ra-2H. CohnF. Wieser    
 
LUDWIG STEPHINGER
Wert und Geld
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"Eine Menge psychologischer Erfahrungssätze und Lehrsätze spielt in der Wert- und Preislehre eine große Rolle. Zum Beispiel daß man höher schätzt, was man nicht hat; daß man gewöhnlich das, was man hat, unterschätzt. Dies hat wohl seinen Haupterklärungsgrund darin, daß man die Mängel eines Gutes oft erst erkennt, wenn man es besitzt, während die Vorteile schon durch den Gebrauch eines anderen erkennbar waren. Von den Mängeln pflegt ja auch der Besitzer zu schweigen, wenn er ein Gut weggeben will, so daß die Käufer in Bezug auf die Mängel auf die eigene Erkenntnis angewiesen sind."

"Arbeit ist ansich gar keine Unlust. Der gesunde Mensch hat ein Bedürfnis, seine Arbeitskraft zu verwenden. Die Arbeitsmühe ist ansich so wenig Unlust, wie der Reichtum ansich schon Lust bedeutet. Es wäre wohl nicht ganz leicht, nachzuweisen, ob in den Hütten mehr Freude und Lust wohnt oder in den Palästen."

"Die psychologische  Opfertheorie  in der Steuerlehre spricht die Meinung aus, daß der Reiche auch leichter zum Steuerzahlen geneigt ist, weil er die Steuersumme leichter entbehren kann. Dem steht die Erfahrung gegenüber, daß sich der Ärmere viel leichter zum Zweck des Almosengebens, der Vergnügungen, vielleicht auch des Steuerzahlens usw. von seinem Geld trennt, als der Reiche. Dieser ist an den Besitz gewohnt, seine soziale Bedeutung hängt vielleicht ganz vom Besitz ab und er kennt vor allem auch eine Menge Zwecke, für die er die Mittel nötig hat."


III. Das Subjekt als Ausgangspunkt

A. Vorteile dieses Ausgangspunkts


Die subjektivistische Theorie hat jedenfalls den Vorzug, vielseitiger als die eben behandelte zu sein. Das menschliche Denken und Überlegen ist ein  Durchgangspunkt,  an dem jedes wirtschaftliche Geschehen wahrgenommen werden muß.

Das Ausgehen vom Subjekt erfaßt daher viel besser als das vom Objekt die Mannigfaltigkeit der Vorkommnisse im Wirtschaftsleben. Der  selten  vorkommende Wert wird hier ebenso leicht erklärt, wie die Produktivität des  Handels. 

Auf dem Boden dieser Theorie wird es von selbst klar, daß ein Gut nicht aus sich heraus als solches entsteht, daß vielmehr ein Gegenstand erst von einem  Menschen  als Gut  erkannt  und in die Überlegung einbezogen werden muß; daß das ganze Getriebe des Marktes abhängt von dem dahinter stehenden  Gebrauchswert,  sowie schließlich, daß alles Wirtschaften selbst nur immer ein Streben nach dem Zweckmäßigsten ist, also ein  Sollen nicht aber ein Müssen, und endlich, daß der wirtschaftliche Begriff nicht unmittelbar vom Sein, sondern vom  Wert  ausgeht.

Die subjektivistische Theorie zeigt besonders klar, daß ein Ding-ansich keine  Funktionen  hat, haben kann und ausübt. Jedes Ding erhält diejenige Bezeichnung, welche ausdrückt, wofür es sich  am besten  eignet. Was man als Ware behandelt, wird Ware, was man als Geld behandelt, wird Geld.

Und diese Verwendung und Bezeichnung erhält es von dem, der seine Zweckmäßigkeit zuerst erkannt hat. Die wirtschaftlich fortgeschrittensten Einzelnen und Völker weisen der Entwicklung den Weg; andere müssen folgen, soweit das ihren Vorbedingungen entspricht.

Ist das, was sich am besten eignet, nicht zu haben, so  vertreten  sich die Güter in ihrer Verwendung für diese Zwecke.

Der Mensch ist es, der das wirtschaftliche Geschehen nach seiner Einsicht in Möglichkeiten und Zwecke anordnet. Nicht das Sein ist die alleinige Ursache, aus der das wirtschaftliche Geschehen von selbst als ein Müssen hervorginge, sondern das Wirtschaften beruth auf einem  Dualismus  des Seins und des von den Menschen verwirklichten Sinnes, der allerdings aus der Eigenart des Seins folgt.

Hier müssen Erkennen und Erkanntes unterschieden werden. Natürlich ist, was das  Erkennen  anlangt, das Sein der Dinge nur eines, das nur immer besser erkannt werden muß; es steht nicht etwa einem ideellen ein wirkliches Sine gegenüber. Aber in dem zum Zweck des  Wirtschaftens Erkannten  ist das  Sein  der Möglichkeiten ein  anderes,  als das der Zwecke.

Der Mensch kann seine Bedürfnisse der Art und Intensität nach verändern und anpassen, er kann unter verschiedenen Beziehungsmöglichkeiten wählen, er hat auch die Freiheit, nicht zu wirtschaften, schlimmstenfalls zu verhungern; und nur wer den wirtschaftlichen Zweck  will,  empfindet das  relative Müssen,  das durch den Zweck auferlegt wird.

Erst wenn  Sollen  und  Wollen aufhören, beginnt  das naturgesetzliche  Müssen.  Denn wer nicht wirtschaften will und also auch das Sollen der Aufgabe des Wirtschaftens nicht anerkennt,  muß  physisch zugrunde gehen mangels der wirtschaftlichen Vorbedingungen seines physischen Seins.

Die meisten Einwände, die oben gegen die objektivistische Theorie angeführt wurden, erwachsen auf dem Boden der subjektivistischen, so z. B. die beschränkte Verwendungsmöglichkeit der  Mathematik Denn wenn die Subjektivisten wie GOSSEN u. a. mathematische Formeln verwenden, so geschieht das ja nur für die psychologischen,  nicht  für die  wirtschaftlichen  Grundlagen.

Der Mensch ist das Wirtschaftssubjekt, durch das allein das zeitlich und örtlich Bestimmte und  Konkrete  einer Wirtschaft entsteht, und dies ist die Voraussetzung der Werterscheinung. Die nominalen Wertgrößen erhalten nur durch ihre Anwendung auf die Bedürfnisse und Beziehungen des Menschen in den Schnittpunkten der Haushalte und des Marktes ihre reale, d. h. ihre wirkliche,  wirtschaftliche Bedeutung. 

Daraus ist erkennbar, daß die Seltenheit der Güter immer nur auf etwas auf den Menschen Bezügliches ist.

Die beiden Extreme: Liebhaberwert und freies Gut bekommen erst durch die Erklärung vom Subjekt aus ihre restlose Erklärung, während die Objektivisten sich mit diesen Erscheinungen gewöhnlich gar nicht weiter befassen.

Die subjektivistische Theorie gibt Anlaß und Handhabe für die Unterscheidung der  Wertarten:  denn die Eigenart des Wertes hängt ebenso wie vom Objekt, so auch davon ab, wie das Subjekt aufgefaßt wird. Hier erwächst die Unterscheidung des theoretischen vom tatsächlichen, des zukünftigen vom historischen und gegenwärtigen, des rationellen vom unrationellne, des individuellen vom gesellschaftlichen, des produzierenden vom konsumierenden, des gebrauchenden vom tauschenden Subjekt usw. und danach entstehen auch Wertverschiedenheiten, die der Objektivist nicht immer unterscheidet.

Wie sich das ganze wirtschaftliche Leben abspielt, das hängt praktisch größtenteil davon ab, wie  entwickelt  das  Wirtschaftsindividuum  ist und in welcher Weise es seine Zwecke wählt und durchsetzt, oder wie ihm durch geschichtliche Vorbedingungen die Zwecke gesetzt werden. Aus all diesen Gründen ist der Ausgangspunkt der subjektivistischen Werttheorien ein ganz besonders fruchtbarer.


B. Die Nachteile des Ausgehens
vom Subjekt

So umfassend und ergiebig der Ausgang vom Subjekt die Wirtschaftslehre gestaltet, so sehr ist er aber auch anfechtbar, wenn er  allein  der Erkläung  genügen  will. Es ist zunächst durchaus kein Fortschritt, wenn alles Unbegreifliche der Wertlehre in die Willensfreiheit, die Willkür, die Unberechenbarkeit, das Verständnis oder den Unverstand des Menschen hineinverlegt wird.

Von den Subjektivisten wird der Mensch in  verschiedener Weise  als Ausgangspunkt genommen, was immer wieder neue Schwierigkeiten und Unverständlichkeiten zur Folge hat, aber niemals eine vollständige Wertlehre ergeben kann.


1. Die Psychologie

Zunächst ist hier eine große Zahl von Theoretikern zu nennen, welche die Idee des Wertes aus der  Psychologie  zu gewinnen suchen. Einige derselben fassen die Wirtschaftslehre überhaupt nur als angewandte Psychologie auf.

Der menschliche Intellekt ist allerdings das erste und wichtigste Mittel des Wirtschaftens und des Produzierens. Auch darf gewiß nicht übersehen werden, wie  wichtig  die psychologische  Erklärung  des Wertens und der Preisbestimmung ist.

Eine Menge psychologischer Erfahrungssätze und Lehrsätze spielt in der Wert- und Preislehre eine große Rolle. Zum Beispiel daß man höher schätzt, was man nicht hat; daß man gewöhnlich das, was man hat, unterschätzt. Dies hat wohl seinen Haupterklärungsgrund darin, daß man die Mängel eines Gutes oft erst erkennt, wenn man es besitzt, während die Vorteile schon durch den Gebrauch eines anderen erkennbar waren. Von den Mängeln pflegt ja auch der Besitzer zu schweigen, wenn er ein Gut weggeben will, so daß die Käufer in Bezug auf die Mängel auf die eigene Erkenntnis angewiesen sind. Auch sieht man bei dem, was man noch nicht verwendet,  alle  die  Möglichkeiten  vor sich, die denkbar sind, während das verwendete zunächst für andere Verwendungsarten gesperrt ist.

Eine große Bedeutung in der Wert- und Preisbestimmung haben  Nachahmung  und  Widerspruch,  wobei besonders die  Massenerscheinung  ihre Wirkung auf Wert und Preis ausübt, fernder die Furcht vor unvorhergesehenem Bedarf, wie z. B. die  Panik  bei Krisen. Hierher gehören auch all die  Reklamekniffe,  die auf eine Erweiterung des Absatzes durch psychologische Einwirkung abzielen, sowie die Erfahrung, daß oft etwas geschätzt wird, nur weil es  selten  ist, und daß anderes dadurch Seltenheit erlangt, weil es von vielen geschätzt und daher begehrt wird. Schließlich die Tatsache, daß die Preisfestsetzung viel mehr abhängt von der  Meinung  des einen Teils  von der Meinung,  die die Gegenpartei von Vorrat und Bedarf hat, als vom wirklichen Verhältnis des Vorrats zum Bedarf.

