p-3VeryckenGottl-OttlilienfeldGeorg Simmel    
 
WERNER KROEBER-RIEL
Sprachkritik
in der Betriebswirtschaftslehre

[2/2]

Metapher ist ein Wort, das im übertragenen Sinne verwandt wird: der geltende ("eigentliche") Wortinhalt wird zur Beschreibung eines von diesem Inhalt abweichenden, ganz anders gearteten Sachverhalts benutzt. Das Wort erhält dadurch eine "uneigentliche Bedeutung".

Metaphern und Analogien
(mit einer Textanalyse zum Wachstumsbegriff)

Ein klassisches Beispiel ist nach HEYDE das Wort "Steuermann" ( gubernator),  das eigentlich einen seemännischen Beruf meinte und metaphorisch den Staatsführer ("Steuermann des Staates" bezeichnete. Außer dem Wort wird auch die Übertragung als solche Metapher genannt.

Eine  "leere"  oder  "verblaßte"  Metapher ist ein Wort, dessen metaphorische Verwendung so üblich und allgemein geworden ist, daß dabei nicht mehr an seinen "eigentlichen" Inhalt gedacht wird. Dieser "eigentliche" Wortinhalt ist aus dem Sprachbewußtsein verschwunden. Die ganze Sprachentwicklung geht im wesentlichen auf den Gebrauch und die spätere "Entleerung" von Metaphern zurück. (JEAN PAUL: Die Sprache ist ein "Wörterbuch verlaßter Metaphern"). Zum Beispiel denkt man heute beim Gebrauch des Wortes "stockfinster" nicht mehr an seine ursprüngliche Bedeutung: "finster wie im Stock (Gefängnis)".

In der vielfältigen Literatur zur Metapher finden wir je nach der Blickrichtung der Autoren unterschiedliche Ansätze und Schwerpunkte, um Ursprung und Leistung der Metapher zu erklären. Für den metaphorischen Wortgebrauch werden in erster Linie folgende  Zwecksetzungen  angegeben:
  1. sprachliche Fixierung neuer Gedanken (Vorstellungen), für deren Wiedergabe der vorhandene Sprachbestand keine oder nur wenig treffende (eigentliche) Worte zur Verfügung stellt: "Metapher aus Ausdrucksnot".
  2. Wiedergabe von Ergebnissen eines Vergleichs beziehungsweise von bewußten Analogien zwischen zwei gemeinten Gegenständen (Wortinhalten): "analogische Metapher".
  3. Anschauliche, bildhafte Ausdrucksweise - bevorzugt für poetische und sprachästhetische Ziele: "Metapher als Bild".
Metaphern werden trotz vielfältiger Auslegungsmöglichkeiten richtig verstanden, weil Wortgruppe und Satz oder zur weiteren Bestimmung auch die übersatzmäßigen Kontexte die verständniserschließenden Sinnzusammenhänge angeben. Das Verständnis der Metaphern setzt allerdings in besonderem Maße  "verstehenswillige"  Empfänger voraus (BÜHLER), um so mehr, als alle frei Zwecksetzungen der Metaphernverwendung ein weites Feld für individualsprachliche Ausdrücke eröffnen.

Metaphern geben gerne Anstöße zu besonders ausgeprägten Konsoziationen (Verbindungen) eines Autors sowie zu - nicht selten verständniserschwerenden - Assoziationen des Lesers. Die zurückhaltende Beurteilung der Metaphernverwendung in den Wissenschaften in deswegen durchaus begründet. Vor allem vermitteln Metaphern nur vage und ungenau abgegrenzte Inhalte.

Einen bemerkenswerten Beitrag zum "Verständnis von Metaphern leistet BÜHLER mit seiner "Doppelfiltertheorie": In einer metaphorischen Aussage werden Wortinhalte so zusammengefügt, daß sich die "Begriffssphären" in der entstehenden Wortkombination wie bei einem technischen Doppelgitter gegenseitig abdecken. Die Doppelgitterwirkung der Wortkombination - beispielsweise der zu "Salonlöwe" zusammengesetzten Worte "Salon" und "Löwe" läßt für das Verstehen nur solche Inhaltselemente der verwendeten Worte durchscheinen, die zueinander passen. In dem Satz "Freund N. ist ein Salonlöwe" deckt die "Sphäre Salon" alle nicht passenden Eigenschaften des Löwen (Blutgier, Kampfgeist) ab, und "Löwe" als Metapher wird richtig ohne diese Eigenschaften etwa als königliche oder stattliche Erscheinung verstanden.

