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WILHELM SCHUPPE
Das menschliche Denken
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"Wir vermeinen Dinge zu sehen und zu fühlen und können, wenn wir genau sein wollen, zuletzt unsere Wahrnehmung durch nichts anderes bezeichnen, als durch die einzelnen Sinneseindrücke, die wir empfangen haben. Die gemeine Ansicht setzt das Ding als etwas Festes, Wirkliches, Objektives der Eigenschaft entgegen. Aber sehen wir von unseren Schlüssen ab, so ist anzuerkennen, daß nichts als eine Anzahl von Eigenschaften und Sinneseindrücken übrig bleibt. Wir müssen nur das gemeine Vorurteil abstreifen, das die Körperlichkeit, und namentlich den fühlbaren Widerstand des Festen nicht zu den Erscheinungen rechnet."

"Ich erkläre, daß wir das objektive Sein, die sogenannte Wirklichkeit als Ding-ansich, Substanz und Wesenhaftigkeit nicht mit unserem Denken erreichen, sondern nur die  Erscheinung,  zugleich aber, daß es reinste Willkür ist, mit dem Begriff Erscheinung die Vorstellung von etwas Unwirklichem, Wesen- und Gesetzlosem, gespenstisch Nichtigem und Trüglichem zu verbinden. Es liegt nicht der geringste Grund vor, diese Welt der Erscheinungen für unzuverlässiger, weniger erfreulich und weniger tröstlich zu halten, als die der angenommenen Wesenheiten. Wir gehen also nicht von der vorausgesetzten noch unerkannten Welt aus, sondern von dem Sichersten, was es gibt. Mag es immerhin nichts absolut Sicheres geben - es ist unfruchtbar darüber zu streiten - so gibt es doch jedenfalls ein Sicherstes, und das ist jeder sich selbst."


III. Subjekt, Richtung und Ursache
der Denkbewegung

Wenn wir, wie im Folgenden immer der Fall sein wird, abgsehen von dem, was angeblich hinter der Erscheinung steckt und diese bewirkt, also vom denkenden Subjekt, dessen Gedanken als Objekt seiner Tätigkeit zu bezeichnen sind, so sind die Bewegten als Subjekte aufzufassen. Es ist uns gleich, ob sie sich bewegen oder ob irgendeine andere Macht sich an bestimmte Gesetze bindend sie bewegt; wir ignorieren diese und betrachten das Bewegte als Subjekt. Dieses Subjekt der Bewegung, ist zunächst zu bestimmen. Wir bezeichnen das im Denken Bewegte vorderhand als Element des Gedankens. Fragen wir weiter nach der Richtung dieser Bewegung, so müssen wir zunächst bekennen, daß wir außerstande sind, einen Ort, woher und wohin das Element des Gedankens sich bewegte, anzugeben. Denken ist eine geistige Tätigkeit und die Auffassung derselben als Bewegung enthält eine Übertragung. Wir müssen uns hierbei mit der Tatsache trösten, daß es absolut nichts Geistiges gibt, das die Sprache nicht durch ein der Sphäre des Sinnlichen entlehntes Bild bezeichnete. Da es nun in unserem Denken keinen Raum und keine einzelnen Örter gibt, da es nichts darin gibt, als die Gedanken, bzw. deren Elemente, so kann der räumlichen Ortsbestimmung nichts anderes entsprechen, als eine Bestimmung durch die Gedankenelemente. Die Richtung der Bewegung ist also die des einen Gedankenelements zum andern, Vereinigung bzw. Trennung.

Endlich haben wir nach der Ursache einer jeden solchen Bewegung eines Gedankenelementes zum andern zu fragen. Wenn nun aber in der Tat das Denken nichts anderes ist, als diese Bewegung, wo bleiben die viel genannten oft erforschten und gelehrten Gesetze des Denkens?

Was heißt Gesetz? Wir sehen um des Gesetzes willen bestimmte Handlungen getan oder unterlassen. In allen diesen Fällen ist das Gesetz der fremde Wille, welcher zur Ursache meiner Handlungsweise wird, freilich nicht ohne die Mitwirkung einer Bedingung, d. h. der Vorstellung von meiner Pflicht zu gehorchen und dem Recht des andern zu befehlen oder doch von den nachteiligen Folgen der Übertretung des Gesetzes. Ist die Ursache meiner Handlungsweise zunächst meine eigene Einsicht in die Zweckmäßigkeit derselben, so habe ich nicht dem Gesetz gehorcht. Sagt jemand, er habe sich etwas zum Gesetz gemacht, so liegt schon eine Übertragung vor. Der bezügliche Vorsatz erhält nur deshalb den Namen des Gesetzes, weil ihm widerstrebenden Neigungen gegenüber die Stellung eines Gesetzes eingeräumt wird, das trotz dieser unter allen Umständen respektiert wird.