Das sind psychologische Faktoren und sind als solche selbstverständlich von größter Bedeutung; die geistigen Tätigkeiten des Erkennens des Wertes und der Ausübung der zweckmäßigsten Verfahren um der wirtschaftlichen Verknüpfung von Möglichkeiten und Zwecken willen müssen ebenfalls psychologisch verstanden werden.

Und doch spielt die Psychologie in der Wirtschaftslehre, trotzdem sie die Erklärung der Grundsätze dieses wichtigstens Produktionsmittels, des menschlichen Denkapparates, ist, grundsätzlich  keine andere Rolle  wie die  Technologie  irgendeiner anderen Kraft. Die Wichtigkeit der gedanklichen Vorbedingungen des Wirtschaftens ist der Art nach keine andere, als die der stofflichen Möglichkeiten. Freilich sind letztere ihrer Eigenart nach andere als die ersteren und man kann über den  Grad  der Wichtigkeit der beiden Arten sehr verschiedener Meinung sein; aber die  Art  der Wichtigkeit selbst ist die gleiche.

Zum  Maßstab des Wertes  ist daher die  Psychologie niemals  direkt zu gebrauchen; denn wollte man versuchen, etwa nach Art der Kalorien eine Skala von Lustintensitäten aufzustellen, so würde damit doch niemals ein Wertmaßstab gefunden sein.

Zu diesem Zweck müßte man davon absehen, daß alle Aufstellungen von allgemenien Bedürfnisgattungen durch die Dringlichkeit der empirischen Konstellation durchkreuzt werden; nur das nach Zeit und Ort jeweils wichtigste Bedürfnis ist ja das ausschlaggebende für das Wirtschaften. Auch müßte man noch weiter von aller Verschiedenheit der Zeiten, Orte, Rassen, Lebensalter, Kulturstufen und des Geschlechts absehen; dann könnte man versuchen, die Lust, die menschliche Empfindung von der wirtschaftlichen Befriedigung, zum Maßstab dessen zu machen, was eine Wirtschaft leistet.

Trotzdem wäre aber doch das Maß der Lustempfindungen natürlich nur ein rein  äußerliches,  höchst unzuverlässiges  Anzeichen.  Arbeit ist ansich gar keine Unlust, der gesunde Mensch hat ein Bedürfnis, seine Arbeitskraft zu verwenden; und die Arbeit ist nur eine wirtschaftliche Größe wegen der Kosten ihres Unterhalts und weil ihre Verwendung zur Folge hat, daß sie zu gleicher Zeit auf nichts anderes verwendet werden kann. Aber die Arbeitsmühe ist ansich so wenig Unlust, als der Reichtum ansich schon Lust bedeutet. Es wäre wohl nicht ganz leicht, nachzuweisen, ob in den Hütten mehr Freude und Lust wohnt oder in den Palästen.

Das Wichtigste ist aber, daß es sich bei der Schaffung des wirtschaftlichen Wertes um etwas ganz anderes, eine  rein rechnerische  Überlegung handelt, bei der es  ganz gleichgültig  ist, ob ihr Lustgefühle folgen oder nicht.

Die psychologische  Opfertheorie  in der Steuerlehre spricht die Meinung aus, daß der Reiche auch leichter zum Steuerzahlen geneigt ist, weil er die Steuersumme leichter entbehren kann. Dem steht die Erfahrung gegenüber, daß sich der Ärmere viel leichter zum Zweck des Almosengebens, der Vergnügungen, vielleicht auch des Steuerzahlens usw. von seinem Geld trennt, als der Reiche. Dieser ist an den Besitz gewohnt, seine soziale Bedeutung hängt vielleicht ganz vom Besitz ab und er kennt vor allem auch eine Menge Zwecke, für die er die Mittel nötig hat. Die Angehörigen der unteren wirtschaftlichen Schichten kennen häufig gar nicht so viele Zwecke und daher auch nicht so viele Bedürfnisse.

Das ist gerade ein Kennzeichen der kapitalwirtschaftlichen Gesellschaft, daß in ihr der Einzelne und der Staat  immer neue Zwecke,  immer neue Produktions- und Absatzmöglichkeiten findet. In der Kapitalwirtschaft wird daher niemals ein Punkt zu finden sein, auf dem man sich in Ermangelung von Zwecken und Bedürfnissen leicht von einem Besitz trennt.

Nur in einer Wirtschaft, in der die  Zwecke festliegen,  wäre es möglich, von einer Sättigung zu sprechen. Setzt man den Menschen als Ziel der Wirtschaft, so sind allerdings die Zwecke begrenzt durch die Möglichkeiten seines Konsums.

In einer solchen Wirtschaft, der Gebrauchswirtschaft, der mittelalterlichen, einer sozialistischen, genossenschaftlichen oder der Staatswirtschaft kann allerdings ein Punkt des Gleichgewichts eintreten, auf dem Sättigung erreicht ist und die Wirtschaftlichkeit des Wertes verschwindet. Dann kann auch die psychologische Opfertheorie in der Steuerlehre zurecht bestehen, aber auch nur dann.

In  der kapitalwirtschaftlichen  Gesellschaft aber sind einmal die  Zwecke unbegrenzt,  und dann gibt es in ihr  eine  allgemeine  Möglichkeit,  an der man grundsätzlich  nicht zu viel  haben kann: das  Geld.  Dies ändert die Verhältnisse, denn nun  wachsen  die Güter in ihrem wirtschaftlichen Wert  immer weiter gleich ihrer Verwertbarkeit.

Und das Geld hebt alle Bedürfnisabstufungen auf. Denn da der letzten Teilquantität der größten Geldmenge immer noch ein Zweck entsprechen kann, entstünde ein Geldüberfluß nur für den, der keine neuen Zwecke mehr zu finden vermöchte.


2. Der Mensch
als Subjekt des Wertens

Der egozentrische Standpunkt, der den Menschen als Mittelpunkt der Schöpfung ansieht, kommt in der subjektivistischen Werttheorie zu einer  menschlichen  Theorie des Wertes, die aber ebensowenig genügen kann, wie die staatliche Theorie des Geldes; die Wirtschaftslehre kann hierbei nicht stehen bleiben.

Der  Mensch  wird gewöhnlich das  Maß aller Dinge  genannt, aber die Dinge und die stoffliche Natur des Menschen sind in ihrer Konkretheit das  unabänderliche Maß  dessen, was der Mensch wirtschaftlich zu leisten vermag und anstreben kann.

Wenn der Mensch Zwecke aufstellt, einen subjektiven Gebrauchswert als Ziel des Wirtschaftens setzt, so ist dies nicht etwas Willkürliches, sondern  nur  etwas  Gedankliches  und dieses gedankliche Ziel ist  fest bestimmt  durch konkrete Notwendigkeiten. Und nicht das gedankliche Ich ist der Beziehungspunkt, sondern die  tatsächliche Konkretheit  des Menschen als Subjekt der ganz allgemein zu verstehenden Bedürfnisse.

Den Wert als etwas Subjektives zu erfassen, ist erkenntnistheoretisch durchaus möglich, aber vollkommen falsch, wenn man dabei dem Subjekt irgendeiner  Ursächlichkeit  zubilligen wollte. Es hängt in der Wirtschaft unendlich viel von der menschlichen Erkenntnis ab, sie bestimmt, ob und wie gewirtschaftet wird; aber doch eben nur nach der subjektiven Seite, für die aber das  Objekt  die feste  Grenze  der  Möglichkeiten  bildet.

 Geistige  Werte haben nur eine wirtschaftliche Bedeutung, wenn sie in irgendeiner Weise in der stofflichen Wirklichkeit in Erscheinung treten. Die  Gesangsleistungen  eines Künstlers sind insofern ein wirtschaftliches Gut, als die hier in Betracht kommenden Fähigkeiten einerseits an eine körperliche Grundlage als Träger gefesselt sind und andererseits einen Erfolg in stofflicher Wirklichkeit einbringen. Das  Gemälde  eines berühmten Malers ist nur deshalb von wirtschaftlicher Bedeutung, weil es ein, wenn auch ideell noch sehr geschätztes Stück stofflicher Wirklichkeit darstellt und als Liebhaberwert eine besonders hohe Summe einbringt.

Für die Wirtschaftslehre ist nur die  Tatsache  von Bedeutung, daß diese Stück Leinwand sehr hoch gewertet wird. Ob und warum diese hohe Wertung gerechtfertigt ist, ist natürlich auch für die Wirtschaft nicht gleichgültig, dafür wendet sie sich aber an andere Wissenschaften und deren Grundsätze. In das "Belieben" des Subjekts ist dabei aber gar nichts gestellt, sofern es nur rational handeln will.

Nach all dem ist zu erkennen, daß auch die subjektive Seite des Wertes eine  reine Tatsachenfrage  ist, welche naturwissenschaftlich und geschichtlich, ästhetisch, moralisch usw. kurz aus ganz allgemeinen, durchaus nicht in ein subjektives Belieben gestellten Grundsätzen verstanden werden muß. Ob z. B. jemand bei der Auswahl seiner Zigarre richtig verfährt, hängt nicht von seiner Willkür, sondern von rein allgemeinen Grundsätzen ab. Die Geschmackspsychologie und Geschmacksphysiologie erklären ihm, warum er eine Sorte der andern wirklich vorzieht oder warum er sie vorziehen soll.

Das Erkennen ist also vollständig unfrei. Der  Wille  ist zwar frei, aber nur relativ. Das Wirtschaften ist allerdings kein naturgesetzliches Müssen, man muß leben wollen, um wirtschaften zu müssen. Wenn man aber leben will, so folgt daraus das abgeleitete Müssen des Wirtschaftens.

Wird die möglichst günstige Entwicklung der Subjekte, also der Einzelnen und der Nation in jeder Hinsicht, materielle, physisch und psychisch und kulturell als  Maßstab der Leistung einer Volkswirtschaft  aufgefaßt, so ist dies natürlich durchaus nichts irgendwie "Subjektives", sondern ein höchst  reales  Ziel; die Naturwissenschaften und ganz allgemein geltende Kulturgrundsätze geben darüber Aufschluß, wie der Erfolg zu bewerten ist. Und die Statistik der Bevölkerung, der Wirtschaft, der Bildung usw. liefert hierfür das Material durch lauter Tatsachen. Der Mensch ist also der konkrete Beziehungspunkt für alle wirtschaftlichen Möglichkeiten und Zwecke und das ist es eigentlich auch, was die sogenannte österreichische Schule unvergängliches geleistet hat. Nicht eine psychologische Theoie, sondern der Hinweis auf die Notwendigkeit einer  konkreten Wirtschaftseinheit  ist ihr zu verdanken. Der Mensch macht selbst das ganze Flammengaukelspiel und doch ist er, wenn er in seiner Subjektivität glaubt zu schieben, nur geschoben. Eine Menge Ursachen und Wirkungen ist durchaus unbewußt und unbeabsichtigt und auch das Zusammenwirken der Einzelnen in der Gesellschaft ist meist etwas Unbewußtes und Ungewolltes.

