zutun möglich ist, die verfügbare Gütermenge mit einiger Freiheit zu verzehren, werden, obschon auch in ihnen die Freiheit des Zutuns quantitative Schranken findet, doch so aufgefaßt, als ob keine Schranken bestünden. Weil man die Grenzen nicht nahe sieht, täuscht man sich, sie wären überhaupt nicht vorhanden. Ich führe als Beispiel die Ansicht RICARDOs an, die mir in diesem Punkt die gemeine Meinung getreu wiederzugeben scheint. RICARDO ist der Ansicht, daß es einige wenige Güterarten gebe, in denen die Anzahl der Güter durch Arbeit nicht erhöht werden könne; diese nennt er Seltenheiten. Er rechnet hierher seltene Statuen und Bilder, Bücher, Münzen, Weine von ausgesuchten Lagen. Die große Masse der Güter aber, so meint er, könne, wenn man nur bereit sei, die nötige Arbeit an sie zu wenden, in manchem Land fast ohne bestimmbare Grenzen vermehrt werden.

Die Entscheidung, zu welcher der beiden Meinungen man sich zu bekennen habe, ist folgenschwer. Die beiden Grundauffassungen des Wertes haben in ihnen ihre Wurzel. Wer da glaubt, daß die Menschen nur an wenigen Naturspielen oder an den vorzüglichsten künstlerischen Werken oder an den spärlichen Gütern, deren Produktion an ausnahmsweise örtliche Bedingungen geknüpft ist, die Ohnmacht ihres Willens und die Starrheit der natürlichen Quelen der Wohlfahrt kennen lernen, wird folgerichtig über die Motive der Schätzung der Güter anders urteilen, als derjenige, der fast überall das menschliche Verlangen nach Ausbreitung und Erweiterung des Genusses natürlich eingeengt zu sehen meint.

Dieselbe Frage, an die wir von der Seite der Güter her kommen, ist längst von der entgegengesetzten Seite her, in einem viel größeren Gedankenkreis erwogen worden. Seit dem berühmten Werk von MALTHUS über die Bevölkerung haben die Erörterungen darüber nicht aufgehört, ob es nicht eine unablässige Tendenz der Menschen sei, sich über das Maß der natürlichen Bedingungen ihres Gedeihens hinaus zu vermehren. Wie erzählt wird, hat die Lektüre des Buches von MALTHUS dazu beigetragen, in CHARLES DARWIN die Idee eines die ganze organische Entwicklung beherrschenden Kampfes ums Dasein zur Reife zu bringen. Von den Naturwissenschaften ist dann die Welle der Bewegung wieder zu den Wissenschaften vom Menschen zurückgekehrt. Der Versuch der Entwicklungstheorie, die Entwicklung unter Gesetze zu bringen, ja das Dasein selbst durch die Entwicklung zu begreifen, wird nun auch auf die Geschicke der Menschen und die Lebensäußerungen des menschlichen Geistes ausgedehnt. Es kann uns nicht einfallen, unseren engeren Gedankengang in die weiteren und loseren Maschen dieser ausgebreiteteren Untersuchungen zu verweben. Wir prüfen den Sachverhalt, wie er ist und enthalten uns des den Blick für das Gegenwärtige nur zu leicht trübenden Sinnens über die Frage, von woher es so geworden ist und wohin es endlich ausgehen müsse. Aber ein Reiz bleibt zurück, das Interesse wird durch das Bewußtsein so großer Beziehungen gesteigert, wir fühlen es, daß wir uns auf einem für das Denken klassischen Boden bewegen.

Die Beobachtungen hinsichtlich der Mengenverhältnisse der Güter lassen sich in einigen Hauptsätzen zusammenfassen; fast möchte ich sie Gesetze nennen, wirtschaftliche Naturgesetze. Daß sich in der Anlage der natürlichen Bedingungen der Erhaltung und des Gedeihens der Menschen große Gesetze offenbaren, kann nicht zweifelhaft sein; die Wirtschaft ist so, wie sie ist, weil sie sich in feste Ordnungen der Dinge einfügen muß. Es ist von nicht minderer Wichtigkeit, diese Ordnungen zu bestimmen, als diejenigen Ordnungen, die die Tatsachen der Natur zeigen, wenn man sie, ohne Beziehung auf das menschliche Befinden, als Facta für sich betrachtet.

Erster Satz.  Die Natur liefert nur eine geringe Anzahl roher Güter fertig und auch diese nur unter manchen Schwankungen, so daß durch die freiwilligen natürlichen Gaben nur eine geringe Anzahl von Menschen in kümmerlicher und unsicherer Weise erhalten werden kann.

Die Güter, welche durch die Natur in so großer Menge fertig gegeben sind, daß ihr Vorrat den Bedarf überschreitet, werden freie Güter genannt. Ihre Arten wechseln. Sie sind nicht in allen Himmelsstrichen dieselben und unterliegen im selben Land einer geschichtlichen Umwandlung. Mit der Bevölkerungszunahme und mit der Umgestaltung der natürlichen Bedingungen sind manche von ihnen teils an Stücken sehr vermindert, teils vom angewachsenen Bedarf überflügelt worden. In Ländern mit sehr dichter Bevölkerung sind ihrer kaum mehr, als die freie atmosphärische Luft und der tragende Boden.

Manche der zur Fortführung des Lebensprozesses unentbehrlichen Güter waren zu Anfang im Überfluß vorhanden, aber manche derselben waren zuerst nur karg ausgestreut und der gesicherte Reichtum, den wir jetzt an ihnen besitzen, ist später erkämpft.

Zweiter Satz.  Die natürlichen Bedingungen der Erhaltung und des Gedeihens der Menschen sind in den höheren Ordnungen der Güter weitaus günstiger, als in der ersten Ordnung der Güter des persönlichen Gebrauchs. Durch ihre Ausnützung kann eine weitaus größere Menge von Menschen gesicherter und besser erhalten werden.

Mit dem Namen der Güter erster Ordnung bezeichne ich, nach dem Vorgang MENGERs, die Genuß- oder Gebrauchsgüter, welche unmittelbar zur Bedürfnisbefriedigung verwendet werden, mit dem Namen der Güter höherer Ordnung die Produktivgüter, aus welchen die Gebrauchsgüter gewonnen werden und deren Ordnungen sich wieder zählen lassen, indem man diejenige, aus welcher unmittelbar die Güter erster Ordnung gewonnen werden, die zweite, die folgende, aus welcher die Güter zweiter Ordnung gewonnen werden, die dritte nennt und so fortfährt, bis man endlich zu den - mit den Kulturveränderungen wechselnden - höchsten Ordnungen gelangt, in welchen sich Güter darbieten, ohne daß die Menschen sie ergänzten.

Der aufgestellte Satz erklärt uns die Wunderwirkungen der Produktion. Die Produktion ist die Ausnützung der vorteilhafteren entfernten Bedingungen des Wohlseins. Mehr Nahrung, gesündere, schmachhaftere und gesichertere Nahrung wird gewonnen, wenn man die ausgewählten Pflanzen und Tiere zieht und züchtet, als wenn man die wildwachsende Beere pflückt und das Jagdtier fängt. Mehr und bessere Befriedigungsmittel für Gesundheit, Sittlichkeit, Behaglichkeit und Bildung werden gewonnen, wenn man den Boden durchwühlt und seine Schätze verarbeitet, als wenn man in den Höhlen der Erde sich mit dem Wenigen begnügt, was auf ihrer Oberfläche zu finden ist.

Die Natur hat ihre besten Schätze verarbeitet, als wenn man in den Höhlen der Erde sich mit dem Wenigen begnügt, was auf ihrer Oberfläche zu finden ist.

Die Natur hat ihre besten Schätze tief verborgen. Nicht mit einem Griff sind sie zu holen. Die nächsten Bedingungen für die Herstellung der Gebrauchsgüter sind nicht um vieles günstiger und sicherer, als die Bedingungen der allerrohesten Okkupation [Besitzergreifung - wp] derselben.

Ein Volk, welches sich durch einen in primitivster Weise betriebenen Ackerbau ernährt, ist in der Gewinnung seiner Nahrungsmittel vor widrigen und selbst vor verderblichen Zufällen nicht um vieles besser geschützt, als ein Volk, welches vom Ertrag der Jagd lebt.

Damit man durch Ackerbau die im Boden liegenden Schätze reich und sicher zu gewinnen vermöge, ist ein ungemein großer Besitz an Kenntnissen und Geschicklichkeiten wie an sachlichen Hilfsmitteln erforderlich, der erst durch eine lange Kulturarbeit erworben werden kann. Die Pflanze, die angebaut werden soll, muß besonders gewählt, gezogen, veredelt und vervielfacht sein, der Boden muß vorbereitet werdern, Werkzeuge sind notwendig, die Werkzeuge bedürfen der Verbesserung und Vermehrung, ein großer Prozeß wird angefügt, um nur sie zu erzeugen, die Frucht muß zubereitet werden, eine Industrie widmet sich dieser Aufgabe, Straßen, umfassende Meliorationen [Bodenverbesserungen - wp] des Landes, Schutzbauten werden angelegt, an die landwirtschaftliche Geschicklichkeit und die verbundenen gewerblichen, industriellen, technischen Geschicklichkeiten reihen sich die kaufmännischen Geschicklichkeiten des Handels, der Spekulation, und sie alle bilden sich durch Erweiterung und neue Erfahrungen immer vollkommener aus.

Man spricht gerne vom natürlichen Reichtum eines Landes - der natürliche Zustnd ist immer die Armut. Die in Art und Menge fast zahllosen Zwischengüter, die notwendig sind, um die im Boden liegenden Hilfsquellen aufzuschließen, zu sichern, umzugestalten und zur Ergiebigkeit zu bringen, zu sichern, umzugestalten und zur Ergiebigkeit zu bringen, sind von der Natur fast noch eben so karg gegeben, wie die Genußmittel selbst, die Formen der meisten von ihnen sind erst von den Menschen erfunden worden, die sie nirgends vorgebildet sahen. Die Menschen haben den natürlichen Kräften erst künstlich die Wege bahnen, die Betten graben müssen, um ihren Inhalt voll zu genießen. Es hat lange gedauert, bis diese Arbeit so weit gediehen ist, als sie es nun ist, bis alle notwendigen Kenntnisse erworben, alle Fertigkeiten eingeübt, alle Organisationen gefunden, aller Widerstand beseitigt, alle Gefahr eingedämmt, alle Mittel nach und nach, von den schwächer wirkenden und vorbereitenden bis zu den wirksamsten und letztangenommenen, aufgehäuft waren.

