tb-2 WundtDiltheyA. StadlerB. ErdmannC. Göring    
 
VIKTOR KRAFT
Die Grundlagen der
wissenschaftlichen Methoden

[3/3]

"Ein Urteil ist analytisch, wenn es sich einzig und allein aus Definitionen und Grundsätzen der reinen Logik ableiten läßt; es ist synthetisch, wenn sein Beweis (oder seine Erhärtung) andere Daten voraussetzt als die logischen Grundsätze und Definitionen."


II. Die Theorie
I. Die wissenschaftstheoretische
Eigenart der Mathematik


1. Der ideelle Charakter
des Gegenstandes der Mathematik

Den Gegenstand der Mathematik bilden in der Arithmetik (Algebra und Analysis) die  Zahlen.  In ihrer einfachsten Gestalt sind es die  positiven ganzen  Zahlen, die  natürlichen  Zahlen. Ihnen ist als wichtige Ergänzung die Null hinzugefügt worden, erst im Mittelalter von den Indern her. [13] Die erst große Erweiterung des Zahlbegriffs darüber hinaus ergeben im 13. Jahrhundert, aber bis ins 17. Jahrhundert noch in ihrer Zulässigkeit bestritten, die  negativen  Zahlen. In ihnen wird eine neue, eigene Art von Zahlen neben den positiven geschaffen, um die Aufgaben der Subtraktion in unbeschränkter Allgemeinheit durchführen zu können. Eine zweite große Erweiterung bilden die  gebrochenen  Zahlen, welche eingeführt wurden, um die Aufgaben der Divisio ganz allgemein durchführen zu können. - Neben den ganzen und den gebrochenen positiven und negativen Zahlen, dia als die "rationalen" Zahlen zusammengefaßt werden, wird abermals eine ganz neue Art von Zahlen in den  irrationalen  Zahlen aufgestellt. Man wird zu diesen geführt, indem sich Rechenoperationen ergeben, die durch keine rationale Zahl gelöst werden können, z. B. die Quadratwurzel aus jeder rationalen Zahl gelöst werden können, z. B. die Quadratwurzel aus jeder rationalen Zahl, die nicht selbst ein Quadrat ist oder die zahlenmäßige Bestimmung des Verhältnisses von Kreisdurchmesser und -peripherie oder von Diagonale und Seite eines Quadrates. Der allgemeine Begriff der irrationalen Zahl und damit das System aller denkbaren Irrationalzahlen läßt sich auf verschiedene Weise entwickeln: entweder mit DEDEKIND durch den Gedanken eines Schnittes innerhalb der Reihe der rationalen Zahlen oder mit HEINE, CANTOR und MÉRAY durch den Gedanken sozusagen eines Grenzwertes konvergenter Reihen von rationalen Zahlen oder mit WEIERSTRASS auf eine dritte Weise. Im Wesen ist es der Begriff von Zwischenzahlen zwischen den rationalen Zahlen, um durch sie ein Zahlenkontinuum herzustellen. Diese neuen Zahlen werden mit Hilfe der rationalen Zahlen exakt ausgedrückt. Für die praktische Anwendung werden sie durch Reihen von Brüchen als Näherungswerten  vertreten.  - Eine abermalige Erweiterung des Zahlbegriffs liegt endlich in den  imaginären  Zahlen, in denen ebenfalls eine ganz neue Zahlengattung eingeführt wird. Es sind das die Quadratwurzeln der negativen Zahlen. Da zwei negative Zahlen multipliziert eine positive ergeben, kann keine der  reellen  Zahlen, d. h. der rationalen und irrationalen zusammen, der Forderung Genüge leisten, zum Quadrat erhoben, d. h. also mit sich selbst multipliziert, eine negative Zahl zu ergeben. Es ist dazu eine ganz neue Art von Zahlen, aufgebaut mit Hilfe einer neuen Einheit  √-1=i,  erforderlich. Deshalb wurden sie aber selbst von DESCARTES bei ihrer Einführung durch GIRARD 1629 als  imaginär  bestritten und abgelehnt [14] (Seite 39, Anm.). All das sind Erweiterungen des Zahlbegriffs über den Rahmen der natürlichen Zahlen weit hinaus durch Schöpfungen neuer Zahlenarten, zu dem Zweck, um die Rechenoperationen in unbeschränkter Allgemeinheit durchführen zu können. Diese neugeschaffenen Zahlenarten folgen denselben Gesetzen, wie sie das Rechnen mit den natürlichen Zahlen bestimmen (HANKELs Prinzip der Permanenz der formalen Gesetze). Die Gesetze der Verknüpfung bei all den Zahlenarten sind von der Art, "daß die schon bekannten Rechenregeln auf dem Gebiet der natürlichen Zahlen als Spezialfälle in den neuen Regeln enthalten sind" [15] (§ 12). Dazu kommen als die letzten, neuesten Erweiterungen des Zahlbegriffs die  transfiniten  Zahlen, die unendlichen Mengen von verschiedener Mächtigkeit, deren Rechnungsgesetze aber von denen der endlichen Zahlen wesentlich abweichen, ferner die Quaternionen [Vierheiten - wp] und andere höhere komplexe Zahlen und die sogenannten nicht-archimedischen Zahlen.

Alle diese Erweiterungen des ursprünglichen Zahlbegriffes zeigen sich auf den ersten Blick als  rein gedankliche Gebilde,  als Schöpfungen von gedanklichen Mitteln, um gedankliche Operationen nach den gleichen Regeln durchführen zu können. Sie bezeichnen daher nicht Verhältnisse der erfahrbaren Wirklichkeit, sondern Beziehungen begrifflicher Inhalte, die nur im denkenden Bewußtsein vorhanden sind. In diesem Sinne werden sie als  ideelle  Gebilde, im Gegensatz zu realen oder präziser: wahrnehmbaren oder auf Wahrnehmbares notwendig zu beziehenden, bezeichnet.

Die positiven ganzen Zahlen enthalten, als die  natürlichen  Zahlen, allerdings Verhältnisse, die in der Erfahrungswirklichkeit vorkommen: sie bestimmen die Mehrzahl, die auch etwas empirisch Reales ist; und auf Beziehungen der natürlichen Zahlen lassen sich (nach KRONECKER) alle anderen Zahlen zurückführen. Trotzdem kann man aber nicht sagen, daß der Gegenstand der Arithmetik ein realer ist. Denn für die Arithmetik ist die  Wirklichkeit  der Zahlen und ihrer Beziehungen vollkommen gleichgültig - wenn man unter  wirklich  oder  real  das Vorhandensein in der konkreten zeitlich-räumlichen Welt der Natur oder des Bewußtseins versteht im Gegensatz zum zeitlosen Bereich des rein ideellen Gehaltes. Es liegt gar nicht im Sinne der Arithmetik, eine solche Wirklichkeit für die Zahlen in Anspruch zu nehmen. Sie behandelt sie als rein gedankliche Inhalte, als ideelle Gebilde. Zur Wirklichkeit haben sie nur die Beziehung, daß sie unter bestimmten Bedingungen auf sie  anwendbar  sind. Weil die Zahlen nicht als wirkliche Beziehungen, sondern bloß als ideelle in der Arithmetik in Betracht kommen, braucht sie sie auch nicht aus der empirischen Wirklichkeit erst zu gewinnen, so wie das z. B. bei den Begriffen der Zelle und der Stoffe der Fall ist. Das, um was es sich in der Arithmetik eigentlich handelt, ist die Ableitung der inneren Beziehungen zwischen den Zahlen selbst, die sie als bloße  Gedankendinge  in ihrem Bildungsgesetz einfach definiert und an den Anfang stellt. Es kommt ihr nur auf die logisch erweisbaren, durch Rechenoperationen erschließbaren Beziehungen zwischen ihren definitorisch festgesetzten Begriffsinhalten an, ohne alle Beziehung zur Wirklichkeit. Darum muß der Gegenstand der Arithmetik als ein ideeller bezeichnet werden, im Gegensatz zu realen Gegenständen (wie denen der Biologie, Geologie, Psychologie).

Dieser ideelle Charakter tritt an den beiden jüngsten Gebieten der Mathematik, der Mengenlehre und der Gruppentheorie, wenn möglich noch deutlicher hervor. Die Mengenlehre handelt vom allgemeinen Begriff einer Menge und den Beziehungen innerhalb einer solchen und den Beziehungen zwischen Mengen untereinander. Sie entwickelt diese Beziehungen rein logisch aus den definitorisch aufgestellten Eigenschaften der Menge. Dieser Begriff der Menge ist kein anderer als der abstrakte Begriff der Klasse und ihrer Individuen. Ebenso untersucht die Gruppentheorie die Verknüpfungsbeziehungen zwischen abstrakten Objekten. Eine Beziehung zur Realität kommt da nirgends in Frage.

Nicht minder gilt dieser ideelle Charakter für den Gegenstand der  Geometrie  - wiewohl sie, wie von KANT, so auch heute noch von den Philosophen vielfach als Lehre vom wirklichen Raum betrachtet wird. Ihre Grundbegriffe sind keine Begriffe von realen Objekten oder deren Verhältnissen. In den verschiedenen Systemen der Geometrie, der metrischen, der projektiven usw., lassen sich die Grundbegriffe auf zwei zurückzuführen: auf einen Klassenbegriff, den Punkt und einen Beziehungsbegriff, die Kongruenz, "der manchmal, wenn die Analyse nicht bis zu Ende geführt ist, in Form eines Klassenbegriffes (Gerade, Strecke, Vektor) auftritt" [16] (Seite 218).