Das führt zu der Bemerkung, daß der Mensch in der Wirtschaft als Subjekt, aber auch als  Gegenpartei  und als  Objekt  aufzufassen ist. Der Mensch in der Wirtschaftslehre ist selbst ein  Stück stofflicher Wirklichkeit  und stellt als solches nicht nur eine Ursache von  Kosten  für den Unterhalt seiner stofflichen Wirklichkeit dar, sondern auch ein  Produktionsmittel,  eine Kraftquelle, mit der entsprechend gewirtschaftet, hausgehalten werden muß; seine Fähigkeiten kommen wirtschaftlich von dem Standpunkt aus in Betracht, daß sie die stoffliche Wirklichkeit nicht nur als Grundlage und Voraussetzung, sondern auch als Ziel haben.

Die  Zurechnungslehre  der österreichischen Grenznutzenlehre steht schon entgegen, daß die Gestaltung der Preise von Machtverhältnissen abhängt, von der Organisation und der Einsicht in die wirtschaftlich Zweckmäßigkeit. Aber das Wichtigste ist, daß bei dieser Lehre eine  Verwechslung der Menschen und der Produktionsmittel  vorliegt. Weil Menschen, die gemeinsam zu einem Produktionszweck beigetragen haben, einen entsprechenden Anteil am Gewinn wollen, konstruiert diese Theorie eine Verteilung des Erfolgs auf diejenigen Faktoren, welche zum Erfolg beigetragen haben. Das hat aber doch nur Sinn, insofern diese Faktoren wieder aufs Neue verwendet werden. Es hat doch keinen Zweck, ein Produktionselement, das vorher mitgeholfen hat, später aber überflüssig geworden ist, in diese Berechnung einzubeziehen. Wer eine neue bessere Maschine erworben hat, wird doch nicht einen Teil seines Ertrags auf die Erhaltung der alten überflüssigen Maschine verwenden, weil diese zum Ertrag mitgeholfen hat. Die Neuverteilung erfolgt nach ganz neuen Gesichtspunkten.

Hier stellen sich aber noch andere Schwierigkeiten für jene Theorie ein, welche sich selbst die psychologische nennt. Der Nutzen der Teilquantität, die das geringste Bedürfnis befriedigt, soll den Wert des ganzen Gutes ausmachen; doch trifft dies gerade nicht für den Gebrauchswert zu, denn sonst würde ein freies Gut, dessen letzter Teilnutzen gleich Null ist, auch im Ganzen keinen Wert haben. Was aber abnimmt, ist gerade nicht der subjektive Gebrauchswert, sondern der wirtschaftliche Wert oder besser gesagt die Wirtschaftlichkeit des Gebrauchswertes, weil eben Möglichkeiten und Zwecke sich dann in einem solchen Mengenverhältnis befinden, daß nicht mehr gewirtschaftet zu werden braucht.

Die Bestimmung des freien Gutes durch diese Theorie ist daher ganz unzulänglich. Freies Gut sind doch nur alle diejenigen Güter, welche man über den Bedarf hinaus besitzt. Diejenige Quantität, welche man noch braucht, ganz gleich, ob man sie individuell bestimmen kann oder nicht, ist doch nicht frei. Man sollte eben überhaupt besser nicht von freiem Gut sprechen, was ein mehr der juristischen Denkweise entnommener Begriff ist. Sondern man sollte die Güter, die man über den Bedarf hinaus besitzt, einfach Überschuß oder  Überfluß  nennen. Dann liegt schon im Wort, daß bei ihnen Wirtschaften nicht nötig ist, und daher die Frage, ob der  wirtschaftliche  Wert hier gegeben ist, verneint werden muß.

Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Meinung, daß in der Wirtschaft  alles  zum Grenznutzen oder nach den  Grenzkosten  veranschlagt wird. Wenn dies so wäre, dann müßten doch die Güter zum Grenzkostenpreis stehen, also alle gehandelten Güter  abgeglichen  sein. Womit aber doch nicht vereinbar ist, daß beim  Tausch  das einzutauschende Gut  höher im Wert  stehen muß! Diese Schwierigkeit wird später ihre Lösung finden in dem Abschnitt über die Tauschwirtschaft. Diese Richtung der subjektivistischen Theorie hat die ganze Lehre von Produktion und Zins auf  Ort  und  Zeit  zurückgeführt.

Die Bedeutung von  Zeit  und  Ort  muß mit der richtigen Einschränkung aufgefaßt werden. Durch die Verschiedenheit der empirischen Konstellation ist die Zeit einerseits ein Wertfaktor, andererseits eine Kostenquelle. Das gleiche ist der Fall in Bezug auf den Ort. Aber die beiden sind sozusagen nur die  Gelegenheitsursache  der wirtschaftlichen Anrechnungsmöglichkeit. Die Zeit ansich ist ebensowenig wie die örtliche Bestimmtheit produktiv. Es muß dazu doch die  Nützlichkeit des Stoffes  kommen.

Es ist daher unmöglich, aus der Zeit allein eine Wertverschiedenheit der Güter und daraus eine  Zinstheorie  zu gewinnen, ebensowenig wie es möglich ist,  gesellschaftlich  notwendige Arbeitszeit als einen Wertfaktor zu erklären. Daß die Zeit allein nicht Neuwert schafft, sieht man den Kosten der Aufbewahrung geschlossener Depots, im Gegensatz zu den Deposigen, die zur Verwendung hingegeben werden.

Die eigentliche Produktion braucht Zeit und Ort, weil sie die Veränderung des Stoffes in eine andere Form zum Zweck der Verwertungsmöglichkeit zum Wirtschaften hinzunimmt. Der Bedarfshandel ist Überwindung der zeitlichen und örtlichen Verschiedenheit. Wert, Preis, Zins, Ertrag und Rente sind ebenso wie der Lohn  Funktionen  der Zeit aber nicht ihre Wirkungen.


3. Mensch und Zweck

Der Mensch ist es, der der Wirtschaft ihre Zwecke setzt und doch ist der  einzelne Mensch  als  Zweck  in der Wirtschaftslehre  nicht  ausreichend. Denn es gibt nicht nur Zwecke für den einzelnen Menschen; die meisten und wichtigsten Zwecke sind unendlich viel inhalts- und umfangreicher als der einzelne Mensch und es gibt Zwecke, die in sich eine abgeschlossene Einheit bilden, aber nicht die Person eines Menschen voll ausfüllen. Zwecke setzt nicht nur der einzelne Mensch, sondern auch die menschliche Gesellschaft weiteren und weitesten Sinn des Wortes.

Auch die  Möglichkeiten und Produktionsmittel  überdauern den Menschen und ihre volle Ausnutzung kann nur von Generationen geleistet werden. Die Zwecke in der Gesellschaft fallen nur selten mit der  Person  des einzelnen Menschen zusammen, sondern sind meist überindividuell.

Diese Loslösung des Zwecks von der menschlichen Person gibt vor allem Anlaß zu einer Anordnung in der Volkswirtschaft, die man  Arbeitsteilung  zu nennen pflegt, besser aber als Unterart der  Zweckteilung  bezeichnen würde.

In der  Gebrauchswirtschaft,  in mittelalterlichen, sozialistischen und genossenschaftlichen Wirtschaften fallen Menschen und Zwecke zusammen, so wie in der Staatswirtschaft der Staat selbst der Zweck ist.

Ähnlich ist das Ausgehen vom Subjekt bei GOSSEN, der infolgedessen die Möglichkeit der Sättigung mit wirtschaftlichen Gütern in die wirtschaftliche Überlegung einführt; aber er  beschränkt  dadurch die Betrachtung auf die Wirtschaft und vermag die Möglichkeit der  Unternehmung  nicht zu erklären.

In der  Kapitalwirtschaft  fallen Mensch und  Zweck  und Mensch und  Möglichkeiten  völlig auseinander. Dm gibt die Rechtsordnung Ausdruck, wenn sie eine Einheit schafft in der Form der  juristischen Person,  in der beschränkten  Haftung,  in der  Kapitalgesellschaft  und dgl. Dadurch entsteht die Möglichkeit, daß ein Zweck eine wirtschaftliche Einheit bilden kann, die viel kleiner und viel größer als die menschliche Person ist, und daß der Einzelne mehrere Zwecke auf sich vereinigen und sich mit anderen zu einem ihn überragenden Zweck verbinden kann. So entsteht das  unpersönliche  Wirken des Kapitals mit seiner Ausschaltung des einzelnen menschlichen Subjekts.

In der Steuerlehre ist der Ausdruck  Subjektsteuer  als Gegensatz zur Ertragssteuer sehr irreführend. Denn das Aufsuchen der subjektivistischen Leistungsfähigkeit bei der Subjektsteuer ist viel mehr ein Suchen nach der wirklichen  wirtschaftlichen Besteuerungsfähigkeit,  wie sie sich zeigt durch die Zugrundelegung der  konkreten,  wirklichen  Wirtschaftseinheit,  in der alle Nennwerte ihre wirtschaftliche Bedeutung erlangen durch die Gegenüberstellung von Soll und Haben; allerdings kommen dabei auch subjektive Eigenschaften, also individuelle Tüchtigkeit und der persönliche wirtschaftliche Erfolg zum Ausdruck. Es ist das indessen keine "subjektive" Auffassung, sondern nur die Beziehung auf eine konkrete Wirtschaftseinheit. Daß der Mensch als eine solche nicht ohne weiteres aufgefaßt werden kann, ist oben schon gesagt worden.

Der Zweck wird an die Stelle des menschlichen Individuums gesetzt, wenn z. B. dem gleichen Menschen ein  Sparkonto  und ein  Produzentenkonto  angelegt wird, oder wenn bei der  Selbstversicherung  der Einzelne gewisse Zwecke nach Grundsätzen verbindet, die vom Subjekt völlig absehen.

Wenn in der doppelten  Buchführung  umgekehrt zur Veranschaulichung der Konten empfohlen wird, sie als Personen aufzufassen, und man davon spricht, daß der tote Buchhalter den lebenden kontrollieren soll, so ist dies eben eine Veranschaulichung zu Lehrzwecken.

In der  Wirtschaftslehre  sind aber als Beziehungspunkte nicht die menschlichen Individuen zu nehmen, sondern die zusammengehörigen  Zweckeinheiten. 


4. Angebot und Nachfrage

Man verwendet  Angebot und Nachfrage  als Wert- und Preisfaktoren und ist dies so sehr gewohnt, daß man die Wirtschaftslehre schon oft als die Wissenschaft von Angebot und Nachfrage bezeichnet hat.

Man kann aber bei Angebot und Nachfrage nicht stehen bleiben. Es ist vielmehr  kritisch  zu prüfen, woher sie ihre Bedeutung und Berechtigung haben.

 Setzt man sie gleich,  so daß ihre Wirkung aufgehoben ist, so ist doch noch ein wirtschaftlicher Wert vorhanden, nämlich das Verhältnis des Vorrats zum Bedarf. Das beweist, daß sie nicht die Ursache des wirtschaftlichen Wertes sind.

