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FRIEDRICH HARMS
Über die Psychologie
von Johann Nicolas Tetens


"Es gibt keine Gefühle, welches nicht Empfindnis werden könnten. Sie können auch, wenn sie einmal entstanden sind, sich mit Vorstellungen verbinden und mit ihnen reproduziert werden. Daraus folgt aber, daß in der Seele etwas hinzutreten muß, in Beziehung worauf eine Empfindung angenehm oder unangenehm oder ein Empfindnis wird, welches nicht beachtet wird, wenn die Empfindnisse als eine für sich dastehende Klasse von Gefühlen aufgefaßt werden, welche sich durch sich selber ihre Determination des Angenehmen und des Unangenehmen an sich tragen, wie eine verborgene Qualität, die keine weitere Auflösung zuläßt."

"Gewahrnehmen heißt, seine Gedanken auf eine empfundene Sache richten, den Gegenstand der Empfindung denken. In aller Wahrnehmung ist ein Gedanke enthalten."

"Die Subjektivität und Relativität unserer Vorstellungen aus Impressionen, weshalb wir sie Schein in uns nennen, hebt daher nicht die Möglichkeit der Wahrheit auf, denn diese ruht auf dem Denken der Verhältnisse und nicht auf dem bloß Bildlichen und Sinnlichen in unseren Erkenntnissen. Welche Empfindungen und Scheine oder Vorstellungen wir auch haben mögen, die Wahrheit der Erkenntnis ist nicht von den Empfindungen der Sinne, sondern vom Denken der Vernunft abhängig."

"Die Objektivität der Erkenntnis besteht in ihrer Allgemeingültigkeit, in dem Bewußtsein, daß wie ich die Sache denke, sie notwendig von allen vernünftigen Wesen gedacht wird. Die Gesetzmäßigkeit des Denkens entscheidet über seine Wahrheit und Objektivität."

TETENS, geboren zu Tetenbüll 1736, war Professor der Philosophie und der Mathematik zu Kiel von 1777 - 1789. Darauf wurde er nach Kopenhagen in das Finanzkollegium versetzt, wo er 1805 gestorben ist. Er hat auch einiges über Finanzen veröffentlicht (Schriften der Universität zu Kiel aus dem Jahre 1860, Bd. VII, Seite 65). Bevor er nach Kiel kam, war TETENS Professor zu Bützkow. Er hat mehrere philosophische Schriften verfaßt: Gedanken über einige Ursachen, warum in der Metaphysik nur wenige ausgemachte Wahrheiten sind, 1760; Abhandlung von den vorzüglichsten Beweisen für das Dasein Gottes, 1761; über den Ursprung der Sprache und der Schrift, 1772; Über die allgemeine spekulatitivische Philosophie, 1775. In Kiel folgte auf TETENS jedoch erst 1794 REINHOLD.

Die Schrift von TETENS, welche unserer Abhandlung zum Gegenstand dient, führt den Titel: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwicklung, 2 Bände. Sie ist erschienen Leipzig 1777, 7 Jahre nach KANTs Inaugural-Dissertation  de mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis;  und 4 Jahre vor der "Kritik der reinen Vernunft", in der Zeit der Entstehung der kritischen Philosophie, da KANT die Gedanken seiner Abhandlung, worin die Anfänge des Ganzen enthalten sind, zur Kr. d. r. V. ausarbeitete. Ein kritischer Geist lebt auch in dem Werk von TETENS.

Man hat die Vermutung ausgesprochen, daß die Schrift von TETENS einen viel größeren Einfluß würde erreicht haben, wenn nicht bald darauf KANTs Kr. d. r. V. alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen und die Richtung des Denkens bestimmt hätte. Denn mit Recht gilt diese Schrift von TETENS als ein Werk, welches größere Beachtung verdient, da es sich durch eine Selbständigkeit der Forschung und scharfsinnige Untersuchungen auszeichnet. Indessen auch später hat TETENS Schrift noch keine weiteren Erfolge gehabt. Denn die Art der Untersuchung, welche in ihr vorherrscht, lag dem Interesse und den Entwicklungsgang fern, welchen die deutsche Philosophie seit KANT genommen hat.

Durch die Anwendung der beobachtenden Methode in den Untersuchungen psychischer Phänomene, wie sie zuerst LOCKE empfohlen hat, will TETENS eine weitere Ausbildung der Philosophie gewinnen. Die empirische Psychologie soll die Grundlage der Philosophie bilden. Dieses Verfahren aber hat die deutsche Philosophie seit KANT von Anfang an verworfen.

Die Kr. d. r. V. ist keine empirische Psychologie, sondern eine Transzendental-Philosophie, welche die Bedingungen aller empirischen Erkenntnisse, betreffen sie die Seel oder einen anderen Gegenstand, erforschen will. Dieser Standpunkt liegt bereits der Inaugural-Dissertation von KANT zugrunde, welche die Formen und die Prinzipien der sinnlichen und der intelligiblen Welt zum Gegenstand hat, wobei es sich nicht um eine Beschreibung und Analyse von Tatsachen des Bewußtseins handelt, sondern um ihre Erklärung und Begründung. Im Widerstreit mit dem Empirismus der englischen und französischen Philosophie hat die deutsche Philosophie durch KANT ihre Begründung gefunden, worin der Grund liegt, daß die Schrift von TETENS, die eine Fortsetzung von diesem Empirismus enthält, doch, so bedeutend sie auch innerhalb dieser Richtung ist, nur von geringem Erfolg gewesen ist neben den Werken von KANT, da in diesen eine neue Richtung des Denkens, ein neuer Weg der Untersuchung eingeschlagen wird.

Eine einfache Fortsetzung des früheren Empirismus ist jedoch in der Schrift von TETENS nicht enthalten. Denn der Gebrauch einer Methode für sich gibt keine Entscheidung. Es kommt hinzu die Maxime ihres Gebrauchs, wodurch ihre Anwendung selbst bestimmt wird, die eine dogmatische, eine skeptische oder auch eine kritische sein kann. Das Verfahren, aus der Beobachtung psychischer Phänomene zu Begriffen zu gelangen, ist jedoch bei TETENS mit einer kritischen Maxime verbunden, während der frühere Empirismus eine skeptische Maxime befolgte. Er gebrauchte die beobachtende Methode nicht frei und unabhängig, sondern verbunden mit einem skeptischen Vorurteil, da er im Voraus alle Erkenntnis bezweifelt, welche über die Erscheinungen hinausgeht. Er hat die induktive Methode nur einseitig und sie nicht nach ihrem ganzen Umfang angewandt. Sein Hauptinteresse ist die Polemik gegen den Rationalismus. In dieser Polemik verliert er das Ziel der Induktion, und wendet sie selbst nicht im vollen Umfang an.

Der Gebrauch der induktiven Methode ist aber bei TETENS nicht mit einer skeptischen, sondern mit einer kritischen Maxime verbunden. Dies war schon durch die Lage der Philosophie in seiner Zeit gegeben. Denn die einseitigen Richtungen der früheren Philosophie hatten sich insgesamt auf deutschem Boden verbreitet, sowohl der Rationalismus wie der Sensualismus, der Idealismus wie der Materialismus. Diese Lehren galten nur noch als Meinungen, welche Gegenstand der Kritik wurden. Und in dieser Beziehung ist eine Annäherung von TETENS an KANT vorhanden, von dem gleichfalls diese durch die geschichtliche Entwicklung gegebenen Philosopheme nicht als Lösung der Probleme, sondern selbst nur als Versuche zu ihrer Lösung aufgefaßt werden, welche der Kritik bedürfen. Daher wird die beobachtende Methode von TETENS anders als im frühen Empirismus gebraucht. Nicht nur werden die psychischen Tatsachen von ihm viel genauer und unbefangener, mit größerer Schärfe und Bestimmtheit aufgefaßt, sondern auch ihre Bearbeitung, ihre intellektuelle Vermittlung, um aus den Beobachtungen zu Begriffen zu gelangen, ist viel vorurteilsfreier als im Sensualismus und Materialismus der früheren Philosophie.

Eine dreifache Auffassung über das Wesen der Seele war vorhanden, als TETENS seine  philosophischen Versuche über die menschliche Natur  unternahm. Die eine Auffassung geht aus von CARTESIUS, wird aber durch LEIBNIZ modifiziert. Die Vernunft, der denkende Geist ist nach CARTESIUS das Wesen der Seele. Keine Seele ohne Vernunft. Alle geistigen Tätigkeiten gelten daher als Modifikationen des Gedankens, das Empfinden wie das Wollen. Diese Auffassung hat LEIBNIZ modifiziert. Das Wesen der Seele besteht nach seiner Meinung in der Repräsentation. Die Seele repräsentiert in sich das Universum. Der Begriff des Vorstellens wird dem des Denkens substituiert, und alle geistigen Tätigkeiten gelten als Modifikationen der vorstellenden Kraft der Seele. Die Auffassung von LEIBNIZ hat alsdann vorzüglich WOLFF in der Psychologie zur Herrschaft gebracht. Die Seele ist nach WOLFF eine die Welt nach der Beschaffenheit ihres Körpers vorstellende Kraft. Alle Tätigkeiten der Seele werden auf ihre vorstellende Kraft reduziert. Dagegen verhält sich TETENS kritisch, indem er zeigt, daß die Vorstellung nicht als die wesentliche und primitive Tätigkeit der Seele, wovon alle geistigen Tätigkeiten nur Abänderungen sein sollen, angenommen werden kann. Er berücksichtigt aber diese Auffassung vom Wesen der Seele nur in der Gestalt, welche sie von LEIBNIZ und WOLFF erhalten hat, und geht nicht zurück auf ihre ursprüngliche Fassung bei CARTESIUS, GEULINCX, SPINOZA und MALEBRANCHE, worin ein Mangel in seiner Untersuchung liegt.