Die geometrischen Grundgebilde: Punkt, Linie, Fläche, Raumkompartiment [abgegrenzte Räume - wp] und die geometrischen Grundbeziehungen; daß ein Punkt auf einer Linie liegt, zwischen zwei anderen liegt, daß zwei Linien sich schneiden usw. haben für die gewöhliche Auffassung einen Sinn, der nur von der  Anschauung,  der Raumwahrnehmung her, verstanden werden kann. Was in ihnen dann mathematisch gedacht wird, ist aber keineswegs dasselbe wie etwa die anschaulichen Gebilde, durch welche sie illustriert werden. Es sind  absolut eindeutige Festlegungen von Stellen im Raum.  Die anschaulichen  Punkte, Geraden, Ebenen  sind immer Teile des Wahrnehmungsraumes, die mit einem von ihrer Umgebung verschiedenen qualitativen Inhalt erfüllt und dadurch abgegrenzt, individualisiert sind. Wenn wir mit ihrer Hilfe räumliche Bestimmungen treffen, müssen diese immer ungenau bleiben oder besser: gelten sie innerhalb gewisser, durch die Beobachtungsmöglichkeit gegebener Genauigkeitsgrenzen. Wenn wir einen geographischen  Punkt  auf der Erde bestimmen (z. B. die geographische Länge und Breite von Wien), so stellt dieser  Punkte  einen Teil des Raums dar, der mehrere Quadratkilometer groß ist. Und wenn wir diesen Raumabschnitt auch immer weiter einengen bis auf einen winzigen Fleck, - er bleibt doch immer ein Flächenstück, ein Raumteil und er könnte diesen Charakter erst verlieren, wenn er - unter die Wahrnehmungsschwelle hinuntersinkt. Aber als letzte Grenze einer solchen fortgesetzten Einengung einer Stelle im Raum läßt sich ein Punkt, der nicht mehr ein Flächenstück ist, wenigstens  denken.  Es ist eine immer schärfere Individualisierung innerhalb des Raums - bis zur absoluten Eindeutigkeit, die damit vollzogen wird. Ebenso bedeutet die Gerade (und die geometrische Linie überhaupt) die vollkommene Individualisierung eines  Zusammenhangs  zwischen solchen absolut individualisierten Raumelementen. Wenn seit EUKLID der Punkt als jenes paradoxe Etwas ohne alle Ausdehnung bezeichnet wird und die Linie als eine Länge ohne Breite und Dicke usw., so ist der eigentliche Sinn dabei der, im Raum Stellen (und Beziehungen zwischen ihnen) zu isolieren und voneinander zu unterscheiden in einer absolut genauen Weies. Im Punkt, in der Geraden ... werden die Mittel geschaffen, um Unterschiede und Zusammenhänge im Raum, um rein räumliche Lageverschiedenheiten und -beziehungen mit vollkommen eindeutiger Bestimmtheit wenigstens denken zu können. Punkt, Gerade usw. sind die Formen, in denen die Individualisierung von Raumstellen und -beziehungen  lediglich durch die räumliche Verschiedenheit selber  begründet gedacht wird, während sie uns in der Erfahrung immer durch  qualitative  Verschiedenheiten des Raumerfüllenden gegeben wird und in denen diese Individualisierung als eine  vollkommene  gedacht wird, während die anschaulichen Figuren (Punkte, Geraden ...) als wenn auch noch so kleine oder schmale Flächenstücke (Raumteile) immer noch neue Raumunterschiede in sich zulassen - wenigstens in Gedanken. Punkt, Gerade ... als geometrische sind somit geradezu  ideale  Gebilde. In ihnen sind rein ideelle Bestimmungsmittel für den Raum geschaffen, denen so in der Wirklichkeit nichts entspricht. Sie ermöglichen nur rein gedanklich eine exakte Behandlung räumlicher Verhältnisse.

Ebenso ist unschwer einzusehen, daß die Beziehungen der Kongruenz nicht eine solche innerhalb der Realität sein kann. Wenn EUKLID die Kongruenz durch die Möglichkeit der Deckung von Figuren definiert, welche wieder die Bewegung derselben voraussetzt, so kann das doch keine Zurückführung dieser Beziehung auf eine solche der Wirklichkeit bedeuten; man kann sie nicht von einer physischen Bewegung der Körper im Raum herleiten - wie HELMHOLTZ [19] - weil sich die metrischen Eigenschaften des Raumes nur mit Hilfe unveränderlicher und nicht deformierbarer starrer Körper, also idealer, bestimmen lassen. "Nicht weil zwei Figuren deckbar sind, sind sie kongruent, sondern umgekehrt, [nur] weil sie kongruent sind, können sie zur Deckung gebracht werden" [16] (Seite 200). Die Kongruenzbeziehung ist eine selbständige, unzurückführbare Beziehung der Korrelation zwischen Figuren, eine eigene innere Beziehung zwischen ideellen Gebilden also.

Aber der  Raum,  auf den sich die geometrischen Begriffe beziehen, ist nun heute gar nicht mehr so etwas wie der  anschauliche  Raum. Die Geometrie hat aus ihm ur das System der Anordnung einer Mannigfaltigkeit überhaupt herausgehoben und zieht an ihm bloß die reinen Beziehungen in der Anordnung einer beliebigen Mannigfaltigkeit, wenn sie nur mehrdimensional, d. i. in mehrfachen Reihen angeordnet ist, in Betracht. Damit wird der  Raum  der Geometrie seiner spezifischen, anschaulichen Eigenart ganz entkleidet; diese gehört der  inhaltlichen  Besondertheit eines Anordnungsgefüges zu.

Die geometrischen Grundbegriffe (Punkt, Gerade, Ebene, Winkel, zwischen, kongruent ...) ändern damit ihren Sinn: den alten, ursprünglichen der euklidischen Definitionen, der aus der Raumwahrnehmung anschaulich illustrierbar ist, verlieren sie und erhalten eine viel allgemeinere formale Bedeutung. Im ersteren Sinne bezeichnen die Grundbegriffe Beschaffenheiten, welche dem anschaulichen Raum  individuell  zukommen, in letzterem Sinn nur solche, welche ihm mit jer anderen linearen dreidimensionalen Mannigfaltigkeit gemeinsam sind: sie enthalten nur das, was lediglich formale Beschaffenheit und Beziehung daran ist, was das allgemeine Anordnungsgefüge daran betrifft. Sie stellen eine höhere Allgemeinheitsstufe, eine  Formalisierung  dar. Die Grundbegriff im  anschaulichen  Sinne bedeuten demgegenüber schon eine  materiale, qualitative  Erfüllung der Grundbegriffe im  formalen  Sinne. Sie gehen damit also über das, was für das rein Mathematische erforderlich ist, bereits hinaus. Ihre anschauliche Eigenart spielt auch in den mathematischen Deduktionen selbst gar keine Rolle; es wird gar nie auf sie rekurriert; es kommt dabei ausschließlich auf die formalen, in den Axiomen festgelegten Eigenschaften an [17] (I, 168, 169) [18], (§ 13, 10 u. 11, Seite 110, 111).

Der Begriff des Punktes und die seiner Systeme bedeuten in der modernen Geometrie bloße Symbole für Klassen von beliebigen Objekten, welche bestimmte Bedingungen erfüllen. HILBERT beginnt seine  Grundlagen der Geometrie  (1899) mit der Erklärung in bezug auf die geometrischen  Elemente:  "Wir denken drei verschiedene Systeme von Dingen. Die Dinge des ersten Systems nennen wir Punkte ... die Dinge des zweiten Systems nennen wir Gerade ... die Dinge des dritten Systems nennen wir Ebenen ..." "Wir denken die Punkte, Geraden und Ebenen in gewissen gegenseitigen Beziehungen und bezeichne diese Beziehungen durch die Worte wie "liegen", "zwischen", "parallel", "kongruent", "stetig"; die genaue und vollständige Beschreibung dieser Beziehungen erfolgt durch die Axiome der Geometrie." Daher kann man gegebenfalls unter  Punkten  auch Kreise in einer Ebene verstehen und unter  Geraden  dann bestimmte Systeme von Kreisen und andere solche unter  Ebene.  Statt von Punkten und einer Geraden, auf der sie liegen, spricht man dann bloß von zwei verschiedenen Klassen und einer gewissen Art von Beziehung, die zwischen den Gliedern der beiden besteht. Es ergibt sich dann anstelle der gewöhnlichen Geometrie, wie sie in einem System von spezifischen Beziehungen zwischen spezifischen Punkten, Geraden, Ebenen usw. besteht, ein System von allgemeinen Beziehungen zwischen nur ganz allgemein bestimmten Klassen. Es stellt keinen Raum im gewöhnlichen, vom Anschaulichen her verstandenen Sinn mehr dar, sondern ein bloß formales Beziehungs- oder Ordnungssystem, eine geordnete Mannigfaltigkeit, die  dreidimensional  ist, wenn sie sich aus Beziehungen zwischen drei Arten von Gliedern aufbaut (aus  Drei-Term-Relationen),  die aber ebensogut n-dimensional sein kann, mit beliebig vielen Arten von Gliedern. Es ist eine Algebraisierung der Geometrie. Die Geometrie nennt RUSSELL [20] (§ 352) die Lehre von den zwei- und mehrdimensionalen Reihen. "Die Frage, was die aktuellen Glieder solcher Reihen sein mögen, ist für diese Geometrie, welche ausschließlich die Konsequenzen der Beziehungen untersucht, welche sie zwischen den Glieern postuliert, gleichgültig."