Dieser kontextbezogene Versuch des Metaphernverstehens baut also auf der bedeutungsselektiven (inhaltsselektiven) Wirkung auf, die im "sphärischen" Spannungsfeld zweier zueinander in Beziehung gesetzter Inhalte entsteht. Er dürfte zum Verständnis auch anderer als der von BÜHLER herangezogenen Metaphern, insbesondere auch von Analogie-Metaphern beitragen.

Faßt man die Analogie in einem weiten Sinne als "Ähnlichkeit" auf, so wird der analogischen Sicht ein extrem weiter Spielraum zugesprochen: Ähnlichkeiten von Gegenständen in irgendeiner Form und damit die Möglichkeiten metaphorischer Beschreibung sind unbegrenzt denkbar. Im wissenschaftlichen Denken erfahren die Analogien eine  Einengung  durch die Denkziele und die Genauigkeitsansprüche des einzelnen Autors. Welche Ähnlichkeiten sinnvoll und für das analogische Denken geeignet sind, entscheidet einzig und allein ein gegebener Untersuchungs- und Mitteilungszweck.

Von der mehr oder weniger weiten Fassung des Analogiebegriffes bei den einzelnen Autoren wird auch der mehr oder weniger weite Begriff der auf der Basis der Analogien konstruierten  "Modelle"  bestimmt. Ausgehend von Ähnlichkeit und Entsprechungen bestimmter Art (WIESER fordert zum Beispiel "Funktionsähnlichkeit" und "Strukturähnlichkeit") werden zwischen zwei Gegenständen Beziehungen festgestellt, die den einen Gegenstand als Modell des anderen geeignet erscheinen lassen, oder die Beziehungen werden erst durch ein künstlich konstruiertes (analoges) Modell hergestellt.
    "Das Modelldenken kommt ohne das Analogiedenken nicht zurecht und stellt einen ausgezeichneten Fall von Analogie dar."(3)
Die Modelle dienen zur Ableitung weiterer Analogien und setzen die Richtigkeit der Ableitungsergebnisse um so größerer Gefahren aus, je ungenauer die Ähnlichkeitsbeziehungen (die Anforderungen an das Modell) sind.

Die sprachliche Wiedergabe von Analogien durch Metaphern weist den Metaphern die Funktion einer "modell-adäquaten" Sprache zu. So vermittelt zum Beispiel das Wort Wachstum eines Betriebes. Zwischen den logischen und den psychologischen Wirkungen der sprachlichen metaphorischen Form und dem Analogie-Denken und zwischen diesem und seiner sprachlichen Form bestehen demgemäß enge Wechselwirkungen. Hinter der Fassade eines unkritischen Metapherngebrauchs verbergen sich nicht selten fragwürdige Analogie- und Zirkelschlüsse. Die unreflektierte Übernahme von Metaphern vermag die Einsicht in einen Sachverhalt leichter als andere sprachliche Ausdrucksformen zu vernebeln.

Analogie-Metaphern in der Betriebswirtschaftslehre (Wirtschaftswissenschaft) stammen zum Beispiel aus den Modellbereichen des "Spiels" und des "Kampfes". SHUBIK beschreibt Analogien zwischen den sozialen Verhaltensweisen beim  Spiel  und den wirtschaftlichen Verhaltensweisen beim  Spiel  und den wirtschaftlichen Verhaltensweisen und kritisiert dabei die am Modell des Spiels ausgerichtete, metaphorische Sprache. Diese enthält unter anderem die Metaphern "Spieltheorie", "Auszahlungsmatrix, Bluff, ökonomisches Überlebensspiel, Durchführen von Zügen, Strategie" (5)

Das Wort "Strategie" empfängt wie viele andere betriebswirtschaftliche Metaphern seinen eigentlichen Inhalt von der Sprache militärischer "Spiele". Aus diesem Bereich entnimmt Schär auch das Modell des  Kampfes,  das er für seine Aussagen über den Wettbewerb heranzieht. Schär benutzt auf einer einzigen Seite seines Kapitels über die Umsatzgröße der Handelsbetriebe die Worte "Kampf, Waffen, Sieger und Besiegte, Eroberungskrieg, Eroberung, erobertes Gebiet" (teils mehrmals und alle für ökonomische Sachverhalte). Die Analogien haben hier keinen so strengen Modellbezug wie in der Spieltheorie.(6)