Die zweite Auffassung vom Wesen der Seele in der neueren Philosophie findet sich in der Richtung des Sensualismus von LOCKE, HUME und CONDILLAC, wonach die Empfindung die primäre und wesentliche Tätigkeit der Seele sein soll, und das Denken und Wollen als Transformationen der Empfindungen aufgefaßt werden. Auch gegen diese Richtung verhält sich TETENS kritisch. Er konstatiert, daß Gefühle und Empfindungen sich nicht auf Vorstellungen reduzieren lassen und daher etwas Ursprüngliches in der Seele sind, aber aus den Empfindungen macht die Seele selber die Vorstellungen, Gedanken und Ideen, und ist daher keine bloße Rezeptivität, sondern besitzt eine aktive Tätigkeit, wodurch der Stoff der Sinne erst seine Form empfängt. Die Empfindungen geben nur den Stoff zu allen Ideen, ihre Form aber entspringt aus der Denkkraft.

Auch gegen die dritte Richtung in der Auffassung vom Wesen der Seele, welche in der neueren Philosophie enthalten ist, gegen den Materialismus, der die geistigen Tätigkeiten auf körperliche Vorgänge im Gehirn und den Nerven zu reduzieren versucht, übt TETENS Kritik und zwar vornehmlich gegen das darin zur Anwendung kommende  metaphysische  Verfahren.
    "Wenn auch diese metaphysischen Analysen", sagt TETENS, Vorrede Seite XIII, "etwas Reelles lehrten, als sie wirklich nicht lehren, so darf man doch die Untersuchungen der Seele nicht mit ihnen anfangen, sondern nur endigen. Die psychologische Auflösung muß vorhergehen. Wenn es aber daran fehlt, so ist es vergeblich, die psychischen Phänomene aus einer uns so sehr verborgenen Organisation begreiflich machen zu wollen."
Das metaphysische Verfahren ist der Mangel des Materialismus, der nicht den richtigen Ausgangspunkt in der Beobachtung der psychischen Phänomene zum Fundament hat. Erst nachdem die psychologische Analyse stattgefunden hat am Ende seines Werkes im zweiten Band, wird die Frage nach der Körperlichkeit oder der geistigen Natur der Seele und der Abhängigkeit ihrer Tätigkeiten von der Organisationi des Körpers untersucht.

Die Kritik der früheren Meinungen über das Wesen der Seele tritt aber in unserem Werk nicht für sich, sondern in Verbindung mit positiven Untersuchungen über die verschiedenen Vermögen und Tätigkeiten der Seele auf der Grundlage der Beobachtung der Tatsachen des Bewußtseins hervor. Die Kritik ist selbst ein Ergebnis aus den Untersuchungen über die psychischen Phänomene.

Das Werk von TETENS umfaßt in zwei Bänden 14 Versuche in der Erforschung der geistigen Erscheinungen. Jeder Versuch behandelt ein Gebiet der psychischen Empirie für sich, daß daß in jedem Versuch ein neuer Anfang der Untersuchung aus der Erfahrung entnommen wird. Das ganze Werk bildet eine fortgehende Reihe empirischer Untersuchungen, die vom Einzelnen zum Ganzen fortschreiten, wobei jedoch ein Nachteil, wenn auch nicht in der Sache, so doch in der Darstellung eintritt, da es zu sehr dem Leser überlassen bleibt, das Ganze aus dem Einzelnen herauszulesen und oftmals die Abhandlungen in der Untersuchung stehen bleiben. Das Werk setzt daher schon ein großes Interesse an der methodischen Untersuchung für sich voraus und nötigt zu einer beständigen Mitarbeit an der Lösung der Probleme, ohne im Voraus anzugeben, was durch die Untersuchung am Ende gefunden wird. Es sind, wie der Verfasser selbst sagt, philosophische  Versuche,  welche den Inhalt seiner Schrift bilden, die nicht im Voraus eine bestimmte Auffassungsweise als fertige annimmt, um danach das Einzelne zu interpretieren und zu ordnen, sondern die erst aus allen Versuchen erworben werden soll.

Um den Inhalt im Allgemeinen anzugeben, wird daher nichts weiter übrig bleiben, als die 14 Versuche aufzuzählen, welche das Werk enthält, woraus sich aber doch zugleich der große Umfang und der Reichtum seines Inhalts erhellt. Es sind folgende 14 Versuche: Über die Natur der Vorstellungen; über das Gefühl, Empfindungen und Empfindnisse; über das Gewahrnehmen und Bewußtsein; über die Denkkraft und das Denken; über den Ursprung unserer Kenntnise von der objektischen Existenz der Dinge; über den Unterschied der sinnlichen Kenntnisse und der vernünftigen; von der Notwendigkeit der allgemeinen Vernunftwahrheiten, deren Natur und Gründen; von der Beziehung der höheren Kenntnisse der räsonierenden Vernunft zu den Kenntnissen des gemeinen Menschenverstandes; über das Grundprinzip des Empfindens, Vorstellens und Denkens; über die Beziehung der Vorstellungskraft auf die übrigen tätigen Seelenvermögen; über die Grundkraft der menschlichen Seele und den Charakter der Menschheit, nebst einem Anhang, über die natürliche Sprachfähigkeit des Menschen; über die Selbsttätigkeit und Freiheit; über das Seelenwesen im Menschen; über die Perfektibilität und Entwicklung des Menschen. Die drei letzten Versuche bilden den Inhalt des zweiten Bandes, die daher noch ausführlicher abgehandelt werden, als die elf ersten Versuche des ersten Bandes.

Unsere Abhandlung kann weder den gesamten Inhalt dieser Untersuchungen zur Darstellung bringen, noch alle Versuch in gleicher Weise berücksichtigen. Wir müssen uns darauf beschränken, die wesentlichen Punkte hervorzuheben, welche der Verfasser glaubt gewonnen zu haben und die zugleich dazu dienen, das Ganze zu charakterisieren, welches aus dem Einzelnen gefunden ist.

In den Rahmen einer gewöhnlichen Psychologie läßt sich überdies dieser Inhalt nicht unterbringen. Nur der Ausgangspunkt der Untersuchungen ist ein psychologischer, aus Beobachtungen innerer Erfahrung entnommen, sie selber aber überschreiten das Gebiet der Psychologie, da sie nicht bloß auf die Erkenntnis der Seele gerichtet sind, indem sie zugleich logische und metaphysische, ethische, physische und anthropologische Probleme betreffen, woraus sich zugleich erhellt, daß die Psychologie mehr zur Einleitung in die Philosophie als zu ihrer Begründung dient, da sie selbst auf ihrem Gebiet Probleme abhandelt, deren Lösung ihr Erfahrungsgebiet völlig überschreitet, und zu ganz anderen als psychologischen Betrachtungsweisen führen. Nicht alles, was die Seele erkennt, ist sie selber, wenn sie auch stets das Subjekt ihrer Erkenntnisse ist. Nur soweit die Seele selbst das Objekt der Erkenntnis ist, kann die Untersuchung eine psychologische genannt werden, sofern die Seele nur Subjekt der Erkenntnis ist und diese sich zugleich auf andere oder auf alle Objekte einer möglichen Erfahrung bezieht, geht die Betrachtungsweise über den bloßen psychologischen Standpunkt hinaus in logische und metaphysische, ethische und physische Probleme, worauf wir auch in unserer Abhandlung werden zu achten haben. Die Psychologie führt zum Skeptizismus oder zur dogmatischen Metaphysik, wenn sie diese Unterscheidungen vernachlässigt, die Seele sieht in allem nur sich oder ihre Vorstellungen und zweifelt daher an aller gegenständlichen Erkenntnis, oder sie sieht in allem sich selber und erkennt das Universum als sich selber.

Die erste Untersuchung betrifft die Natur der Vorstellungen. Es wird hervorgehoben, daß nicht alle geistigen Tätigkeiten aus Vorstellungen bestehen, wie LEIBNIZ und WOLFF meinten, wodurch der Begriff der Vorstellung selbst seine Bestimmtheit verliert. TETENS faßt das Vorstellen als eine und zwar als eine bedingte geistige Tätigkeit auf. Den Vorstellungen geht etwas vorher und liegt etwas zugrunde, was selbst keine Vorstellung ist und deshalb als eine ursprüngliche Tätigkeit der Seele aufgefaßt werden muß. Die Vorstellungen sind  zurückgelassene  Spuren vorhergegangener Veränderungen" und weil sie das sind, sind sie zugleih Bilder und Zeichen der Objekte. Sie weisen uns nicht auf sich selber hin, sondern auf Gegenstände und Beschaffenheit, wovon sie Zeichen in uns sind. Im Bild vom Mond sehen wir den Mond. Sie haben eine bildliche und zugleich eine zeichnende Natur, indem sie auf vorhergehende Modifikationen in uns und auf ihre Gegenstände verweisen. Keine Vorstellung stellt sie sich selber vor, sondern etwas anderes als sich. Dies liegt in ihrer Natur und ihrem Begriff, sofern er sich aus Beobachtungen ergibt. Jede Vorstellung bezieht sich daher auf Etwas außerhalb der Vorstellung.

Es werden drei verschiedene Tätigkeiten der vorstellenden Kraft unterschieden, das Vermögen der Perzeption, die Phantasie und die Dichtkraft, d. h. die Entstehung der Vorstellung aus der gegenwärtigen Empfindung, ohne dieselbe und die Produktion neuer Vorstellungen. Das Gesetz der Ideen-Assoziation ist überschätzt worden, es ist nur ein Gesetz der Phantasie in der  Reproduktion  der Vorstellungen, aber kein Gesetz der Verbindung der Ideen zu neuen Reihen, wie in der Dichtung. Ihre Produktion geschieht nicht nach dem Gesetz ihrer Vergesellschaftung in der Reproduktion.