Dadurch, daß sich die Geometrie so in eine reine Beziehungslehre überführen läßt, indem man die geometrischen Elemente über ihre anschauungsfundierte Besonderheit hinaus zu inhaltlich unbestimmten Klassen verallgemeinert, wird ein kontinuierlicher Übergang von ihr in die Arithmetik hergestellt. Denn eine solche reine Beziehungslehre, eine solche formale Geometrie läßt sich auch von den Grundbegriffen der Arithmetik, ja von der formalen Logik her aufbauen. Indem man ausgeht von den Klassen und eine bestimmte Art von Beziehung zwischen den Gliedern derselben, die  reihenbildende,  die eine bestimmte Ordnung zwischen ihnen in einer Reihe herstellt, ins Auge faßt, kann man aufgrund der  Ähnlichkeit  von Reihen im Hinblick auf ihre reihenbildende Beziehung Ordnungstypen der Reihen aufstellen. Eine besondere Art solcher Reihen sind die  stetigen  Reihen (wie die reellen Zahlen), und sind nun die Gegenstände einer Klasse nicht bloß in  einer  stetigen Reihe, sondern in Reihen von Reihen - Reihen 2. Stufe, 3. Stufe und beliebiger weiterer (n-ter) Stufen - geordnet, so ist ein solches Ordnungssystem dann eben dasselbe wie der formale  Raum  der abstrakten Geometrie: ein drei- bis n- dimensionales  Beziehungssystem [21] (Seite 8 - 14). Damit ist eine Arithmetisierung der Mathematik, eine innere Homogeneität ihres Gesamtgebietes hergestellt. Denn aus der Arithmetik heraus läßt sich das formale Gefüge der Geometrie, die Struktur ihres Beziehungszusammenhangs aufbauen und die gewöhnliche Geometrie (der Punkte und Linien und Flächen usw.) stellt dann nur den  Spezialfall  dieses allgemeinen Systems dar, in dem anstelle der allgemeinen Klassen und Beziehungen die anschaulich verständlichen Raumgebildet und Beziehungen treten.

Die Geometrie, wie sie die Mathematik heute betreiben, ist keineswegs eine Lehre vom  wirklichen  Raum. Als  wirklicher  Raum kann dabei Zweifaches in Betracht kommen:
    a) der (psychologische Wahrnehmungsraum, d. h. der jeweilige individuelle Sehraum, in den gewöhnlich alle Räumlichkeitsbeiträge der anderen Sinne eingeordnet werden, oder auch bei Blinden der Tastraum, seiner allgemeinen Art nach, und

    b) der (physische) Erfahrungsraum, der eine, objektive Raum, in dem sich die materiellen Körper befinden und die Naturvorgänge abspielen. Weder die räumlichen Verhältnisse des ersten, noch die des zweiten hat die Geometrie zum Gegenstand - wenn sie auch zur Bestimmung beider, der speziellen Art ihrer Räumlichkeit, angewendet wird.
Man könnte auch nicht sagen, daß dies ihr eigentlicher Zweck und die rein ideelle Geometrie nur das vorbereitete Hilfsmittel dafür ist. Denn sie müßte dann doch wie jede Wirklichkeitserkenntnis schließlich auf Erfahrung rekurrieren, Beobachtung heranziehen, zumindest eine Verifizierung suchen. Davon ist aber in der mathematischen Geometrie keine Rede. Sie steht jeder empirischen Anwendung vollständig selbständig als etwas ganz Andersartiges gegenüber. Die Geometrie hat wohl "gewisse Verwandtschaften mit dem Raum der wirklichen Welt", aber sie besteht "ohne irgendeine logische Abhängigkeit von diesen Verwandtschaften". [20] In der Geometrie handelt es sich nicht um den wirklichen Raum, sondern um "ideale Räume, für welche man keineswegs reelle Existenz behauptet" [16] Seite 217. Sie ist "die Wissenschaft aller möglichen Raumesarten" (Seite 221) und der wirkliche Raum ist nur ein besonderer Fall derselben. "Zwischen allen logisch möglichen Geometrien, die man theoretisch begründen kann, kann die Erfahrung allein uns die zu wählen gestatten, welche wir auf die "reale" Welt, d. h. auf die Welt unserer Erfahrung anwenden werden" (Seite 122). Eine Lehre vom wirklichen Raum (angewandte Geometrie) erfordert die Verifizierung einer bestimmten Anzahl von Postulaten der reinen Geometrie durch die Erfahrung. RUSSELL [20] und mit ihm COUTURAT [16] (Seite 221) nennt sie deshalb nicht bloß eine empirische Disziplin, sondern sogar eine  Experimentalwissenschaft  mit Hilfe von sorgfältigen Messungen. Die reine Geometrie entwickelt dagegen eine ganz  allgemeine  Raumlehre, ohne Rücksicht auf die Eigenschaften des wirklichen, des empirischen Raumes. Ja, sie steht diesem so fern, daß sich schließlich ein geometrisches System entwickeln konnte, in dem nicht einmal mehr der spezifisch räumliche Charakter festgehalten wird. Die Geometrie ist heute die Wissenschaft von n-dimensionalen Anordnungssystemen, nicht vom Wahrnehmungs- oder vom physischen Raum; auf diesen wird sie nur angewendet. Damit tritt der ideelle Charakter des Gegenstandes der Geometrie in der deutlichsten Weise hervor. In ihrem allgemeinen, formalen Sinn stellen die geometrischen Grundgebilde eine Art algebraisches Zeichen dar und damit bedeuten sie offenkundig etwas rein Ideelles, nichts empirisch Reales.

Man wird vielleicht geneigt sein, die Idealität des Gegenstandes der Geometrie für eine triviale Wahrheit zu halten; aber nicht nur Philosophen wie JOHN STUART MILL, sondern auch Mathematiker wie PASCH [22] oder ENRIQUES [17] (II, Kap. IV, A) haben die Geometrie als  Naturwissenschaft  auffassen wollen, welche sich vor den anderen Naturwissenschaften "dadurch auszeichnet, daß sie nur eine sehr geringe Anzahl von Begriffen und Gesetzen  unmittelbar aus der Erfahrung  zu entnehmen braucht", als eine Wissenschaft, deren Anwendung auf die Wirklichkeit darauf beruth, "daß die geometrischen Begriffe ursprünglich  Genau den empirischen Objekten  entsprachen, wenn sie auch allmählich mit einem Netz von künstlichen Begriffen übersponnen wurden, um die theoretische Entwicklung zu fördern" [22] (Vorwort). "Punkt" ist dann ein "Körper, dessen Teilung sich mit den Beobachtungsgrenzen nicht verträgt" [22] (Seite 3): und "Linie" ist ein körperliches Gebilde, bei dem es unmöglich ist, "unter Innehaltung der der Beobachtung gesteckten Grenzen verschiedene Wege zwischen denselben Punkten zurückzulegen" (Seite 4). Die in der Erfahrung gegebenen Linien sind natürlich immer begrenzt, nicht unendlich (Seite 4). Gegen die Idealität der Geometrie macht auch ASTER [30] (Seite 232, 235) geltend: Es ist "ein Hauptfehler ... daß man, als selbstverständlich, die anschauliche Existenz der geometrischen Gebilde leugnet". "Unter Punkten und Linien verstehen wir  Grenzen,  die als solche anschaulich faßbar sind ..., ... wohl aber wissen wir, daß es gerade Linien als anschauliche Gebilde gibt."

Mit Gebilden der sinnlichen Wirklichkeit läßt sich aber keine Geometrie aufbauen, denn sie sind zu wenig präzise. "Es wäre unmöglich, ausnahmslose Lehrsätze aufzustellen, wenn man die empirischen Geraden und Ebenen in ihrer Unvollkommenheit beließe und nicht einmal ihre räumliche Begrenztheit beseitigen könnte." [18] Deshalb gibt es auch genug geometrische Postulate, welche überhaupt nie an anschaulichen Gebilden erfüllt werden können, z. B. die Forderung aus der Stetigkeit einer Linie, daß es zwischen beliebigen zweien ihrer Punkte immer mindestens einen dritten geben muß. Wenn die zwei Punkte, d. h. visible Minima, gerade um die Unterschiedsschwelle voneinander entfernt sind, ist es unmöglich, zwischen ihnen einen Punkt einzuschalten, denn er könnte von beiden nicht unterschieden werden (vgl. [17] II, Seite 325). Die empirischen Gebilde dienen aber auch für PASCH nur dazu, die Grundbegriffe zu ergeben; diese müssen dann jedoch fort- und umgebildet werden in einer Richtung, wie sie durch die Bedürfnisse einer strengen Theorie gefordert ist, die aber über das empirisch Gegebene weit hinausführt. "Empirisch in ihrer ursprünglichen Form müssen die Begriffe  Punkte, Gerade  usw., damit man allgemein gültige Lehrsätze aufstellen kann, über ihren engen Gültigkeitsbereich hinaus  erweitert  werden; das geschieht rein nominalistischt durch Einführung einer merkwüridgen Sprechweise, die es ermöglich, auch wenn gerade Linien einer Ebene sich im übersehbaren Raum nicht schneiden, sie doch so zu behandeln, als wenn sie sich schnitten" [18] (Seite 28). Dadurch kommt man dazu,  uneigentliche  Geraden, Ebenen, Strahlenbündel, Schnittlinien einzuführen und von ihnen gerade so zu sprechen, als wären sie wirklich vorhanden. Das heißt: diese Geometrie ist genötigt, in allergrößtem Maß mit fingierten  Tatsachen  statt mit realen, also mit ideellen zu arbeiten. Diese "natürliche" Geomentrie hat es sowenig mit empirischen Begriffen von realen Objekten zu tun wie die anderen Geometrien, auch sie verwendet eigentlich ganz dieselben idealen Begriffe wie diese. Auch hier ist  der Definition nach  ein Punkt etwas, bei dem keine Teile, also keine Ausdehnung in Betracht kommt, und ebenso eine Linie etwas, bei dem keine Breitenausdehnung ex definitione zugelassen wird ("auf der es unmöglich sein  muß  (!) ... verschiedene Wege zwischen zwei Punkten zurückzulegen") [22] (Seite 4), ebenso: "Teile einer Fläche  dürfen  (!) nur in Punkten oder Linien zusammenstoßen" (ebd.). Also dem Begriffsinhalt nach sind auch hier Punkt, Linie Fläche genau dasselbe wie sonst. Es sind nicht die Begriffe selbst ungenauer, unbestimmter gefaßt. Was in diesem Definitionen außerdem noch darin liegt, ist vielmehr, daß sie eine Beziehung auf die Erfahrungswirklichkeit herstellen. Für die praktische Verwendung liegen die so definierten Gebilde dann in der Erfahrungswirklichkeit vor, wenn man faktisch keine Teile oder keine verschiedenen Wege usw. unterscheiden kann, "Ohne die Grenzen zu verlassen, welche durch die Mittel oder durch die Zwecke der Beobachtung gezogen sind" (Seite 3). Das heißt: überall kann man sinnliche Objekte die Bedingungen der Definition erfüllend annehmen, wenn es die Genauigkeit der Beobachtung nicht verbietet. Das ist aber etwas anderes als ein empiristisch-realistischer Charakter der Geometrie, derart, daß sie ihre Grundbegriffe und -gesetze  unmittelbar aus der Erfahrung entnehmen  würde und daß diese realen Objekten genau entsprächen. Denn es wird damit die Geometrie nicht auf die Erfahrungswirklichkeit  begründet,  sondern bloß auf sie  angewendet.  Es wird damit die Geometrie unter dem Gesichtspunkt entwickelt, insofern ihre fraglos idealen Gebildeals durch sinnliche Objekte realisiert behandelt werden dürfen. Was eine solche  natürliche  (realistische) Geometrie von den anderen eigentlich unterscheidet, das liegt also darin, daß sie auf die Bedingungen der  Anwendung  der Geometrie auf die Wirklichkeit eingeht. Auch ENRIQUES [17] (II, Seite 275) muß schließlich den geometrischen  Satz  von seiner  Anwendung  unterscheiden. Daß die Approximationsmathematik nicht ohne Voraussetzung der Präzisionsmathematik, die empirische nicht ohne die ideale Mathematik möglich ist, spricht auch HÖLDER [27] (Seite 397, 398) aus (vgl. auch [24] Seite 134 - 140).