Erst nachdem diese große quaternäre [vierteilige - wp] Zwischenschicht gebildet war, hatte man einen sicheren Zugang zu der Region, in welcher die natürlichen Gaben in reicherer Fülle zu heben sind. So karg die Erde mit fertigen Genußmitteln und mit den nächsten Hilfsmitteln ihrer Erzeugung ist, so freigebig ist sie mit den entlegenen Elementen der Produktioni. Die Menschen machen immer mehr die überraschende Entdeckung, daß die Erde unter ihrem feindlichen Äußeren innerlich so gebildet ist, wie sie sie brauchen. Die Erde scheint für sie vorbereitet, Bedürfnisse, die mit dem Menschengeschlecht geboren sind, finden nach Jahrtausenden die Quellen ihrer Nahrung, die von Anfang an im Boden schlummerten. Das biblische Wunder, daß aus dem Felsen Wasser springt, um die Dürstenden zu erquicken, ereignet sich vor aller Augen in anderer Weise; Kohle und Eisen werden aus unwirtlichen Tiefen ans Licht gebracht und sie sind geeignet, die Wirksamkeit von Arbeiten ins Unübersehbare zu erhöhen, die die Menschen längst unternommen hatten, bevor sie diese Stoffe kannten. Die Menschen haben sich wohl gewaltig verändert, seit sie in die Geschichte eingetreten sind, aber, so glauben wir es wenigstens, sie haben sich aus sich geändert, sie haben sich vervollkommnet. Die Bedürfnisse wurden nicht verringert, sondern gereinigt und gehoben. Die Menschen haben sich mit ihren Wünschen nicht angepaßt, sondern, indem sie immer mehr fanden, daß die Erde für sie passe, haben sie endlich erreichen gelernt, was sie von Anfang an wollten, sie haben im Alter in Fülle, was sie in der Jugend begehrten. Wie dagegen wurde das Angesicht der Erde verändert! Sie war einst Wildnis und Einöde und jetzt liegt sie wie ein gepflegter Garten da, wo jedes abgeteilt und an seinem Ort ist, die Steine zu Häusern, Dörfern, Städten geschichtet, das Unkraut gejätet, die nutzbaren Pflanzen auf ihren Äckern, die Werkzeuge, die Arbeitsmittel überallhin verteilt und mitten durch die Straßen, auf denen alles wandelt.

Dritter Satz.  Trotzdem ist der Produktionsertrag im Ganzen nach aller Erfahrung immer noch hinter den Ansprüchen zurückgeblieben.

Ich spreche vom Produktionsertrag im Ganzen und darf es tun, denn die Produktion ist, was sie zu Anfang nicht war, im Laufe der Entwicklung ein Ganzes geworden. Die natürlichen Produktionsbedingungen sind derart angeordnet, daß eine wechselseitige Verschlingung aller einzelnen Produktionszweige eintritt. Die Okkupation der ersten, kulturlosen Zeiten standen jede für sich. Jede hatte ihr eigenes Objekt, das in den anderen nicht vorkam; die geringeren Hilfsmittel, die man überhaupt besaß, waren allenthalben verschieden, nur die Arbeit war gemeinsam, aber ohne ein Bindemittel zu sein, da keine Arbeitsverrichtung von der anderen abhing. In den entwickelten Produktionen sind es gleichfalls je spezifische Güter, die hauptsächlich den Stoff der begehrten Erzeugnisse enthalten oder sonst denselben einen charakteristischen Beisatz geben; aber außerdem haben die Produktionien viele verbindende Elemente. Die Menschen haben gelernt, gleiche oder doch ähnliche Erfolge durch die mannigfachsten Variationen der Zusammenstellung von Produktivmitteln zu erreichen, sowie sie auch dieselben Produktivmittel, indem sie sie mit verschiedenen Beimischungen verwenden, zu vielfach verschiedenen Erfolgen zu nützen wissen. Inbesondere auch der Umstand daß man zur Verstärkung der persönlichen Arbeitskraft sich in vielen Produktionen mit Geräten, Werkzeugen und Maschinen aus denselben Stoffen oder gar derselben Art behilft, welche überdies dieselben Zusätze brauchen, gibt einer überaus großen Reihe von Produktioinszweigen einen gemeinsamen Inhalt und trägt dazu bei, ihren spezifischen Charakter abzuschwächen. Es wird kaum eine Art Gütererzeugung gefunden werden können, die so abseits vom allgemeinen Stock der übrigen stünde, daß sie mit ihnen nichts sonst, als die menschliche Arbeit gemeinsam hätte. Die Produktion ist ein Ganzes, jeder Teil wird mit Rücksicht auf das Übrige gepflegt, erweitert und beschränkt.

Braucht die Behauptung, daß der Produktionsertrag im Ganzen nie die Ansprüche befriedige, des Beweises? Wann hat es die Zeit gegeben, wo ist der Ort, da die große Menge des Volkes wirklich freie Behaglichkeit genießen kann? Wo herrscht nicht Armut? Wo ist das Elend ausgetilgt? Wahrlich, die Arbeit und die Erholung sind die besten Genüsse, die die Wirtschaft den meisten Menschen gewährt.

Der aufgestellte Satz berührt sich mit einem Gesetz der Volksvermehrung. Das Anwachsen des Reichtums ist immer mit einem Anwachsen der Volkszahl verbunden gewesen. - Es gehört nicht zu unserem Thema, das Verhältnis beider Tendenzen zu beurteilen.

Vierter Satz.  Der Grund, weshalb der produktive Ertrag unter den Ansprüchen zurückbleibt, liegt, soweit die Verhältnisse der Güter in Betracht kommen, darin, daß die Vorräte an wirtschaftlich verwendbaren Produktivgütern fast durchgehend unter dem Bedarf zurückbleiben; die meisten der Produktion überhaupt wirtschaftlicher Weise verwendbaren Güterarten sind in zu geringer Menge vertreten; an jedem Produktionsakt ist mindestens eine solche Art beteiligt.

Das ist der schwierigste Satz, der nicht ohne einiges trockenes Nachdenken erledigt werden kann. Zunächst ist eine Vorbemerkung über eine wesentliche Erscheinung der Produktion nötig.

Die Produktion eines neuen Gutes setzt immer die Verbindung zweier oder mehrerer bereits vorhandener Güter voraus. Zumindest zwei Güter, die menschliche Arbeit und ein Arbeitsgegenstand, müssen zusammentreffen. Jede größere produktive Ergiebigkeit hängt davon ab, daß sehr viele Güter befruchtend aufeinander wirken. Die üblichen Namen bezeichnen das Verhältnis passend; man nennt das einzelne Produktivgut Produktivfaktor, das Erzeugnis mehrerer ihr Produkt. MENGER nennt die zusammengehörigen Produktivfaktoren mit einem treffenden Ausdruck komplementäre Güter; sie können nicht bloß, sondern sie müssen zusammenwirken, um den erwarteten Ertrag zu geben. Wenn eines von ihnen ganz oder mit einem Bruchteil ausfällt, so wird auch irgendein anderes oder werden mehrere andere ganz oder mit einem Bruchteil außer Wirksamkeit gesetzt oder, was dasselbe ist, in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt.

Von den mehreren zu einer Produktion zusammenwirkenden Gütern kann das eine im Überfluß vorhanden sein, während der Vorrat eines andern den Bedarf nicht deckt. Die Probe, welches Verhältnis zwischen Vorrat und Bedarf stattfinde, ist in folgender Weise zu machen. Man hat zu untersuchen, ob die Vermehrung der Stücke der in Frage kommenden Art, unter übrigens gleichen Umständen, die Ausdehnung der Produktion erlaube und ob die Verminderung die Einschränkugn gebiete. Ist dies der Fall, dann war der Vorrat, den man besaß, nicht zu groß; tritt aber das Gegenteil ein, hat die Vermehrung der Stücke der in Frage kommenden Art, unter übrigens gleichen Umständen, die Ausdehnung der Produktion erlaube, und ob die Verminderung die Einschränkung gebiete. Ist dies der Fall, dann war der Vorrat, den man besaß, nicht zu groß; tritt aber das Gegenteil ein, hat die Vermehrung des Vorrates die Ausdehnung der Produktion und seine Verminderung ihre Einschränkung nicht zur Folge, dann war der Vorrat überreich. Die freie atmosphärische Luft ist ein in jeder Produktion wirksamer Faktor, aber was würde es zur Ergiebigkeit der produktiven Akte beitragen, wenn der Raum über uns noch weiter hinaus als bisher mit Luft angefüllt würde? Daraus, daß der Produktionsertrag im Ganzen unzureichend ist, folgt daher noch nicht, daß alle einzelnen Produktivfaktoren in unzureichender Menge vertreten sind. Es bedarf noch einer besonderen und, wie wir sehen werden, ziemlich schwierigen Untersuchung, um sich über das Verhältnis klar zu werden, welches im Einzelnen zwischen dem Vorrat und dem Bedarf an Produktivgütern besteht.

Für die kulturlosen Zeiten der Wirtschaftsanfänge ist es charakteristisch, daß eine vergleichsweise große Reihe von wirtschaftlich verwendbaren Produktivgüterarten überreich vertreten war. Der Grund, weshalb nichtsdestoweniger die damaligen produktiven Erträge noch tiefer unter dem viel geringeren Bedarf der dünnen Bevölkerungen von damals zurückblieben, als unsere heutigen Erträge unter unseren gesteigerten Ansprüchen zurückbleiben, lag in einem fast völligen Mangel an den komplementären Kulturgütern, welche die Nutzbarkeit der natürlichen Ausstattungen der Erde und des Menschen zu genießen gestatten und welche erst durch längere und überlegte wirtschaftliche Tätigkeit gesammelt werden können. Trotz eines Überflusses an Grund und Boden, an Wäldern, an ungeschulten Arbeitskräften, litt man doch Mangel an den Produkten, die durch die Verbindung dieser Faktoren der Erzeugung mit anderen zu gewinnen sind. In jeder hochentwickelten Wirtschaft ist es dahin gekommen, daß der Vorrat dieser natürlichen Produktionsfaktoren den Bedarf nicht mehr deckt. Dies rührt keineswegs bloß von der Vermehrung der Zahl der zu versorgenden Individuen her - eine Erklärung, die insbesondere in Betreff der Arbeit nicht gelten kann, weil fast jeder neue Bedürftige auch ein neuer und bei zunehmender Kultur auch ein fruchtbarer Arbeiter ist - sondern es hat seine Ursache noch darin, daß die reichen Völker durch den endlich erworbenen Besitz einer hinreichenden Menge von geeigneten komplementären Gütern in den Stand gesetzt sind, eine weit größere Summe von Stücken und Einheiten jener natürlichen Faktoren produktiv zu verwerten. Es war ein Fortschritt des Reichtums, der Geschicklichkeit, des Genusses, jenen Überflußu in Knappheit zu verwandeln. Um was man hier die Fülle einengte, um das wußte man die Armut an Genußgütern der Wohlhabenheit näher zu bringen. Es ist der Gang der wirtschaftlichen Entwicklung, daß die Menschen lernen, sich der natürlichen gegebenen Bedingungen ihres Gedeihens durch die Hinzufügung künstlich gewonnener Hilfsmittel mehr und mehr zu bemächtigen.