Man spricht aber auch von Naturgesetzen.
    "Unter dem Wort Naturgesetze" sagt  Carl Sebastian Cornelius  (Über die Bedeutung des Kausalprinzips in der Naturwissenschaft, Seite 1), "läßt sich im Allgemeinen die konstante Art und Weise verstehen, in welcher irgendein natürliches Ereignis stattfindet oder sich vollzieht. Insgeheim spricht sich das Gesetzliche einer Naturerscheinung in der konstanten Relation zwischen verschiedenen Gliedern aus, die man in Betreff der Erscheinungen voneinander unterscheiden kann. So besteht z. B. zwischen dem Bestreben der atmosphärischen Luft, sich im Raum zu verbreiten und ihrer Dichte eine konstante Relation der Art, daß die Größe jenes Strebens, d. h. die Expansiv- oder Spannkraft der Luft unter sonst gleichen Umständen nämlich bei gleicher Temperatur sich nahezu direkt zur Dichte oder umgekehrt zum Volumen einer gegebenen Luftmenge verhält."
Aber was heißt "die Art und Weise?" Da die Bewegung ansich unterschiedslos ist, so besteht jene nur in den Dingen, die bewegt werden, in der Richtung, den Umständen des Ortes und der Zeit und dgl. Diese durch Beobachtung festgestellte Art und Weise nennen wir mit einem klareren Ausdruck die Bedingungen, und diese alle zusammengenommen die Ursache eines Ereignisses. So gibt uns das von CORNELIUS zitierte MARIOTTsche Gesetz die Bedingungen der Größe der Expansivkraft der Luft.