Alle Vorstellungen sind demnach in der Seele ein Zweites, dem ein Erstes vorhergeht, welches selber nicht aus Vorstellungen besteht. Dies führt zum zweiten Versuch, der von den Gefühlen, den Empfindungen und den Empfindnissen handelt. Das Gefühl hat es nur mit gegenwärtigen Dingen zu tun. Nur das Gegenwärtige, nicht das Abwesende kann empfunden werden. Das Vergangene und Zukünftige läßt sich nicht fühlen. Was empfunden und gefühlt wird, ist eine passive Modifikation der Seele. Daher sagt TETENS, nur das Absolute in den Dingen außerhalb von uns und in uns und nicht das Relative ist unmittelbarer Gegenstand des Gefühls, denn alle Verhältnisse und Beziehungen der Dinge werden gedacht aber nicht gefühlt. Sie kommen nicht durch Gefühle, sondern durch Gedanken zum Bewußtsein. Hierin liegt eine Einschränkung vom Begriff des Gefühls oder der Empfindung, womit sich eine Kritik ergibt gegen die Ausdehnung dieses Begriffs, namentlich im französischen Sensualismus, der nicht beachtet, daß die Verhältnisse und Beziehungen der Dinge nicht gefühlt, sondern gedacht werden. Beide Begriffe der Empfindung und der Vorstellung werden daher auf der Grundlage der Tatsachen in einem engeren Umfang bestimmt, als dies der Fall ist hinsichtlich des Begriffs der Vorstellungen im Rationalismus und des Begriffs der Empfindung im Sensualismus.

Die Empfindnisse, wie TETENS sie nennt, gelten als Modifikationen der Empfindungen. Empfindnisse sind angenehme oder unangenehme Empfindungen, oder Gefühle. Das Wort ist aus dem Gebrauch gekommen und an seine Stelle in der gelehrten Sprache das Wort  Gefühl  getreten, welches durch TETENS selbst mit veranlaßt worden ist (I, Seite 168).

Diese Klasse der Gefühle, welche TETENS  Empfindnisse  nennt, hat KANT als ein drittes mittleres Vermögen neben dem Erkenntnis- und dem Begehrungsvermögen angenommen. Bei TETENS gelten sie aber nicht als ein solches Drittes und Mittleres, sondern nur als eine Modifikation der Empfindungen, wie auch schon das Wort  Empfindnisse  angibt. Sie sind nicht selbst eine neue hinzutretende besondere Art der Empfindungen, sondern nur gewisse Beschaffenheiten an den Empfindungen. Es gibt keine Gefühle, welches nicht Empfindnis werden könnten. Sie können auch, wenn sie einmal entstanden sind, sich mit Vorstellungen verbinden und mit ihnen reproduziert werden. Daraus folgt aber, daß in der Seele etwas hinzutreten muß, in Beziehung worauf eine Empfindung angenehm oder unangenehm oder ein Empfindnis wird, welches nicht beachtet wird, wenn die Empfindnisse als eine für sich dastehende Klasse von Gefühlen aufgefaßt werden, welche sich durch sich selber ihre Determination des Angenehmen und des Unangenehmen an sich tragen, wie eine verborgene Qualität, die keine weitere Auflösung zuläßt. Man wird die Beziehung aufsuchen müssen, wodurch die ansich gleichgültige Empfindung zu einer angenehmen oder unangenehmen wird, wenn die Empfindnisse oder die Gefühle selber als ein Ereignis in der Seele verstanden und nicht bloß als verborgene Qualität gelten sollen. Auf diesen Punkt werden wir bei einer späteren Gelegenheit noch einmal wieder zurückkommen.

Der dritte Versuch handelt über das Gewahrnehmen und das Bewußtsein und der vierte über die Denkkraft und das Denken. Sehr richtig bemerkt jedoch TETENS, daß beides zusammengehört, das Gewahrnehmen und das Denken. Denn das Erkennen der Verhältnisse und Beziehungen in den Dingen ist ein Denken. "Das Gewahrnehmen ist nur  eine  Art und zwar die einfachste von den Äußerungen der Denkkraft." (I, 295) Empfindungen, Vorstellungen und Gedanken sind die "drei Grundäußerungen der Erkenntniskraft". Die Empfindungen und Gefühle entstehen aus Modifikationen, welche die Seele empfängt. Daraus macht sie Vorstellungen, und aus den Vorstellungen Ideen und Begriffe. Die Seele empfängt weder Vorstellungen noch Begriffe, sondern mach sie aus Empfindungen, welche den Stoff enthalten, woraus Vorstellungen und Gedanken durch die Tätigkeit der Seele entstehen. Zu Erkenntnissen werden die Empfindungen und Vorstellungen erst durch die Erkenntniskraft des Gedankens. Mit Recht macht TETENS geltend, daß nur der Gedanke Erkenntniskraft besitzt, aber weder die Empfindungen noch die Vorstellungen für sich. "Jede Erkenntnis, als Erkenntnis, ist ein Werk der Denkkraft. Nicht das Gefühl, nicht die vorstellende Kraft kann unterscheiden, gewahrnehmen und erkennen." (I, 429) Etwas empfinden und einen Gegenstand vorstellen, heißt nicht ihn erkennen, wozu ein Akt des Denkens erforderlich ist, der zu den Empfindungen und Vorstellungen hinzutritt.

Das Gewahrnehmen ist ein Denken, aber weder ein Fühlen noch ein Vorstellen, wenngleich es dadurch bedingt ist. Es setzt "eine sich ausnehmende Empfindung oder Vorstellung von der wahrgenommenen Sache voraus und ist nicht möglich ohne eine vorhergehende Empfindung oder Vorstellung, es erfordert aber nicht bloß eine Steigerung des Gefühls oder der Vorstellung, sondern eine Zurückbeugung der empfindenden und vorstellenden Kraft auf die wahrgenommene Sache," und kann daher nicht als eine bloße Gradation des Empfindens und des Vorstellens angesehen werden. Gewahrnehmen heißt, seine Gedanken auf eine empfundene Sache richten, den Gegenstand der Empfindung denken. In aller Wahrnehmung ist ein Gedanke enthalten.

Es ist sicher richtig und verdient große Anerkennung, daß TETENS das Gewahrnehmen in dieser Weise aufgefaßt und als einen Aktus des Denkens vom Fühlen und Vorstellen unterscheidet. Von der Wahrnehmung gilt aber dasselbe, was von der Empfindung gilt. Nur das Gegenwärtige kann wahrgenommen werden, nicht das Abwesende, weder das objektiv Abwesende, das Vergangene und Zukünftige, noch das subjektiv Abwesende, das für uns nicht Gegenwärtige. Die Gegenwart des Gegenstandes bedingt seine Wahrnehmung, daher ist es richtig, wenn JACOBI gesagt hat, alle Wahrnehmung enthüllt und offenbart ein Dasein. Es ist der Vorzug der Wahrnehmung, daß sie direkt mit der Wirklichkeit verkehrt.

Nicht bloß das Wort: Gewahrnehmen und Gewahrwerden, welches TETENS beständig anwendet, ist aus dem Gebrauch gekommen, sondern auch die Sache, die Wahrnehmung in ihrem Begriff ist in der deutschen Philosophie seit KANT außer bei JACOBI und denen, die ihm folgen, vernachlässigt worden, und nicht in richtiger Auffassung und Wertschätzung vorhanden, wozu der Idealismus die Veranlassung gegeben hat, da er wie der Rationalismus alle Erkenntnisse in bloße Vorstellungen auflösen will, eine Tendenz, woran selbst der frühere Sensualismus leidet, weil auch er die Empfindungen als bloße Vorstellungen auffaßt, welche doch erst daraus entstehen und nicht darauf reduziert werden können. (Die Philosophie in ihrer Geschichte, Bd. 1, Seite 308)

Alle Erkenntnisse durch Vorstellungen ist eine bedingte, welche nicht notwendig ist, wenn die Sache selbst der Seele, dem Bewußtsein gegenwärtig ist, und nur wenn sie es nicht ist, und sofern sie es nicht ist, ist die bedingte und sekundäre Erkenntnis durch Vorstellungen notwendig, falls die Seele selber die Kraft besitzt aus ihren Empfindungen Vorstellungen zu machen, welches in ihr selbst eine Fortentwicklung voraussetzt.

Mit dem vierten Versuch über das Denken geht jedoch in TETENS Schrift die psychologische Betrachtung über in eine allgemeine Untersuchung logischer und metaphysischer Probleme, womit sich die folgenden fünf Versuche beschäftigen. Sie haben eine psychologischen Ausgangspunkt in Tatsachen des Bewußtseins, wodurch sie induziert werden, ihre Begründung aber nicht gewinnen.