Allerdings ist hierin bisher nur der erste Schritt gelungen. Man hat sich - nur wenige Güter ausgenommen - aller Stücker der überhaupt als wirtschaftlich verwendbar erklärten Arten bemächtigt, aber es fehlt noch viel, daß man sich auch ihres ganzen bekannten Nutzgehaltes, bemächtigt hätte, der in ihnen unerkannt schlummernden Kräfte, die sich uns durch allerlei Wirkungen vorkündend anzeigen, ganz zu schweigen; und außer den für wirtschaftlich verwendbar erklärten Arten gibt es viele, ihnen nahe verwandte, die auch heute noch nicht in die Produktion einbezogen werden. Einst vermochte man nicht alle für fruchtbar gehalten Grundstücke zu bebauen, heutzutage vermag man es in hoch kultivierten Ländern, aber man vermag noch immer nicht die sämtlichen Bodenkräfte der fruchtbaren Grundstücke zu nutzen und man erklärt noch immer Grundstücke für unfruchtbar und daher für betriebsunfähig, die auch produktive Kräfte in sich enthalten. Die Ursache der Beschränkung ist dieselbe, wie einst. Es fehlt noch immer an der nötigen Menge zusetzbarer komplementärer Güter.

Unsere Behauptung, daß die Vorräte an Produktivgütern zumeist nicht ausreichend seien, bezieht sich bloß auf die als wirtschaftlich verwendbar erklärten Güterarten und Güterkräfte. Alle übrigen Arten und Kräfte sind dadurch, daß die zu ihrer Befruchtung erforderlichen Zusatzgüter mangeln, überhaupt außer Anschlag gesetzt. Die Hinweisung auf ihr Vorhandensein gibt nicht die Berechtigung, das Urteil anzufechten, daß die wirtschaftlich verwendbaren Arten und Kräfte in zu geringer Menge vertreten seien. Die Vermehrung dieser letzteren wird als ein wirtschaftlicher Vorteil, ihre Verminderung wird als ein Nachteil empfunden werden und damit ist der Beweis für das aufgestellte Urteil erbracht. Ein genaueres Nachdenken wird dies klar machen.

Damit ein Gut seinen produktiven Nutzgehalt abgebe, ist stets ein Zusatz komplementärer Güter von gewisser Größe erforderlich. Wenn weniger als diese Größe aufgewendet wird, so tritt gar kein produktivr Erfolg ein. Wenn ich das Holz eines Baumes benützen will, so habe ich nichts davon, den Stamm halb durchzusägen; ich muß die Arbeit ganz tun, wenn ich überhaupt Nutzen von ihr haben soll. Jeder über diese Größe hinausgehende Zusatz bringt bis zu einer gewissen Grenze bei allen produktiv verwendbaren Gütern eine Steigerung des ersten Ertrages hervor; dies ist nicht bloß beim landwirtschaftlich benützten Grund und Boden oder bei Bergwerken - von denen es am häufigsten behauptet wird - der Fall, sondern auch bei der menschlichen Arbeitskraft, die dadurch nutzbarer gemacht werden kann, daß man ihr mehr Stoffe oder mehr Hilfsmittel zur Verfügung stellt und bei den produktiven Kapitalien, welcher Art sie auch seien, die dadurch nutzbarer gemacht werden können, daß man ihnen mehr Arbeitskräfte zuwendet, sie auf ergiebigere Grundstücke anlegt oder sie mit reicheren Zusätzen von anderen Kapitalien befruchtet. Das Verhältnis, in welchem vermehrte Zusätze den Ertrag steigern, kann verschieden sein. Es kann sein, daß die zweite Zusatzrate bei gleicher Größe einen geringeren Ertrag hervorbringt als die erste, es kann aber auch sein, daß beide zusammen mehr als das Doppelt des Ertrages der ersten hervorbringen. Sehr viel wird davon abhängen, wie groß man die Raten denkt und wie gesättigt die Produktion bereits ist. In beiden Fällen aber wird man zu dem Schluß gelangen, daß trotz des Vorhandenseins von anderen unbenützbaren Güterkräften diejenigen Güterkräfte, welche man wegen des allzu geringen Besitzes an zusetzbaren Gütern allein in wirtschaftliche Verwendung zu ziehen vermag, doch in zu geringer Menge vorhanden sein können.

Angenommen, daß die ersten produktiven Erträge die größten sind, so treibt die wirtschaftliche Klugheit dazu an, die unzureichende Menge der verfügbaren Zusatzgüter so zu verteilen, daß überall die ersten und größten Erträge gewonnen werden können. Die minderen Kräfte eines Grundstückes z. B. werden erst dann in Anspruch genommen werden dürfen, wenn die wirksameren Kräfte sämtlicher übriger Grundstücke bereits alle befruchtet sind und daher nirgends bei gleichem Zusatz höhere Rentabilität erwartet werden kann. Obwohl nun bei diesem Verfahren noch ein gewisser Bodengehalt unbenützt bleibt, kann es dennoch dahin kommen, daß Grund und Boden zu mangeln beginnt. Dies wird von dem Augenblick an der Fall sein, sobald die Ausnützung der fruchtbarsten und gewinnbringendsten Bodenkräfte den Bedarf an Bodenfrüchten nicht mehr decken sollte; dann wird es zu wenig Grundstücke geben, wenn es auch noch eine Überfülle unbenützter Bodenkräfte gibt. Machen wir die Probe! Welche Wirkung hätte unter dieser Voraussetzung die Vermehrung der Grundstücke? Sie brächte offenbar Vorteile; da mit jedem neuen Grundstück auch wieder Bodenkräfte bester Kategorie hereinkommen, wäre es möglich, daß eine Ertragsmenge, welche bisher nur aus minderen Bodenkräften, d. h. mit stärkeren Zusätzen, hätte gewonnen werden können, nunmehr aus besseren Kräften mit minderen Zusätzen hervorgebracht werde, es wäre also möglich, entweder den gleichen Ertrag mit einer Ersparnis an Zusätzen - die dann anderen notleidenden Produktionen zugute käme - oder einen höheren Ertrag mit den gleichen Zusätzen wie bisher zu gewinnen. Umgekehrt brächte die Verminderung Nachteil, indem sie entweder erhöhte Zusätze - die anderen Produktionen entzogen werden müßten - oder verminderten Ertrag zur Folge hätte. Die Vermehrung muß als Gewinn, die Verminderung als Verlust angesehen werden, es ist also das Urteil gerechtfertigt, daß die vorhandene Zahle der Grundstücke nicht zu groß, sondern zu klein ist.

Wie ist das Urteil im anderen Fall abzugeben, daß die Vermehrung der Zusätze eine verhältnismäßig noch stärkere Vermehrung des Ertrages verheißt? Vorausgesetzt z. B., daß eine Klasse von Gewerbetreibenden nicht reich genug ist und nicht Kredit genug findet, um statt des Handbetriebes den besser lohnenden Maschinenbetrieb einzurichten, wie verhält es sich mit dem Urteil über die Quantität der Arbeitsstoffe, welche, wenn der Maschinenbetrieb eingeführt würde, einen weitaus höheren Ertrag geben würden, sind, auch solange er nicht eingeführt werden kann, wirtschaftliche Hilfsmittel, deren man sich nicht ohne Schaden entschlagen darf. Ihre Vermehrung, die eine Ausdehnung der Erzeugung, wenn auch nur in der üblichen minderen Betriebsart gestattet, ist immerhin ein Gewinn, ihre Verminderung ein Verlust. Sie werden wie andere Besitztümer angesehen, die in zu geringer Zahl vorhanden sind und deren Gewinn man wünscht, deren Verlust man beklagt.

Was von den verschiedenen Klassen der Güterkräfte gilt, gilt analog auch von den verschiedenen Güterarten.

Güter, die nach ihrer äußeren Erscheinung in eine Gattung gereiht werden, sind nicht immer zu produktiven Leistungen gleich fähig; sie vergelten nicht immer gleiche Zusätze von komplementären Gütern mit gleichem Erfolg, sie sind, wie wir sagen, mehr oder minder fruchtbar und ergiebig. Der Verschiedenheit der Fruchtbarkeit oder Ergiebigkeit ist jene Verschiedenheit der Rentabilität gleichzuhalten, welche durch die Verschiedenheit der Lage, sei es zum Marktort oder zum Bedarfsort oder zum Fundort der komplementären Güter oder zu den Betriebsorten der Erzeugung oder sonst durch Verschiedenheiten im Verhalten zu den komplementären Gütern begründet ist und infolge deren vom unmittelbaren Reinertrag ein größerer oder geringerer Anteil zur Deckung entfernterer Gestehungskosten abgeschlagen werden muß. Wenn man nicht genügend viele Zusatzgüter besitzt, um alle vorhandenen Stücke auszubeuten, wird man zuerst diejenigen bewirtschaften, welche bei gleichen Zusätzen nach Abschlag aller Kosten die größten Erträge geben; auf Stücke minderer Qualität oder überhaupt minderer Rentabilität wird man erst dann greifen, wenn man auch bei den besser rentierenden auf mindere Kräfte herabgehen muß. So kann es z. B. kommen, daß manche Grundstücke, für welche wegen ihrer allzu ungünstigen Bedingungen keine Zusatzgüter bewilligt werden dürfen, ganz unbenützt bleiben. Trotzdem kann das Urteil gerechtfertigt sein, daß die Grundstücke der besseren Rentabilitätsklassen, die man allein anbauen darf, in zu geringer Menge vorhanden seien. Ihre Vermehrung kann durch Ertragserhöhung oder Ersparnis an Zusätzen gewinnbringend und ihre Verminderung durch die entgegengesetzten Wirkungen verlustbringend sein. Ebensowenig wird das Urteil, daß abbauwürdige Minen oder wirtschaftlich verwendbare Arbeit in zu geringen Mengen vorhanden seien, dadurch aufgehoben, daß sich zugleich minder rentable Minen oder mindere Arbeitskräfte finden, die nicht benützt werden. In Hinsicht auf die künstlich erzeugten Produktivmittel wird ein solches Verhältnis auf die Dauer nicht zu beobachten sein, da man die Neuerzeugung immer auf die Bewirtschaftung rentierender Arten beschränken wird.