Wir haben also außer den Elementen und ihrer Bewegung noch die Gesetze letzerer d. h. die Bedingungen unter denen sie erfolgen kann, d. h. die Ursachen derselben zu erforschen. Die Erfahrung lehrt, daß es der Ursachen zu Vereinigungen von Gedankenelementen mehrere und zwar ganz verschiedene gibt. Häufig finden wir solche Elemente vereinigt, d. h. Urteile ausgesprochen und festgehalten, deren Ursachen der Aussprechende sich selbst nicht bewußt ist. Autorität ist alsdann zuweilen die Ursache; blinder Nachahmungstrieb, gedankenloser Gehorsam läßt das Gehörte nachsprechen. Hiervon ist wohl die bewußte Anerkennung einer Autorität zu unterscheiden, wobei die gute Meinung von der besseren Einsicht des Anderen die Ursache der Denkbewegung ist. Häufig sind es rein physische Vorgänge und Zustände aller Art, welche ohne irgendwie ins Bewußtsein zu treten, Vorstellungen hervorrufen und miteinander vereinigen. In unzähligen Fällen bewirkt die Neigung, Willens- und Gemütsrichtung die Bewegung der Gedankenelemente. Aber auch hier ist die Ursache dem Urteilenden selbst verborgen. Immer - vom Schaffen der dichterischen Phantasie sehen wir natürlich ab - immer gibt der Urteilende selbst eine andere Ursache seiner Denkverbindung an, indem er anerkennt, daß diese Einwirkungen als unberechtigte fernzuhalten sind. Welche Ursache nun kann es außer den genannten noch geben? Offenbar kann sie nur in den Gedankenelementen selbst liegen. Es muß - wie wir uns dessen ja auch oft genug bewußt werden - in jedem einzelnen Gedankenelement etwas sein, was die Bewegung bewirkt, also ein fruchtbares Bewegung erzeugendes Element. Wie wir dazu kommen nur diese Verursachung der Denkverbindungen als berechtigt anzuerkennen, ist vorderhand gleichgültig. Erst das Ergebnis dieser Untersuchungen kann volles Licht darüber verbreiten. In Folgendem werden nur die Ursachen der Denkbewegungen, welche im Bewegten selbst liegen, in Betracht gezogen werden. Der Wille erscheint alsdann nur insofern mitwirkend, als er uns einmal die Denktätigkeit überhaupt beginnen läßt, sozusagen den Erkenntnisapparat in Tätigkeit setzt, andererseits aber alle störenden Einflüsse, alle Willkür, alle Einwirkung der Phantasie und der Neigung fernzuhalten und unsere Aufmerksamkeit bei einem Gegenstand festzuhalten hat. Auch in Absicht auf die einzuschlagende Methode der Betrachtung hat der Wille mitzuwirken, insofern wir in bestimmter Absicht unseren Blick hierin und dorthin lenken und alte Erkenntnisse zu einer erneuten Betrachtung noch einmal durchdenken. Im Übrigen vollzieht sich, wie die Erfahrung unwiderleglich lehrt, die eigentliche Vereinigung der Gedankenelemente ganz von selbst. Doch lehrt dieselbe Erfahrung aber ebenso unwiderleglich, daß selbst unter der Gleichheit gewisser Bedingungen nicht bei allen dieselbe Gedankenbewegung produziert wird, und, was noch auffallender ist: daß, obwohl die Ursache nie ihrer Wirkung ermangeln kann, die Erkenntnisse, die wir erwarten dürften, bei manchen oft gar nicht eintreten, oft in langen Zwischenräumen nacheinander erfolgen. Wenn aber die die Bewegung erzeugenden Momente immer in dem liegen, was in unserem Denken schon vorhanden ist, und wenn die Ursache von Ewigkeit zu Ewigkeit ihre Wirkung vollbringt, so müßte die Reihe menschenmöglicher Erkenntnisse in einer Denktätigkeit von kürzester Zeitdauer durchlaufen sein, wenn nicht ein anderes sogleich zu erörterndes Verhältnis einwirken würde. Einmal bringt die menschliche Natur nach ernsthafter Arbeit Ermüdung mit sich, so daß entweder ein gänzliches Nachlassen oder eine Abwechslung der Tätigkeit eintritt, zum andern ist die Bedingung der Denkbewegung ja nicht der objektive Inhalt eines Begriffs, sondern das Vorhandensein der betreffenden Vorstellung im Kopf jedes Einzelnen und zwar gerade das lebendige ins Bewußtseintreten derselben. Es ist ja bekannt genug, daß wir unzähligemale einen Namen nannten, ein Ding dachten und doch immer nur die eine oder andere Eigenschaft desselben dabei im Sinn hatten, andere aber, vielleicht nicht weniger wichtige entweder noch gar nicht wußten oder aber doch im Augenblick gerade nicht ansahen. Auf dieses letztere aber kommt es vor allem an. Das Bewegung schaffende Element gelangt nur dann zu seiner Wirksamkeit, wenn es tatsächlich im Kopf eines Menschen mit der nötigen Lebendigkeit vorhanden ist. Von welchen physischen und psychischen Bedingungen es abhängt, daß unser Blick sich einmal hierhin und ein anderesmal dorthin wendet und das eine bemerkt und anderes übersieht, hat eine andere Wissenschaft zu erörtern. Gewiß ist, daß das Anstrengende der Denktätigkeit eben darin besteht, den Blick auf einen Gegenstand zu fesseln, nicht etwa in einer besonderen Schwierigkeit, welche mit dem Vollzug der Denkbewegung des Urteils verbunden wäre.

Wir sehen also deutlich, daß das Bewegende eine Beschaffenheit oder ein Element in den vorhandenen Gedankenelementen ist, daß aber die Bewegung selbst hier, wie in der ganzen Natur immer wieder von einer Bewegung abhängt, dem Zutreten nämlich jenes Elements. Gedanken werden nur von Gedanken erzeugt. Die fruchtbare Vorstellung selbst muß erst durch den gleichen oder ähnlichen Vorgang der Denkbewegung erzeugt werden. Wenn wir, wie eben geschehen, rein physische Einflüsse, Willkür, die Wirkungen einer vorherrschenden Willens- und Gemütsrichtung von unserer Betrachtung ausschließen, so hängt jede Erkenntnis, jeder neue Gedanke absolut von dem ab, was vorher erkannt und gedacht worden ist. Jede Störung des Gedankenwerkes durch die eben genannten Faktoren zeigt ihre Spuren in allen folgenden Erkenntnissen, wenn nicht eben eine nachträgliche Korrektur jenen ersten Einfluß hinwegräumt. Unklarheit und Mangelhaftigkeit vorhandener Vorstellungen wird immer bei den neuproduzierten die gleiche Beschaffenheit bewirken. Das genannte Verhältnis erkennt man gewöhnlich nur innerhalb der Sphäre bestimmter Einzelwissenschaften an; es läßst sich aber auch im ganzen Denken eines Menschen, wie es sich täglich äußert, erkennen.