Zuerst handelt es sich um den Ursprung der "Verhältnisbegriffe", wozu auch der Begriff der ursächlichen Verbindung gehört. Sie beziehen sich auf alle Erfahrung und nicht bloß auf psychische Empirie. TETENS Ansicht über die Verhältnisbegriffe, welche man auch Kategorien nennen kann, steht der kantischen Auffassung sehr nahe. "Wenn wir zwei Dinge für einerlei halten, wenn wir sie in ursächlicher Verbindung denken, wenn wir uns Eins im Andern als Beschaffenheit in einem Subjekt, oder beide zugleich als nebeneinander oder in der Folge aufeinander vorstellen, so gibt es einen gewissen  Aktus des Denkens;  und die gedachte Beziehung oder das Verhältnis in uns ist etwas  Subjektivisches,  das wir den Objekten als etwas  Objektivisches  zuschreiben, und das aus der Denkkraft entspringt." (I, 303)
    "Zuerst sind bloß Denkaktus und Gedanke da, dann entstehen Vorstellungen von Verhältnissen; einzelne und allgemeine; dann Verhältnisideen und Verhältnisbegriffe. Weiter deutliche Verhältnisideen. Die ersten Aktus der Denkkraft finden in jedem Menschenverstand statt, und erfolgen nach gewissen Gesetzen des Denkvermögens, bei gewissen Umständen und Erfordernissen in den Empfindungen und Vorstellungen." (I, 309)
Die Auffassung von TETENS ist danach folgende. Unsere Verhältnisbegriffe stammen aus dem Denken selber. Denn die Erkenntnis von den Verhältnissen und Beziehungen ist selber ein Denken. Nur mittels des Gedankens wird die Erkenntnis erworben. Wir besitzen sie daher früher in den Operationen des Denkens im Erkennen als Denkaktus, bevor wir Begriffe davon haben. Die Verhältnisbegriffe stammen aus dem Denken, welches Verhältnisse erkennt; und zwar wie es heißt "bei gewissen Umständen und Erfordernissen in den Empfindungen und Vorstellungen", da jede vollständige Erkenntnis durch die drei Akte des Empfindens, Vorstellens und Denkens bedingt ist. Die Empfindungen geben den Stoff her auch zu den Verhältnisbegriffen, die Form der Ideen aber hängt von der Denkkraft ab.
    "Es könnte scheinen, als wenn die Verhältnisbegriffe, die nicht das Absolute in den Dingen, sondern ihre Beziehungen und Verhältnisse vorstellen, darum eine Ausnahme machen müßten, weil hier das Objekt, welches vorgestellt wird, das Verhältnis nämlich, nicht aus der Empfindung entsteht, sondern ein hinzukommende Wirkung der Denkkraft ist. Es gehört also auch der Stoff dieser Begriffe dem Verstand zu und zwar ausschließlich. Wir haben z. B. die Ähnlichkeit nicht empfunden, sondern hinzugedacht. Der Gegenstand dieser Verhältnisbegriffe ist eine Tätigkeit oder eine Wirkung unserer Denkkraft, ist keine Wirkung unserer vorstellenden Kraft; auch keine Empfindung. Der innere Aktus der Denkkraft gibt hier die innere Empfindung her, aus welcher die Vorstellung gemacht wird, wobei letztere von einem nachfolgenden Aktus der Denkkraft wahrgenommen wird, und dann die Idee ausmacht, dessen Objekt dasjenige im Gegenstand ist, was wir ihre Verhältnisse nennen und ihnen beilegen."
Die Verhältnisbegriffe gewinnen wir also aus Empfindungen von den eigenen Tätigkeiten des Denkens im Erkennen. Ohne daß diese bereits in uns vollzogen sind, können wir nicht zu den Begriffen von den dadurch aufgefaßten Verhältnissen kommen.
    "Man kann niemand einen Begriff von der wirklichen Verknüpfung der Dinge beibringen, der nicht eine solche Verknüpfung vorhergedacht, der diesen Gedanken nicht empfunden und wieder hervorgezogen hat. Ebensowenig kann man es einem begreiflich machen, was Räsonnement und zusammenhängende Einsicht ist, der selbst nie räsonniert und zusammenhängend gedacht hat, und dem nicht eine Empfindung dieser einzelnen Tätigkeiten schon so geläufig ist, daß er sie mit Leichtigkeit wieder vorstellen und in sich so lebhaft gegenwärtig halten kann, als erforderlich wird, um davon abziehen zu können." (I, 339)
Die Verhältnisbegriffe entstehen nicht anders als alle übrigen Begriffe, der Unterschied liegt nur darin, daß sie von den Akten des Denkens selber im Erkennen erworben werden. Der Verstand hat diese Begriffe aus sich selber, er kann sie aber nicht aus sich selber haben, wenn er nicht vorher schon in Wirksamkeit existiert. Ein reales Denken bedingt die Entstehung der Verhältnisbegriffe.

Von diesem Standpunkt aus gibt TETENS eine Kritik von HUMEs Begriffserklärung der kausalen Verbindung, welche, wenn sie nicht überall die erste ist, doch jedenfalls unabhängig ist von KANTs Auffassung, die noch nicht bekannt war. Seine Kritik gilt ihm als ein Beispiel zur Verdeutlichung seiner Ansicht über den Ursprung der Verhältnisbegriffe. HUMEs Erklärung, welche wir als bekannt voraussetzen, soll ungenügend sein, da in einer kausalen Verbindung mehr gedacht wird als eine bloße Verbindung in der Aufeinanderfolge von Veränderungen, denn es wird darin auch eine Abhängigkeit des einen Ereignisses vom andern gedacht. Dies kann aber nicht als etwas bloß Erdichtetes gelten, weil die subjektivische Verbindung der Ideen aus einer notwendigen Wirkungsart des Verstandes entspringt und einen ganz anderen Grund hat als ihre Assoziation in der Einbildungskraft, denn, wenn wirklich ein Kausalnexus erkannt wird, kann man die Wirkung aus der Ursache begreifen, was bei einer bloßen Assoziation der Vorstellungen nicht der Fall ist, welche keine Dependenz [Abhängigkeit - wp] der Wirkung von der Ursache enthält.
    "Die Begriffe vom Grund (ratio) und von dem in ihm Gegründeten, und von der Begreiflichkeit des Letzteren aus jenem, können vom Verstand nur aus den Tätigkeiten seines Begreifens, des Folgerns und Schließens gewonnen werden. Eins aus dem andern begreifen heißt nicht, einen Gedanken auf den andern folgen sehen, mit dem er vorher schon in Verbindung gewesen ist und durch den er jetzt nach dem Gesetz der Assoziation erweckt wird. Vielmehr, sobald wir gewahr werden, daß die Folge eines Gedankens auf den andern nur durch dieses Mittel geschieht, so verneinen wir es geradezu, daß wir jenen aus diesem begreifen. Das Begreifen erfordert, daß die Folgegedanken auf die fortwährende Tätigkeit des Verstandes, der sich mit dem Grundgedanken beschäftigt, hervorkommen, auch ohne vorher jemals in dieser Folge gewesen zu sein." (I, 325)

    "Die Begreiflichkeit des Einen aus dem Andern ist die subjektivische Vorstellung und der Charakter im Verstand von der objektivischen Dependenz der vorgestellten Sache."
Der Begriff der ursächlichen Verbindung stammt aus dem Verstand, seinen Operationen, aber nicht aus der Phantasie und ihren Assoziationen. Diese Kritik von TETENS zur Erläuterung seiner Theorie über die Verhältnisbegriffe ruht auf eigenen selbständigen Gedanken und unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von KANTs Kritik und seinen Grundgedanken, wovon sie ganz unabhängig ist. Sie ist spontan aus TETENS Untersuchungen entstanden.

Nicht alle Verhältnisse lassen sich auf Identität und Diversität gründen, so wenig wie alle Urteile in der Vergleichung der Vorstellungen nach den Verhältnissen der Identität und Diversität bestehen. Es gibt nicht bloß analytische Urteile. TETENS meint vielmehr, man müsse drei Arten der Verhältnisse, der Urteile und der Verhältnisbegriffe unterscheiden. Die eine Art entspringt aus der Vergleichung der Vorstellungen nach ihrer Identität und Diversitt. Eine zweite Klasse entsteht aus dem Zusammennehmen und Absondern, Verbinden und Trennen der Vorstellungen. Dahin gehören das Ineinandersein oder die Beziehung, die eins auf das andere hat, als eine Beschaffenheit oder ein Prädikat auf das Subjekt, worin es sich befindet. Darin werden unwirksame Beziehungen gedacht. Hiervon ist eine dritte Gattung zu unterscheiden, welche die Verhältnisse der Dependenz, die Verbindung des Gegründeten mit seinem Grund und der Wirkung mit ihrer Ursache in sich faßt. Diese drei Arten von objektiven Verhältnissen sind drei unterschiedliche Tätigkeiten unserer Denkkraft. TETENS fügt hinzu, "ich bemerke hierbei nur gelegentlich, daß diese alle von uns gedenkbaren Verhältnisse und Beziehungen der Dinge den Umfang und die Grenzen des Verstandes aus einem neuen Gesichtspunkt darstell." (I, 334) Er wußte mithin sehr gut, daß seine Betrachtungsweise über die Verhältnisbegriffe einen neuen Weg in ihrer Auffassung enthält, den in anderer Weise KANT fortsetzt, wobei die Grenze unserer Abhandlung es uns an diesem Ort nicht gestattet, eine weitere Auseinandersetzung über die Verhältnisse beider Auffassungsweise zu geben. Jedenfalls aber liegt die Auffassung von TETENS außerhalb der überlieferten Ansichten des früheren Rationalismus und Sensualismus über dieses Problem. Wir fügen nur noch eines hinzu. Auch die Ideen vom Raum und der Zeit gehören zu den Verhältnisbegriffen nach TETENS. Sie bilden aber eine besondere Klasse, denn sie gehören, meint er, zu den Verhältnisideen ohne Ideen der sich aufeinander beziehenden Dinge, indem nur die Aktion der Beziehung dabei klar wahrgenommen wird, nicht aber die Objekte selbst, wobei zugleich KANTs Auffassung vom Raum und der Zeit nach der Inaugural-Dissertation erwähnt wird. An diese Untersuchungen schließt sich ferner an das Problem über den Ursprung unserer Kenntnisse von der objektivischen Existenz der Dinge,
    "auf welche Art, durch welche Mittel, nach welchen Gesetzen der Verstand von den Vorstellungen auf die Gegenstände, vom Idealen in uns auf das Objektivische außerhalb von uns übergeht." (I, 373)