Angebot und Nachfrage sind nichts als quantitative Verändungen von Vorrat und Bedarf und verhalten sich dazu wie die  Meinung  zur  Wirklichkeit.  Angebot und Nachfrage  sollten  nach der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit dem Verhältnis von Vorrat und Bedarf entsprechen. Auch wenn dies der Fall wäre, würde natürlich noch ein Wirtschaften nötig sein, eben wegen der Inkongruenz von Vorrat und Bedarf.

Die Verschiedenheit des Angebots und der Nachfrage von Vorrat und Bedarf ergibt die Möglichkeit der  spekulativen Ausnutzung  und die Notwendigkeit der volkswirtschaftlichen  Wert-  und Preispolitik. Bei Geld, Nahrungsmitteln und Grund und Boden springt dies ganz besonders in die Augen.

Freilich muß in der Wirtschaft mit Angebot und Nachfrage gerechnet werden, oft viel stärker als mit dem wirklichen Vorrat und Bedarf. Für die Theorie besteht aber nicht nur die Aufgabe, bei Angebot und Nachfrage nicht stehen zu bleiben, sondern vielmehr alle die Irrungen und Täuschungen, die in Angebot und Nachfrage liegen können, durch die  Kritik zu überwinden.  Dies geschieht, indem der Theoretiker sich selbst als zweckmäßig handelndes, nur gedachtes Subjekt in die Mitte stellt, und annimmt, daß theoretisch Angebot und Nachfrage mit Vorrat und Bedarf übereinstimmt. Bei den Wirtschaftsindividuen, die den historischen Schauplatz oder die Gegenpartei des theoretischen Wirtschaftens bilden, kann allerdings diese Fiktion nicht zugelassen werden. Sie müssen aufgefaßt werden, wie sie sind mit all den Irrungen und Täuschungen, durch die bewußt und unbewußt, mit und ohne Absicht, Angebot und Nachfrage von Vorrat und Bedarf abweichen.


5. Die historische
Volkswirtschaftslehre

Die  historische  Richtung der  Volkswirtschaftslehre  pflegt vom historischen Subjekt auszugehen. Würde sie vollständig folgerichtig verfahren, und sich keiner anderen theoretischen Überlegungen bedienen, als nur derjenigen, die aus ihrem Standpunkt hervorgehen, so könnte sie sich nicht davor retten, daß alles, was gewertet wird, auch wirklich ein Wert sein muß. Und doch wird in der Volkswirtschaft eine Menge von  falschen  und  Scheinwerten  getauscht und gebraucht, die ihre Kritik erfahren müssen, indem über das Werten des Subjekts die allgemeine Überlegung gesetzt wird, ob die subjektive Wertung berechtigt ist.

Bei einer konsequenten Beibehaltung des Ausgangspunkts aber muß sich aus der historischen Betrachtungsweise allerdings für den Wert eine  menschliche  Theorie des Wertes, die beim Menschen stehen bleibt, und eine  staatliche  Theorie des Geldes ergeben, die von Staat und Recht ausgeht; doch folgt daraus weder eine wirtschaftliche Wert- noch eine wirtschaftliche Geldlehre.

Die Geschichte ist ein gewisser  Prüfstein des Wertes,  aber mit seiner Fortdauer ist nur die  Wahrscheinlichkeit  seines Geltens gegeben, nicht seine vollständige Berechtigung. Denn er muß sich immer wieder aufs Neue bewähren, die Verknüpfung von Möglichkeiten und Zwecken wechselt unaufhörlich. Die wirtschaftlichen Werte sind weder immer noch überall gleich wirtschaftlich. Der wirtschaftliche Wert kann nicht schon deswegen als solcher anerkannt werden, weil er tatsächlich ist.

Die historische Volkswirtschaftslehre erklärt es gelegentlich ausdrücklich, daß nicht Vorrat und Bedarf den Wert machen, sondern Angebot und Nachfrage. Doch kann niemand das Ergebnis des wirklichen Geschehens so unkritisch hinnehmen; es ist oben schon gezeigt worden, wie es gerade die Pflicht der Wirtschaftslehre und der Naturwissenschaften ist, das Verhältnis des Vorrats zum Bedarf von der Verschleierung durch Angebot und Nachfrage zu befreien.

Der wichtigstes Grund, warum die historische Volkswirtschaftslehre zu keiner Theorie kommen konnte, ist gerade der  Historismus,  der darin besteht, die geschichtlichen  Tatsachen selbst  schon als Ausgangspunkt nehmen zu wollen. Das wurde von ihr richtig erkannt, daß man nur von der Wirklichkeit ausgehen kann. Aber es wurde dabei übersehen, daß nicht die Wirklichkeit selbst schon den wirtschaftlichen Wert ergibt, sondern erst die Wert verhältnisse  in der Wirklichkeit. Daher arbeitet die historische Volkswirtschaftslehre, wenn auch praktisch richtig, so doch theoretisch  nur mit Nennwerten,  sie verwechselt  die  wirtschaftlichen Werte mit  dem  wirtschaftlichen Wert.

Der bekannte Methodenstreit der Schulen beruth aber wohl hauptsächlich auf der  unzweckmäßigen  Stellung der Frage nach einer  "allgemeinen Volkswirtschaftslehre".  Es kann nur eine allgemeine Wirtschaftslehre geben, deren Allgemeinheit in der Begriffsbildung derjenigen der Naturwissenschaften gleichkommt; man muß nur berücksichtigen, daß es  nicht  gilt, die  Tatsachen  zu verallgemeiner,  sondern  nur das wirtschaftliche  Wertverhältnis.  Daneben ist eine  Volks wirtschaftslehre möglich, die dann naturgemäß nicht allgemein genügen kann. (vgl. den Abschnitt: Wirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre)

Die historische Volkswirtschaftslehre kommt zu keiner wirklich allgemeinen Theorie, weil die allgemeine Überlegung des Volkswirtschaftskörpers nur eine gesellschaftliche ist. Daher bleibt sie bei der Tauschwirtschaft stehen, was für die  Volks wirtschaftslehre möglich ist, aber zu keiner allgemeinen Wirtschaftstheorie führt; Gebrauchswert und Wirtschaftseinheit kommen dabei nicht zur Geltung.

Weil die historische Volkswirtschaftslehre vom Volk, einem  historischen,  nicht wirtschaftlichen Begriff bestimmt ist, faßt sie nur den Wechsel der Tatsachen ins Auge, aber nicht das, was in der Wirtschaftslehre mit naturwissenschaftlicher Allgemeinheit zu erfassen ist, das Wertverhältnis, in das der Wechsel der konkreten Tatsachen ohne weiteres eingesetzt werden kann; wie die Mathematik mit ganz beliebigen Benennungen ihrer Zahlen arbeiten kann, so kann in die Formeln der Wertgesetze bei Berücksichtigung des Wechsels der Verfahren jede  beliebige Größe und Art  der Güter eingesetzt werden.

Schließlich verführt diese Denkrichtung zu einer gewissen, an metaphysische Konstruktionen erinnernden Auffassung volkswirtschaftlicher Erscheinungen als geschichtlich fest umgrenzter und abgeschlossener Tatsachenkomplexe. Eine solche Auffassung ist oft geneigt, verschiedene Wirtschaftsstufen für geschichtlich fest umschriebene, nie wiederkehrende Gebilde zu halten. Das Wirtschaften nach Kapital, das  überall  im kleinsten und im größten Umfang vorkommen kann, wo nur irgendwie die  Vorbedingungen  dazu gegeben sind, wird dann mit Kapitalismus gleichgesetzt, der doch nur eine Entartung darstellt. Kapitalwirtschaft kann doch sehr zweckmäßig und ohne Raubbau betrieben werden, während Kapitalismus eben Kapitalwirtschaft mit Raubbau ist (vgl. den Abschnitt: Kapitalwirtschaft).

Konsequenter Historismus wird dem nicht gerecht, was der  Stoff  in seiner Wichtigkeit für den wirtschaftlichen Wert bedeutet. Dagegen wird die Bedeutung des Menschen viel zu hoch eingeschätzt und übersehen, daß der  Mensch  für die volkswirtschaftliche Betrachtung  auch stoffliche Wirklichkeit  ist.

Die historische Volkswirtschaftslehre hat das Recht des Historischen übertrieben und ist dabei doch vielfach  innerlich rationalistisch  gesinnt geblieben. Das zeigt die häufige Verwendung des Wortes  "Relativität".  Damit wird meist eine Beschränktheit der Geltung des Begriffs im Sinne des Bedauerns einer Unzulänglichkeit ausgedrückt. Diese Relativität empfindet aber nur derjenige als einen Mangel,, der innerlich doch an eine für die Wirtschaftslehre mögliche Verwendung genereller Begriffe der Wirklichkeit selbst glaubt. Wenn man die Volkswirtschaftslehre als Wirklichkeitswissenschaft auffaßt und nicht Wirklichkeit als Menschheitsgeschichte versteht, so ist das zeitlich und örtlich veränderte Gelten der konkreten Ausgangspunkte und Unterlagen des wirtschaftlichen Begriffs seine wissenschaftliche  Bestimmtheit,  aber nicht eine "Relativität".


6. Andere Arten des Subjektivismus

Es fördert die Überlegung nicht weiter, wenn man statt vom einzelnen Subjekt, von der  Gesellschaft  ausgeht. Die Bedeutung, welche die Gesellschaft in der Betrachtung der Wirtschaftslehre besitzt, darf natürlich nicht unterschätzt werden. Als einziger Ausgangspunkt ist aber die Gesellschaft schon deswegen unmöglich, weil die letzte Erklärung aller wirtschaftlichen Erscheinungen im Gebrauchswert liegt, die Gesellschaft aber in erster Linie nur den Tauschwert, den Gebrauchswert aber nur indirekt verständlich macht.

Für die Wirtschaftslehre ist der Ausgang von der Gesellschaft ungenügend, weil sich Wirtschaftseinheit und Gesellschaft wie notwendige gegenseitige Faktoren zueinander verhalten. Hierüber enthält der Abschnitt "Gesellschaft" Näheres. Über den Ausgang vom Recht vgl. den Abschnitt "Wirtschaft und Recht".

Eine allgemeine Wirtschaftslehre muß Grundlagen ergeben, die die Wirtschaftseinheit  und  die Gesellschaft umfassen, sonst kann sie niemals eine wirklich allgemeine Erklärung des wirtschaftlichen Geschehens sein.

Wer das  rein logische  Subjekt, also einen nur gedanklichen Beziehungspunkt zum Ausgang nimmt, kommt zum  Nominalismus dessen Resultate für die Wertlehre nicht genügen können. Historisten und Nominalisten kommen dann auch häufig bei der Unmöglichkeit, von ihrem Standpunkt aus den Wert zu erklären, zu einer vollständigen Ablehnung des Wertgedankens. Daß dies ein für die Wirtschaftslehre unmöglicher Standpunkt ist, braucht nicht weiter bewiesen zu werden.


IV. Zusammenfassung

Nach allem Angeführten kann der Ausgang weder vom Subjekt allein noch vom Objekt allein genommen werden.