So erbaut sich in jedem einzelnen Denkenden von seiner Geburt an bis zu seinem Ende allmählich ein System von einander abhängiger Gedanken und Erkenntnisse, welche alle bis zur letzten getreulich den Charakter ihrer ersten Grundlagen bewahren. Die fremden Einflüsse sind natürlich unberechenbar; von einem System rede ich nur im Hinblick auf die natürliche Gesetzmäßigkeit und Abhängigkeit, welche, sowweit jene nicht störend eingreifen, herrscht, und die auch den fremden Eingriff sofort zu einem natürlich weiter fortwirkenden Faktor macht, sofern ihr nicht abermals von außen Gewalt geschieht.

Ist also die Denkbewegung von der Beschaffenheit der einzelnen Gedankenelemente abhängig und müssen diese jedesmal durch eine gleiche oder ähnliche Bewegung vorher geschaffen worden sein, so muß sich eine natürliche Abfolge der möglichen Verbindungen erkennen lassen, und es müssen erste Elemente gefunden werden können, aus deren Vereinigung sich allmählich alle anderen Gedankenelemente und Bewegungen ergeben. In der Darstellung dieses Vorgangs sind die Lehren vom Begriff, Urteil und Schluß auf das Engste ineinander verwoben. Vom ersten Element an muß sich sofort die Bewegung erkennen lassen, deren jedes fähig ist und die Ursache derselben, d. h. die Urteile und Schlüsse, welche darauf beruhen. Die Darstellung dieser Abfolge wird aber vor allem all das zu ignorieren haben, was von den individuellen Umständen in denen jeder einzelne sich befindet, abhängt. Es ist bekannt, daß unsere Begriffe nicht ohne die Einwirkung der Sinneseindrücke gebildet werden. Mithin ist je nach den Umständen des Ortes und der Zeit eine unendliche Verschiedenheit nicht nur in der Reihenfolge der empfangenen Eindrücke, sondern auch in der Art und Zahl derselben vorhanden. Geburt und Erziehung im Königspalast oder in der Hütte eines Bettlers oder in einem Bürgerhaus, in den Polargegenden oder am Äquator oder den fruchtbaren Ebenen der gemäßigten Zone, im Binnenland oder an der Küste bedingen wesentliche Unterschiede. Doch sind dies, da sie eben von zufälligen Umständen bedingt sind, für unseren Standpunkt unwesentlich. Wir sehen von den Zufälligkeiten, welche bald diese, bald jene Sinneseindrücke dem Kind zuerst vorherrschend zuführen ab und sehen nur, ob und welche Unterschiede und regelmäßige Abfolge in den menschlichen Gedankenelementen sonst noch beobachtet werden kann.

Ein eigentümliches Verhältnis, von dem gleichfalls in der folgenden Darstellung abzusehen ist, ist dadurch bedngt, daß der Mensch nicht mit ausgebildetem Hirn und Sinnes- und Bewegungswerkzeugen seine Denktätigkeit beginnt. Die für den Standpunkt eines ausgebildeten Denkes natürliche Abfolge und Abhängigkeit der zu erzeugenden und weiter zeugenden Gedankenelemente wird wesentlich alteriert [verändert - wp] durch die nur andeutungsartige Beschaffenheit und die Willkürlichkeiten und Mißverständnisse des kindlichen Denkens, dessen Produkte erst nachträglich und allmählich korrigiert werden. Eine noch größere Alteration der natürlichen Abfolge verursacht der Umstand, daß wir anhand der Sprache erzogen werden. Schon durch die erste Umgebung lernen wir Worte und allmählich, wenn auch unvollkommen, den Sinn derselben, zu deren Erzeugung aus eigener Kraft Generationen nötig waren. Wir empfangen so die fertigen Ergebnisse einer Denkarbeit, die wir nicht selbst vollzogen haben, ja, von der wir oft gar keine Ahnung haben. Hierauf, insofern ja der richtige, klarere Begriff dem Kind nicht schwerer beizubringen ist, als der verworrene unrichtige, beruth die Möglichkeit eines allgemeinen Fortschritts der Menschheit oder doch einzelner Völker.