    "Die Vorstellungen sind ein Schrift, bei der wir nicht nur die Buchstaben und Wörter unterscheiden und sie lesen, sondern die wir auch verstehen, und der wir einen Sinn unterlegen, indem wir sie nicht bloß als Veränderungen in uns selbst, sondern als Dinge und Beschaffenheiten ansehen, die ein objektivisches Dasein haben."
Eine Erklärung hiervon soll nicht dadurch erreicht werden, daß man die objektivische Erkenntnis auf instinktartige Urteile der Denkkraft gründet. Das hieße die Untersuchung allzu voreilig abbrechen, wobei der philosophische Psychologe so wenig befriedigt wird wie der philosophische Naturforscher, wenn man ihm sagt, es sei ein Instinkt des Magneten, daß er Eisen anzieht. Es muß doch versucht werden, eine Auflösung von diesem Problem zu gewinnen. (I, 375)

Ebenso meinte der Verfasser, daß der Weg es Idealismus, oder wie er auch sagt, des Egoismus in BERKELEY'scher und HUMEscher Weise kein richtiges Verfahren enthält, da er selbst von einer unwahrscheinlichen Vorausnahme ausgeht.
    "Wenn Adam als ein Mensch mit einer gereiften Überlegungskraft in das Paradies trat, und nun, völlig unbekannt mit den Gegenständen und ihren Eindrücken auf sich, anfing, den sich auszeicnenden Gesang eines Vogels von seinen übrigen Empfindungen zu unterscheiden, warum sollte dann sein erstes Urteil dieses sein: Siehe, das ist etwas in dir?"
Der Verfasser macht dagegen geltend, daß es mir begründet ist anzunehmen, daß eine Erkenntnis unserer eigenen Existenz und daß das Vorgestellte etwas in uns ist, bedingt ist durch die Erkenntnis einer äußeren Existenz, und daß, wenn jene erworben wird, auch schon die Idee von der äußeren Existenz vorhanden ist. Die eine Erkenntnis hat dieselben Bedingungen, und setzt dieselben Begriffe voraus, wie die andere.
    "Konnte der Mensch sein Ich kennen und unterscheiden lernen, ohne zugleich einen Begriff von einem wirklichen Objekt zu erhalten, das nicht sein Ich ist? Und wenn diese beiden Begriffe (das Ich und das Nicht-Ich) unzertrennlich sind, so war es jedoch ebenso möglich, daß die beiden Urteile: dies ist in mir, und: jenes ist nicht in mir, sich zu gleicher Zeit entwickelt hatten, ohne daß das letztere das erste voraussetzt, und nachher mittels anderer Gedanken, die noch gesammelt werden mußten, hervorgebracht werden darf." (I, 379)
TETENS Ansicht ist daher abweichend von den beiden genannten Versuchen, die objektivische Erkenntnis auf einem instinktartigen Glauben oder auf einem Egoismus und Idealismus zu basieren. Aus der Sonderung der Empfindungen entstehen vielmehr zugleich und miteinander die Begriffe des Inneren und des Äußeren, und die Erkenntnis von der inneren und der äußeren Existenz beruth auf dem gleichen Verfahren, der Bildung und der Anwendung derselben Begriffe, wodurch überall eine objektivische Existenz gedacht wird. Diese Begriffe werden alsdann weiter im Einzelnen untersucht.

Der Versuch über den Unterschied der sinnlichen Kenntnis und der vernünftigen enthält eine Einleitung für die Behandlung des dritten Problems von der Notwendigkeit allgemeiner Vernunftwahrheiten. Sie sind keine Abstraktionen aus der Erfahrung, weil ihre Gewißheit in jedem einzelnen Fall, wo sie erkannt werden, stattfindet, und durch keine Sammlung vieler Fälle erzeugt und vermehrt wird. Sie sind wie die Verhältnisbegriffe "natürliche Wirkungen, die nach den Naturgesetzen der Denkkraft durch ihre Tätigkeiten hervorgebracht werden." (I, 467) Sie sind nicht angeboren, sondern erworben, jedoch nicht von Empfindungen, sondern von den Operationen des Denkens.

Bei der Untersuchung über die Notwendigkeit der allgemeinen Vernunftwahrheiten geht TETENS davon aus, "daß sich über die objektivische Notwendigkeit der allgemeinen Grundsätze der Vernunft nichts sagen läßt, ehe man nicht die subjektivische, mit der sie vom Verstand gedacht werden, untersucht, und in uns die Natur der Grundsätze als Produkte der Denkkraft beobachtet und ihre Beschaffenheit bemerkt hat." Diese Untersuchung geht daher vorher.

Es werden mehr Fälle subjektivischer Notwendigkeit unterschieden. Die erste Art besteht in Urteilen nach dem Prinzip der Identität und Diversität. Ebenso sind die Urteile über wirkliche und unmittelbare Gegenstände des Bewußtseins im Hinblick auf ihre Form schlechthin subjektisch notwendige Äußerungen der Denkkraft und bilden eine zweite Klasse. Die Urteile über die Tatsachen des Bewußtseins: ich höre, ich sehe, ich fühle Schmerz, ich denke sind ebenso notwendige Urteile, wie es notwendig ist, ein geometrisches Axiom für wahr zu halten. Die Tatsachen des Bewußtseins sind als solche unbezweifelbar. Drittens sind auch "die gefolgerten und aus anderen geschlossenen Urteile notwendige Urteile, wenn die Vordersätze als anerkannte Wahrheiten vorausgesetzt werden." Die vierte Klasse begreift die Urteile über die Verbindung von Ursache und Wirkung nach der früheren Auseinandersetzung, denn die entstandene Sache wird als eine solche angesehen, die nicht von selbst, noch anderswoher ihren Ursprung hat. Wir denken daher notwendig, nichts entsteht ohne Ursache. Diese verschiedenen Arten der Urteile, woraus subjektivische Notwendigkeit entspringt, lassen sich jedoch nicht, wie mehrfach hervorgehoben wird, insgesamt auf eine Vergleichung der Vorstellungen nach ihrer Identität und Diversität gründen, worauf gleichfalls nicht alle Verhältnisbegriffe ruhen. Dies heißt aber nichts anderes, als diese Urteile sind nicht insgesamt analytische Urteile, welche sich auf dem Prinzip der Identität und Diversität gründen.

Schließlich gibt es noch eine Art subjektivischer Notwendigkeit, die aus Gewohnheiten des Vorstellens entspringt, und die TETENS die hypothetische oder die Gewohnheitsnotwendigkeit nennt, welche HUME mit der Naturnotwendigkeit verwechselt und für die einzige gehalten hat. Sie bildet aber nur eine untergeordnete Nebenklasse subjektivisch notwendiger Urteile.

Auf der Untersuchung über die Arten der subjektivischen Notwendigkeit soll die objektivische begründet werden. Dies ist ein richtiges Verfahren. Nichts kann als ein Objektives erkannt werden, welches nicht zugleich als ein Subjektives existiert. Zum Sein gibt es keinen anderen Weg als durch das Denken, zum Realen als durch das Ideale, zur objektiven Wahrheit als mittels der subjektiven Wahrheit des Denkens. Ohne subjektivische Notwendigkeit keine objektivische, ohne Glauben kein Wissen.

Wenn die Wahrheit für die Übereinstimmung unserer Gedanken mit den Sachen erklärt wird, so kann diese Übereinstimmung, sagt TETENS (I, 533) nichts anderes sein als eine Analogie, nach welcher Idee zu Idee sich verhalten soll wie Sache zur Sache. Die Gegenstände mit den Ideen vergleichen, heißt nichts anderes, als Vorstellungen mit Vorstellungen vergleichen. Sind die Objekte einerlei oder verschieden wie diese, so sind die Verhältnisse in jenen dieselben wie in diesen, und unsere Ideen stellen uns die Beziehungen der Sachen aufeinander vor.
    "Unsere Vorstellungen als Impressionen von den Dingen sind freilich nur subjektivische Scheine, aber in diesen Impressionen liegt auch kein Gedanke und keine Wahrheit, obgleich sie ansonsten ihre Fehler haben können." (I, 534)
Denken besteht in Gewahrnehmen der Verhältnisse der Vorstellungen und in diesen kann nur Wahrheit oder Irrtum sein. Die Vorstellungen als Vorstellungen, Bilder und Zeichen der Sachen, sind nur relativischer Natur, woraus aber nicht folgt, daß die Gedanken von den Verhältnissen der Sachen und ihren Beschaffenheiten, die darauf ruhen, es gleichfalls sein müssen. Es kann die Proportion: Bild zum Bild, wie Sache zur Sache, dieselbe bleiben, wenngleich zwei andere Bilder an die Stelle der ersten beiden gesetzt werden. Die Subjektivität und Relativität unserer Vorstellungen aus Impressionen, weshalb wir sie Schein in uns nennen, hebt daher nicht die Möglichkeit der Wahrheit auf, denn diese ruht auf dem Denken der Verhältnisse und nicht auf dem bloß Bildlichen und Sinnlichen in unseren Erkenntnissen. Welche Empfindungen und Scheine oder Vorstellungen wir auch haben mögen, die Wahrheit der Erkenntnis ist nicht von den Empfindungen der Sinne, sondern vom Denken der Vernunft abhängig.