2. Die deduktive Methode der Mathematik und
die bloße Folgerungsgeltung ihrer Sätze

Im Vorausgehenden ist mehrfach auch schon die andere Eigenart der Mathematik berührt worden, die für ihren wissenschaftstheoretischen Charakter so bedeutsam ist: ihre  Methode Die Mathematik ist wirklich das, was das 17. Jahrhundert in ihr gesehen hat: die Wissenschaft der streng logischen Deduktion aus klaren Prämissen. Freilich ist es nicht die Mathematik EUKLIDs, die dieses Ideal verwirklicht, sondern das haben erst die philosophisch-mathematischen Untersuchungen zur logischen Grundlegung der Mathematik seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in bewunderungswürdiger Weise geleistet. Durch die Arbeiten von FREGE, DEDEKIND, HILBERT, PEANO, PASCH, POINCARÉ, RUSSELL u. a. läßt sich sowohl die Arithmetik als auch die Geometrie als eine Folge von formalen Schlüssen aus einer bestimmten Anzahl von Prämissen -  Axiomen  und Definitionen - darstellen. "Die Lehrsätze werden aus den Grundsätzen deduziert, so daß alles, was zur Begründung der Lehrsätze gehört, ohne Ausnahme sich in den Grundsätzen niedergelegt finden muß." [22] (Seite 5)

Darum stellt sich uns die Mathematik heute anders dar, als sie KANT erschienen ist und als sie gewöhnlich den Philosophen, nicht nur den Neukantianern, noch erscheint. [23] Selbst jemand, der mit der modernen Philosophie der Mathematik so vertraut ist wie CASSIRER [24], bleibt infolge seiner Bindung an KANT doch an den alten Anschauungen haften. KANT hat die Sätze der Mathematik bekanntlich als  synthetische Urteile a priori  aufgrund einer  reinen Anschauung  aufgefaßt. Ist die Mathematik aber ein System von strengen logischen Folgerungen, so können ihre Sätze weder synthetisch sein noch sich auf Anschauung gründen.

KANTs Unterscheidung von analytisch und synthetisch, wie er sie in der Einleitung IV der "Kritik der reinen Vernunft" [2] definiert, ist nicht hinreichend präzise. Er erklärt dort: analytisch ist ein Urteil, wenn das Prädikat  versteckter Weise  im Subjekt enthalten ist, synthetisch, wenn es ganz außerhalb des Subjekts liegt. Ob dieses Verhältnis der Einschließung nun stattfindet oder nicht, läßt sich aber offenbar nur entscheiden, wenn das Subjekt, und eventuell auch das Prädikat,  definiert  werden. Aber auch dann kann der analytische oder synthetische Charakter noch ein  relativer  bleiben, je nachdem, welche Definition man zugrunde legt. Es kommt damit auch nicht mehr auf das logische Verhältnis des "Prädikates" zum "Subjekt"  innerhalb  eines Satzes an, sondern auf dessen Verhältnis zur Definition des Subjekts, oder auf das Verhältnis der Definitionen, also auf das Verhältnis eines Satzes zu anderen Sätzen. Und damit wird dann der Sinn dieser Unterscheidung der: Alles, was sich aus der Definition eines Begriffes logisch ableiten läßt, ist analytisch, alles, was ihr hinzugefügt wird, synthetisch. Daher läßt sich diese Unterscheidung mit FREGE und HEYMANS, denen sich COUTURAT [16] (Seite 258, 259) anschließt, direkt dahin bestimmen: "Ein Urteil ist analytisch, wenn es sich einzig und allein aus Definitionen und Grundsätzen der reinen Logik ableiten läßt; es ist synthetisch, wenn sein Beweis (oder seine Erhärtung) andere Daten voraussetzt als die logischen Grundsätze und Definitionen."

Dagegen hat jedoch CASSIRER [25] eingewendet, daß KANTs Bestimmung des Unterschiedes von analytisch und synthetisch nach dem logischen Verhältnis von Prädikat und Subjekt nur  eine populäre Erklärung,  eine vorläufige  Nominaldefinition  ist (Seite 38). "Um zu einer gültigen Entscheidung über den analytischen oder synthetischen Charakter einer Aussage zu gelangen, genügt es niemals, die Verknüpfung von Subjekt und Prädikat bloß nach ihrer formalen Seite ins Auge zu fassen, sondern es muß hier stets zugleich auf den  "transzendentalen" Ursprung  derjenigen Erkenntnis reflektiert werden, die im Subjektbegrigg selber niedergelegt ist" (Seite 39). Ist ein Subjektbegriff aus  transzendentaler Synthese  mit Hilfe der reinen Anschauungsformen oder Verstandesbegriffe hervorgegangen, so soll das Urteil als synthetisch gelten. Wie es dann überhaupt analytische Urteile geben kann, wird damit völlig fraglich. Denn CASSIRER führt zwei Seiten vorher selbst aus, daß  jedes  Urteils, das irgendeinen Wert für den Fortschritt der Wissenschaft besitzen soll, seinem letzten Ursprung nach synthetisch heißen muß. Denn Analyse ist nur aufgrund einer vorausgegangenen Synthese möglich (Seite 37). Synthetisch muß dann auch alles heißen, was aus synthetischen Prämissen durch rein logische Schlußfolgerung abzuleiten ist. Das zeigt aber dann erst recht den  relativen  Charakter dieser Unterscheidung von analytisch und synthetisch. Nach dem Verhältnis des Prädikats zum Subjekt betrachtet wäre ein Urteil unter den obigen Bedingungen synthetisch; dasselbe Urteil wäre aber zugleich, nach dem Verhältnis zu den Axiomen betrachtet, analytisch, weil es rein nach den Sätzen der Identität und des Widerspruchs abgeleitet ist. Jedenfalls wird damit das eine offenkundig, daß es eine reine Definitionssache ist, ob man ein Urteil analytisch oder synthetisch nennen will. Warum es sich aber bei der Frage, ob die Sätze der Mathematik analytisch oder synthetisch sind, eigentlich handelt, das ist vielmehr: ob ihre Geltung  lediglich auf den Gesetzen der Logik  beruth oder auf  anderen  Geltungsgrundlangen (Anschauung oder auch apriorischer intellektueller Synthese).


a) In der Arithmetik

Die Sätze der  Arithmetik  gründen sich lediglich auf ihre logische Ableitung aus den arithmetischen Axiomen und nicht auf irgendeine Anschauung. Das hat die systematische Entwicklung der Arithmetik seit FREGE zweifellos gemacht. Und das läßt sich auch an KANTs bekanntem Beispiel (in der "Kritik der reinen Vernunft" [2], Einleitung V)  7 + 5 = 12  zeigen. Zur Klarstellung des eigentlichen Fragepunktes sei zunächst bemerkt: Das  Subjekt,  worin die Zahl  12  eventuell enthalten sein soll, ist der gegebene Ansatz, und das sind nicht die einzelnen Zahlen  7  und  5  und das Zeichen ihrer Summierung, sondern die Beziehung  7 + 5  zwischen ihnen. Zu den einzelnen Zahlen kommt darin als etwas Neues die Beziehung ihrer Summe hinzu; und  darum  geht die Frage, ob mit dieser Summenbeziehung zwischen  7  und  5  auch schon die Zahl  12  implizit mitgegeben ist und daher nur analytische entwickelt zu werden braucht, oder ob sie erst aufgrund von  Anschauung  zu ihr hinzugefügt wird. Daß die Summe von  7  und  5 12  ist, läßt sich nach COUTURAT [16] (Seite 269) deduzieren
    1. aus den Definitionen der Zahlen  2  bis  12  als  1 + 1, 2 + 1, ... 11 + 1,  und

    2. aus der Definition der Sume und dem Assoziationsgesetz  a + (b + 1) = (a + b) + 1. 
Aufgrunddessen ist  7 + 5 = 7 + (4 + 1) = (7 + 4) + 1,  ebenso  7 + 4 = 7 + 3 + 1  (vereinfacht ohne Klammern), ebenso  7 + 3 = 7 + 2 + 1  und  7 + 2 = 7 + 1 + 1; 7 + 1 = 8  (gemäß Punkt 1), daher  7 + 2 = 8 + 1 = 9,  demnach  7 + 3 = 9 + 1 = 10,  daher ebenso  7 + 4 = 11  und schließlich  7 + 5 = 7 + 4 + 1 = 11 + 1 = 12.  Dieser Satz wird also abgeleitet durch Substitution identischer Ausdrücke gemäß den arithmetischen Axiomen und erfordert nicht im geringsten die Zuhilfenahme von Anschauung. "Hält man sich vor Augen, daß die Grundformeln der Buchstabenrechnung Lehrsätze sind, die durchaus nicht als tautologisch bezeichnet werden dürfen, so ist es klar, daß diese sogenannte  Rechnung  nichts anderes ist als ein Schließen aufgrund dieser Lehrsätze." [26] (Seite 7)