Wenn man, in dieser Weise rechnend, die Wirtschaftsmittel eines reichen Volkes abschätzt, so wird man finden, daß fast durchaus der produktive Vorrat unter dem Bedarf zurückbleibt. Nicht bloß Grund und Boden, sondern auch Kapital und Arbeitskraft mangelt und ist, im weiteren Sinn des Wortes, Gegenstand eines Monopoles, indem die Besitzer die Eingeschränktheit der verfügbaren Quantität zu ihren Gunsten geltend zu machen wissen. Ein oft verkannter Satz! Nicht bloß der Grund und Boden bedarf des Zusatzes von Kapital und Arbeit, sondern ebenso bedarf das Kapital der Verbindung mit Grund und Boden und Arbeit und die Arbeit der Verbindung mit Grund und Boden und Kapital; und weil jeder produktive Faktor der anderen bedarf, wird die Knappheit des einen zugleich die Ursache der Knappheit der anderen.

Es bedarf, um zu dieser Überzeugung zu kommen, keiner technischen Kenntnis der einzelnen Produktionszweige, es bedarf hierzu überhaupt keiner besonderen Beobachtung, keiner Mühe des Sammelns von Tatsachen, keines Nachzählens in den einzelnen vorkommenden Fällen, sondern es bedarf nur des Nachdenkens. Es bedarf nur des Nachdenkens, weil das ganze erforderliche Beobachtungsmaterial in der gemeinen Erfahrung, die jederman erwirbt, der offene Augen hat, bereits gesammelt ist.

Tag für Tag, Stunde für Stunde haben wir stets dasselbe Bild vor uns von Menschen, die ihren Besitz an Kapitalien und sonstigen Produktivmitteln behüten, die ihn zu vervielfältigen wünschen und sich bemühen, die ihn zu verlieren oder an ihm Abbruch zu erleiden fürchten und vermeiden. Da und dort gedenken wir es anders bemerkt zu haben und wir sind uns, wenn auch nicht mehr aller einzelnen Fälle der Ausnahme, so doch noch des starken Kontrastes bewußt, den sie als seltene Ausnahmen erregten. Wie oft ist es zu sehen, daß die Menschen die Schwankungen der produktiven Kräfte, die sie benützen, gleichgültig vorübergehen lassen, wie sie die Wellen des Flusses gleichgültig verrinnen lassen, der immer stark genug ist, ihre Mühlen zu treiben und ihre Schiffe zu tragen? Blicken wir um uns und wir sehen alles, was zu Gütererzeugung dient und überhaupt der menschlichen Verfügung unterwerfbar ist, mit verschwindend wenigen Ausnahmen im festen Besitz, als Eigentum ergriffen und abgesondert, als Vermögen gefühlt, als Recht geschützt, dem einen allein zugehörig und den anderen verboten. Hier ist eine Beobachtung, die eine Fülle von Tatsachen in sich schließt; wir haben sie nur durch Nachdenken fruchtbar zu machen. Warum wird Besitz, Eigentum, Vermögen, Recht hier ergriffen und verteidigt und dort nicht? Welcher Tatbestand gibt die Veranlassung? Die Knappheit hier, der Überfluß dort, denn wo zu wenig ist, muß das Wenige behütet werden, wo zu viel ist, mag man sorglos sein. Wie aber, so spinnt sich der Gedanke weiter, darf man Knappheit an solchen Gütern annehmen, deren Kräfte nicht einmal vollkommen ausgenützt und deren verwandte Arten unbewirtschaftet vernachlässigt werden? Wir haben dem Einwand geantwortet und uns deutlich gemacht, was als Vorrat, was als Bedarf gelte und haben verstanden, daß die Ausnützung jedes produktiven Faktors von der Macht, andere zuzusetzen, abhängig sei, daß der Reichtum in einigen Stücken nur dann als Reichtum zähle, wenn er in den anderen Stücken Ergänzung finde und daß man an der einen Hälfte der Dinge Mangel leide, bloß weil man in der andern arm geblieben. Damit wäre die nächste Einwendung beruhigt, aber stellen sich nicht neue entgegen?

Vielleicht ist die zu geringe Ergiebigkeit der Produktion einfach durch die Schwierigkeiten der Produktion begründet. Man kann es oft sagen hören, daß die Erde Gaben genug biete und daß es nur den Menschen allzu schwierig sei, sie zu heben. Die Phantasie naiver Völker träumt gerne von unermeßlichen Schätzen, die im Schoß des Meeres und der Gebirge unberührt ruhen, die Phantasie gebildeter Nationen, die durch die Entdeckungen der physischen und chemischen Wahrheiten so berauscht sind, wie einst ihre Vorfahren durch die Entdeckungen der Gold- und Perlenländer, schwelgt weniger romantisch und doch ebenso abenteuerlich im Gedanken an die unerschöpflich Menge der Elemente der organischen Lebensprozesse, die die Natur birgt und an die Hoffnung einer bis in die geheimsten Tiefen der Lebenserzeugung reichenden menschlichen Herrschaft. Dann wird wohl die Klage erhoben, daß allzu große Hindernisse sich der Verwirklichung der also ausgespannten Wünsche entgegenstellten, Hindernisse, die nicht auf Seiten der Dinge, an denen sich alles füge, sondern auf Seiten der Menschen lägen. Nun mag es sein, daß der nähere Grund, den wir zur Erklärung des Zurückbleibens der Produktion angegeben haben, die Knappheit an wirtschaftlich verwendbaren Produktivgütern, sich auf den entfernteren zurückführen lasse, das mitten in der Überfülle geeigneter Lebensbedingungen die Schwierigkeiten zu groß sind, sie zu fassen, so daß die Menschen vergebens schmachten, indessen die Quellen allen Lebens überreich fließen; lassen wir diese Behauptung unangefochten. Vorausgesetzt, daß sie richtig ist, so bestätigt sie doch wieder unsere Meinung, daß diejenigen Güter, welche Gegenstände der Wirtschaft werden, in zu geringer Menge vorhanden seien. Die Schwierigkeiten vermehren den Zugang zum bereit liegenden Überfluß und die Menschen bleiben auf die knappe Menge dessen, was sie erreichen können, angewiesen. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Produktion können nur von zweierlei Art sein: entweder ist geradezu ein besonderer Aufwand an Mitteln erforderlich, der nicht aufzubringen ist oder es handelt sich um die Verwendung solcher Produktivmittel, deren Wirkung unsicher ist, deren Bearbeitung mit Gefahren oder mit aufreibender Mühe verbunden ist, oder deren Bedingungen nur von wenigen, besonders begabten Männern erkannt und ausgenützt werden können, kurz, es handelt sich um solche Güter, welche mit Rücksicht auf die Natur der sachlichen und persönlichen Hilfsmittel, mit denen zusammen sie erst die gewünschte Wirkung geben, zum gesetzten Zweck nicht tauglich sind. Sagen, daß es genug Produktivmittel, aber zu viele Produktionsschwierigkeiten gebe, kommt immer darauf hinaus, zu sagen, daß es genug Dinge gebe, die man nicht recht zu brauchen wisse und vermöge, aber zu wenige, die eigentlich wirksam zu machen seien.

Vielleicht ist das einzige Produktionshindernis in die zu geringe Leistungsfähigkeit der menschlichen Arbeitskraft zu setzen. Auch dieser Gedanke wird ausgesprochen: Wenn nur die menschliche Arbeitskraft verbessert und vervielfältigt werden könnte, so müßte es gelingen, alle Wünsche zu befriedigen, da alle übrigen Güter sonst in ausreichender Menge vorhanden wären; an der Arbeitsgüte und Menge allein mangelte es also. Der Gedanken hat etwas Verlockendes, er muß aber dennoch zurückgewiesen werden. Die Arbeit ist dadurch vor allen Gütern ausgezeichnet, daß sie allein allen Produktioinen gemeinsam ist. Während die Vermehrung der übrigen Güter nur partiell, je in einzelnen Produktionszweigen eine Erweiterung gestattete, käme die Vermehrung der verfügbaren Arbeitskraft universell allen Produktionen zugute. Weil die Arbeit die gemeinsame Beigabe aller Produktionen ist, so folgt aus ihrer Vermehrung mit einem Schlag die Vermehrung in allen Dingen. Um die gleiche Folge von der Grundlage der stofflichen Produktionselemente zu denken, die kaum übersehbar mannigfach sind, braucht es ein größeres Verständnis der Bedingungen der Wirtschaft, einen klareren Überblick und eines geübteren Kopfes. Die geringe Leistungsfähigkeit der Arbeit ist die am leichtesten zu denkende der denkbaren Erklärungen der geringen Ergiebigkeit der Produktion, und mit einem üblichen Denkfehler nennt man die leichter zu denkende Ursache die Ursache schlechthin.

Die menschliche Arbeit ist noch durch ein anderes Merkmal vor den übrigen Produktionsmitteln ausgezeichnet. Während uns der Verbrauch solcher sachlicher Güter, die im Überfluß vorhanden sind und auch nach dem Verbrauch vorhanden bleiben, gleichgültig läßt, läßt uns der Verbrauch persönlicher Arbeitskraft nie gleichgültig, ob sie für ihren Dienst zu groß oder gering sein mag. Das bloße Leisten einer Arbeit berührt den Arbeiter als ein wichtiges Geschehnis. Ist nicht in diesem Umstand ein Erklärungsgrund dafür zu finden, daß mit der Arbeit und den Produkten, an deren Hervorbringung sie mitbeteiligt ist, d. i. mit allen Produkten gewirtschaftet wird? Können also nicht Güter, ohne Rücksicht auf ihr Mengenverhältnis, bloß wegen der mitverbundenen Arbeitsleistung, Objekte der Wirtschaft werden?