Es fragt sich aber, worin überall die Objektivität einer Erkenntnis besteht, wenn wir den Objekten zuschreiben, was wir denken, und sagen: die Sache ist so, wie sie gedacht wird. TETENS gibt dieselbe Antwort wie KANT, folgert daraus aber nicht, was KANT meinte daraus schließen zu können. Die Objektivität der Erkenntnis besteht in ihrer Allgemeingültigkeit, in dem Bewußtsein, daß wie ich die Sache denke, sie notwendig von allen vernünftigen Wesen gedacht wird. Die Gesetzmäßigkeit des Denkens entscheidet über seine Wahrheit und Objektivität. Hierzu scheint nun aber eine Vergleichung meiner Gedanken mit den Gedanken anderer Intelligenzen notwendig zu sein, wenn die Erkenntnis mehr als eine bloße anthropologische Wahrheit gewähren soll. Eine Rücksichtnahme auf die Denkkraft anderer Wesen wird aber doch nicht erfordert, denn es kommt nur darauf an, daß wir in unserem Denken das, was von den besonderen Einrichtungen unserer Organe und unserer jetzigen Verfassung abhängt, scheiden von dem, was unveränderlich, notwendig und bleibend im Denken ist. Solange unser Ich nur ein denkendes Wesen bleibt, muß das so Erworbene als  objektive Wahrheit  gelten. (I, 540) Wenn dieser Prozeß der Scheidung vollzogen wird, sei es möglich, zu allgemeingültiger und objektivischer Erkenntnis zu gelangen, da sich dadurch zugleich die notwendigen Denkgesetze unseres Verstandes als Gesetze jeder Denkkraft und nicht bloß als subjektivische Gesetze unserer Denkkraft, und die allgemeinen Vernunftwahrheiten nicht bloß als Wahrheiten "für uns", sondern als Wahrheit für alle Vernunft darstellen.

In dieser Auffassung von TETENS ist der richtige Gedanke enthalten, der bei KANT fehlt, daß die Wahrheit der Erkenntnis, zu der wir gelangen, nicht in einigen Eigenschaften gewisser Vorstellungen und Formen liegt, sondern bedingt ist durch das Verfahren, die Methode, welche wir im Erkennen anwenden. Allgemeiner gesprochen würde dies heißen: die Logik, die Kunst des Denkens, wie wir sie ausbilden und gebrauchen, entscheidet über die Metaphysik, über die Weltansicht vom objektiven Sein, denn das logische und das metaphysische Element in aller unserer Erkenntnis bedingen sich wechselseitig und bilden erst in ihrer Übereinstimmung eine Erkenntnis.

Nach der Abhandlung von diesen drei logischen und metaphysischen Problemen über die Verhältnisbegriffe, welche in allem Denken angewandt werden, über die Erkenntnis der objektivischen Existenz der Dinge, und über die Notwendigkeit allgemeiner Vernunftwahrheiten, wozu auch noch der achte Versuch gehört, über die Beziehung der höheren Kenntnis der räsonierenden Vernunft zu den Kenntnissen des gemeinen Verstandes, tritt im Werk TETENS wieder eine vorherrschend psychologische Betrachtungsweise hervor in den drei letzten Versuchen des ersten Bandes: Über das Grundprinzip des Empfindens, Vorstellens und Denkens; über die Beziehung der Vorstellungskraft auf die übrigen tätigen Seelenvermögen, und über die Grundkraft der menschlichen Seele und den Charakter der Menschheit in psychischer Beziehung.

Das Empfinden, Vorstellen und Denken sind drei unterschiedliche geistige Tätigkeiten, welche nicht nur aneinander grenzen und sich bedingen, sondern auch, wie gezeigt wird, aus einem Prinzip entspringen. Die vorstellende Kraft ist eine innere Selbsttätigkeit des nämlichen Vermögens der Seele, Modifikationen zu empfangen und zu fühlen. Das Denken ist freilich nicht mit dem Vorstellen identisch, weder das Wahrnehmen noch das Denken im engeren Sinne, wodurch Verhältnisse erkannt werden und zum Bewußtsein kommen; es ist aber doch nur eine andere Äußerung derselben inneren Selbsttätigkeit, welche aus Empfindungen Vorstellungen macht. Bloßes Fühlen ist kein Denken. Wenn jedoch das fühlende Prinzip eine Selbsttätigkeit besitzt, so kommt es nur auf einen gehörigen Grad dieser inneren Selbstmacht an, um ein denkendes Wesen zu werden. Fühlen, Vorstellen und Denken sind Fähigkeiten von ein und demselben Grundvermögen und nur voneinander darin unterschieden, daß das nämliche Prinzip in verschiedenen Richtungen, auf verschiedene Gegenstände und mit größerer oder geringerer Selbsttätigkeit wirkt, wenn es sich bald wie ein fühlendes, bald wie ein vorstellendes, und bald mehr als ein denkendes Wesen offenbart. (I, 615) Die Modifikabilität der Seele und ihre Selbsttätigkeit bedingt ihr Empfinden, Vorstellen und Denken in mannigfaltiger Weise.

Aus den folgenden Versuchen werde ich nur den einen Abschnitt hervorheben von den verschiedenen Grundvermögen der Seele, welche nach TETENS sind: das Gefühl, der Verstand und der Wille. Von den Tätigkeiten der Seele können wir selbst nur Vorstellungen haben, nachdem diese Tätigkeiten vorher von der Seele selbst vollzogen, wie TETENS sagt, instinktartig erfolgt sind. Vorstellungen begleiten alle geistigen Tätigkeiten, woraus aber nicht folgt, daß sie damit identisch sind. Ebenso können die Empfindungen Reize sein für verschiedene geistige Tätigkeiten, und TETENS hat versucht, in den verschiedenen Beschaffenheiten der Empfindungen den Grund nachzuweisen, weshalb einige Empfindungen mehr die Empfindsamkeit erregen und andere mehr den Verstand zum Denken oder den Willen zum Handeln bestimmen. (I, 704)

Gibt es eine solche Beziehung, so folgt daraus auch, daß Empfinden, Denken und Wollen gleichartige Entwicklungen und Ausbildungen haben. Niemand hat mehr Verstand und Willen als er Empfindung hat und umgekehrt.
    "Feine Empfindsamkeit ist keine Eigenschaft des Dummkopfes und es Trägen. Und wiederum darf man keinen großen Verstand erwarten, wo es an feiner Empfindsamkeit und an reger Kraft zur Tätigkeit im Innern fehlt. Sowie auch da, wo die Trägheit groß ist, das Gefühl sehr stumpf, die Vorstellungskraft und der Verstand sehr unwirksam sind."
Es wird jedoch richtig hinzugefügt:
    "Aber dieses Einflusses ineinander ungeachtet, sind doch diese Vermögen selbst, und ihre vorzüglichen Grade voneinander unterschieden, und so auch die Ursachen, welche sie unmittelbar zur Tätigkeit bringen." (I, 721)
In der lebendigen Seele ist vor allem ein Durcheinander enthalten, was die Psychologie, um es überall betrachten zu können, scheiden und unterscheiden muß, wobei diese Unterscheidungen und Einteilungen nicht, wie man gewöhnlich sagt, ansich gleichgültig, sondern vielmehr von der größten Bedeutung sind, da aus ihrer Anwendung und Verbindung das Konkrete im Leben der Seele allein seine Erkenntnis finden kann. Daher sind die Einteilungen der Vermögen und Tätigkeiten der Seele, welche ihr Leben bedingen, fast das Wertvollste für die Ausbildung der Psychologie, denn das Durcheinander in der lebendigen Seele kann niemals entziffert werden aus einer verworrenen Psychologie, welche keine richtigen Unterscheidungen und Einteilungen gemacht hat. Aus dem Mangel eines logischen Denkens entspringt keine Erkenntnis. Von den ersten Einteilungen und Unterscheidungen der Tätigkeiten und Vermögen der Seele sind alle psychologischen Lehren im Einzelnen abhängig, da nur durch ihre Verbindung das Konkrete verstanden werden kann.

Von TETENS geht eine neue Auffassung und Einteilung von den Vermögen der Seele aus, welche eine Veranlassung enthält zur kantischen Lehre, aber doch nicht mit ihr identisch ist. TETENS unterscheidet: Gefühl, Verstand und Willen, oder wie er sagt, Tätigkeitskraft. Alle Gefühle ruhen auf der Modifikabilität oder Rezeptivität der Seele; Vorstellungen und Gedanken aber auf einer tätigen Kraft, womit die Seele etwas hervorbringt, wenn sie gefühlt hat. Denken und Vorstellen sind beide Wirkungen einer selbsttätigen Kraft, welche TETENS Verstand nennt, dessen Wirkungen, Vorstellungen und Gedanken in ihm selbst  verbleiben.  Die Seele wirkt aber auch Veränderungen, welche keine Vorstellungen sind, da sie neue Veränderungen in sich, in ihrem Körper, oder in beiden zugleich hervorbringt. Hierin besteht nach TETENS das Wesen des Willens, der Tatkraft. Die Willensäußerungen bestehen nicht bloß in einer Bearbeitung der Vorstellungen, wie LEIBNIZ und WOLFF angenommen haben.

Diese Auffassung gründet sich demnach auf der Unterscheidung der Rezeptivität der Seele und ihrer Spontaneität, welche einerseits in der Bildung von Vorstellungen und Gedanken, immanenten Wirkungen, und die sich andererseits in Willensäußerungen betätigt.