KANT argumentiert für den synthetischen Charakter dieses Urteils, daß "der Begriff der Summe von  7 + 5  nichts weiter enthält als die Vereinigung beider zahlen in eine einzige", und daß man den Begriff von einer solchen möglichen Summe noch so lange zergliedern mag, ohne doch die Zahl  12  anzutreffen. Dies trifft aber nur zu unter der Bedingung, daß man dabei  7  lediglich als eine bestimmte Klasse von Mengen und  5  als eine andere Mengenklasse und deren Vereinigung zu  einer  Mengenklasse im Auge hat, aber nicht  7  und  5  als bestimmte Glieder in der Reihe der natürlichen Zahlen. Dann wäre es allerdings nicht von vornherein zu sagen,  welche  Mengenklasse das ist, weil ja der Weg zu ihr fehlt. KANT glaubt ihn in einer Anschauung gegeben. Nicht nur gedankliche Zusammensetzung der beiden Begriffe von  7  und  5  erhalte ich den Begriff von  12,  sondern durch ihre  Konstruktion in der Anschauung  und durch anschauliche Zusammensetzung der beiden entsprechenden Mengen zwecks Bildung einer einzigen" (a. a. O.). Kann Anschauung das aber wirklich leisten? Für kleine Summen wie  7 + 5  kann man noch daran denken (z. B. durch Abzählen an den Fingern). Aber wie soll für Summen von Millionen Anschauung noch helfen?! Wenn es aber wirklich so wäre, daß jeder solche Summierungssatz, ja jeder arithmetische Satz überhaupt ein synthetisches Urteil aufgrund reiner Anschauung wäre, dann gäbe es doch eine Unzahl von unmittelbar gewissen, unzurückführbaren, unbeweisbaren letzten Sätzen! Es hätte das eine Atomisierung der Arithmetik zur Folge, die zu ihrem systematisch-deduktiven Aufbau in einem paradoxen Gegensatz stünde. Darum kann nicht jeder einzelne arithmetische Satz auf Anschauung gegründet und in diesem Sinne synthetisch sein.

Sobald man in  7 + 5  nur zwei isolierte Mengenklassen und ihre Vereinigung zu einer dächte, ließe sich diese nicht näher bestimmen. Es müssen vielmehr darin die Zahlen als Glieder der Zahlenreihe (die Mengenklassen geordnet in die Zahlenreihe) gedacht sein. Wenn man die Summe von  7  und  5  als  12  errechnen will, ist die Zahlenreihe und ihr Bildungsgesetz notwendige  Voraussetzung.  Nur wenn mit  7  und  5  auch schon gegeben ist, kraft ihrer Definition und dessen, was diese impliziert, daß  5 = 4 + 1  und  4 = 3 + 1  usw. und daß  7 + 1 = 8  und  8 + 1 = 9  usw. ist, nur dann werden alle die Substitutionen möglich, durch die man,  5  zu  7  hinzufügend, in der Zahlenreihe bei  12  anlangt. Ohne diese Definitionen der Zahlen und das Additions- und das Assoziationsgesetz vorauszusetze, läßt sich eine Summe überhaupt nicht bestimmen; auch  Anschauung  hilft da nicht das geringste. Wenn man diese Sätze aber einmal voraussetzt, dann läßt sich auch jede Summe rein logisch ableiten. Und so allgemein: sind die Axiome gegenen, so folgen die arithmetischen Sätze rein logisch daraus.

(Wenn HÖLDER [27] (§ 127) das kantische Beispiel als einen analytischen Satz bezeichnet, so hat das darin seinen Grund, daß die Unterscheidung von analytisch und synthetisch eben eine relative, weil von Definitionen abhängige, ist. Denn er versteht unter  7  und  5  nicht die Zahlen, wie sie die Elemente der Arithmetik bilden, sondern nur die Zahlen als  Stellenzeichen  (§ 63), wonach die Zahlen zunächst keinerlei Bedeutung haben sollen als die durch ihre Reihenfolge  1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12  gegebenen, wonach "Eins hinzufügen" nichts anderes heißen soll, als "zum folgenden Glied der Reihe übergehen" (Seite 363). Dann ist allerdings  12  als Ergebnis einer derartigen  Addition  nicht aus den Voraussetzungen deduzierbar, sondern nur durch faktische Abzählung zu gewinnen; also in der Tat ein synthetisches Urteil. Aber die Zahlen sind dann eben nicht in dem Sinne genomen, den sie innerhalb der Arithmetik haben. Für größere Zahlen hingegen gibt auch er den analytischen Charakter des Summenurteils zu. "Offenbar ist z. B. die Bedeutung der Zahl  679  für uns nicht durch ihre Stellung in der von  1  bis zu hinführenden Zahlenreihe, sondern durch die Bedeutung der drei Ziffern, aus denen sie zusammengesetzt ist, und durch das Prinzip des dekadischen Systems gegeben. Es ist also die Formel  679 = 6 x 100 + 7 x 10 + 9  als die Definition der Zahl anzusehen. Somit muß das in dieser Formel niedergelegte Urteil als ein analytisches ... bezeichnet werden." (Seite 364)


b) In der Geometrie

Und ebenso sind die Sätze der  Geometrie  weder synthetisch, d. h. also nicht rein logisch ableitbar, noch gründen sie sich auf  Anschauung.  Das bekannte Beispiel, an dem KANT (a. a. O.) argumentiert, ist der  Grundsatz  - eigentlich aber Lehrsatz, denn um solche handelt es sich ja und nicht um Grundsätze, sonst läge die Sache ja ganz anders -: "Die gerade Linie zwischen zwei Punkten ist die kürzeste." Er ist synthetisch, denn "der Begriff  der Geraden  enthält nichts von Größe, sondern nur eine Qualität (die Geradheit). Der Begriff des Kürzesten kommt also gänzlich hinzu und kann durch keine Zergliederung aus dem Begriff der geraden Linie gezogen werden. Anschauung muß also hier zu Hilfe genommen werden, mittels deren allein die Synthese (von Gerade als kürzeste) möglich ist."

Auch hier liegt das, was KANT zur Auffassung dieses Satzes als synthetischen veranlaßt hat und was diese anscheinend so einleuchtend macht, darin, daß er lediglich die darin ausdrücklich angegebenen Begriffe in Betracht zieht: die  Gerade  als eine Linie von identischer Richtung etwa und  kürzeste  als Größe. Insofern sind beide allerdings einander völlig fremd und das Prädikat kommt so gewiß als etwas völlig Neues zum Subjekt hinzu. Aber insofern läßt sich diese  Synthese  auch nie zur Gewißheit erheben. Aus diesen ganz allein für sich hingestellten Begriffen läßt sich nie ein geometrischer Satz herstellen, auch nicht mit Hilfe von  Anschauung.  Wenn man es zu  sehen  glaubt, daß eine Linie zwischen zwei Punkten gerade und zugleich kürzer ist als jede gebrochene oder gekrümmte Linie [28], so kann das doch nicht den Geltungsgrund für einen allgemeinen synthetischen Satz abgeben. Denn das wäre eine sinnliche,  empirische  Anschauung - an die KANT gar nicht appelliert - und diese könnte doch immer nur eine schätzungsweise Längenvergleichung ergeben, die für sehr kleine Unterschiede überhaupt unmöglich wird. Eine solche kann eine exakte Bestimmung des Längenverhältnisses nicht ersetzen. Die prinzipielle Ungenauigkeit unserer räumlichen Anschauung erfordert unbedingt den Ausschluß der empirischen Anschauung als Beweisgrundlage in der Geometrie [29] (Seite 19/20). Man kann eben überhaupt nicht aufgrund von Eigenschaften sinnlicher Figuren ideale geometrische Sätze aussprechen. Von der Betrachtung der anschaulichen Eigenschaften einzelner besonderer Figuren aus kann man nicht zu  allgemeinen  Sätzen kommen. Man muß nicht sehen, sondern  einsehen,  wieso die gerade zugleich kürzer ist als jede andere Linie, aus den klar erfaßten Eigenschaften der mit einer gebrochenen Linie oder Kurve entstehenden Figur; man muß es einsehen - ganz allgemein und auch für die kleinsten Unterschiede. Dieses Einsehen vermitteln, heißt aber eben  beweisen. 

Aber nun meint ja KANT gar nicht eine empirische, sinnliche, sondern eine  reine  Anschauung, welche die beiden Bestimmungen  gerade  und  kürzeste  zusammenbringt, welche uns die einander fremden geometrischen Elemente als zusammengehörig präsentiert. Und die reine Anschauung - gleichgültig, was das rätselhafte Wesen solcher zugleich einzelnen und allgemeinen Anschauung (1) sein mag - manifestiert sich in der geometrischen  Konstruktion  (2). Auf Grund von  Konstruktion  werden die neuen Bestimmungen (z. B., daß die Winkelsumme im Dreieck gleich zwei Rechten ist, also auch, daß die Gerade die kürzeste ist) mit dem Begriff des Subjekts (des Dreiecks, der Geraden zwischen zwei Punkten) verbunden. (3) Nur mit Hilfe von Konstruktion kann man das Zusammenbestehen von geometrischen Beziehungen, wie sie den Inhalt der geometrischen Lehrsätze ausmachen, ersehen. Und Konstruktion ist nach KANT etwas, das sich nur in der reinen Anschauung vollzieht, das nur Anschauung zum Geltungsgrund hat. Dabei faßt KANT aber unter Konstruktion ein Zweifaches in einer Äquivokation [Gleichsetzung - wp] zusammen: die Hilfskonstruktion, das Ziehen von Hilfslinien beim Beweis (siehe die eben angeführte Stelle) und die Konstruktion eines geometrischen Begriffs (z. B.vom Dreieck) inder Anschauung. Das ist also nach KANT das Wesentliche für die Gültigkeit eines jeden geometrischen Satzes: Die Synthese mit Hilfe von Konstruktion und dadurch aufgrund von reiner Anschauung.