Der Ausgang vom  Objekt  läßt die konkrete Konstellation der Möglichkeiten und Zwecke unberücksichtigt, die aber gerade die Voraussetzung des wirtschaftlichen Wertes ist. Die Wirtschaftslehre sagt Allgemeines von dem Wertverhältnis aus, in dem Teile der Wirklichkeit zueinander stehen können, aber die Wirklichkeit selbst wird dabei nicht allgemein gefaßt; die Allgemeinheit des naturwissenschaftlichen Begriffs ist  nicht gleich  der Allgemeinheit einer Erfahrungstatsache in der  Wirklichkeit.  Die generelle Darstellung erstarrt daher auf den Erscheinungen, von denen sie gewonnen ist, und verhindert die Durchlässigkeit, Veränderlichkeit und vielseitige Anwendungsmöglichkeit, die die Wirtschaftslehre für ihre Begriffe braucht.

Der wichtigste Mangel, den der Ausgang vom  Subjekt  bringt, ist die theoretische Unfruchtbarkeit.

Der Ausgang vom Objekt bedeutet eine Beschränkung der Extensität in Bezug auf den  Umfang  der sämtlichen Erscheinungen des wirtschaftlichen Wertes. Das wichtigste Beispiel, die Arbeit, wird für den Wert selbst genommen und andere Entstehungsursachen des wirtschaftlichen Wertes bleiben ungeklärt.

Der Ausgangspunkt vom Subjekt ist eine Beschränkung der Intensität, des gedanklichen  Inhalts  und der Vertiefung der Wertidee. Entweder wird das psychologische Subjekt zum Ausgangspunkt genommen und dies führt zu einer menschlichen Theorie des Wertes, welche die eigentlichen wirtschaftlichen Vorkommnisse nicht erklärt. Oder es führt dieser Ausgangspunkt zu Historismus und Nominalismus, deren theoretische Resultate sehr bedenklich sind. Diese Abstraktionen verlieren sich in gedankliche Konstruktionen, denen gegenüber die Wirtschaftslehre wieder auf die Beine gestellt werden muß.

Gegen den  Materialismus des Objektivisten  muß auf die Notwendigkeit der Beachtung des Subjekts hingewiesen werden, weil nicht das Sein selbst das Objekt des wirtschaftlichen Erkennens ist, sondern die Wertbeziehung.

Gegen den  Subjektivismus  ist geltend zu machen, daß das Denken nur Erkenntnismöglichkeit, aber  nicht  Seinsursache ist; daß der Mensch durch sein Denken nur die Beziehungen des Seins, aber nicht das Sein selbst zu verändern vermag.

Der subjektive Standpunkt läßt nur den Anteil  des Menschen  an der Wertbeziehung erkennen, der objektive nur die  stofflich allgemeine  Möglichkeit. Dabei versäumt der Subjektivist, die Bedeutung der allgemeinen stofflichen Ursache, der Objektivist, die Wichtigkeit des menschlichen Erkennens und Verfahrens genügend zu berücksichtigen.

Daraus folgt, sowohl der Objektivismus wie auch der Subjektivismus ergeben nur  Theorien  des Wertes, aber keine der beiden reicht zu einer vollkommenen Wertlehre. Und zwar aus dem Grund, weil eben der wirtschaftliche Wert nichts anderes ist, als die  Beziehung des Objekts zum Subjekt,  so daß keiner der beiden Standpunkte entbehrt werden kann.

Wenn man nun versucht, einen  neuen,  den Subjektivismus und Objektivismus umfassenden  Ausgangspunkt  zu finden, so ist dazu selbstverständlich eine Betrachtung nötig, auf welche  beide  zurückgeführt werden können. Nun zeigt eine Betrachtung der beiden Ausgangspunkte, daß weder das Objekt noch das Subjekt ansich zur wirtschaftlichen Betrachtung Anlaß gibt, sondern beide nur soweit, als sie  stoffliche Wirklichkeit  sind und brauchen. Ein Zurückgehen auf Stoff und Wirklichkeit wird also ein neues Licht auf Objekt und Subjekt werfen und die Theorie weiter fördern, als die objektivistische und die historische Sackgasse und die psychologische Seitengasse.

Den beiden eben behandelten Richtungen wird in der Literatur oft der Vorwurf gemacht, daß sie alle Schwierigkeiten nur einfach  an einem Ort  ablagern. Die Funktion der Arbeit als Faktor des Wertes bezeichnen manche Autorien mit Recht als geheimnisvoll und theoretisch nicht nachweisbar. Ebenso oft wird dem Subjektivismus vorgeworfen, daß er einerseits alles in das Subjekt hineingeheimnist, aber andererseits doch keine Erklärung bringt.

Auch der Ausgang von Stoff und Wirklichkeit ist durchaus  nicht  imstande, das  "Geheimnisvolle" vollkommen  vollkommen zu beseitigen. Allein es wird zu zeigen sein, daß er die Erkenntnis vertieft und erweitert. Und er ist außerdem ein Begriff, der auf dem Boden der Wirtschaftslehre als einfacher Erfahrungssatz hingenommen werden darf. Die Erklärung kann der Philosophie überlassen bleiben.


C. Stoff und Wirklichkeit
als Ausgangspunkt der Wirtschaftslehre


I. Stoff und Wirklichkeit

Vier Größen des Umfangs sind für die Zwecke dieser Untersuchung beim Begriff  Stoff  zu unterscheiden. Zunächst ist der Stoff im naturwissenschaftlichen Sinne die  absolute gedankliche Allgemeinheit,  die jede Endlichkeit und Bestimmtheit ausschließt. Ein solcher Begriff wird in der Wirtschaftslehre nicht von der Wirklichkeit gebildet, sondern nur vom wirtschaftlichen Wert, das heißt den Mengenverhältnissen, in welche die Teile der Wirklichkeit zum Zwecke der Wertung zueinander gesetzt werden.

Der allgemeine Begriff, der in den Naturwissenschaften von den Dingen, nicht von Verhältnissen gebildet wird, erhält eine Veranschaulichung dadurch, daß die Technik den Stoff nach Art des naturwissenschaftlichen Begriffs in der  Wirklichkeit darzustellen  sucht. Wenn Kohle, Eisen, Gold, Mehl und dgl. hergestellt werden, so sind das lauter konkrete Wirklichkeiten; sie haben nicht die Abstraktheit des naturwissenschaftlichen Begriffes, sind nicht hundertprozentig, nicht endlos und unbestimmt. Sie sind aber insofern Veranschaulichungen des naturwissenschaftlichen Begriffs, als man bei ihnen  nicht auf die Menge  sieht und auch nicht auf die  zeitliche  und  örtliche  Bestimmtheit, sondern nur auf ihre Ursächlichkeit, auf ihre  allgemeine Art.  Bei der Überlegung, ob man Holz oder Eisen verwendet, Weizen oder Roggen anbaut, denkt man nur an die wirkliche  Art,  zunächst  nicht  an die  Menge. 

Dieser allgemeine, aber wirkliche Stoff ist ein brauchbarer Ausgangspunkt. Aber er gibt noch zu  keiner wirtschaftlichen  Überlegung Anlaß, weil man bei ihm noch nicht auf das Mengenverhältnis des Verbrauchs sieht. Er ist nur eine allgemeine  Voraussetzung  für das Wirtschaften.

In diesem Stoff, der die allgemeine Voraussetzung bildet, ist selbstverständlich einzubeziehen der Stoff, der das sinnlich wahrnehmbare  Sein  und Wirken  der Menschen ausmacht;  es ist also darunter das allgemeine stoffliche Sein des Objekts  und  des Subjekts der Wirtschaft verstanden.

Das  gedankliche  Sein ist wirtschaftlich von Bedeutung, aber nur mittelbar, nämlich insofern, als es sinnlich wahrnehmbare Stoffe zur Voraussetzung oder zum Ziel hat. Diesem  allgemeinen aber wirklichen  Stoff kommt die Bedeutung zu, daß er die allgemeine Möglichkeit, Voraussetzung und Mittel der menschlichen Bedürfnisbefriedigung ist.

Er besitzt die Geeignetheit, Zwecken zu dienen und kommt hierfür zunächst in seiner absoluten Allgemeinheit nach seiner  Qualität, d. h. der Art seiner Ursächlichkeit  in Betracht.

Das ist die Überlegung, von der die englische Schule der Wirtschaftslehre ausging, sie wird daher mit Recht als eine  materialistische  bezeichnet.

Sie sucht die Arten der Ursächlichkeit auf möglichst einfache und daher allgemeine Ursachen zurückzuführen und würde Recht behalten haben, wenn sie nicht  drei Ursachen  dabei übersehen hätte: die Ursächlichkeit des menschlichen  Verfahrens,  das bei eigenlichen Wirtschaften an die Stelle der reinen Seinsursache tritt. Die Ursächlichkeit, die dem  Zweck  in der  Wirklichkeit  zukommt, weil er allein den wirtschaftlichen Wert entstehen läßt. Sowie schließlich den Umstand, daß der wirtschaftliche Wert nicht eine Tatsache, sondern ein  Verhältnis  von Tatsachen ist.

Das sind die wichtigsten Gründe, warum die  Quantitätstheorien,  oder besser gesagt, die eine Quantitätstheorie, die die englischen Klassiker von der ganzen Wirtschaftslehre aufstellten, doch unvollkommen geblieben ist. Vgl. den Abschnitt "Menge und Wert des Geldes".

Die genannten Schwierigkeiten stehen der allgemeinen  unmittelbaren  Verwendung des Stoffes beim Wirtschaften im Weg. Die allgemeine Betrachtung der Ursächlichkeit, Geeignetheit oder Nützlichkeit des Stoffes macht wie gesagt  überhaupt noch kein Wirtschaften  nötig. Dieses folgt erst aus der Tatsache, daß das Wirtschaften damit rechnen muß, wie dieser Stoff in der Wirklichkeit vorkommt und in welchem Verhältnis er als Möglichkeit zu einem Bedarf steht.

Nicht die Nützlichkeit allein, sondern die Frage nach der zweckbezogenen  Seltenheit  ist ausschlaggebend. Die Wichtigkeit des generell betrachteten Objekts genauso wie die Wichtigkeit des allgemein gefaßten Zwecks wird fortwährend durchkreuzt und aufgehoben durch die  konkrete Bestimmtheit.  Sowohl Subjekt als auch Objekt des Wirtschaftens, sowohl die Möglichkeit, als auch die Zwecke sind erst wirtschaftlich bedeutsam, wenn sie, konkret in der Wirklichkeit vorhanden, nach ihrem Mengenverhältnis zum Rechnen und damit zum Wirtschaften Anlaß geben.

Es ist also nicht das Subjekt, was die materielle Betrachtung zur wirtschaftlichen macht, sondern nur der  Bedarf  in der stofflichen  Wirklichkeit.  Das ist es auch, was wohl den Subjektivisten der Grenznutzentheorie vorgeschwebt hat: Die konkrete Wirklichkeit, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit des Subjekts nur besonders ins Bewußtsein tritt, in der Tat aber bei Objekt und Subjekt ganz gleich ausschlaggebend ist.