Die Empfindnisse, angenehme und unangenehme Gefühl und Gemütsbewegungen sind kein Drittes zum Erkennen und Wollen, sondern selbst eine besondere Modifikation der Empfindungen.
    "Empfindsam sein setzt voraus, daß die Seele Veränderungen annehmen kann, die aus den Verhältnissen und Beziehungen entspringen, worin Empfindungen und Vorstellungen unter sich stehen, und die ihrer Beziehung auf den Zustand der Seele gemäß sind. Insoweit ist die Empfindsamkeit nichts als eine größere und feinere Modifikabilität im Innern, nebst einem feineren Gefühl; und ist für sich keine Wirkung der tätigen Kraft, weder der vorstellenden noch der handelnden. Der Empfindsame leidet, wenn er Empfindnisse hat, soviel Tätigkeit der Seele auch vorher erfordert werden mag, ehe er empfindsam geworden ist." (I. 625)
Hiervon ist die kantische Auffassung und Einteilung in Erkenntnis-, Begehrungs- und Gefühlsvermögen wesentlich verschieden. Denn KANT versteht unter Gefühl, was TETENS Empfindnisse nennt, Gefühle der Lust und Unlust, die er als ein Drittes und Mittleres zu den Erkenntnissen und Begehrungen auffaßt. Eine Ableitung und Begründung ist überdies bei KANT nicht vorhanden, Erkenntnisse, Gefühle und Begehrungen werden nur als drei Ereignisse in der Seele, als etwas Tatsächliches, das sich in der Seele vorfindet, angenommen.

Die kantische Auffassung hat eine größere Verbreitung und Anerkennung gefunden, jedoch nicht überall. Innerhalb der SCHELLINGschen und der HEGELschen Philosophie werden diese Gefühle zur praktischen Seite des Geistes gerechnet, wie dies auch vor KANT geschehen ist. Er hat sie davon abgesondert und als ein drittes Gebiet neben dem Erkennen und Wollen, der theoretischen und der praktischen Seite des geistigen Lebens hingestellt.

Aus der kantischen Auffassung ist die HERBART'sche und die SCHLEIERMACHER'sche entstanden, welche die kantische Auffassung benutzt haben zu ihrer erweiterten Ansicht über die Gefühle. Denn unter Gefühle versteht KANT doch nich bloße Gefühle, Empfindnisse nach TETENS, sondern das Vermögen, die Dinge nach Lust und Unlust zu unterscheiden. Das Gefühl ist daher nach KANT stets verbunden und begleitet von Urteilen, weshalb sie auch den Gegenstand der Kritik der Urteilskraft bilden. Er selbst unterscheidet sie nach ihrer Verbindung mit den begleitenden Urteilen in sinnliche, intellektuelle und ästhetische, je nachdem das Urteil nachfolgt, vorhergeht oder zusammenfällt mit dem dazugehörigen Gefühl. (Die Philosophie seit Kant, Seite 252). Hieraus ergibt sich aber zugleich, daß diese Gefühle gar nichts Einfaches, Elementares, sondern selbst etwas Zusammengesetztes sind aus Empfindungen und Urteilen, worin auch der Grund ihres schwankenden Begriffs und ihrer zweideutigen Stellung liegt.

Dies tritt noch mehr hervor bei HERBART und SCHLEIERMACHER als bei KANT, der schließlich seinen Begriff des Gefühlsvermögens wieder einschränkt, da er das Gefühl als maßgebend nur in einer Beziehung auf das Gebiet des Schönen gelten läßt, während HERBART und SCHLEIERMACHER den Gebrauch dieses Begriffs zu erweitern streben, indem HERBART auf Gefühlsurteilen des Gefallens und Mißfallens auch die sittliche  Erkenntnis  gründen will, und SCHLEIERMACHER die Religion aus Gefühlen bestehen läßt, alle Gefühle sich auf das Absolute beziehen, den Indifferenzpunkt von Denken und Wollen, alle Gefühle der Lust und Unlust in ihrer höchsten Entwicklung religiöse sind. Bei KANT und Schleiermacher dient das Gefühl, wenngleich in verschiedener Weise, als eine Ergänzung des erkennenden und des handelnden Geistes, und bei HERBART gilt die ästhetische Erkenntnisart aus Gefühlen als eine Ergänzung der bloß theoretischen oder metaphysischen Weltbetrachtung.

Es liegt in dieser Annahme und Aufstellung des Gefühlsvermögens bei KANT, SCHLEIERMACHER und HERBART ein ungelöstes Problem der Psychologie, sowohl was den Begriff selbst betrifft, als auch die Frage, ob die Gefühle sich nur wie bei KANT auf das Ästhetische beziehen, oder wie bei SCHLEIERMACHER auf das Religiöse, und ob in der Tat diese Gefühle wie bei HERBART als Anfangsgrund eines Erkenntnisprozesses und als Fundament der Wissenschaft der Ethik gelten können. Auch die Stellung des Gefühlsvermögens zum Erkennen und Handeln, sofern sie dadurch können ergänzt werden, kann nicht als unbezweifelbar gelten.

Eine prävalierende [bevorzugte - p] Stellung auf dem Gebiet des Geistes hat das Gefühlsvermögen jedoch schon vor KANT innerhalb der englischen Philosophie seit SHAFTESBURY gehabt, wordurch man meinte, die Mängel in der Theorie und Praxis, in der physischen und ethischen Weltbetrachtung, welche sie mit ihren eigenen Kräften nicht selber entfernen können, ergänzen zu können. Den Sensualismus des Erkennens und den Egoismus des Handelns wollte diese Richtung durch die Entdeckung des Gefühlsvermögens als einer besonderen Potenz des Geistes zu ergänzen und heilen, indem es nur nötig ist, sich darauf als auf sichere Tatsachen des Bewußtseins zu berufen, welche durch die Gefühle des Schönen, der Sympathie, der geselligen Neigungen, des Wohlwollens, von zweckmäßigen und harmonischen Verhältnissen ohne weiteres den Egoismus des Handelns und den Sensualismus des Erkennens widerlegen und aufheben sollen. Es beschafft die Erkenntnisse von selbst als einen unmittelbaren Besitz des Geistes, deren Wahrheit und Gewißheit alle Wissenschaften außerdem meinen durch eine Untersuchung ihrer Objekte finden zu müssen. Diese Omnipotenz des Gefühlsvermögens, woraus ein neuer Dogmatismus entsteht, stammt aus der englischen Philosophie seit SHAFTESBURY.

Das Gefühlsvermögen spielt daher in der deutschen Philosophie seit KANT, wie in der einen Richtung der englischen Philosophie seit SHAFTESBURY, eine sehr bedeutsame Rolle, wobei aber doch immer Begriff des Gefühls eine Zweideutigkeit in sich verhüllt, da damit unmittelbare Urteile verbunden sein sollen, deren Wahrheit und Gewißheit von selbst einleuchten soll. Im Vergleich hiermit hat die Auffassung von TETENS wie mir scheint Vorzüge, da sie die Empfindung und die Empfindnisse oder die Gefühle viel genauer und bestimmter in ihrem Unterschied von der übrigen geistigen Tätigkeit auffaßt, und namentlich nicht das Gefühlsvermögen zur Omnipotenz des Geistes macht, wodurch alle Mängel des Erkennens und des Handelns, wozu ihre eigenen Kräfte nicht ausreichen, von selbst ihre Ergänzung und Verbesserung finden sollen.

Der letzte Versuch des ersten Bandes handelt von der Grundkraft der menschlichen Seele und dem Charakter der Menschheit.
    "Alle Wirkungen von der Grundkraft der Seele, von welchen wir Begriffe haben, sind Wirkungen, die sie in ihrem jeweiligen Zustand hervorbringt, nachdem sie schon vorher auf eine hohe Stufe in ihrer Entwicklung fortgeschritten ist. Sie hat schon manche Veränderung erlitten, wenn sie sich erst als ein fühlendes, als ein denkendes, als ein wollendes Wesen selbst offenbart."

    "Die Grundkraft der Seele kennen wir nicht, weil wir keine Idee von den ersten ursprünglichen Wirkungen ihrer Naturkraft haben. Das Fühlen ist nur die erste Äußerung, die wir kennen." (I, 735f)
Erfahrungsmäßig kennen wir die Seele nur in ihre drei Tätigkeiten des Empfindens, Denkens und Wollens, von denen wir keine als die primäre und die allein wesentliche ansehen können. Nur in der Mitte ihres Lebens stellt sich die Seele in diesen drei Tätigkeiten dar, welche im Wesen der Seele wie in ihrer Vollendung in einer Identität müssen gedacht werden können, die sich, wie TETENS meint, in der Erfahrung nicht finden läßt, weil er die dafür erforderliche transzendentale Untersuchung scheut, da er dieselbe in einem zu großen Gegenssatz mit der Empirie auffaßt, während das Transzendentale nur in Verbindung damit einleuchtend gemacht werden kann.

Das Unterscheidungsmerkmal der menschlichen Seele liegt in einer  "vorzüglichen Modifikabilität und Selbsttätigkeit",  welche überall und von Anfang an hervortritt. Wenn
    "man allein die Seelenhandlungen miteinander vergleicht, so kann man es mit gutem Fug bezweifeln, daß die Menschenseele in der ersten Zeit des Lebens hinter der Tierseele in ihrem Vermögen zurückbleibt. Im ersten Lächeln des Kindes fand ARISTOTELES schon mit Recht die Merkmale der Vernunft, und die Handlungen der meisten unter den völlig erwachsenen Tieren verraten nicht soviel Vorstellungs- und Beziehungsvermögen als die Mienen und Gebärden des Säuglings von vier Wochen, wenn er lächelt oder weint."

    "Der Bärmensch war doch mehr als ein Bär, und der Schafmensch mehr als ein Schaf."