Endlich ist es für uns gleichgültig, ob wir uns gewisser Produktionen und Gedanken bewußt geworden sind oder nicht. Es genügt der Nachweis, daß Gedankenelemente als Bestandteile in anderen enthalten sind, daß sie also einmal vereinigt worden sein müssen.

So sehen wir also ab von den Besonderheiten der sinnlichen Eindrücke und rechnen nur mit der Tatsache im Allgemeinen, daß solche stattfinden, sehen ab von Eigentümlichkeit indidivueller Entwicklung, wie sie durch die Erziehung bedingt ist und von dem Umstand, daß wir eine Zeit der Entwicklung durchzumachen haben, in der schon mit noch ungebildeten Organen die Tätigkeit des Denkens beginnt. Die besonderen Wege, die jeder Einzelne in seinem Denken geht, können wir nicht erwägen. Man frage nicht, wie es uns wohl gelingen kann, so statt eines Menschen den Menschen  kat exochen  [schlechthin - wp] zu betrachten. Gerade dies ist das Leichtere. Schwerer wäre die Aufgabe alle die genannten Umstände in Anschlag zu bringen und ihre Wirkungen zu berechnen. Wir haben einen sicheren Führer. Rückschreitend vom Zusammengesetzten zu seinen Bestandteilen, vom Bedingten zum Bedingenden ergibt sich eine Reihe unabweisbar notwendiger Vereinigungen von Gedankenelementen.

Auf diesem Weg der Beobachtung müssen sich nach einem einfachen Induktionsschluß auch die bewegenden Momente darbieten und so gelangen wir zu ersten Anfängen und überschauen von diesen aus die bewegenden Kräfte und alle Gebilde, welche allmählich auseinander entstehen und ein natürliches System menschlicher Gedanken, ja überhaupt des Denkbaren darstellen.

An welchen Gedanken aber, höre ich entgegnen, soll jener Induktionsschluß vorgenommen werden? Wohl nur an denen, welche der Verfasser für wahr hält - eine offenbare Einseitigkeit, welche das Induktionsverfahren von vornherein nichtig macht. Woher habe ich das Recht, gewisse Gedanken als irrtümliche von der Betrachtung auszuschließen? Habe ich doch noch kein Kriterium, das Wahrheit und Irrtum zu unterscheiden lehren könnte angegeben. Und wenn ich nun behaupte, daß die eigentliche Bewegung im Denken, sobald jene bewegenden Elemente ins Bewußtsein treten mit Naturnotwendigkeit geschieht und in dieser Bewegung ein Fehler unmöglich ist, daß sie dem Menschen so natürlich ist, wie dem Fisch das Schwimmen, so wird man mir die Möglichkeit des Irrens entgegenhalten. Ich habe also nachzuweisen, daß der Irrtum nie durch einen ansich, wie man sagt, formal unrichtigen Schluß geschieht, sondern immer nur materialer Natur ist. Jener Einwand ist also unberechtigt, wenn wir uns davon überzeugen, daß aller Irrtum, auch der krasseste an Blödsinn streifenden nicht, wie man sagt, formaler sondern materialer Natur ist, nie und nimmer eine Ignorierung der sogenannten Denk-, bzw. Schlußgesetze, sondern sachliches Nichtwissen, nie eine falsche Denkbewegung, sondern stets ein nach dem Zustand der Begriffe in des Irrenden Kopf ganz richtiger Schluß ist, dem nur unvollkommenes Material zugrunde liegt. Nach welchem Gesetz der Irrende geschlossen hat, daß er das richtige Denkgesetz vor Augen gehabt und nur seine Begriffe unklar und unvollständig, oft ganz falsch waren, zeigt immer eine genauere Unterredung, welche ihn dazu zwingt, seine Vorstellungen und Schlüsse ausführlicher darzulegen.