Durch die  Hinzunahme des Bedarfs  in der Wirklichkeit zum allgemeinen wirklichen Stoff erhält der Begriff des Stoffs zu den bereits genannten noch  zwei weitere Bestimmungen.  Vorher waren der absolut allgemeine naturwissenschaftliche und der allgemeine aber wirkliche Stoff angeführt, der zwar wirklich vorhanden, aber weder nach Menge noch nach Zeit und Ort bestimmt ist.

Der Sinn und die Notwendigkeit des Wirtschaftens entsteht erst durch die beiden folgenden weiteren Bestimmungen des Umfangs beim Begriff des Stoffs. In der konkreten Wirklichkeit ist der in Bezug auf  Zwecke  beschränkte Stoff nämlich denkbar entweder nach seinem Umfang in der  ganzen Wirklichkeit,  oder nach seiner konkreten Bestimmtheit durch eine besondere  Zeit  und einen besonderen  Ort  seines Vorkommens.

Um ein Beispiel der vier Arten zu geben: Dem  naturwissenschaftlichen  Begriff  Gold  steht gegenüber die Überlegung: Als Deutschland seine Goldwährung einführte, brauchte es Gold. Dies ist die  konkrete Stoffart.  Für die dritte Art ist ein Beispiel der Goldvorrat  der ganzen Erde  und ein Beispiel des vierten Stoffumfangs der gegenwärtige Goldbestand der deutschen  Reichsbank. 

Was hier ausgesagt ist, gilt vom Stoff der Möglichkeiten  und  der Zwecke, denn der Unterschied ist nur, daß der eine vorhanden, der andere benötigt, aber doch konkret vorgestellt ist. Die Inkongruenz des Stoffes, der vorhanden ist und dessen, der benötigt wird, ist der Beginn des Wirtschaftens.

SMITH und RICARDO haben den  natürliche  Wert und Preis und den  wirklichen  einander gegenübergestellt; dabei ist dann der natürliche Wert ungefähr als das gedacht, was dem  wirklichen  Verhältnis von Vorrat und Bedarf entspräche, und das, was SMITH und RICARDO den wirklichen Wert nennen, ist das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. In der Tat aber ist  auch das wirkliche  Verhältnis von Vorrat und Bedarf nichts "natürliches, naturgerechtes", im Gleichgewicht befindliches.

Was zum Wirtschaften Anlaß gibt, ist ein  doppeltes  Mißverhältnis. Die Irrungen und Täuschungen, die durch Angebot und Nachfrage entstehen  und die Inkongruenz des wirklichen Vorrats  mit dem  wirklichen Bedarf.  Diese zweifache Abweichung der Wirklichkeit von den menschlichen Bedürfnissen gilt es, nicht zu rationalisieren oder rationalistisch zu übertünchen, sondern zu  erkennen  und  anzuerkennen  und zum Ausgangspunkt der  rationalen wirtschaftlichen  Tätigkeit zu machen.


II. Die Wirklichkeit

Unter  Wirklichkeit  soll für diese Zwecke nichts weiter verstanden werden, als konkrete, zeitliche und örtliche  Bestimmtheit,  welche bestimmte  Mengenverhältnisse  zur Folge hat. Dabei sind einige Worte über die Bedeutung von Zeit und Ort nötig.

Die  Bedeutung der Zeit  ergibt sich einmal daraus, daß die den wirtschaftlichen Wert bestimmende Beziehung von Möglichkeiten auf Zwecke nur eintreten kann, wenn Möglichkeiten und Zwecke für bestimmte Fälle nach ihrem Mengenverhältnis bestimmt sind. Dies schließt nicht aus, daß diese bestimmten Zwecke nach Art und Zahl unendlich aneinander gereiht gedacht werden können. Es folgt aber daraus nicht nur die Bedeutung eines  bestimmten  Zeitpunktes für eine günstige Bedarfsdeckung eines  bestimmten  Zeitpunktes für eine günstige Bedarfsdeckung und der daraus folgenden Preisgestaltung; sondern auch die Notwendigkeit einer  zeitlichen Wirtschaftseinheit,  eines Wirtschaftsjahres, Quartals und dgl., weiner bestimmten Befristung, eines Ziels für Zahlungen usw.

Die Produktion und die Ortsveränderung durch den Handel  brauchen Zeit,  und daher verursacht die Zeit einerseits  Kosten  und schafft andererseits  Wert. 

Alles Wirtschaften ist an Zeit gebunden; in der Kapitalwirtschaft ist die Verwendung von Kapital so  ununterbrochen  möglich, daß hier  Zeit Geld  bedeutet und  Geld Zeitersparnis. 

Daher hat es ja, wie oben erwähnt, Schriftsteller gegeben, die die Zeit selbst als Wert- und Ertragsfaktor bezeichneten und der Meinung waren, daß  künftige  Güter  ansich  weniger wert als gegewärtige sind und die Zeit selbst den Zins zur Folge hat. Andere bezeichnen die  Arbeitszeit,  die in der Gesellschaft nötig ist, als Wertfaktor. Dies sind Verwechslungen der Zeit mit der in der Zeit stattfindenden Wertschaffung und Wertvermehrung. Die Zeit ist nur eine  Gelegenheitsursache  des Wertes. Daß die Zeit allein keinen Neuwert schafft, sieht man an den Kosten der Aufbewahrung geschlossener Depots. Wert, Preis, Zins, Lohn, Ertrag und Rente und dgl. sind daher, wie oben bemerkt, Funktionen, aber durchaus nicht Wirkungen der Zeit.

Die Zeit erprobt den Wert, aber es ist mit der Fortdauer eines Wertes nur die  Wahrscheinlichkeit seines  Geltens gegeben, nicht seine vollständige Berechtigung. Es gibt  keine ewigen  wirtschaftlichen Werte, wie es auch  keine  Werte gibt, die  überall  wirtschaftlich wären.

Auch der  Ort  ist ansich weder Kosten noch Wert schaffend. Er ist nur die  Gelegenheit  hierfür.

Die Wichtigkeit des Ortes zeigt sich in der gedanklichen Konstruktion des isolierten Staates von THÜNEN, der in erster Linie für die Landwirtschaft schreibt; er stellt Verhältnisse dar, bei denen der Standort der Produktion fest ist und daher ändern sich die Preise nach der Gunst oder Ungunst des Ortes.

ALFRED WEBER betrachtet die Industrie, eine Produktionsweise, deren Standort verhältnismäßig beweglich ist; er zeigt daher, wie die Ungunst des Ortes eine wirtschaftliche Überlegung zur Vermeidung der Kosten nötig macht. Die Kosten des Transportes des Rohstoffs, der Kraftquelle oder zum Markt wirken so, daß der Standort der Industrie zur Vermeidung der Kosten zu demjenigen der drei Faktoren hingezogen wird, dessen Transportkosten am größten sind.

Beim  Handel  ist die Überwindung der zeitlichen und örtlichen Verschiedenheit durch Lagerhalten und Transport schon die Wertschaffung, bei der eigentlichen  Produktion  gehört dazu auch die Veränderung des Stoffs. Nicht dadurch entsteht der Wert des * Handels daß er transportiert und lagert, sondern dadurch, daß er  Ort und Zeit des größeren Bedarfs  findet.


III. Die Allgemeinheit der Wirklichkeit,
das Gesetz der großen Zahlen.

Die zeitliche und örtliche Bestimmtheit schafft ein Mengenverhältnis, das auch in seinem denkbar größten Umfang anders zu beurteilen ist als der Umfang des absolut allgemeinen Begriffs.

Absolut allgemeiner Begriff und Wirklichkeit verhalten sich so zueinander, daß die Erscheinung des Naturgesetzes in der Wirklichkeit sonst nichts ist, als  das Gesetz der großen Zahlen.  Je größer die Zahl der Fälle ist, in denen eine wirtschaftliche Erscheinung erkannt wird und vorkommt, desto größer ist die Regelmäßigkeit des Wirkens derjenigen Ursächlichkeit, die der Erscheinung zugrunde liegt.

Dadurch, daß eine Ursächlichkeit gesondert betrachtet oder verwirklicht wird, erhalten die anderen in der Wirklichkeit noch mit wirkenden Ursachen den Charakter des Nebensächlichen oder Zufälligen. Die ganze Wirklichkeit teilt sich also für die wirtschaftliche Betrachtung in  wirtschaftliche  und  zufällige  Erscheinungen.  Die Wirklichkeit ist gleich Wirtschaft und Zufall. 

Von irgendeinem anderen Standpunkt der Betrachtung tritt die Wirtschaft selbst wieder in ihrer Bedeutung zurück und wird Zufall.

Die zufälligen Erscheinungen treten immer mehr zurück und die ausgewählte Ursächlichkeit tritt immer mehr als wirkend in den Vordergrund, je größer die Zahl der Fälle wird; es ist selbstverständlich, daß irgendein beliebig herausgegriffener Fall ganz anders verlaufen kann, als die große Regelmäßigkeit, in der die allgemeine Ursächlichkeit wirkt; ohne daß dadurch aber das Gelten dieser Regelmäßigkeit selbst irgendwie verändert wird.

Dieses Gesetz der großen Zahl wird gewöhnlich nur in der Statistik genannt, ist aber für die Wirtschaftslehre von  grundlegender Bedeutung  durch diese Scheidung der Wirklichkeit in Wirtschaft und Zufall. Die Wirtschaft kann nicht die absolute Allgemeinheit der Begriffe bei der Berechnung der Möglichkeiten für einen Zweck zugrundelegen, sondern nur die Mengenverhältnisse der Wirklichkeit. In dieser ist aber die zu untersuchende Erscheinung niemals vollständig isoliert enthalten.

Daraus folgt, daß die Wirtschaftslehre mit  Wahrscheinlichkeiten  arbeitet, die aus Tatsachen folgen, obwohl ihr Gesetzmäßigkeiten des  Wertverhältnisses  zugrunde liegen, die sich aus allgemeinen Begriffen ergeben.

Dies ist so zu verstehen: Schauplatz der Betrachtung ist die konkrete Wirklichkeit, also eine Summe von Tatsachen. Die wirtschaftliche Überlegung bringt die Tatsachen zueinander in Beziehung als Mittel und Zweck. Dies ist das wirtschaftliche  Wertverhältnis;  die Wirtschaftslehre verallgemeinert dieses Verhältnis ganz  wie einen naturwissenschaftlichen  Begriff.

Dabei bleibt sie aber nicht stehen, sondern sie verwendet die Allgemeinheit dieses Verhältnisses sofort für die Wirklichkeit. Daher scheint es, als ob gar kein Grundgesetz da wäre, sondern eine  Norm

Die Norm  enthält  aber das Naturgesetz und baut nur darauf dieses relative Müssen auf, das man so ausdrücken kann: Nur wer leben will, muß wirtschaften. Gewöhnlich wird nur auf diese Norm, dieses Sollen oder die Aufgabe mehr geachtet, als auf das zugrunde liegende Gesetz und dann meint man, die Wirtschaftslehre sei eine  "normative"  Wissenschaft. Aber es wird sich wohl  jede  Wirklichkeitsnorm auf ein  Gesetz  zurückführen lassen.