Die Gefahr  falscher  Modellauswertungen und unzulässiger Analogien ist hauptsächlich darin zu suchen, daß von partiellen und spezifisch gearteten Ähnlichkeiten zwischen zwei Sachverhalten (des Modells und des mit seiner Hilfe erklärten Gegenstandes) auf weitere, nicht nachprüfbare und auf ganz anders geartete Ähnlichkeit oder auf eine schlechthin globale Ähnlichkeit beider Sachverhalte geschlossen wird. Die spezifischen Eigenarten ("die kategorialen Unterschiede") der Sachverhalte zu übersehen und "die Analogien nicht als  formale,  sondern als inhaltliche aufzufassen, führt zu absurden Behauptungen".(7)

KULHANY warnt bei seiner Beurteilung der "naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise" in der Betriebswirtschaftslehre vor derartigen unzulässigen Analogieschlüssen, insbesondere vor "Analogieschlüssen aus der Physik und technischen Mechanik". Vor allem in der Übertragung von Erkenntnissen aus anderen Disziplinen zeigen sich die Gefahren und zugleich die hervorragenden Leistungen der wissenschaftlichen Metaphernverwendung.

Dem Gebrauch von Metaphern verdanken wir Möglichkeiten, Ergebnisse von anderen Wissenschaften (neuartige Denkmodelle und die zu ihrer Beschreibung eingeführte Sprache) in die eigene Disziplin zu übernehmen und darüber hinaus, vor allem in der Philosophie und Theologie, Unerkennbares durch (fiktive) Analogien zu erschließen ("analoge Sprache der Religion").

Aussagen mit Metaphern (Analogien) sind "ihrem Wesen nach" inhaltlich immer unvollständig bestimmt. Nicht ohne Grund vergleichen manchen Autoren - wiederholt auch ARISTOTELES - das Verstehen von Metaphern mit einem Rätselraten. Aber
    "gerade ihre Unvollkommenheit" sichert den Analogien "einen Platz in den Grenzgebieten des wissenschaftlichen Denkens, wo sie ihre einzigartige Macht ausüben können als Verbindungsglieder zu anderen Erfahrungswelten" (8)
Diese Fruchtbarkeit von Analogie und Metapher - im wesentlichen als und für  "heuristische"  Verfahren - wird in den einzelnen Fachdisziplinen hoch eingeschätzt. Die Analogie wirkt "spähend", "vorgreifend, anspornend", sie kann ein faktischer Weg zu neuen Erkenntnissen sein, selbst wenn ihre Ergebnisse später wieder verworfen werden.

Es darf hier auf einige neuere, methodologische Darstellungen (mit unterschiedlichen Definitionen der Analogie) aus der Biologie, Medizin, Geschichte und Kybernetik haben sich LINHARDT und LISOWSKY - wenn auch weniger ausführlich - mit der Anwendung analogischer Metaphern auseinandergesetzt.

Die folgende Textanalyse soll zunächst die Funktion echter und leerer Metaphern unterscheiden helfen.

Textanalyse zum Wachstumsbegriff
A) TEXT
(Textauszug aus: R. NITSCHE "Wachstum als Fetisch") (9)

Aus dem Abschnitt: "Die Logik der Sprache": (I) "Es verdeutlicht die ganze Verwirrung der Geister, daß heute Wachstum und Expansion fast stets als Synonyma, zwei Wörter gleicher Bedeutung, gebraucht werden. (II) Doch schon dies ist ein Irrtum mit schwerwiegenden Folgen. (III) Denn es ist kein Zufall, daß Expansion ein Bild ist, das die Wirtschaft der Physik entlehnt hat, Wachstum aber ein Lehnwort aus der Biologie. (IV) Verstünde man den tiefen Bedeutungsunterschied zwischen beiden Begriffen richtig, dann bekäme man schon durch die einen ersten Eindruck von der Vielfalt der Bedingungen, untern denen Wachstum steht, gegenüber der meist viel leichter erkennbaren und ökonomisch erfaßbaren, weil oft nur monokausalen Verursachung einer bloßen Expansion. (V) Wenn es eine Logik der Sprache gibt (und es gibt sie wirklich), dann sollte sich auch hier beachtet werden."

Und aus einem folgenden Abschnitt: "(VI) Denn wie ein Baby rascher wachsen muß als ein größeres Kind, und dieses wieder rascher als ein Erwachsener, dessen Wachstum schließlich natürlich  stagniert,  so soll die Fortschrittsrate zurückgebliebener Wirtschaftskörper größer sein als die voll entfalteter..."

(Die Satznumerierung wurde durch den Verfasser eingefügt.)