Nur wer den Boden des natürlichen Denkens verlassen hat, und die gefährliche Kunst, nach den Regeln mit den Terminis der formalen Logik zu beweisen gelernt hat, ohne in das Wesen des Beweises und des Denkvorgangs überhaupt einzudringen, wird Beweise versuchen, die man als formal falsche Schlüsse bezeichnen könnte, aber eben nur deshalb, weil ein solcher tatsächlich den Blick vom Inhalt der Begriffe, mit denen er operiert, abgewendet hat, und die mit dem Gedächtnis erlernten Regeln äußerlich anzuwenden sucht.

Die Anschauungen der in Kreisform vorzustellenden Umfangsverhältnisse können sich leicht verwirren. Hier ist ein wirklicher Irrtum eben so leicht möglich, wie ein trügliches Spiel, das, wenn nicht in der Absicht zu täuschen, so doch in einem Mangel ernster Wahrheitsliebe seine Grundlage hat. Aber wenn wir auch in einem solchen Fall den Blick nur auf den Inhalt lenken, und den begangenen Fehler an diesem nachweisen, so dürfte die Behauptung, daß nicht die Vorstellungen von den Begriffen, sondern die Schlußoperation an und für sich eine irrige war, unbeweisbar sein. Wer hat je eine Quaternio vorgenommen - es sei denn im Scherz oder in trügerischer Absicht, - ohne wirklich zu glauben, daß der vierte Begriff mit einer der drei dasselbe wäre; wer jemals eine  petitio principii [es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen ist - wp], ohne zu glauben, daß sein  principium  sich in der Tat wesentlich vom  demonstrandum  unterscheidet? Häufig glaube ich wohl, daß so eine feste Überzeugung nicht vorhanden ist, dann aber hat der Irrende eben gar nicht über den Inhalt der angewendeten Begriffe nachgedacht, sondern nachgesprochen, was er gehört hat, oder, wie man sagt, in den Tag hineingeschwatzt, ohne zu denken. Liegt aber dann nicht ebenfalls die Schuld an den angewendeten Vorstellungen, sei es nun, daß der Urteilende eine ernste positive Überzeugung hatte, oder daß er aus Leichtfertigkeit versäumt hat, sich das, was er sagen wollte, klar zu machen? Meine Behauptung wird freilich erst durch die ausführliche Darstellung des Schlußvorgangs volles Licht erhalten, allein das leuchtet auch ohne weiteren Beweis ein, daß der Unterschied des formalen und materialen Irrtum im gegebenen Fall nicht festzuhalten ist. Es ist eine Tatsache, auf die einfach verwiesen zu werden braucht, daß in keinem Handbuch der formalen Logik ein ausreichendes und ansich klares Unterscheidungszeichen gegeben ist. Daß gegen die wohl formulierten Regeln gefehlt ist, kann nicht als Kriterium angegeben werden, denn die Anwendbarkeit der Regeln ergibt sich ja nur aus dem Inhalt. Die Regeln aber sind, wenn wir sie ihres Schmuckes technischer Bezeichnungen entkleiden, so einfach, daß es eine bare Unmöglichkeit ist, sie nicht zu wissen, oder wenn der Inhalt unserer Vorstellungen klar ist, dagegen zu fehlen. Der Nerv jedes Beweises wird in der Subsumtion gesucht. Ist die Berechtigung dieser Schlüsse durch Subsumtion denn unmittelbar klar? Kann sie nicht, muß sie nicht nachgewiesen werden? Was läßt mich den alten  Cajus  für sterblich halten, weil er ein Mensch ist, und alle Menschen sterblich sind? Man sucht den Begriff des Unterordnungsverhältnisses zu vertiefen und hat mit großem Recht hervorgehoben, daß es nicht nur in einem Mehr eines sogenannten Merkmals besteht. Dies ist namentlich bei den Gattungs- und Artbegriffen der organischen Wesen von tiefgreifendster Bedeutung. Aber in der Anwendung dieses Verhältnisses beim Syllogismus ignoriert man jene Entdeckung wieder und zwar mit Recht. Denn man sieht ein oder fühlt, daß sie für diesen Fall ganz gleichgültig ist und daß das Unterordnungsverhältnis, soweit es hier zur Verwendung kommt nichts anderes enthält, oder doch durch nichts anderes wichtig ist, als das rein numerische Verhältnis der Merkmale. Wodurch der subsumierte Begriff sich von dem, worunter er gestellt worden ist unterscheidet, in welchem Verhältnis dieses neue Merkmal zu den gattungsmäßigen steht, ist offenbar ganz gleichgültig. Worauf kommt es also an? Wir sehen es deutlich an den Schlüssen, welche auf unmittelbarer und vollkommener Gleichsetzung beruhen. Immer nur darauf, daß  a = a  ist, daß der durch ein Merkmal gekennzeichnet oder ausgezeichnete Begriff immer er selbst, immer derselbe ist, mögen wir ihn hier oder dort wiederfinden, mögen wir ihn für sich allein nennen oder als Bestandteil in einem anderen finden, also auf eine Erkenntnis der Identität.