Durch die Anwendung auf die Wirklichkeit ist also das Gesetz der großen Zahlen nicht nur für die Möglichkeiten, sondern auch für das wirtschaftliche Wertverhältnis selbst praktisch bestimmend.

Die  Wirtschaftslehre  strebt daher nach möglichst  umfassenden Begriffen  und die tatsächliche  Wirtschaft  nach  Vergrößerung  der  Wirtschaftseinheit  oder des  Marktes  durch eine Beseitigung aller zeitlichen und örtlichen Hemmungen, auch der rechtlichen.

Aus der Einteilung der Wirklichkeit in Wirtschaft und Zufall und infolge der Geltung des Gesetzes der großen Zahlen für die Wirtschaft ergibt sich: Je größer die Zahl der als wirtschaftlich interessant beobachteten Fälle, desto mehr Wahrscheinlichkeit entsteht für das Wirken der  wirtschaftlichen  Ursachen und desto weniger Wahrscheinlichkeit für das Wirken der  zufälligen.  Je kleiner die Zahl, desto größer ist die Zufallsmöglichkeit.

Das ist der tiefste Grund des Strebens nach  Freihandel.  Je größer das Volk und der Wirtschaftskörper, desto stetiger seine Entwicklung; je größer der Markt, desto stabiler die Preise; je größer die Freiheit von zufälligen, willkürlichen, oder aus anderen Gesichtspunkten erwachsenden Hemmungen, desto klarer das Zutagetreten des wirklichen Verhältnisses von Vorrat und Bedarf. Darum ist der Verkehr der Feind des Monopols. Die größten Möglichkeiten liegen im allgemeinen, je freier der Verkehr und je leichter die Überwindung der örtlichen Schwierigkeiten, des Transportes, ist, auf dem Weltmarkt.

Je größer der Markt, desto mehr sind  Tauschwert  und  Gebrauchswert gleich,  desto mehr nähern sich  Angebot  und  Nachfrage  dem  wirklichen  Vorrat und Bedarf.

Je größer das Gebiet der Möglichkeiten und Zwecke, desto freier und wirtschaftlich günstiger ist ihre wirtschaftliche Synthese.

Andererseits je kleiner der Markt, desto größer die  Schwankungen  der Preise und das Wirken der zufälligen Faktoren, desto leichter die  Spekulation,  desto leichter auch die Beeinflussung und Trennung des äußeren Tauschwertes vom inneren Gebrauchswert, desto  notwendiger die Pflege des Preises  und des Kurses, damit nicht Zufälligkeiten das innere Wertverhältnis verschleiern und Angebot und Nachfrage völlig das Verhältnis von Vorrat und Bedarf verlassen.

Der  größte Markt aber wird niemals  in einem  Abgleichen  von Vorrat und Bedarf enden  müssen;  es kann sein, aber es müßte nur dann sein, wenn das Weltgeschehen der menschlichen Zwecksetzung entspräche.

Aus dieser ganz allgemeinen Überlegung folgt natürlich  nicht die Notwendigkeit aller Handelsbefreiung.  Denn alle Zwecke hängen ursächlich zusammen und es ist ganz unwirtschaftlich, einen Zweck auf Kosten aller anderen zu verfolgen. Es müßte daher zuerst gefragt werden,  welches  Interesse den größeren Markt haben soll. Aber das Ideal der Freiheit folgt aus dem Wirtschaften selbst, das der schützenden Beschränkung aus nicht wirtschaftlichen Überlegungen oder aus dem  gelegentlichen  Konflikt der empirischen Konstellation. Das Nähere hierüber wird im Kapitel "Wirtschaft" ausgeführt werden.


IV. Das Verhältnis des Stoffs
zur Wirklichkeit

Es wurden in den bisherigen Ausführungen die absolut allgemeine und die wirklich allgemeine Nützlichkeit und die durch einen Bedarf entstandene Nützlichkeit der ganzen Wirklichkeit von der zeitlich und örtlich bestimmten geschieden.

Die allgemein  Wichtigkeit des Zweckes  bedingt auch die allgemeine Bedeutung der Möglichkeiten. Jeder Zweck ist wieder eine Möglichkeit für einen anderen Zweck. Daher erhält jeder Zweck eine Unterordnung unter den Zweck, für den er das Mittel ist. Dies muß keine wirtschaftliche, sondern kann eine ganz allgemein Überlegung sein. Denn auch der  Zweck, allgemein gefaßt,  gibt zum  Wirtschaften keinen Anlaß. 

Die  Dringlichkeit  des Zwecks aber entspricht nicht der Gelegenheit, in der die Möglichkeiten gegeben sind und die  Dauer  des Zwecks nicht der Dauer der Mittel. Daraus folgt ein zweifaches Mißverhältnis der Möglichkeiten und Zwecke.

Die Menge und Dauer der Möglichkeiten entspricht in der  ganzen  Wirklichkeit nicht dem Mengen- und Dauerbedarf, den der Zweck nötig macht. Die zeitlich und örtlich besonders bestimmte Menge und Dauerhaftigkeit der Mittel steht in einem ganz  besonderen  Mißverhältnis zum Mengenbedarf und dem Andauern der Zwecke.

Zusammenfassend kann man sagen:  allgemeine Wichtigkeit, konkrete Dringlichkeit und Dauer  der Möglichkeiten und der Zwecke  durchkreuzen sich  unablässig und stellen dadurch wieder besondere Aufgaben an das Wirtschaften.

Faßt man, was als durchaus angängig erscheint, die Dringlichkeit und Dauer zusammen als die Seltenheit des Wertes, so zeigt sich folgende Beziehung der  Seltenheit  zur  Nützlichkeit. 

Seltenheit des Schädlichen ist Nützlichkeit. Seltenheit ohne Nützlichkeit steigert die Nützlichkeit, weil der Bedarf zunimmt. Die Nützlichkeit steigert die Seltenheit durch eine Vermehrung des Bedarfs. Häufigkeit vermindert den Wert des Nützlichen. Nützlichkeit vermindert die Häufigkeit durch die Steigerung des Bedarfs.

 Nützlichkeit  ohne  Seltenheit  ist wirtschaftlich bedeutungslos, allerdings nicht von der gleichen Bedeutungslosigkeit, wie die Seltenheit des nicht Nützlichen. Denn beim Nichtnützlichen kann die Seltenheit eintreten, während es Dinge gibt, die ihrer Art nach nie nützlich werden können.

Das Interesse des Sammlers an der Seltenheit ansich ist wirtschaftlich nur von Bedeutung, wenn es  Kosten  verursacht oder einen  Ertrag  bringt, ist also nach der Art der gedanklichen Güter und der Rechte zu beurteilen, die ebenfalls nur danach wirtschaftlich bedeutungsvoll sind, was sie kosten und einbringen.


V. Folgerungen

Aus der Betrachtungsweise, die der Ausgang von Stoff und Wirklichkeit mit sich bringt, folgen einige Eigentümlichkeiten für die ganze Wirtschaftslehre.

Zunächst ist nur  das  Gegenstand der Betrachtung, was irgendwie  wirklich  oder  wirkend  wird, das heißt, irgendwie sinnlich wahrnehmbar in Erscheinung tritt.

Diese Betrachtungsweise sagt einerseits: was  nicht  wirkt, ist  bedeutungslos,  andererseits:  alles  ist  bedeutungsvoll, was wirkt,  auch wenn es unbewußt, unbeabsichtigt, durch Zufall entstanden oder gegen den Willen der Interessieren oder durch ein Zusammenwirken überindividueller, gesellschaftlicher oder natürlicher Ereignisse, politischer Vorkommnisse und dgl. eingetreten ist, wie z. B. der "unverdiente" Wertzuwachs, Börsengewinne und dgl.

Weil der wirtschaftliche Wert in dem Maße sinkt, in dem Möglichkeiten in ihrem gegenseitigen Verhältnis zu- und Zweck abnehmen, verringert derjenige selbst, der wirtschaftliche Werte schafft, durch deren Vermehrung ihre Wirtschaftlichkeit oder wirtschaftliche Bedeutung.

Vermehren sich die Zwecke nicht, so nimmt  der  wirtschaftliche Wert in dem Maße ab, in dem  die  wirtschaftlichen Werte zunehmen.

Immaterielle  Güter, ideelle Genüsse, Rechte, geistige Fähigkeiten usw. werden nur dann wirtschaftlich von Bedeutung, aber auch dann sofort, wenn sie stofflicher Wirklichkeit als Grundlage bedürfen, oder einen Erfolg in stofflicher Wirklichkeit haben. Besonders hat das  Recht  nur Bedeutung, wenn es entsprechend  gedeckt  ist. In der Wirtschaft handelt es sich nicht darum, Recht zu haben, ja es genügt nicht einmal, Recht zu bekommen, sondern darüber hinaus, die dem Recht entsprechende Leistung zu erreichen. Kein Mensch läßt einen kleinen Wechsel protestieren, wenn der Schuldner nicht zahlungsfähig ist. Die wirtschaftlichen Erscheinungen Tausch, Geld, Kredit usw. sind grundsätzlich auch  ohne Eigentum  und  Rechtsordnung  möglich und denkbar.

Diese Betrachtung zeigt aber auch, daß ein Wirtschaften, das heißt eine Inkongruenz von Möglichkeiten und Zwecken, auch dann gegeben wäre, wenn jede konkrete wirtschaftliche Möglichkeit in der Verfügung des geeigneten Wirtschafters wäre, und wenn ein allgemeines Abrechnungsverfahren alle hemmenden Rechte beseitigt hätte. Die  konkrete Bestimmtheit  von Möglichkeiten und Zwecken genügt hierfür vollständig.

Wenn Angebot und Nachfrage gleich sind, bleibt immer noch die Notwendigkeit des Wirtschaftens infolge der Verschiedenheit von  Vorrat  und  Bedarf;  erst wenn diese immer und überall gleich sind, oder der Vorrat weit größer als der Bedarf wäre, dann würde das Wirtschaften aufhören und von keinem wirtschaftlichen Wert mehr gesprochen werden können.

In dieser Überlegung ist der  Mensch  mit seinem Kreis von Zwecken und Bedürfnissen ebenfalls nur als  Erfahrungstatsache  aufzufassen. Er schafft die Konkretheit der Zwecke, aus der sich die verschiedenen Arten des Wertes ergeben: das freie, das seltene, das leichter oder schwerer vermehrbare Gut, der Liebhaberwert.  Kein  Gut stellt einen solchen Wert  gattungsmäßig  dar, sondern je nach dem konkreten Verhältnis von Möglickeiten und Zwecken  gehen  freies Gut, Liebhaberwert usw.  ineinander über. 