B) AUSWERTUNG
In Satz (I) und (II) spukt wieder die Idee der einzig richtigen Bedeutung, die wir bereits kritisiert haben. Hinzu kommt ein für den ganzen Abschnitt entscheidendes  Mißverständnis.  Es beruht auf der mangelnden Unterscheidung von "echten" Metaphern und "verblaßten" Metaphern. Wenn Wachstum und Expansion als Synonyme gebraucht werden, so gibt dieser Wortgebrauch bei den meisten Autoren an, daß "Wachstum" gar nicht mehr als Übertragung aufgefaßt werden soll.

"Wachstum" ist als  Synonym  ein Wort (etwa) gleichen Inhalts wie "Expansion", es ist dann nicht in Analogie zum biologischen Wachstum, sondern als Fachausdruck ohne metaphorischen Sinn zu verstehen. Der Ausdruck "wirtschaftliches Wachstum" wird zur  verblaßten  Metapher mit einem selbständigen, eigentlichen Inhalt. In der wirtschaftswissenschaftlichen Sprache werden die Ausdrücke "Wachstum" und "Expansion" in gleicher Weise synonym verwandt wie zum Beispiel "Wachstum" und "Entwicklung" oder "Wachstum" und "Konjunktur" oder wie "Expansion" und "Erweiterung".

Nach LIEFMANN-KEIL handelt es sich bei dem Wort "Wachstumspolitik" im Grunde nur um ein anderes Wort für "Konjunkturpolitik". Als verblaßte Metapher geht "Wachstum" auch in andere abgeleitete Wörter wie "Wachstumsmodell" oder "Wachstumstheorie" ein und wohl kaum ein wirtschaftswissenschaftlicher Leser denkt bei "Wachstumstheorie" ohne weiteres an Analogien zu einem biologischen Wachstumsmodell.

Der jeweilige Sprachgebrauch bestimmt, was ein Autor meint, und wenn dieser die Worte "Wachstum" oder "Expansion" nicht mehr als echte Metaphern auffaßt, so können diese auch nicht mehr nach ihren metaphorsichen Funktionsmöglichkeiten interpretiert werden.

Es gibt also, setzt man Synonymität voraus, zwischen Wachstum und Expansion "keine tiefen Bedeutungsunterschiede" (Satz IV): diese Bedeutungsunterschiede werden erst dann wirksam, wenn sowohl "Wachstum" als  Metapher  (Übertragung aus dem biologischen Sprachbereich) als auch "Expansion" als Metapher (Übertragung aus dem physikalischen Sprachbereich) verwendet werden.

Braucht man im Falle eines solchen beiderseitigen metaphorischen Wortinhalts die Begriffe gleichzeitig - ein synonymer Gebrauch ist dann nicht mehr möglich -, so hat das meistens " Katachresen",  das sind Bildüberschneidungen, zur Folge. Sie entstehen, weil zwei verschiedenartige Bilder oder "Modelle" mit widersprüchlichen Aussagerichtungen zur Erklärung ein- und derselben Sache eingesetzt werden.

Zur Verdeutlichung einer Katachrese sei hier ein Beispiel von WIHRHEIM eingeschoben: "Der betriebswirtschaftliche Kreislauf" wird von WIHRHEIM bis ins einzelne in Analogie zum Kreislauf eines Organismus gesehen. Diese Analogie wird so weit getrieben, daß sogar von "leukämischen Zersetzungserscheinungen" des betriebswirtschaftlichen Kreislaufes gesprochen wird.

In einem Abschnitt werden die Bewegungen des Wirtschaftskreislaufs einer Produktionsperiode "mit den Pulsschlägen des Blutkreislaufes" und  gleichzeitig  mit den "vier Takten" eines Explosionsmotors verglichen. Daraus folgt eine geradezu mustergültige Bildüberschneidung, denn wenn das "Modell" des Blutkreislaufes zugrunde gelegt wird, so führt jede gleichzeitige Analogie mit dem Modell eines Explosionsmotors zu Analogiewidersprüchen (der vierte Pulsschlag als Leerlauftakt?).

Kehren wir zu dem Text von NITSCHE zurück. In Satz (V) beschwört NITSCHE die Logik der Sprache, ohne in der Sprache der Logik genauer anzugeben, was denn an dem Gebrauch von Synonymen unlogisch ist. Es handelt sich hier um eine selbstgeschaffene Unlogik, da NITSCHE die Worte nicht nach ihrer tatsächlichen  Funktion  im Text versteht, ihnen vielmehr einen isoliert vom Text als richtig angenommenen Inhalt zudiktiert.