    "Der Grundcharakter der Menschheit, die vorzügliche Modifikabilität und Anlage zur Selbsttätigkeit, sie mag sich wenig oder viel entwickeln, und auch bei den verschiedenen Individuen von verschiedener Größe sein, gehört unter die unveränderlichen Kennzeichen der Menschheit, die man allenthalben findet, wo es Menschen gibt." (I, 758 - 766)
Die Freiheit oder die Selbstmacht der Seele über sich soll ein Vermögen sein, "das nicht zu tun, was man tut, oder es anders zu tun, als man es tut." Daß wir ein solches Vermögen besitzen, hält der Verfasser für erweislich aus Beobachtungen. Die Freiheit findet sich in allen Arten der Kraftäußerungen der Seele, die menschliche Freiheit ist ihm aber sowohl ihrer inneren Stärke als ihrer Ausdehnung nach eingeschränkt. Auch über dieses Problem will der Verfasser aus der psychischen Empirie eine Entscheidung gewinnen, und glaubt er zu einer Vermittlung zwischen den Lehren des Determinismus und Indifferntismus gelangen zu können, sieht sich aber zuletzt doch genötigt, in metaphysische Untersuchungen über die Notwendigkeit und Zufälligkeit der Verbindung zwischen der Wirkung und ihrer Ursache einzugehen, ohne welche in der Tat so wenig über die Freiheit wie über die Notwendigkeit des Geschehens eine Entscheidung gefunden werden kann, da nur das Geschehen selber wahrnehmbar ist, Freiheit und Notwendigkeit aber Erklärungsgründe sind, welche zum empirisch Gegebenen hinzugedacht werden. Auch bemerkt der Verfasser nicht, daß der Begriff der Notwendigkeit sich verändert, je nachdem sie im Gegensatz zur Zufälligkeit oder zur Freiheit gedacht wird. (II, 1 - 148).

Alsdann folgt eine Untersuchung über das Wesen der Seele ansich, über ihre materielle oder immaterielle Natur, welche das Ende der psychologischen Analysen bildet. Unsere Vorstellungen von der Seele und ihren Veränderungen sind wie unsere Ideen von den Körpern nur ein Schein, "soweit die Beobachtung reicht", diese kann aber hier nichts ausrichten.
    "Ob denn auch durch andere Wege, von hinten zu, durch Umwege oder durch Räsonnements sich hier nichts ausrichten läßt? das ist eine andere Frage, die man nicht zugleich mit der ersten verneinen darf." (II, 157)
Denn die Auffassung der Erscheinungen der Dinge ist nicht das Endergebnis, sondern der Anfang aller Untersuchungen, welche willkürlich abgeschlossen wird, wenn man nicht nach Mitteln und Wegen sucht, aus dem Schein das Sein, aus den Erscheinungen das Wesen der Dinge zu erforschen. Daher unterläßt der Verfasser es auch nicht, die Hypothesen des Materialismus wie des Spiritualismus über das Wesen der Seele, welches aus den Erscheinungen erschlossen wird, in einer kritischen Absicht zu untersuchen.

Sollten auch alle geistigen Tätigkeiten durch das Gehirn und die Nerven bedingt sein, so folgt daraus doch nicht, daß sie selbst nur in körperlichen Veränderungen bestehen, zumal wir "von der Natur der materiellen Ideen beinahe soviel wie nichts wissen." (II, 166) Die Erfahrung zeigt uns nur geistige Tätigkeiten und körperliche Veränderungen in einer Verbindung miteinander, ihre Identität ist aber nichts Gegebenes, weder in der Weise wie der Materialismus, noch in der Art wie der Spiritualismus dieselbe behauptet. Das Ich ist "ein Mensch, das empfindende, denkende, wollende Ganze, das  beseelte  Gehirn." Alle Untersuchung über das Wesen der Seele ist vergeblich, wenn man kein immaterielles Wesen mit einem Körper verbunden annimmt, denn es entstehen alsdann nur "Erdichtungen und Träume" über "die innere Beschaffenheit unseres organisierten Seelenwesens." (II, 169 - 177)

Die Untersuchung über die Immaterialität der Seele betrifft ihre substantielle Einheit als Bedingung der geistigen Tätigkeiten. "Es ist ein so sehr erwiesener Beobachtungssatz, wie es nur einer sein kann", "daß das Ich, welches sieht, das  nämliche  ist, welches hört, schmeckt, riecht, fühlt, denkt, will." (II, 191) Die Seele ist keine Vielheit wie das Gehirn, sondern eine Einheit, wodurch ihre Tätigkeiten bedingt sind. Aus dem Zusammenwirken vieler Substanzen aufeinander, woraus alle körperlichen Veränderungen entstehen, lassen sich die geistigen Tätigkeiten nicht begreiflich machen, ohne daß in den "kollektiven Kräften und Wirkungen eine substantielle Einheit vorausgesetzt wird."
    "Ist die Aktion des  Fühlens  aus einer Menge anderer Kraftäußerungen zusammengesetzt, die einzeln genommen keine Gefühle sind: so wird aus diesen letzteren erst ein Gefühlsausdruck, wenn sie vereinigt und zusammen, das ist, kollektiv genommen werden. Aber es ist unmöglich, daß sie kollegiert werden können, sofern solche nicht in  einem  Ding geschieht, welches eine wahre substantielle Einheit ist. Denn wenn die verschiedenen Bestandteile des Aktus durch mehrere verschiedene Wesen verteilt sind, davon jedes einzeln nur einen einzelnen von jenes Aktus hervorbringt: so ist zwar ein Haufen von Elementen des Gefühls in mehreren Dingen verteilt vorhanden, aber nirgends ist  ein Gefühl,  nirgends das vereinigte Ganze aus ihnen, das nach der Voraussetzung, heterogen von seinen Elementen,  erst  ein Gefühl wird, wenn jene Elemente zusammengenommen werden; nirgends ist einmal ein  Schein  des ganzen Gefühls."

    "Es kann als ein unleugbarer Erfahrungssatz angesehen werden, daß unser Ich sich selbst als ein fühlendes und denkendes Wesen erscheint. Aber sowohl die Existenz des Gefühls, das nur durch die Kollektion ein Gefühl ist, wie hier angenommen wird, als auch nur der Schein desselben, worin dieser letztere auch bestehen mag, fällt weg, wenn nichts weiter, als eine Menge von Wesen da ist, deren jedes allein für sich etwas anderes als ein Fühlen hervorbringt." (II, 197)
Aus diesem Zusammenwirken vieler Wesen können daher geistige Tätigkeiten nur entstehen, wenn entweder eines oder jedes dieser Wesen ein fühlendes, denkendes und wollendes Ich ist, da jede geistige Tätigkeit durch eine substantielle Einheit bedingt ist. (II, 204) Außer den körperlichen Organen, wodurch die geistigen Tätigkeiten beim Menschen modifiziert werden, müsse man daher, falls man der Erfahrung folgt, ein einfaches unkörperliches Wesen annehmen, durch dessen substantielle Einheit die geistigen Tätigkeiten sich allein erklären lassen. Über ihre Bedingtheit durch die Organisation sucht der Verfasser alsdann noch, indem er vor allem die BONNET'sche Hypothese, vom Sitz der Vorstellungen im Gehirn, prüft, eingehends eine Vorstellung sich zu bilden. (II, 238)

Den Schluß des Werkes bildet der Versuch über die Perfektibilität und Entwicklung des Menschen, der mehr als die Hälfte des zweiten Bandes umfaßt. Er handelt aber nicht bloß von "der Perfektibilität der Seelennatur", sondern auch von der Entwicklung des menschlichen Körpers, und der Analogie zwischen der Entwicklung der Seele mit der Entwicklung des Körpers, wobei die Frage zur Untersuchung kommt, ob diese Entwicklung als eine Evolution oder als eine Epigenesis [nachträgliche Entstehung - wp] zu betrachten ist, inwiefern sie bei den Menschen verschiedene Bedingungen und Grenzen hat und als eine fortschreitende Entwicklung des menschlichen Geschlechts betrachtet werden kann. Es werden mithin in diesem Teil naturphilosophische, anthropologische und geschichtsphilosophische Probleme behandelt, welche über eine bloße psychologische Analyse weit hinausgehen. Das Ganze schließt mit einer  ethischen  Erwägung über die Beziehung der Vervollkommnung des Menschen auf seine Glückseligkeit, so daß in der Tat alle Teile des Systems der Philosophie in diesem psychologischen Werk zur Anwendung kommen. Die Glückseligkeit soll auch von äußeren Ursachen abhängig sein, welche fördernd oder störend auf die Entwicklung einwirken, und kann daher nicht nach dem Grad innerer Vollkommenheit geschätzt werden. Beide gehen nicht parallel, sondern sind "zwei verschiedene Sachen. Nur die Hinsicht auf eine Zukunft kann uns berechtigen, beide für einerlei zu halten." (II, 818) Auch in dieser Auffassung liegt eine Annäherung von TETENS an KANT, der gleichfalls Glückseligkeit und innere Vollkommenheit als zwei verschiedene Bestandteile des höchsten Gutes gedacht hat; und weit entfernt war, in dem einen Bestandteil für sich, in der Glückseligkeit, wie der frühere Naturalismus, den Endzweck des Lebens zu finden, die außerdem nur als ein persönliches Gut gedacht werden kann, da sie unendliche Abstufungen in sich schließt.

Die Schrift von TETENS hat bisher, wie ich glaube, nicht die Beachtung und Würdigung gefunden, welche sie verdient. Meine Abhandlung hat den Zweck, die Aufmerksamkeit auf dieses verdienstvolle Werk zu lenken. Vor allem scheint es mir, daß die Ansichten, welche TETENS völlig selbständig über logische und metaphysische Probleme Anschluß an psychologische Untersuchungen aufgestellt hat, bei den gegenwärtigen Bestrebungen, sensualistische und empiristische Doktrinen zu erneuern, hierauf eine günstige Wirkung ausüben können, wenn sie zum Gegenstand des Nachdenkens gemacht werden.

LITERATUR: Friedrich Harms, Über die Psychologie von Johann Nicolas Tetens, Abhandlungen der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1878, gelesen am 1. August 1878, Berlin 1878