In der Tat, es ist möglich. Die Arbeit kann Gegenstand der Wirtschaft werden, auch wo sie im Überfluß verfügbar ist; infolgedessen können auch die Produkte, an deren Hervorbringung die Arbeit mitbeteiligt ist - Arbeitsprodukte, wie wir sie gewöhnlich kurz und falsch nennen - unter Umständen abgesehen von ihrem Mengenverhältnis Gegenstände der Wirtschaft werden. Wenn ich sage, es könne so sein so meine ich zunächst, daß der Fall denkbar sei; es ist etwas im Charakter der Arbeit, was die Folgerung zuläßt. Ich meine überdies, daß sich der Fall auch ereigne. Er ereignet sich häufiger in Epochen unentwickelter Wirtschaft und er ereignet sich, wenn auch seltener und auf enge Wirkungssphären beschränkt, in Epochen hochentwickelter Wirtschaft. In Lagen, wie sie sich jetzt in den kultivierten Ländern finden, gebricht es für das große Ganze der Wirtschaft an Arbeitskräften, wie es an den meisten Produktivmitteln gebricht, und hier wird die Fähigkeit der Arbeit, aus sich heraus ein Gegenstand der Wirtschaft zu werden, für das große Ganze der Wirtschaft nicht mehr praktisch, weil ihre Wirkungen von den viel größeren Wirkungen, die die Knappheit an Arbeitskräften hervorbringt, überboten und gleichsam verschlungen werden. Bei uns ist die Arbeit in der Hauptsache nicht wegen ihres zu geringen Menge ein wirtschaftliches Gut.

Es möge gestattet sein, den genaueren Beweis für diese Behauptung auf einen späteren Punkt der Untersuchung aufzuschieben. Dieselbe Frage, welche in Hinsicht auf die Beziehung zwischen Arbeit und Wirtschaft aufgeworfen wird, wird auch in Hinsicht auf die Beziehung zwischen Arbeit und Wert aufgeworfen. Dort werden wir sie, zu ihrer Lösung besser vorbereitet, wieder aufnehmen können. Für jetzt möge es genügen, die eine Tatsache zu verzeichnen, daß bei einem solchen Stand der Wirtschaft, wie er sich bei uns findet, die Menge der verfügbaren Arbeitskräfte im großen Ganzen unter dem Bedarf bleibt. Niemand wird daran zweifeln, daß die bloße Vermehrung der wirtschaftlich verfügbaren Arbeitskräfte, auch ohne Verbesserung der Geschicklichkeit, der Organisation und der Naturerkenntnis, zu einer Vermehrung des produktiven Ertrages führen müsse; noch weniger wird bezweifelt werden können, daß ihre Verminderung den Ertrag schmälern müsse. Es sind nur einige Bemerkungen notwendig, um den Sinn des Satzes vollkommen klar zu machen.

Es wurde bereits erklärt, daß manche zu wenig ergiebige Arbeitskräfte und Bruchteile von Arbeitskräften der wirtschaftlichen Verfügung deswegen entzogen sind, weil es an den zu ihrer Befruchtung erforderlichen Zusatzgütern fehlt. Einige andere Umstände wirken in demselben Sinn, sie engen den Machtkreis der wirtschaftlichen Verfügung ein. Die Arbeitsmenge, auf deren Mitwirkung zu rechnen ist, ist im Verhältnis zur Menge, die im Fall der höchsten Ausnützung der Arbeitskraft ausgenützt werden könnte, fast so gering, wie nach der biblischen Parabel vom Sämann der Teil des Samens, der auf fruchtbaren Boden fiel und hundertfältige Früchte trug, zu der ganzen Menge des Samens, mit der der Mann ausging, um sie auf seinen Acker zu säen. Ein Teil der vorhandenen Arbeitskraft geht immer auf dem Weg und auf der Suche nach Beschäftigung verloren. Ein Teil bleibt unbenützt, weil gar manche Personen, Reiche und Arme, ihre Tage in Untätigkeit verleben. Ein Teil wird selbst von der arbeitsamen Masse der Bevölkerung der Förderung des großen volkswirtschaftlichen Prozesses entzogen und zu persönlichen Zwecken der Einzelnen reserviert, er ist nicht um Geld und nicht für Fremde feil. Ein Teil endlich, welcher feilgeboten wird, wird zu einem höheren Preis angeboten, als für ihn bewilligt werden kann; man hätte für ihn Verwendung, aber keine solche, deren Ertrag die Ansprüche der Arbeiter deckte. Die Arbeiter müssen mindestens einen so hohen Lohn verlangen, daß sie leben können und um dieser Forderung willen kann es sein, daß ihr Angebot von denen zurückgewiesen wird, die ihnen Beschäftigung geben könnten. Der nach allen Abzügen bleibende Rest der Arbeitskraft eines Volkes allein ist es, der im großen volkswirtschaftlichen Prozeß verwendet wird und Früchte bringen kann. Er ist es, von dem wir behaupten, daß seine Größe dem Bedarf nicht genügt.

Da an jeder Produktion Arbeit beteiligt ist, so ist an jeder Produktion mindestens ein Faktor beteiligt ist, so ist an jeder Produktion mindestens ein Faktor beteiligt, dessen Vorrat im Verhältnis zum Bedarf knapp bemessen ist.

Fünfter Satz.  Überproduktion in einzelnen Produktionszweigen ist, was die natürlichen Bedingungen anlangt, möglich, aber sie ist ein wirtschaftlicher Fehler. Die Anspannung gewisser einzelner Produktionszweige bis zum Maß der Ansprüche und mithin die vollständige Befriedigung der an sie gewiesenen Bedürfnisse ist zwar wirtschaftlich erlaubt und geboten, aber der Druck des Mangels, der auf dem Ganzen der Produktion lastet, lastet auch auf ihnen.

Die Übertreibung der Gesamtproduktion über die Grenzen des Bedarfs hinaus ist technisch unmöglich, weil es an den hierzu erforderlichen Mitteln fehlt. Die Übertreibung mancher einzelner Produktionszweige, die gerade an eigentümliche, nur ausnahmsweise vorfindliche Bedingungen gebunden sind, wie z. B. der Produktion gewisser Weine, die nur in besonderen, enge abgegrenzten Lagen gedeihen, ist augenscheinlich aus demselben Grund des Mangels an materiellen Hilfsmitteln unmöglich. Rücksichtlich der großen Masse der Produktionszweige liegen die Bedingungen etwas anders. Die Produktionsbedingungen liegen derartig, daß jeder einzelne von ihnen, wenn er allein, unter Ausschluß der übrigen, mit Anstrengung aller tauglichen Hilfsmittel betrieben würde, wohl weit über die Grenzen des Bedarfs hinaus ergiebig gemacht werden könnte. Wenn die Menschen es allenthalben und von Grund auf darauf anlegen wollten, möglichst viele Schuhe zu erzeugen, so könnten sie ohne Zweifel ihren produktiven Arbeiten eine solche Richtung und Ausdehnung geben, daß bei weitem mehr Schuhe erzeugt würden, als zu verwenden wären. Daß die Menschen nicht so handeln, hat zweierlei Gründe. Einmal hätte ein solches Verfahren gar kein Motiv für sich; wo das Begehren aufhört, hört auch das Handeln auf. Dann aber hat es ein Motiv gegen sich; durch dasselbe würden die ohnedies zu schmalen Mittel für die übrigen Produktionen noch mehr geschmälert. Wer alle Umstände als kluger Wirt erwägt, wird mit dem Urteil schließen, daß die Übertreibung irgendeines einzelnen Produktionszweiges obwohl es im trockensten Sinne des Wortes hierfür nicht an Mitteln fehlt, dennoch wegen der Unzulänglichkeit der wirtschaftlich verfügbaren Güter ausgeschlossen sei. Dieses Urteil trifft bei jedem der hierher gehörigen Produktionszweige zu, weil bei jedem mindestens ein Faktor beteiligt ist, dessen Vorrat im Ganzen unter dem Bedarf bleibt.

Hierdurch entsteht bezüglich der meisten Produktionen leicht die Täuschung, als ob sie gar nicht durch materielle Schranken eingeengt wären. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint es, also ob das Hindernis ihrer Ausbreitung gar nicht am Können, sondern nur am Wollen läge.

Die Anspannung gewisser Produktionszweige bis zum Maß der Ansprüche und bis zur vollen Befriedigung der an sie gewiesenen Bedürfnisse ist erlaubt, ja sogar geboten. Es ist unklug, einen einzelnen Produktionszweig auf Kosten der anderen über den Bedarf hinaus mit Produktivmitteln zu dotieren; aber es ist nicht unklug, innerhalb der Grenzen des Bedarfs gewisse einzelne Produktionszweige auf Kosten der übrigen reichen zu dotieren, im Gegenteil, es müssen wirtschaftlicher Weise Abstufungen gemacht werden. Wenn man die Produktionen ärmerer und reicherer Völker vergleicht, so mag man wohl finden, daß ein ärmeres Volk gewisse, bei den reicheren blühende Produktionen allzu luxuriöser Dinge gar nicht unternimmt, daß es die Erzeugung von mittleren Qualitäten einschränkt und daß es dennoch in der Erzeugung der dringendsten Gebrauchsartikel nicht oder nicht im gleichen Verhältnis zurückbleibt. Während der produktive Gesamtertrag allenthalben gegen den Bedarf zu gering ist, kommt es doch häufig vor, daß der Ertrag an den gröbsten Gütern den Bedarf annähernd deckt. In manchen Gegenden wird so viel von den gröbsten Sorten der Nahrungsmittel befriedigt werden, aber die dringendsten Regungen dieser Bedürfnisse, das Verlangen nach so vieler und solcher Speise, daß der Hunger gestillt und die leibliche Rüstigkeit erhalten werden kann, das Verlangen nach so vielen und solchen Kleidungsstücken, daß der Körper wohl verwahrt werden kann, finden ihre Befriedigung. Die noch ungedeckten Bedürfnisregungen sind derart, daß die erzeugten Sorten ihnen der Art nach nicht gerecht werden. Man verlangt nicht nach mehr Nahrungsmitteln und Kleidungsstücken der üblichen Qualitäten, für welche man gar keine Verwendung wüßte, sondern man verlangt nach feineren Arten, die mit den ersten Forderungen der Erhaltung des Lebens, der Gesundheit und der guten Sitte zugleich die Ansprüche auf die feineren, sinnlichen wie geistigen, Genüsse erfüllen. Wie viele Leute gibt es wohl in einem reicheren Landstrich, denen mit der Verdopplung ihrer Mahlzeiten oder ihrer Werkkleider gedient wäre? Fast alle können sich sättigen und warm halten. Sie verlangen nach einer Aufbesserung, aber dieselbe kann nicht durch bloße Vervielfältigung der Güter, die sie gebrauchen, herbeigeführt werden. Die reicheren Volksklassen sind nicht bloß mit den gröbsten Gebrauchsartikeln, sondern mit vielen, zum Teil ziemlich feinen Genußmitteln vollauf versorgt, so daß sie für größere Mengen der gleichen Qualitäten bei sich selber keine rechte Verwendung fänden. So ist es eine nicht geringe Reihe von Produktionen, die bis zum Maß der Ansprüche derjenigen, welche überhaupt ihre Produkte kaufen, mit Produktionsmitteln gesättigt sind und Ertrag geben.