Werden die Worte "Expansion" und "Wachstum" synonym verstanden, so sind sie keine "entlehnten Bilder" mehr, und werden sie als solche (als Metaphern) verstanden, so können sie keine Synonyme sein. Werden sie alternativ als Metaphern verstanden, wie es in der Gegenüberstellung in Satz (IV) (möglicherweise) angedeutet wird, so gibt es zwar einen "Bedeutungsunterschied", aber nur subjektive Gründe, um die Verwendung der Metapher "Expansion" zu kritisieren (wie es im weiteren, hier nicht zitierten Text von NITSCHE ausführlich geschieht).

Die Kritik NITSCHEs am Expansionsbegriff geht darauf zurück, daß NITSCHE selbst die Metapher "Wachstum", das heißt das biologische  "Modell",  zur Beschreibung der volkswirtschaftlichen Entwicklung bevorzugt. Es steht jedoch jedem anderen Autor frei, ein für seinen Zweck geeignetes anderes Modell zu entwerfen. Das physikalische Modell der Expansion kann genauso zulässig und zweckmäßig für eine metaphorische Beschreibung der volkswirtschaftlichen Entwicklung sein wie das biologische.

Akzeptiert man das biologische Wachstumsmodell und folgt NITSCHE, so wird man zu einer wohl kaum nachprüfbaren  Folgerung  geführt (Satz VI). Die Wachstumsstadien und Wachstumsgeschwindigkeiten eines Menschen (Baby - Kind - Erwachsener) mit normativem Anspruch auf die Volkswirtschaftslehre übertragen, heißt die Leistungsfähigkeit der vorliegenden Analogie überschätzen. Die Metapher verleitet NITSCHE zu einer unzulässigen Ausweitung der durch ihren Gebrauch angeregten Analogien.

Es ist zwar möglich, in metaphorischer Sprache von "Geburt" und "Tod" statt von Gründung und Ende (Auflösung) eines Betriebes zu sprechen und weitere metaphorische Vokabeln aus der Entwicklung eines Lebewesens zu verwenden. Durch solche Übertragungen werden unter Umständen interessante und denkanregende Ähnlichkeiten wahrgenommen.

Gefährlich wird dieses Verfahren aber dann, wenn aus den biologischen Modellvorstellungen Folgerungen gezogen werden, die die "kategorialen Unterschiede" der Vergleichsobjekte übergehen, wenn die Ähnlichkeiten nicht als heuristische Hilfsvorstellungen dienen, sondern wenn angenommen wird, daß beide Prozesse, der biologische und der betriebliche, identischen oder streng beziehungsanalogischen Gesetzen folgen.

Im Hinblick auf derartige Analogieausweitungen, die sich auch als Hemmung des soziologischen Denkens erwiesen haben, läßt MAX WEBER zwar den Wert von Analogien und Metaphern für "praktische Verschaulichungs- und provisorische Orientierungszwecke" gelten, er betont aber ganz besonders die Nachteile, falls ihr Erkenntniswert überschätzt und einem falschen Begriffsrealismusgehuldigt wird..

Noch schärfer trägt LISOWSKY seine Bedenken gegen den übermäßigen Metapherngebrauch, gegen das Herjagen hinter analogischen Parallelen in der Betriebswirtschaftslehre vor. Er schildert eine Vielzahl von Metaphern und er demonstriert die Konsequenzen falscher Metaphernverwendung mit der ironischen Formulierung vom "Blinddarm des Betriebes".(10)
LITERATUR - Werner Kroeber-Riel, Wissenschaftstheoretische Sprachkritik in der Betriebswirtschaftslehre, Semantische und pragmatische Untersuchungen betriebswirtschaftlicher Sprachen, Berlin 1969
    Anmerkungen
  1. SÖHNGEN, G., Analogie und Metapher, Kleine Philosophie und Theologie der Sprache, Freiburg/München 1962
  2. SÖHNGEN, G., Analogie und Metapher, Kleine Philosophie und Theologie der Sprache, Freiburg/München 1962
  3. SHUBIK, M., Spieltheorie und Sozialwissenschaften, Hamburg 1965
  4. SCHÄR, J.F., Allgemeine Handelsbetriebslehre, Bd.1, Leipzig 1913
  5. WIESER, W., Organismen, Strukturen, Maschinen, Frankfurt/Hamburg 1959
  6. ARBER, A., Sehen und Denken in der biologischen Forschung, Reinbek 1960
  7. NITSCHE R., "Wachstum als Fetisch", in Monatsblätter für freiheitliche Wirtschaftspolitik, 11. Jhg. Frankfurt/Main 1965
  8. LISOWSKY, A., Grundprobleme der Betriebswirtschaftslehre - Ausgewählte Schriften, Zürich und St. Gallen 1954