Wirtschaftlich ist kein tatsächlicher Unterschied zwischen dem  Überfluß an Gebrauchswerten,  auch der größten Kunstwerke, Naturschönheiten, und der  Fülle des Bedeutungslosen,  oder beim ein oder anderen entsteht kein wirtschaftlicher Wert. Denn auch der Gebrauchswert, den das eine hat und das andere nicht, ist, abgesehen von dem wirklich zum Gebrauch notwendigen, Überfluß und daher wirtschaftlich gleichgültig. Der mögliche Unterschied besteht nur darin, daß das Bedeutungslose niemals, der Träger von Gebrauchswert aber dann wirtschaftliches Gut werden kann, wenn sein Vorrat entsprechend ab- oder der Bedarf zunimmt.

Aus der Eigenart der stofflichen Wirklichkeit folgt, daß alles immer gleichzeitig nur  einem  Zweck dienen kann; das macht neben dem Unterhalt des Arbeiters die eigentlichen Kosten der Arbeit, weil derjenige, der einen Zweck wählt, andere Zwecke unterlassen muß.

Die Notwendigkeit der wirtschaftlichen Überlegung entsteht auch dadurch, daß bei feststehendem Zweck das kleinste Mittel, bei gegebenen Möglichkeiten der höchste Zweck und nur, wenn beides veränderlich ist, bei kleinsten Möglichkeiten der größte Zweck erzielt werden muß.

Vor einem Zweck sind tatsächlich alls  Möglichkeiten gleich,  die ihn verwirklichen können; aber der weitere Zweck, zu wirtschaften, läßt das kleinste Mittel wählen.

Es sind auch die  Zwecke  in ihren Möglichkeiten  gleich.  Man wird aber wirtschaftlich immer den größten Zweck für jede Möglichkeit wählen.

Es ist weiter eine Erfahrungstatsache, daß gleiche Tauschwerte einen ganz verschiedenen Gebrauchswert und ganz verschiedenen Ertrag haben können; dies ist die berechtigte Fassung des Grundgedankens der Lehre vom  Grenznutzen.  Verschiedene Kosten können den gleichen Tauschwert haben, dies ist der Grundgedanke der  Differentialgrundrente.  Die Bevölkerungszahl gibt den Umfang der Zwecke.

Die  Vermehrbarkeit  des Gutes ist bestimmend für die Höhe der  Kosten,  die man aufwenden muß und die Höhe des  Erfolges,  den man erwarten kann. Für die Bedürfnisse ist die Größe des Erfolges insofern ausschlaggebend, als die Höhe des Preises besagt, wie weit in der Bedarfsdeckung gegangen werden kann.

Steigt nun die Menge der Möglichkeiten durch eine Vergrößerung des Reichtums oder eine Verminderung der Kosten, so wird der Luxus früherer Zeiten zum Bedürfnis späterer. Die Kosten gleichen sich auf Selbstkosten ab, je größer das Bedürfnis zu verkaufen und der Wettbewerb der Verkäufer ist. Es ist dabei wichtig, daß die Wirtschaftlichkeit der Werte abnimmt mit dem Zunehmen der Werte. Der Reichtum nimmt zu, je geringer die Kosten werden; je kleiner die Kosten, desto größer der Wert; dies zeigt wieder, daß man  Kosten  und  Wert nicht gleichsetzen  kann.

Die stoffliche Wirklichkeit in ihrer konkreten Tatsächlichkeit ist der Boden, auf dem die Statistik mit der Wirtschaftslehre zusammentrifft. Die Statistik verzeichnet all die Wert tatsachen  und all die Zwecke, welche zu einer wirtschaftlichen Überlegung Anlaß geben. Die Eigenschaft der Wirklichkeit, mit den Zwecken nicht übereinzustimmen, ist vom Standpunkt der menschlichen Bedürfnisse aus eine Irrationalität, weil eben die Wirklichkeit nicht der menschlichen Vernunft entspricht. Einerseits hat es daher keinen Zweck, die Wirklichkeit selbst rationalisieren zu wollen, das vernunftgemäße Ausgestalten ist nur möglich im menschlichen Handeln. Andererseits ist dieses Hinnehmen der Irrationalität der Wirklichkeit kein Rückschritt, denn das Rationalisieren des Objektivisten gleicht oft einer Art Vogelstraußpolitik, die einfach die Schwierigkeit nicht sehen will.

Der Ausgangspunkt von Stoff und Wirklichkeit ist reine Erfahrung, er umfaßt daher genauso den günstigen Zufall wie die Tücke des Objekts und erstrebt in ganz gleicher Weise, wie KARL MARX die Ethik ängstlich vermied und nach einer Seinsformel trachtete, eine rein  ontologische  Erklärung der wirtschaftlichen Tatsachen.


VI. Die Aufgabe des Wirtschaftens

Aus der Eigenart der stofflichen Wirklichkeit, die der Schauplatz und die Voraussetzung der wirtschaftlichen Tätigkeit ist, folgt, daß der wirtschaftliche Wert erst entsteht durch eine Gegenüberstellung der Möglichkeiten und Zwecke, es gibt also keinen Wert ansich, keinen Nominalwert im wirtschaftlichen Sinne. Einerseits kostet alles Wirtschaften immer etwas. Andererseits bringt das erfolgreiche Wirtschaften Ertrag. Wer die Mittel für einen Zweck beschaffen muß, dem entstehen Kosten, wer sie gebrauchsfertig besitzt, hat einen Wert.

Damit ist für den Menschen  eine Aufgabe  gesetzt, die er nach ganz bestimmten, allgemeinen Grundsätzen durchzuführen hat. Und weil die unausgesetzte Veränderlichkeit des Verhältnisses von Zwecken und Möglichkeiten, das unausgesetzte Sichdurchkreuzen von Nützlichkeit und Seltenheit in der  stofflichen Wirklichkeit wesentlich  begründet ist, so folgt die Notwendigkeit einer unausgesetzten  persönlichen Leitung  für jede Wirtschaft. Die Wirtschaft ist ein fortwährendes  Zusammen-  und  Entgegenwirken  von Kräften, dessen Ergebnis günstig zu gestalten die Aufgabe dieser persönlichen Wirtschaftsleitung ist.

Daraus ergibt sich: Nicht weil jemand Unternehmer ist, muß er Gewinn haben, oder weil jemand Kapital hingegeben hat, ist er irgendwie berechtigt, Zins zu fordern. Das sind Überlegungen, die ihrer Natur nach nicht wirtschaftlich sind. Sondern:  Wenn  es gelingt, einen Unternehmergewinn zu erzielen,  dann  gibt es einen solchen,  wenn  Kapital fruchtbar gemacht werden kann und ein Wettbewerb um die Verwendung des Kapitals stattfindet,  dann  wird Zins gezahlt, aber von einer Berechtigung kann hier nicht die Rede sein.

Das ausschlaggebende ist hier nur die  wirtschaftliche Zweckmäßigkeit,  über die unweigerlich der wirtschaftliche  Erfolg  oder  Mißerfolg  in der Wirklichkeit, die aus Wirtschaft  und  Zufall besteht, entscheidet.


VII. Grenzen der Geltung
dieses Ausgangspunktes

Die Hauptaufgabe der vorliegenden Arbeit ist, für die Wirtschaftslehre einen Boden zu finden, auf dem eine  allseitige  Behandlung der wirtschaftlichen Fragen möglich ist.

Gerade darum dürfen aber auch die  Grenzen  der Geltung dieses Ausgangspunktes nicht übersehen werden.

Durch  Übertreibung  einer ansich berechtigten Geltung entsteht immer irgendeine Art von "Ismus". Der Merkantilismus ist Übertreibung des Handels, Physiokratismus und Industrialismus verwechseln Produktion und Wirtschaft und meinen, der eine die Natur, der andere, der Arbeitsfleiß schaffe allein den Wert. Der Materialismus hält die Klassenkämpfe für den ganzen Inhalt der Geschichte, der Individualismus übertreibt die Bedeutung des Einzelnen, der Sozialismus die der Gesellschaft; der Metallismus hält Gold für Geld, der Chartismus hält die Grenzen nicht ein, die der Bedeutung des die Charta ausstellenden Staates gezogen sind.

Subjektivismus und Objektivismus sind zwei Einseitigkeiten in der Werttheorie, der Historismus erkennt nur das Recht des Historischen an, die Nominalisten arbeiten mit der Bezeichnung der Sache, statt mit der bezeichneten Sache, der Psychologismus hält die Psychologie für die einzig richtige Prinzipienlehre der Wirtschaft und darüber hinaus könnte man noch von Soziologismus reden, der die gesellschaftliche Seite des Wirtschaftens über-, und die einzelwirtschaftliche unterschätzt, von Ethizismus, der die Ethik in die Wirtschaftslehre selbst hineinträgt, und einer Menge anderer Ismen.

Der hier vertretene Standpunkt könnte sehr leicht auch als "Ismus" bezeichnet werden, nämlich als  Kritizismus  und  Realismus.  Denn die beiden wichtigsten Voraussetzungen sind der Ausgang von Stoff und Wirklichkeit, der sich gegen den Materialismus der Objektivisten wendet; und die  kritische Ablehnung  des Subjekts, die gegen alle Arten des Subjektivismus, Intellektualismus, Historismus und Soziologismus, Nominalismus usw. gerichtet ist.

Wie kann nun dieser Doppel-Ismus des Kritizismus und Realismus vermieden werden? Der  kritische  Standpunkt verlangt, daß dem Subjekt keine unberechtigte Ursächlichkeit beigelegt wird, und daß Vorrat und Bedarf stets von allen Trübungen durch Angebot und Nachfrage kritisch gereinigt werden.  Kritizismus  aber kann dadurch  vermieden  werden, daß daneben dem Wirken des menschlichen Subjekts seine volle Bedeutung belassen wird. Und diese besteht in der Anerkennung dessen, daß das Wirtschaftssubjekt das ganze Wirtschaften entstehen läßt, und daß es durch die Ausbildung der Wirtschaftstechnik die Entwicklung der Wirtschaft erreicht.

Die  realistische  Behandlung ist nötig, weil der Ausgang von der Materie durch den von Stoff und Wirklichkeit ersetzt werden muß unter Berücksichtigung der Entwicklung des wirtschaftlichen Verfahrens der Menschen.

Aber um dem Vorwurf des  Realismus zu entgehen,  muß sich dieses Verfahren bewußt bleiben, daß es  nicht die abschließende  Behandlung des wirtschaftlichen Geschehens bilden kann. Diese erfährt die Wirtschaft erst durch die Erwägung ihrer allgemeinen Geltung und Bedeutung, deren Darstellung am Schluß dieser Arbeit versucht wird.

Der genannte Doppel-Ismus wird dadurch vollkommen vermieden, vielmehr durch den Ausgang von Stoff und Wirklichkeit 
ein Boden gefunden, auf dem  jede  Betrachtungsweise zu ihrem Recht kommt, wie dies bereits in den oben gegebenen Ausführungen an Subjektivismus und Objektivismus der Wertlehre gezeigt ist.

Derjenige wird der Wirtschaftslehre die weitere grundlegende theoretische Fortbildung geben können, dem es gelingt, die Theorie dessen, was hier stoffliche Wirklichkeit genannt ist, weiter zu fördern.
LITERATUR Ludwig Stephinger - Wert und Geld [Grundzüge einer Wirtschaftslehre] Tübingen 1918