Dennoch stehen auch diese Produktionen und diese Erträge unter dem Druck, der auf dem Ganzen der Produktion und des Ertrages in Folge der Unzulänglichkeit der verfügbaren Mittel lastet. Man erzeugt und besitzt nicht zu wenig, aber doch auch nicht zuviel. Man darf nichts vergeuden. Jeder unnütze Verlust beraubt entweder unmittelbar eines Mittels zur Bedürfnisbefriedigung, das man nicht ersetzen kann oder wenn er selbst zunächst durch Wiederholung der Produktion gutgemacht werden könnte, so führt er die Schmälerung des ohnedies unzureichenden Vorrates an Gütern höherer Ordnung und damit endlich einen Ausfall in irgendeinem anderen Zweig der Produktion und der Bedürfnisbefriedigung herbei.

Die feineren Sorten nehmen zu ihrer Herstellung mehr Produktivmittel in Anspruch als die gröberen, es beruth daher immer auf einem quantitativen Zurückbleiben des Güterbesitzes, wenn man sie nicht erzeugen kann. Das ärmere Volk muß auf sie verzichten, weil es zu wenig besitzt, das reichere erhält sie, weil es mehr hat. Der Reiche genießt weder die Güter der Armen vervielfältigt, noch genießt er zu ihnen einige andere hinzu, sondern er genießt von Grund auf andere Güter, dennoch kommt es von einer Vermehrung des Güterbesitzes, daß er besser genießt. Wir wünschen die rauhen Gebrauchsgüter unserer ältesten Vorfahren nicht vervielfältigt zu besitzen; wir könnten sie gar nicht mehr als Güter anerkennen, denn wir würden nicht nur alles vermissen, was der Bequemlichkeit dient und Gefälligkeit und Reiz gewährt, sondern wir würden geradezu so viele Unzukömmlichkeiten von ihrem Gebrauch erleiden, daß wir uns durch sie zugrunde richteten, statt uns zu erhalten und zu erquicken. Dennoch nennen wir unsere Vorfahren nicht bloß darin arm, wo sie zu wenige Stücke von den Gebrauchsgütern besaßen, die sie überhaupt besaßen, sondern mit eben demselben Recht auch darin, wo sie genügend viele Stücke besaßen, aber wegen der Art ihrer Besitztümer an wichtigen Bedürfnissen Entbehrung erdulden oder gar sich Schaden zufügen mußten. Der noch so reichliche Besitz gewisser Arten von Gebrauchsgütern ist ein Symptom des Mangels an gehörigen und an der ausreichenden Menge von Produktivgütern. Das Verlangen nach Bereicherung löst sich in letzter Linie immer in ein Verlangen nach Vermehrung der Produktivgüter der bekannten Arten oder nach Hinzufügung neuer Arten auf. Der Fortschritt von der Armut zum Reichtum ist quantitativ.

Das sind die allgemeinen Sätze, welche über das Verhältnis zwischen dem Vorrat und dem Bedarf an wirtschaftlichen Gütern aufzustellen sind.

Die Klagen über die unzureichende Größe des wirtschaftlichen Besitzes sind in aller Munde. Es scheint nicht, daß man über dieses Thema etwas sagen könnte, was nicht schon alle gesagt hätten und daß man den Mangel irgendwo aufdecken könnte, wo ihn nicht schon alle gekannt hätten. Und doch ist beides der Fall. Die gemeine Klage geht nicht weit genug - nein, die Klage geht weit genug, aber die gemeine Meinung vermag sie nicht in allen Punkten gehörig zu formulieren, noch zu rechtfertigen. Ein Eindruck, wie von einer allgemeinen Einschränkung in allen Gütern, mit denen man wirtschaftet, ist vorhanden und man gibt ihm nach und spricht ihn aus. Daneben sieht man in einzelnen Verhältnissen den Mangel, das Zuwenig nackt und unvermittelt, in vielen anderen verbirgt es sich unter einem Schein von Fülle und täuscht die flüchtige Beobachtung. So entsteht ein merkwürdiger Widerspruch; es entsteht eine Ansicht, die unter Umständen alle Welt anerkennt und unter Umständen alle Welt bekämpft, die jedermann hat und niemand hat; ein vom Verstand nicht begriffener Gemeinplatz des Gefühls. So konnte es geschehen, daß eine Ansicht, wie die oben erwähnte RICARDOs ohne Anstoß ausgesprochen werden durfte, der da meint, die meisten Erzeugnisse könnten in manchem Land fast ohne bestimmbare Grenzen vermehrt werden, wenn man nur bereit sie, die nötige Arbeit an sie zu wenden und der - in seiner bekannten Grundrententheorie - unter den Erzeugungsmitteln den Grundstücken deshalb eine besondere Stellung zuzuweisen zu müssen glaubt, weil bezüglich ihrer ein natürliches Monopol bestehe.

Allenthalben, in allen Produktionen, in allen Produktionserzeugnissen und fast in allen Produktionsmitteln sind die Menschen eingeschränkt; aber freilich befinden sie sich in keiner starren, gleichmäßigen Eingeschränktheit, sondern in einer Solchen, die durch äußere Zufälle veränderlich ist, noch meh jedoch durch die Wirkung glücklicher Eingebungen und willensstarker Arbeit gemildert werden kann. Nicht nur Entdeckungen neuer Fundorte der Güter, nicht nur Erfindungen neuer Produktionsweisen sind es, die die Herrschaft der Menschen über die Natur oft mit einem Schlag erstaunlich weit ausdehnen, sondern gleich große Erfolge gelingen auch der stillen Geschäftigkeit friedlicher Jahre oder gelingen durch Verbesserung der gesellschaftlichen Ordnung und der wirtschaftlichen Einrichtungen, wodurch die Tatkraft freie Bahn erhält und die Unternehmungslust ermuntert wird, oder gelingen auch selbst, ohne irgendeine Veränderung der eigentlich wirtschaftlichen Bedingungen, durch einen allgemeinen Aufschwung des Lebens einer Nation, der zur Verwunderung aller den Volksreichtum in kurzer Zeit in die Höhe schnellt. Man würde darum irren, wenn man glaubte, ein jeder Verlust an Gütern müsse ewig fühlbar bleiben. Oft entsteht zugleich mit dem Verlust und durch ihn ein Reiz zur Sparsamkeit und Tätigkeit, der sonst nicht entstanden wäre und infolgedessen mehr, als verloren war, wieder gewonnen wird. So mächtig aber auch der Fortschritt des Reichtums sein mag, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß man auch im Fortschritt eingeschränkt ist. Die ausschweifenden Gedanken werden immer zurücklenken müssen und achtloses Gebaren wird nie erlaubt sein.

Mit den letzten Worten haben wir schon vorgegriffen, wir haben schon des Einflusses der zweiten bedeutungsvollen Bedingung des Wirtschaftens gedacht. Wir wollen sie in Kürze noch besonders besprechen.


3. Abschnitt
Die Verfügungsgewalt über die Größe des Gütervorrates
eine weitere Bedingung des Wirtschaftens.

Der einfachste Grad der Verfügungsgewalt ist die Macht der Benützung. Manche Güter sind selbst dieser Macht entrückt; sie nützen, ohne daß man sie benützen könnte. Die Sonne spendet ihre Wohltaten aus einer Sphäre, vor deren Anschauung der Stolz der Herrscher der Erde demütig versinkt. Alle solchen Güter sind der Bewirtschaftung entzogen.

Das aufgestellte Erfordernis geht auf einen höheren Grad der Verfügungsgewalt. Es müssen Handlungen möglich sein, durch welche nicht bloß das Gut angeeignet, sondern durch welche außerdem seine Quantität beeinflußt werden kann.

Wo ganz unabängig davon, was die Menschen tun, die Menge dessen, was ihnen an Förderung und Diensten von außen zukommt, unabänderlich festgesetzt ist, entsteht auf keinen Fall Anregung zu wirtschaftlichen Handeln, ob nun die Menge zu groß oder ob sie zu gering sei.

Es muß in des Menschen Macht liegen, daß er durch zweckmäßiges oder durch mißbräuchliches Eingreifen zur Erhöhung oder Verminderung des Nutzens aus den Gütern beizutragen vermöge, erst dann erhält die Menge der Güter, die ihm zu Gebote stehen, Bedeutung. Der Gefesselte im engen, dunklen Kerker, dem Licht und Raum spärlich zugemessen ist, wird doch durch nichts dazu angetrieben, mit Licht und Raum zu wirtschaften, da nichts, was immer er auch unternähme, eines von beiden zu steigern oder zu verringern vermöchte. Wären die Bedingungen, unter welchen die Menschen die Güterdienste empfangen, allgemein von gleicher Art, wäre die Welt für die Menschen ein Kerker, in dem es am Dringendsten gebräuche und zugleich keine Möglichkeit gegeben wäre, die Summe des Nutzens um ein Atom zu erhöhen, noch auch zu vermindern, dann gäbe es keine Wirtschaft. So aber liegen die Bedingungen nicht. Es felt zwar von Natur aus an fast allen Dingen, die die Menschen begehen und der anhaltendste Fleiß und die größte Geschicklichkeit reichen nicht aus, um den Mangel vollends auszugleichen und einen Zustand herbeizuführen, wo kein Verlangen, auch das geringste nicht, ohne Befriedigung bliebe, aber zugleich ist doch dem Fleiß und der Geschicklichkeit Aussicht geboten, den Mangel teilweise gutzumachen, sowie immer die Gefahr besteht, daß Trägheit und Unachtsamkeit das Errungene aufs Spiel setzen. Weil es so ist, so hängt von der Art des menschlichen Verhaltens gegenüber den Gütern die Größe des zu erlangenden Nutzens ab und es wird eine Tendenz zu Handlungen und Unterlassungen motiviert, welche, auf die Quantitäten der Güter gerichtet, den Gütergenuß zu befördern geeignet sind.