Ich will gar nicht darauf eingehen, ob die Konstruktion wirklich eine so allgemeine Bedingung der Geometrie ist - in der analytischen Geometrie, wo es sich bloß um Gleichungen handelt, welche Beziehungen zwischen Abständen von einem Koordinatensystem ausdrücken, kann sie bloß für den Ansatz der Gleichungen eine Rolle spielen, die Ergebnisse aber werden  errechnet.  Sondern man braucht nur das Wesen und die methodische Bedeutung der geometrischen Konstruktion selbst näher zu untersuchen und sich klarzumachen - und man wird finden, daß sie durchaus nicht ein synthetisches Verfahren aufgrund von Anschauung darstellt.

Für KANT besteht noch ein enger Zusammenhang zwischen Konstruktion und geometrischer Figur. "So konstruiere ich einen Triangel, indem ich den diesem Begriff entsprechenden Gegenstand entweder durch bloße Einbildung, in der einen oder nach derselben auch auf dem Papier, in der empirischen Anschauung, beidemal aber völlig a priori, ohne das Muster dazu aus irgeneiner Erfahrung geborgt zu haben darstelle. Die einzelne hingezeichnete Figur ist empirisch und dient gleichwohl, den Begriff unbeschadet seiner Allgemeinheit auszudrücken, weil bei dieser empirischen Anschauung immer nur auf die Handlung der Konstruktion des Begriffs, welchem viele Bestimmungen zur Ermittlung der Größe, der Seiten und der Winkel ganz gleichgültig sind, gesehen und also von diesen Verschiedenheiten, die den Begriff des Triangels nicht verändern, abstrahiert wird." (a. a. O.)

Dieser Zusammenhang zwischen Konstruktion und Figur wird in manchen neuesten Ausführungen so gedacht: Geometrische Sätze werden mit Hilfe von  Figuren  bewiesen und darum aufgrund von Anschauung, aber nicht der empirischen, sondern einer reinen. Denn die geometrische Figur "stellt nicht den Gegenstand selbst dar, von dem der geometrische Lehrsatz gilt und bewiesen werden soll, denn dieser kann nicht restlos in der Anschauung dargestellt werden, sondern sie  illustriert  ihn in einem einzelnen Beispiel. Aber dieses einzelne Beispiel erlaubt uns, in der Vorstellung sofort die ganze Reihe von Gegenständen zu überblicken, die durch Verkleinerung und Vergrößerung aus ihr entstehen, soweit sie derselben Steigerungsreihe angehören. Dadurch wird jenes Beispiel zum Repräsentanten der betreffenden Gattung." So ASTER [36] (Seite 227/228). Ebenso ZIEHEN [31] (§ 133, Seite 788/789): Der Beweis wird für die "eine gezeichnete Figur geführt, dann aber auf  alle  solche, auf eine ganze  Gattung  übertragen." Beim Beweis für die Winkelsumme im Dreieck "stelle ich mir in der Phantasie alle überhaupt nur denkbaren Dreiecke mit den verschiedensten Winkeln und Seiten vor (!) und überzeuge mich dann, daß der am Dreieck  ABC  geführte Beweis durch die Veränderung der Winkel und Seiten gar nicht beeinflußt wird, mit anderen Worten, daß für den Beweis das gemeinschaftliche Merkmal der Dreieckigkeit ausreicht. Aufgrund dieser Einsicht verallgemeinere ich dann mein Beweisergebnis." Das gezeichnete (oder auch nur vorgestellte ) "Dreieck  ABC,  an dem der Beweis geführt wird, dient gewissermaßen nur als Repräsentant", weshalb ZIEHEN dieses logische Unding als "paradigmatischen Schluß" klassifiziert. Es ist der Gedanke, daß Anschauung, und zwar reine Anschauung, dadurch mitwirkt, daß wir in der Vorstellung konstruierend alle möglichen Veränderungen unter bestimmten Konstruktionsbedingungen durchlaufen und daß uns dadurch die  Gesetzmäßigkeit  der betreffenden Figur, das ist von Lagebeziehungen, in innerer Anschauung evident wird. Aber schon HÖLDER [32] (Seite 12) hat solchen Vorstellungen gegenüber eingewendet, daß ein solches Durchlaufen und Überblicken nur bei ganz  einfachen  Figuren möglich ist. Wie sollte uns aber eine solche Anschauung etwa bei Sätzen über den Zusammenhang und die Zerschneidung RIEMANNscher Flächen, über die Struktur von Fachwerken usw. leiten? [18] (§ 13, § 7, Seite 114). Da läßt sie uns vollständig im Stich und der schlußfolgernde Beweis wird zur  Notwendigkeit.  Aber dieses ganze Durchlaufen aller nur denkbaren Variationen einer Figur in der Phantasie findet so gar nicht statt. Es ist nicht eine Vorstellungsfolge, sondern eine Überlegung. Und "dadurch, daß man alle anschaulichen Voraussetzungen  besonders formuliert,  kann man die geometrische Deduktion selbst der Anschaulichkeit entkleiden." [32] (Seite 14)

Geometrische Sätze über das Dreieck, z. B. über seine Winkelsumme, mit Hilfe von Konstruktion einsehen, darf keineswegs heißen, daß man sich einfach auf die  gezeichnete  als die  konstruierte  Figur beruft und damit auf die Verhältnisse in der Anschauung: man kann diese gar nicht als ein selbständiges, ursprüngliches Datum zugrunde legen. Sondern "man darf keine Linie ziehen, keinen Punkt festsetzen und nachher sich auf seine Lage berufen, ohne zu  beweisen,  daß die Elemente (ideell) existieren und da gelegen sind, wo man sie sie vorgestellt hat." [16] (Seite 289). "Der wohlgeschulte Geometer fragt bei jeder Hilfsliinie, die er für irgendeinen Beweis zieht, ob es auch immer möglich sein wird, eine Linie von der verlangten Art zu ziehen" [19] (Seite 6). Das Beweisen erfordert aber Prämissen, vorgegebene Sätze über die Eigenschaften und Beziehungen der geometrischen Elemente als Konstruktionsbedingungen. Der Begriff und das heißt die Definition ist es, wodurch die Konstruktion bestimmt wird und woraus sie in Wahrheit ihre Beweiskraft zieht. "Alles, was als wahr behauptet wird  gemäß Konstruktion,  kann auch als wahr behauptet werden  gemäß Voraussetzung  oder  gemäß Definition"  [16] (Seite 299). Wenn man eine anschauliche Figur zeichnet, so bedeutet das nichts anderes, als daß man eine ideale Figur, deren Elemente durch die Daten der Fragestellung und die Definitionen gedanklich gegeben sind, in der Erfahrungswirklichkeit nachbildet, als Jllustration, aber nicht als Grundlage und Erkenntnisquelle. "Man kann in wertvoller und gütiger Weise keine Figur konstruieren, die nicht schon durch die Daten oder durch die Definition bestimmt wäre." "Wenn man sagt:  Verbinden wir die beiden Punkte A und B,  so bedeutet dies in Wirklichkeit:  die zwei Punkte A und B bestimmen eine Gerade, kraft der Geradendefinition selbst."  (ebd.)

Der Erkenntniswert der Konstruktion fließt auch für KANT nicht aus den anschaulichen Eigenschaften der besonderen sinnlichen Figuren - da wären gar manche falsche Verallgemeinerungen möglich - sondern aus dem, was an den speziellen Figuren als  allgemein  einleuchtet. Die einzelne sinnliche Figur ist nur das Bild eines allgemeinen Schemas und nur von diesem aus werden die neuen geometrischen Beziehungen, die  synthetisch  hinzukommenden Eigenschaften, erfaßt. Ein allgemeines Schema ist aber nichts als ein Symbol für einen geometrischen  Begriff,  für den Begriff einer Figur, d. h. geometrischer Beziehungen. Wenn es also in der Konstruktion und bei der Zuhilfenahme anschaulicher Figuren nur auf die Eigenschaften oder Beziehungen an  Schematen  ankommt, so heißt das nichts anderes, als daß es dabei auf die  Begriffe  der eingeführten Figuren oder Beziehungen, d. h. auf deren Definitionen ankommt. Was sich aus diesen ergibt, was für Beziehungen zwischen diesen bestehen, das soll dadurch (mit Hilfe von Konstruktion) eingesehen werden. Welche Beziehungen aber zwischen definitionsgegebenen Sachverhalten bestehen, das ergibt sich durch Schlußfolgerung, das ist dann etwas rein Analytisches, nichts Synthetisches mehr und die Sätze über geometrische Beziehungen beruhen damit nicht auf einer Anschauungsevidenz, sondern auf logischem Beweis.