Ganz ebenso verhält es sich mit den Induktionsschlüssen, bei denen noch viel mehr und krassere Fehler gemacht werden als beim Syllogismus. Die stets als Beweis erhobene Frage "Was sollte es denn anders sein" läßt deutlich erkennen, daß der Irrende immer das Gefühl davon gehabt hat, worauf es ankam, daß von den einzig möglichen denkbaren Ursachen diejenige wirklich als Ursache anzusehen ist, welche sich nicht als Nichtursache gezeigt hat. Der Fehler ist alsdann immer der, daß der Irrende keine Ahnung hatte von den Möglichkeiten die außer den berechneten noch vorhanden waren. Es ist der einfache Schluß, den der Ungebildetste und Dümmste zu machen vermag, daß der gefundene Gegenstand der gesuchte sein muß, wenn dieser überhaupt in dem bezeichneten Raum irgendwie vorhanden sein muß und kein gleicher oder ähnlicher in diesem zu finden ist. Das Merkmal ist ein negatives, der Schluß ist aber wiederum nichts als eine Erkenntnis des  idem  [selben - wp]. Wem können wir einen Fehler in der Anwendung dieses Gesetzes zutrauen? Es ist nicht meine Behauptung, sondern eine allgemeine Neigung selbst in den tollsten Phantasien Geisteskranker die wirren Gedanken zu deuten, indem man zu erkennen versucht, welch fremde Vorstellungen sich mit den und den Worten verbunden haben. Wie groß ist aber dann die Inkonsequenz in den falschen Schlüssen Geistesgesunder nicht immer und überall einen sachlichen Irrtum in einer der angewendeten Vorstellungen, sondern einen formalen Schlußfehler zu suchen! Woher die Falschheit der Vorstellung kommt, läßt sich begreifen, woher aber der formale Fehler im Schließen kommen soll, ist unerklärbar. Weil wir den in einem Fall anzuwendenden Schluß schon hundert und tausendmal richtig vollzogen haben, also zweifellos das anzuwendende Prinzip an und für sich kennen, kann im Falle des Irrtums die Ursache nur im Inhalt unserer Vorstellungen liegen; dieser Schluß, denke ich, ist einfach und klar. Daß das Prinzipe, das allen unseren Schlüssen zugrunde liegt, selbst in den angeblich schwierigsten in den Handbüchern der Logik aufgestellten Kombinationen, sobald die Sache, d. h. die Vorstellungen, mit denen zu operieren ist, völlig klar sind, von Kindern selbst und von den Ungebildetsten mit Schnelligkeit und Sicherheit angewendet wird, das ist doch wohl Beweis genug. Es kann keinen stärkeren Beweis geben, als daß jeder auch ohne eine Ahnung von der theoretischen Fassung des Schlusses zu haben und ohne imstand zu sein, den Nerv des Beweises wohl zu formulieren, doch, sobald seine Vorstellungen von der Sache klar sind, richtig schließt. Jeder Schulmann macht tausendfach die Erfahrung, daß der Knabe, der soeben den blödsinnigsten Schluß ausgesprochen hat, zur richtigen Erkenntnis geführt wird, wenn es glückt ganz denselben Schluß an einfachen, dem Knaben völlig handlichen und gewohnten Vorstellungen, darzustellen. Er zieht die Folgerung dann zweifellos richtig! Oft fehlt er auch dann abermals, wenn nun die Anwendung an einem schwierigen Material gemacht werden osll, aber doch klärlich nur deshalb, weil ihm dieses an und für sich noch nicht klar ist, weil er sich bei den vom Lehrer gebrauchten, vielleicht von ihm gewissenhaft auswendig gelernten Worten entweder gar nichts oder etwas Falsches vorstellt, die darin geforderte Abstraktion noch nicht zu machen weiß oder doch, namentlich in der Verbindung mit mehreren abstrakten Vorstellungen nicht festzuhalten vermag, sondern stets das eine wieder verliert, indem er das andere zu denken versucht.