4. Abschnitt
Die wirtschaftlichen Handlungen

So vielerlei Gelegenheiten es gibt, um auf die Größe der in beschränkter Menge verfügbaren Gütervorräte Einfluß zu nehmen, so vielerlei Arten von wirtschaftlichen Handlungen gibt es.

Eine solche Gelegenheit bietet sich in aller Regel bei der Verwendung der Güter zum persönlichen Gebrauch dar - eine andere ist unter Umständen durch die Möglichkeit gegeben, Güter, welche persönlichen Gebrauch erlauben, aus solchen, die keinen erlauben, zu erzeugen - die dritte ist unter Umständen durch die Möglichkeit gegeben, Güter aus dem Besitz einer Person in den einer anderen zu übertragen.

Wie durch die Wahrnehmung des Gütermangels und durch die gleichzeitige Wahrnehmung der Möglichkeit, mittels Erzeugung oder käuflicher Erwerbung neuer Güter dem Mangel abzuhelfen, die Tendenz zu den wirtschaftlichen Produktions- und Tauschakten begründet werde, bedarf keiner weiteren Erklärung. Dagegen bedarf es einer kurzen Erklärung, wie beim Gebrauch der Güter - seien diese nun unmittelbar zur persönlichen Bedürfnisbefriedigung oder zur produktiven Verwendung oder zur tauschweisen Hingabe bestimmt - aus den beiden Wahrnehmungen des Mangels und der Möglichkeit, die Gütermenge zu beeinflussen, die wirtschaftliche Einrichtung des Gebrauchs hervorgehe.

Die Güter werden beim Gebrauch entweder aufgezehrt und dadurch der Benützung völlig entzogen - d. h. als fertige Güter, während freilich die Güterelemente bleiben, die sich wieder neu zu Gütern bilden können - oder sie werden ine gewisse Zeit hindurch gebunden und während dieser Zeit anderen Benützungen entzogen.

Dort, wo der Vorrat den Bedarf gerade deckt, droht also die Gefahr, daß man sich durch unachtsamen Gebrauch der gebotenen Möglichkeit, allen Bedürfnissen gerecht zu werden, beraube; wobei, wenn man auch durch Produktion oder Kauf das ursprüngliche Verhältnis wieder herstellen könnte, man sich, durch die hierzu erforderliche Ausgabe, doch der Mittel zur Herbeiführung anderwärtiger Bedürfnisbefriedigungen beraubt hätte. Dort, wo der Vorrat unter dem Bedarf bleibt, ist die üble Folge, daß man sich durch den einen Gebrauchsakt die Mittel zu anderen entziehe, selbst bei größter Achtsamkeit nicht zu vermeiden. Das Beste, was man durch Zuratehalten der verfügbaren Quantität erreichen kann, ist, daß man die Einbuße so weit als möglich einschränkt, indem man das Unentbehrliche und Wichtigere sichert und dem minder Wichtigen und dem Entbehrlicheren entsagt.

Daher die Regeln der Sparsamkeit: nie Güterteile mit anderen unbenützt mitzuverwenden, sofern man die Macht hat, die zum Gebrauch erforderlichen Teile von den nicht erforderlichen zu scheiden; in jedem verwendeten Güterteil den ganzen Inhalt auszunützen, sofern dies Sache des Willens sein kann; endlich dort, wo nicht alle, sondern nur einige der abhängigen Bedürfnisregungen befriedigt werden können, sich dahin zu entschließen, daß man die minder wichtigen Befriedigungen sich versage und die Güter für die wichtigeren bestimme.

Die natürliche Beschaffenheit der Güter, sowie der Umgebungen, in denen sie sich befinden, bringt überdies die Gefahr mit sich, daß sie in der Zwischenzeit von der Erwerbung bis zum Gebrauch oder von einem Gebrauch bis zum anderen ihre nützlichen Qualitäten ganz oder zum Teil einbüßen. Wo die Menge nicht überreich ist, ist schon das Verderben eines geringen Bruchteiles ein Schaden. Es ist daher ratsam, Anstalten zur Erhaltung zu treffen, insoweit man solche zu treffen die Gewalt hat.

Während man durch die Produktioin und den Kauf den Gütergenuß durch Vermehrung der unzureichenden Vorräte zu erhöhen trachtet, trachtet man durch den wirtschaftlichen Gebrauch die unausweichliche Einschränkung des Gütergenusses durch sparsame Ausnützung der Vorräte möglichst wenig drückend zu machen.

Die Akte der Sparsamkeit beim Gebrauch der Genußgüter und die Akte ihrer Erhaltung - die Akte der Erzeugung in allen ihren Formen, der Sparsamkeit bei der Verwendung der Produktivgüter und der Erhaltung derselben - endlich die Akte des Kaufens, des Verkaufens und der dem Verkaufen vorhergehenden Fürsorge um die Verkaufsobjekte verfolgen alle eine gewisse Tendenz, welche sie unter einander verbindet und sie von den anderen menschlichen Willensakten charakteristisch unterscheidet, nämlich die Tendenz, gegenüber der unzulänglichen Menge der Güter die Mittel zu möglichst hoher Bedürfnisbefriedigung zu sichern; ich füge noch hinzu, in privatrechtlicher Weise zu sichern, denn es gibt einige Akte, welche dieselbe Tendenz auf dem Weg der öffentlichen Rechtsgewalt und einige andere, welche sie in rechtlich verbotener oder doch rechtlich nicht anerkannter, unehrenhafter Weise verfolgen. Dem besonderen Charakter entspricht ein besonderer Name. Wir nennen die Akte der angeführten vier Gruppen privatwirtschaftliche oder kurzweg wirtschaftliche Akte. Die Güter, welche sich unter den öfter erwähnten, das wirtschaftliche Streben anregenden Bedingungen befinden, heißen wirtschaftliche Güter.

Die Menschen fühlen sich in Rücksicht auf freie Güter nicht zu wirtschaftlichen Handlungen angetriebn. Was die Klugheit aus Rücksicht auf dürftige und knappe Gütervorräte fordert, dasselbe schließt sie in Bezug auf übereiche Vorräte aus. Niemand kann es vernünftigerweise einfallen, mit der Quantität der Luft, die er einatmet, aus der Besorgnis zu sparen, daß er sich nicht die für zukünftige Atemzüge erforderliche Luftmenge schmälere. Wie es töricht wäre, mit freien Gütern beim Genuß zu sparen, wäre es töricht, Anstalten zu treffen, um sie für den Genuß aufzubewahren, um ihre Menge durch Produktion zu vermehren, um sie an einen Ort zu bringen, wo sie bereits im Überfluß vorhanden sind, um sie bei ihren produktiven Hilfeleistungen zu sparen und zu schützen, um sie zu kaufen und um sie für den Verkauf vorzubereiten. Man darf sich durch einige scheinbare Ausnahmen nicht täuschen lassen. Die Menschen sind öfters vor die Wahl gestellt, an gewissen Gütern Mangel zu leiden oder sie im Überfluß zu besitzen. Wenn sie dann Anstalten treffen, um sich den Überfluß zu sichern und wirtschaftliche, auf die Sicherung der Quantität abzielende Handlungen vornehmen, so ist der wahre Grund nicht der, daß sie den Überfluß wollen, sondern der, daß sie den Mangel fürchten. Man wird z. B. Sorge tragen, um das Austrocknen fließender Gewässer zu verhindern, man wird kostspielige Arbeiten vornehmen, um die ungesunde Luft einer Sumpfgegend zu reinigen. Hier sind es in Wahrheit nicht freie Güter, um welche man wirtschaftlich besorgt ist. Im ersten Beispiel ist das Gut nicht frei, da Schwankungen drohen, die es gänzlich oder fast gänzlich entziehen würden - im zweiten Fall ist das freie Element kein Gut, da es so, wie es ist, schädlich wirkt. Wo die Güter, die man wünscht, wirklich in einem gesicherten Überfluß vorhanden sind, dort werden sie zwar genossen und produktiv verwendet, aber sie werden auf keine Weise bewirtschaftet.

Der Genuß und überhaupt die Verwendung einer Sache ist an sich kein wirtschaftlicher Akt. Das Wirtschaften ist in seinem Wesen vom Genießen und überhaupt vom freien Tun verschieden. Das Wirtschaften ist ein Sorgen, um den Genuß zu sichern, es ist ein abgezwungenes Handeln, zu dem man sich ohne Not nicht entschlösse. Innerhalb der Pforten des Paradieses, wo alles in Hülle und Fülle vorhanden und jedes Begehren erreichbar gedacht wird, hört die wirtschaftliche Sorge auf.

Auch die technische Verwendung der Produktivgüter als solche, ohne das wirtschaftliche Streben, wäre kein wirtschaftlicher Akt. Freilich sind wir so gewohnt, die Produktionshandlungen mit der Sorge um Sicherung der begehrten Güterquantitäten auszuführen, daß uns bei ihnen Handlung und Tendenz in Eins verschmelzen und daß wir geneigt sind, das Charakteristische statt in die leitende Tendenz in das äußere Gerüst des Aktes zu setzen. Es ließe sich jedoch ausdenken, daß die Bedingungen der Güterversorgung derart wären, daß die Menschen zwar das, was sie brauchen, nicht schon von Natur aus fertig vorfänden, aber daß es ihnen gleichwohl möglich wäre, alles, was das angespannteste und launenhafteste Begehren nur wünschen mag, durch Produktion herzustellen, ohne irgendein noch so leises Gefühl der Anstrengung und ohne irgendeine noch so ferne Gefahr, Entbehrung zu leiden, weder aus Mangel an Stoffen, noch durch die Form der Dinge, noch durch Zeit und Ort, worin man sie zur Verfügung hätte. Gesetzt, die Produktion wäre von dieser Art, so würde sie technisch vollkommener sein, als sie es jetzt ist und würde doch ihr wirtschaftliches Wesen eingebüßt haben. Die Produktion gliche dann solchen "produktiven" Arbeiten, wie sie wohl große Herren treiben, um sich zu zerstreuen. Man würde hämmern und schnitzen, aber ohne Furcht vor Schaden, wenn man schlecht hämmerte und schnitzte. Oder sie wäre den produktiven Arbeiten eines Künstlers, der, wie ein Maler oder Bildhauer, äußere Güter verwendet, in jenem Teil zu vergleichen, in welchem das Wirtschaftliche seiner Arbeit vom Künstlerischen zurückgedrängt ist. Die Produktion wäre dann ein Spiel der Technik, eine Unterhaltung des Geistes, eine Beschäftigung, aber sie wäre kein wirtschaftliches Unternehmen mehr.