Auch an dem eingangs angeführten Beispiel KANTs, "die Gerade zwischen zwei Punkten ist die kürzeste", läßt sich das klar und strikt zeigen. Man muß sich dazu nur klarmachen, was dieser Satz, wenn schon nicht enthält, so doch voraussetzt. [33] Man kann die Begriffe eines Lehrsatzes gar nicht, so wie es KANT tut, für sich allein isoliert in Betracht ziehen, denn dann ist ihre Synthese auf keine Weise zu legitimieren, auch nicht durch  Anschauung.  Wenn man aber die  Voraussetzungen  eines Lehrsatzes an Axiomen und Definitionen hinzunimmt, dann ergibt sich dieser Lehrsatz auf rein logische Weise durch Schlußfolgerung aus ihnen. Was die Konstruktion, in der die reine Anschauung zur Geltung kommen soll, leistet, ist nur das, daß sie die Beziehungen, die zwischen den in Betracht gezogenen geometrischen Gebilden bestehen, auseinanderlegt. Für die Gültigkeit geometrischer Erkenntnis kann man sich aber auch bei der Zuhilfenahme der Konstruktion nicht auf die Eigenschaften anschaulicher Figuren berufen, sondern ausschließlich auf Eigenschaften, welche sich aus der Definition der Figuren und der Aufgabenstellung ergeben, d. h. man muß auf die  Voraussetzungen  des Lehrsatzes zurückgehen und ihn aus diesen  ableiten.  "Die Geometrie ... ist erst dann mathematisch einwandfrei, wenn alle Schlüsse ohne Hilfe von Figuren, überhaupt ohne Hilfe von Anschauung eingesehen werden können." [34]

Daß die geometrischen Sätze lediglich formale Konsequenzen der Axiome sind, wird durch eine überraschenden und sonst unverständlichen Sachverhalt erhärtet. Die Sätze der projektiven Geometrie bleiben auch wahr, wenn man den undefinierbaren Grundbegriffen des Punktes und der Geraden "einen ganz anderen Sinn beilegt, sofern er nur dieselben (in den Postulaten ausgesprochenen) Beziehungen befriedigt. Wenn man in den Sätzen der projektiven Geometrie "die Punkte durch Ebenen und die Ebenen durch Punkte ersetzt und die Geraden in den Beziehungen beläßt, welche sie, sei es mit den Punkten, sei es mit den Ebenen unterhalten", bleiben die Sätze auch mit dem neuen Sinn, den sie dadurch erhalten, wahr [16] (Seite 162), ebenso auch, wenn man die Geraden durch Kreise, die Ebenen durch Kugeln ersetzt. [18] (§ 8f) "Diese Übertragung aus einer Mannigfaltigkeit in eine andere ist aber nur unter der Voraussetzung zulässig, daß beide Mannigfaltigkeiten denselben Axiomen gehorchen und ihre Geometrie sich nur auf diese Axiome stützt; sobald man Beweismotie nicht rein logischer (sondern anschaulicher) Herkunft zuließe, wäre diese Übertragbarkeit nicht mehr a priori sicher" [18] (Seite 102). "Es muß in der Tat, wenn anders die Geometrie wirklich deduktiv sein soll, der Prozeß des Folgerns überall unabhängig sein vom Sinn der geometrischen Begriffe, wie er unabhängig sein muß von den Figuren; nur die in den benutzten Sätzen, bzw. Definitionen niedergelegten Beziehungen zwischen den geometrischen Begriffen dürfen in Betracht kommen" [22] (Seite 98). Gerade der  formale  Charakter der modernen Geometrie, in der  Punkt, Gerade  usw. nur Symbole sind für etwas, das bestimmte Bedingungen erfüllt, ohne daß wir zu wissen brauchen, was sie eigentlich sind oder wie sie sich anschauungsmäßig darstellen - gerade das gibt den deutlichen und unwiderleglichen Beweis dafür, daß sie wirklich ein System von rein logischen Schlußfolgerungen bildet und gar nicht auf inhaltlich bestimmter Anschauung beruhen  kann. 

Daher im Ganzen: nich  Anschauung,  sondern nur logische Stringenz bildet den Grund für die Gültigkeit der mathematischen Sätze. "Keine Berufung auf allgemeine Einsicht (common sense) oder auf Anschauung (Intuition) oder auf irgend etwas außer streng deduktiver Logik darf in der Mathematik gebraucht werden, sobald die Prämissen niedergelegt sind. [33] (Seite 145)

Im Rettungsversuch der kantischen Philosophie der Mathematik, den CASSIRER gemacht hat, [25] gibt er gerade das Wesentliche, daß die mathematischen Sätze logisch aus den Axiomen abzuleiten sind und daß sie nicht auf Anschauung beruhen, vollständig zu. Er versucht nur ihren  synthetischen  Charakter dadurch zu retten, daß er den Unterschied von analytisch und synthetisch anders  erläutert,  als man ihn gewöhnlich versteht. Die mathematischen Sätze sollen synthetisch sein, weil die  Axiome  synthetisch sind, aus denen sie rein logisch abgeleitet sind - also gerade erst durch die  logische Zurückführung  auf synthetische Sätze [22] (Seite 15, 39, 41). Daß dies aber so wenig die Meinung KANTs war, als sie bisher dafür gegolten hat, geht aus den früher angeführten Stellen deutlich hervor. Und COUTURAT hat jedenfalls die von CASSIRER angeführten Stellen aus der Vernunftkritik, die in dessem Sinne lauten, mit Recht als eine Inkonsequenz KANTs, als einen inneren Widerspruch mit der ursprünglichen Definition von analytisch und synthetisch erklärt. CASSIRERs Auffassung ist eben eine  Auslegung  KANTs zur Harmonisierung der modernen Mathematik.

Ebensowenig ist auch HÖNIGSWALD [36] gelungen, die kantische Tradition in der erkenntnistheoretischen Auffassung der Mathematik gegenüber der neuen logischen Durcharbeitung der Mathematik aufrechzuerhalten. Um die mathematischen Sätze als synthetische Urteile a priori aufgrund reiner Anschauung zu erweisen, führt er vor allem an, daß die mathematischen Sätze und ihre Deduktion nicht lediglich auf dem Satz des Widerspruchs (und dem der Identität) beruhen, sondern auch noch ein  anderes  spezifisches Prinzip erfordern (Seite 43f, 53): und dieses ist es, das im Begriff der reinen Anschauung seinen Ausdruck findet. Aber sein Versuch, diesen Begriff und damit dieses andere Prinzip zu präzisieren, besteht darin, daß er einfach alle wirkliche oder vermeintliche Eigenart der mathematischen Erkenntnis auf dieses Prinzip der reinen Anschauung überträgt, projiziert: sie ist "Anschauung" wegen des  Moments der individuellen Bestimmtheit  und  rein  wegen der Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit (Seite 50); und er endet infolgedessen mit dem Zugeständnis: "man kann vielleicht bezweifeln, ob der Begriff der reinen Anschauung mehr enthält als eine abgekürzte und nur allzu leicht mißverstehende Bezeichnung für die Eigenart des mathematischen Objekts (Seite 53). Die Lösung des mathematischen Geltungsproblem nach dieser Art durch eine reine Anschauung, welcher die eigentümliche Geltungsart der Mathematik von vornherein zukommt, ist im Grunde nichts anderes, als wenn man die Wirkung des Opiums durch eine  virtus dormificanda  erklärt.

Die Widerspruchslosigkeit ist gewiß nicht das  einzige  Prinzip für ein deduktives System der Mathematik, sondern es ist dazu noch die spezielle Konstellation der Ausgangspunke der Deduktion erforderlich, wie sie durch die Axiome und die Aufgabenstellung gegeben wird (siehe den folgenden Abschnitt). Aber das involviert keineswegs ein eigenes Geltungsprinzip reiner Anschauung. Wenn wir die eigentümliche Geltungsart der Mathematik wirklich analysieren, so werden wir nirgends auf eine solche  spezifische  Geltungsgrundlage wie reine Anschauung geführt. Aber nur das, ob wir eine solche spezifische Geltungsgrundlage in der Mathematik entdecken und anzuerkennen haben, ist der Sinn des Problems einer reinen Anschauung.

HÖNIGSWALD sucht aber auch genau so wie CASSIRER den synthetischen Charakter der mathematischen Sätze trotz ihres Folgerungscharakters, der allzuoft offenkundig ist, damit zu begründen, daß sie auf ein  synthetisches Prinzip  zurückgehen (Seite 62). Aber er gelangt damit folgerichtiger als CASSIRER zu dem Schluß: "Es gibt überhaupt keine analytischen Urteile" (Seite 62). Man sieht daran wohl zur Genüge, wie wenig stichhaltig und inhaltsvoll diese ganzen historischen Begriffe und wie labil diese Konstruktionen sind.

Die mathematischen Sätze bilden also ein logisch in sich geschlossenes deduktives System. Dieses ist für die einzelnen Hauptgebiete der Mathematik seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts immer vollständiger entwickelt worden.

So hat seinerzeit PEANO drei undefinierbare Grundbegriffe und fünf unbeweisbare Grundsätze und PADOA nur zwei Grundbegriffe und vier Postulate als diejenigen Grundlagen aufgestellt, welche hinreichen, um die ganze  Arithmetik  logisch daraus abzuleiten. RUSSELL hingegen hat überhaupt keine undefinierbaren Grundbegriffe mehr benötigt, sondern statt deren vier Definitionen als die erforderlichen Grundlagen der Arithmetik eingeführt: eine Nominaldefinition der endlichen ganzen Zahl und die drei Definitionen der  O,  der  1  und der auf eine Zahl  n  nächstfolgenden Zahl  n + 1,  während die Verknüpfungsgesetze (der Addition und der Multiplikation) auf die allgemein-logischen Gesetze der  logischen Addition  und  Multiplikation  zurückzuführen sind.

Ebenso ist die  Geometrie  als deduktives System rein logischer Folgerungen in ihren einzelnen Zweigen, der metrischen, projektiven usw., entwickelt worden. Die Voraussetzungen, welche zur logischen Begründung der  metrischen  Geometrie genügen, sind in den verschiedenen Systemen von PEANO, von PASCH, von HILBERT, von VERONESE und von PIERI formuliert worden. PIERI hat auch die Grundlagen der projektiven Geometrie in 17 Postulaten (für die Einschränkung auf den dreidimensionalen Raum in 19) formuliert. Dasselbe hat PEANO für ein anderes System der Geometrie mit 17 Postulaten geleistet, welche O. VEBLEN auf 12 und RUSSELL auf  8  reduzieren konnte. Auf diese Weise stellte jede dieser Geometrien ein System von Abhängigkeitsbeziehungen dar von der Art, daß ein Raum, wenn er die in den Postulaten ausgesprochenen Eigenschaften (d. h. Beziehungen) besitzt, überdies diese und diese anderen in den Lehrsätzen ausgesprochenen Eigenschaften (Beziehungen) haben wird [16] (Seite 167, 216).

In der Mathematik beruth also die Gültigkeit der Lehrsätze lediglich darauf, daß sie aus den Postulaten mit logischer Notwendigkeit folgen. Darin hat der zweite fundamentale Charakter der Mathematik seinen Grund: die  Notwendigkeit,  mit der ihre Sätze gelten, gegenüber der bloßen Tatsächlichkeit der Geltung in den Erfahrungswissenschaften. Es ist die Notwendigkeit als logische Schlußfolgerung, nichts anderes, also eine  relative  Notwendigkeit in Bezug auf die Axiome.
LITERATUR: Viktor Kraft, Die Grundlagen der wissenschaftlichen Methoden, Sitzungsbereicht der Akademie der Wissenschaften in Wien, philosophisch-historische Klasse, Bd. 203, Wien und Leipzig 1926
    Anmerkungen
    1) "Eine nicht-empirische Anschauung, die, als Anschauung, ein  einzelnes  Objekt ist, aber nichtsdestoweniger als die Konstruktion eines Begriffes (einer allgemeinen Vorstellung) Allgemeingültigkeit für alle möglichen Anschauungen die unter denselben Begriff gehören, in der Vorstellung ausdrücken muß." (Kr. d. r. V., Methodenlehre, I. Hauptstück, I. Abschnitt).
    2) Ein geometrischer Satz wie der über die Winkelsumme des Dreiecks kommt nach KANT als nicht analytischer, sondern synthetischer in  der  Weise zustande: "Ich soll nicht auf dasjenige sehen, was ich in meinem Begriff vom Triangel wirklich denke (dieses ist nichts weiter als die bloße Definitio), vielmehr soll ich über ihn zu Eigenschaften, die in diesem Begriff nicht liegen, aber doch zu gehören, hinausgehen. Nun ist dies nicht anders möglich, als daß ich meinen Gegenstand (den Begriff des Dreiecks) nach den Bedingungen entweder der empirischen Anschauung oder der reinen Anschauung bestimme. Das erstere würde nur einen empirischen Satz (durch Messen seiner Winkel), der keine Allgemeinheit, noch weniger Notwendigkeit enthielte, abgeben, und von dergleichen ist gar nicht die Rede. Das zweite Verfahren aber ist die mathematische, und zwar hier die geometrische Konstruktion, mittels deren ich in einer reinen Anschauung, ebenso wie in der empirischen, das Mannigfaltige, was zum Schema eines Triangels überhaupt, mithin zu seinem Begriff gehört, hinzusetze, wodurch allerdings allgemeine synthetische Sätze konstruiert werden müssen." (a. a. O.)
    3) "Man gebe einem Philosophen den Begriff eines Triangels und lasse ihn nach seiner Art ausfindig machen, wie sich wohl die Summe seiner Winkel zum Rechten verhalten möge. Er hat nun nichts als den Begriff von einer Figur, die in drei Geraden Linien eingeschlossen ist, und an ihr den Begriff on ebensoviel Winkeln. Nun mag er diesem Begriff nachdenken, so lange er will, er wird nichts Neues herausbringen. Er kann den Begriff der geraden Linie oder eines Winkels oder der Zahl  3  zergliedern und deutlich machen, aber nicht auf andere Eigenschaften kommen, die in diesen Begriffen gar nicht liegen. Allein der Geometer nehme diese Frage vor. Er fängt sofort davon an, einen Triangel zu konstruieren. Weil er weiß, daß zwei rechte Winkel zusammen gerade so viel austragen wie alle berührende Winkel, die aus einem Punkt auf einer geraden Linie gezogen werden können, zusammen, so verlängert er eine Seite seines Triangels und bekommt zwei berührende Winkel, die zwei rechten zusammen gleich sind. Nun teilt er den äußeren von diesen Winkeln, indem er eine Linie mit der gegenüberstehenden Seite des Triangels parallel zieht, und sieht, daß hier ein äußerer berührender Winkel entspringt, der einem inneren gleich ist usw. Er gelangt auf solche Weise durch eine Kette von Schlüssen,  immer von der Anschauung geleitet,  zur völlig einleuchtenden und zugleich allgemeinen Auflösung der Frage." (a. a. O.)
    L I T E R A T U R
    [1] JOHANNES VOLKELT, Gewißheit und Wahrheit, 1918, Seite 25
    [2] HANS REICHENBACH, Relativitätstheorie und Erkenntnis a priori, 1920, Seite 71 und 72
    [3] WILHELM WINDELBAND, Vom System der Kategorien (Festschrift für Christoph Sigwart), 1900
    [4] EDMUND HUSSERL, Logische Untersuchungen, 1922
    [5] EDMUND HUSSERL, Philosophie als strenge Wissenschaft, 1910 (Logos I, Seite 314 - 316)
    [6] EDMUND HUSSERL, Ideen zu einer reinen Phänomenologie, 1913
    [7] So von FELIX KAUFMANN, Logik und Rechtswissenschaft, 1922 und FRITZ SCHREIER, Grundbegriffe und Grundformen des Rechts, 1924
    [8] Zum Beispiel KURT KOFFKA, Zur Grundlegung der Wahrnehmungspsychologie, 1915 (Beiträge zur Psychologie der Gestalt- und Bewegungserlebnisse III, Zeitschrift für Psychologie, Seite 73), worin wegen der Frage der Provenienz der Gestaltvorstellung (gegenüber BENUSSI) allgemeine die Kriterien des Unterschieds zwischen reiner Sinnesempfindung und Wahrnehmung untersucht werden.
    [9] GEORG von GABELENTZ, Die Sprachwissenschaft, ihre Aufgaben Methoden und bisherigen Ergebnisse, 1901, Seite 89, 91, 92
    [10] MORITZ PASCH, Begriffsbildung und Beweis in der Mathematik, 1924 (Annalen der Philosophie 4)
    [11] MORITZ PASCH, Mathematik und Logik, 1919
    [12] WILHELM WINDELBAND, Präludien, Kritische oder genetische Methode, 1883, 1902. HEINRICH RICKERT, Zwei Wege der Erkenntnistheorie, 1909 (Kantstudien 14) - Dazu auch NICOLAI HARTMANN, Systematische Methode, 1912 (Logos 3)
    [13] Vgl., auch zum Folgenden, TROPFKE, Geschichte der Elementar-Mathematik I, 1903 und M. CANTOR, Geschichte der Mathematik I, 1894. - Enzyklopädie der Elementar-Mathematik von WEBER und WELLSTEIN I, 1909. - H. HAHN, Arithmetik, Mengenlehre, Grundbegriffe der Funktionenlehre, §§ 1 - 4 (PASCALs Repertor. d. höh. Mathematik I, 1910)
    [14] A. VOSS, Über das Wesen der Mathematik, 1913
    [15] H. WEBER, Enzyklopädie der elementar. Algebra u. Analysis, 1909.
    [16] L. COUTURAT, Die philosophischen Prinzipien der Mathematik, deutsch von SIEGEL, 1908.
    [17] F. ENRIQUES, Probleme der Wissenschaft, übersetzt von GRELLING, 1910
    [18] Enzyklopädie der elementar. Geometrie von H. WEBER, I. WELLSTEIN und W. JACOBSTAL, 1907
    [19] H. HELMHOLTZ, Über den Ursprung u. d. Bedeutung der geometr. Axiome, 1870, Reden und Vorträge II.
    [20] B. RUSSELL, The Principles of Mathematics I, 1903
    [21] Vgl. dazu auch die gute Übersicht von CARNAP, Der Raum, 1922, Kant-Studien, Ergänzungsheft 56.
    [22] M. PASCH, Vorlesungen über neuere Geometrie, 1882
    [23] Vgl. P. NATORP, Die logischen Grundlagen der exakten Wissenschaften, 1910. - R. HÖNIGSWALD, Zum Streit über die Grundlagen der Mathematik, 1912. - E. ASTER, Prinzipien der Erkenntnislehre, 1913, Kap. 4 - JOHANNES von KRIES, Logik, 1916, Kap. 27, 4 und 1. - G. HEYMANS, Elemente und Gesetze des wissenschaftl. Denkens, 1894, § 31 - 65, der aber den  analytischen  Charakter der arithmetischen Lehrsätze, d. h. ihre logische Ableitbarkeit aufgrund der Axiome zugibt (§ 32, 37); dagegen zutreffend C. STUMPF, Zur Einteilung der Wissenschaften, Abhandlungen der königl. preuß. Akademie der Wissenschaften, 1906, der aber nur die Geometrie behandelt, und ganz besonders M. SCHLICK, Allgemeine Erkenntnislehre, § 7, 1925.
    [24] E. CASSIRER, Substanzbegriff und Funktionsbegriff, 1910
    [25] E. CASSIRER, Kant und die moderne Mathematik, 1907, Kant-Studien, Bd. 12
    [26] O. HÖLDER, Die Arithmetik in strenger Begründung, 1914
    [27] O. HÖLDER, Die mathematische Methode, 1924
    [28] TH. ZIEHEN, Erkenntnistheorie, 1913, Seite 103: Die Gerade wird als Kürzeste zwischen zwei Punkten  durch vergleichende Anschauung, d. h. Erfahrung  erkannt!
    29] vgl. F. KLEIN, Anwendung der Differential- und Integralrechnung auf Geometrie, 1902
    [30] E. von ASTER, Prinzipien der Erkenntnislehre, 1913
    [31] TH. ZIEHEN, Logik, 1920
    [32] O. HÖLDER, Anschauung und Denken in der Geometrie, 1900
    [33] Vgl. dazu L. COUTURAT, Seite 293 - 296; D. HILBERT, Über die gerade Linie als kürzeste Verbindung zweier Punkte, 1895, Mathematische Annalen 46.
    [34] M. PASCH, Grundfragen der Geometrie, 1916, Journal für reine und angewandte Mathematik, Bd. 147, Seite 186
    [35] BERTRAND RUSSELL, Introduction to mathemat. philosophy, 1919
    [36] R. HÖNIGSWALD, Zum Streit über die Grundlagen der Mathematik, 1912