Am klarsten wird dieser Gedanke durch die Betrachtung derjenigen technischen Produktionsakte, welche mit freien Gütern vorgenommen werden. Dieselben gleichen äußerlich den mit wirtschaftlichen Gütern vorgenommenen Akten völlig. Der Techniker hat Phänomene gleicher Art vor sich, ob er nun den Widerstand untersucht, den das Wasser des freien Weltmeeres den Bewegungen der Schiffsschraube leistet und infolgedessen das Schiff vorwärts getrieben wird, oder ob er den Widerstand untersucht, vermöge dessen die Schienen einer Eisenbahn den Zug tragen und ihn gleiten machen. Das wirtschaftliche Urphänomen jedoch tritt gegenüber den freien Produktivgütern nie ein. Man befährt den Ozean, aber man wirtschaftet nicht mit ihm.


5. Abschnitt
Die Wirtschaft

Nur ein Bruchteil der gesamten wirtschaftlichen Handlungen ist es, den man unter dem Namen und Begriff der Wirtschaft zusammenfaßt. Allerdings ist es der bei weitem größte Teil, es ist jene Haupmasse, die durch die äußerlichen Vorkehrungen des Haushaltes, insbesondere aber durch die der Produktion und des Handels auffällig und in Eins verbunden wird. Die außerdem in unscheinbarer Gestalt verstreuten Splitter werden nicht mitgezählt. Der Begriff ist kein strenger, sondern er ist ein vulgärer Sammelbegriff, der bloß das Gebiet abgrenzt, das sich ohne Mühe abgrenzen läßt.

Solcher verstreuter wirtschaftlicher Bestrebungen außerhalb der Wirtschaft gibt es genug. Die Augenblicke der Sammlung sind jedem innerlich Beschäftigten kostbar, man spart mit seinen eigenen Genußkräften, wie man mit den äußeren Genußmitteln spart und man kostet seine Freuden bis zum Grund aus, wie man die Dinge bis zur Neige ausnützt. Die innerliche Entwicklung gleicht zum Teil den Akten der Produktion; um zu den Zielen des Lebens zu gelangen, werden Anstrengungen gemacht, die man um ihrer selbst willen nicht auf sich nähme, wird der Fleiß angespannt, der Wille gestärkt und werden so innerliche Kräfte höherer Ordnung gewonnen, die, an sich gleichgültig, durch die Aussicht auf ihre Früchte ihren Wert erhalten. Auch ein Austausch geistigen Lebens, wechselseitige Förderung - wie nicht minder wechselseitige egoistische Vorenthaltung - ist zu beobachten.

Der Theoretiker hat keinen Anlaß, den vulgären Begriff der Wirtschaft peinlicher abzugrenzen. In der Wirtschaft äußert sich das wirtschaftliche Streben verhältnismäßig rein und umso reiner, je ausgebildeter die Wirtschaft ist, in den anderen Gebieten ist es mit anderen Bestrebungen mannigfach vermischt und wird allenthalben von denselben überwogen. Das Verständnis der wirtschaftlichen Tendenz eröffnet darum das Verständnis der Wirtschaft und zwar umso vollkommener, je ausgebildeter diese ist, aber es eröffnet das Verständnis der anderen menschlichen Tätigkeiten nicht, in denen ganz andere Motive die Leitung haben. Die Notwendigkeit wissenschaftlicher Arbeitsteilung führt zu derselben Abgrenzung der Materien, für welche sich die gemeine Beobachtung entschieden hat.

Verhält es sich aber mit der wirtschaftlichen Tendenz nicht ebenso, wie mit der Wirtschaft? Ist nicht auch sie von den anderen Tendenzen, die die Menschen leiten, nur beiläufig und in der Hauptsache, aber nicht begrifflich und streng zu unterscheiden? Oder ist nicht etwa gar die "wirtschaftliche" Tendenz die einzige Triebfeder jeder vernünftigen Handlung?

Ich glaube nicht, selbst zuzugeben, daß die utilitaristische Philosophie im Recht wäre und daß die Menschen bei all ihren Handlungen ausschließlich von der Tendenz geleitet würden, das Nützlichste zu tun, so müßte dennoch die wirtschaftliche Tendenz als eine durch die Wahrnehmung besonderer Umstände hervorgerufene besondere Erscheinungsform dieser allgemeinen Tendenz betrachtet werden.

Die wirtschaftliche Tendenz geht darauf hinaus, möglichst hohen Nutzen durch sparsame Verwendung der eingeschränkten Gütervorräte - der Genußgüter, der Produktions- wie der Verkaufsvorräte - zu sichern. Um das letzte Ziel, das nach der Ansicht der Utilitarier allen menschlichen Handlungen gemeinsam ist, zu erreichen, steckt sie sich ein näheres Ziel, das ihr auch nach dieser Ansicht eigentümlich sein muß, indem sie um der Ausnützung der Sachen willen die schonende Sachpflege gebietet. Sie fordert, daß man, um diejenigen Zwecke zu sichern, zu deren Herbeiführung man solcher Mittel bedarf, die quantitativ eingeschränkt und durch menschliches Zutun quantitativ veränderlich sind, auch die Mittel zu Rate gezogen werden.

Die wirtschaftlichen Handlungen unterscheiden sich daher begrifflich erstens genau von denjenigen Handlungen, bei welchen sich Mittel und Zweck überhaupt nicht vollständig scheiden lassen, sondern die Aktion zugleich wegen des Erfolges und wegen der Befriedigung, die in ihr selbst liegt, vorgenommen wird. Es ist für den Begriff der wirtschaftlichen Handlung nicht notwendig, daß ein äußeres Mittel, eine Sache im strengen Sinn, verwendet werde, auch eine menschliche Aktion kann als Mittel, als sachlich schätzbares Werkzeug angesehen werden. Jede Arbeit hat insoweit das erste Merkmal der wirtschaftlichen Handlung an sich, jede menschliche Tätigkeit, die nicht Arbeit ist noch auch durch Vervielfachung und Erhöhung der Anstrengung Arbeit werden kann, entbehrt desselben. Die Akte der Bedürfnisbefriedigung in allen Formen von den gröbsten bis zu den edelsten, sowie alle Tätigkeiten, über die wir nicht wie über unsere Arbeitsleistungen mit Absicht auf einen selbständigen Erfolg willkürlich und berechnend verfügen, sondern in denen sich die strebende Persönlichkeit enthüllt und entwickelt, sind nicht wirtschaftlicher Art. Das wirtschaftliche Leben eines Volkes ist nur ein Teil des Volkslebens, von demselben sondert sich nicht nur alle körperliche Pflege und aller Genuß ab, sondern auch alles innerliche Sinnen und Trachten und alles persönliche Wagen und Wirken der Einzelnen für sich wie für die Gesamtheit. Die Verzehrungsakte und Genußakte, die mit Hilfe von wirtschaftlichen Gütern vollzogen werden, sind, wie wir schon früher festgestellt haben, selbst keine wirtschaftlichen Akte, sie sind es so wenig, als die Genußakte überhaupt. Nur dadurch, daß man sie mit der Absicht, die wirtschaftlichen Genußmittel zu sparen, begleitet, wird eine wirtschaftliche Handlung konstituiert; die Sparsamkeit bei der Konsumtion ist das Wirtschaftliche an diesen Akten. Insoweit jedoch unterscheiden sie sich durchaus nicht von den Akten der Güterversorgung durch Produktion und Kauf, und es ist nicht gerechtfertig, den Umfang der Wirtschaft auf diese letzteren einzuschränken.

Ferner sind von den wirtschaftlichen Handlungen alle diejenigen zu unterscheiden, deren Mittel entweder nicht quantitativ eingeschränkt oder nicht durch menschliches Zutun quantitativ veränderlich sind. Solche Handlungen werden zwar in Anbetracht der Mittel nüchtern berechnet, aber sie werden nicht nach dem wirtschaftlichen Prinzip der schonenden Sachpflege berechnet, man ist vielmehr für die Erhaltung der Mittel ganz gleichgültig und bedenkt nichts als die Sicherung des Erfolges. Wenn die Güter plötzlich all in überreichster Menge zur Verfügung stünden, so würden sie nach wie vor als Mittel der Bedürfnisbefriedigung verwendet werden, aber ohne daß ihnen das geringste Interesse zugewendet würde, wie das in der Tat zu allen Zeiten bezüglich derjenigen Güter geschah, die im Überfluß vorhanden waren. Der Ausnahme, die mit Rücksicht auf die menschliche Arbeit zu machen ist, wurde weiter oben bereits gedacht.

Wenn SCHÄFFLE meint, daß die Wirtschaftlichkeit ein Universalprinzip von allgemeinster Geltung sei, so mag man ihm zustimmen. Wenn er aber meint, daß sie auch als Einfachheit in der ästhetischen Darstellung, als ethisches Gebot des Maßhaltens, als wirksamste Methode des Denkens und des sprachlichen Ausdrucks auftrete, wird man ihm nicht zustimmen können. Wir leiten die Regeln der Kunst, der Moral und der Logik nicht aus ökonomischen Rücksichten ab; was wir durch sie erreichen wollen, ist nicht die sparsame Einrichtung des Gebrauchs unserer innerlichen Kräfte. Auch wenn sie Kürze und Einschränkung fordern, sind sie der wirtschaftlichen Regel der schonenden Sachpflege in keiner Weise an die Seite zu stellen. Diese ist eine Klugheitsregel, jene sind unmittelbare Gebote des Gefallens, des Gewissens, des Wahrheitsgefühls, die schon dadurch allein verletzt sind, wenn man sie als Klugheitsregeln ausspricht, und die man in vollkommene Verwirrung brächte, wenn man ernsthaft versuchen wollte, sie aus dem ökonomischen Prinzip abzuleiten, als dessen Ausfluß uns die Wirtschaftslehre die wirtschaftlichen Akte der Menschen erklärt.
LITERATUR - Friedrich von Wieser, Über den Ursprung und die Hauptgesetze des wirtschaftlichen Wertes, Wien 1884