Gerade das Bekanntest und Naheliegendste wird oft übersehen und nicht beherzigt. Daß diese Prinzipien, die allen Schlüssen zugrundeliegen, das einzige sind, was nicht in der allgemeinen Fassung der Regel, sondern zuerst nur durch einen Appell an das Bewußtsein, durch einen Hinweis auf das, was jeder im einzelnen Fall naturgemäß von selbst tut, zum Verständnis des Knaben, bzw. heranwachsenden Jünglings gebracht werden können, beweist unwiderleglich, daß sie selbst zur Natur der Seele gehörend nicht erlernt werden, daß gegen sie nicht gefehlt wird, sondern daß immer die Unklarheit der Begriffe die Quelle des Irrtums ist.

Deshalb - man verzeihe dem Schulmann diese Abschweifung - deshalb ist es sehr töricht zu glauben, daß der Nutzen der Mathematik hauptsächlich in der Exemplifikation der Schlußgesetze liegt. Dieser Nutzen wäre verhältnismäßig sehr gering. Das Wesen der zu erzielenden Bildung ist die Klarheit der Begriffe, bzw. der Besitz der Mittel und der richtigen Methode, vor allem das lebendige Gefühl des Bedürfnisses, die überlieferten Begriffe zu verstehen und sie immer mehr zu klären und zu vertiefen. Die Lehre von den Schlußfiguren ist nicht ohne Nutzen; ist sie aber einmal vorgetragen und verstanden, so ist es eine Verschwendung der kostbaren Zeit, diese letztere statt zum Eindringen in die Begriffe und die gelesenen Gedanken zum Abklappern von Syllogismen zu benützen. Doch nun wieder zur Sache. Man sieht also wohl, daß es am besten wäre die Unterscheidung materialen und formalen Irrtums fallen zu lassen. Man meint damit allerdings nicht ganz dasselbe, aber der Unterschied, der wirklich besteht, hat nichts mit Materie und Form zu tun. Er liegt einzig darin, daß im ersteren Fall der Obersatz falsch ist, also der Schließende eine falsche Vorstellung von Subjekt oder Prädikat des Obersatzes hat, im letzteren, daß er in der Auffassung der im Unter- und Schlußsatz anzuwendenden Begriffe irrt, meist von der Sprache getäusch, entweder Verschiedenes für identisch oder Gleiches für verschieden ansieht.

Der Irrtum also dürfte meinem Versuch durch Induktion die Elemente der Gedanken, welche die Gedankenbewegung bewirken, zu suchen, nicht entgegenstehen.

Woher nun aber dieser Irrtum? Seine Quellen sind keine falschen Schlüsse im Sinn der formalen Logik; sie liegen dort, wo das Material zu jedem Schluß bereitet wird. Es ist keine Antizipation [Vorwegnahme - wp] des erst später zu Erweisenden, sondern darf als allbekannt vorausgesetzt werden, daß die Bedingungen zu unseren Vorstellungen erstens die Sinneseindrücke, bzw. Wahrnehmungen sind und zweitens die Fähigkeit diese im Geist festzuhalten. Daß die meisten der Vorstellungen, welche gegenwärtig Eigentum der gebildeten Welt sind, schon auf Schlüssen beruhen, ist mir bekannt. Doch sind sie mit Rücksicht auf das Vermögen Wahrgenommenes treu und so scharft und bestimmt festzuhalten, daß man es unzweifelhaft richtig, auch in verändertster Umgebung wiedererkennt und auch vom Ähnlichsten zu unterscheiden weiß, den einfachen Wahrnehmungen gleichzustellen. Wer den sie uns doch meist schon in der Kindheit einfach, wie etwas Fertiges überliefert, so daß wir nicht die Schlüsse zu machen haben, aus denen sie einst entstanden sind, sondern nur das Was ihres Inhaltes, als einfach Gezeigtes und von uns Wahrgenommenes aufzufassen und festzuhalten haben. In unzähligen Fällen erkennen wir freilich mittelbar, daß Identität da sein muß oder nicht vorhanden sein kann aus gewissen Merkmalen und ebenso die Beschaffenheit oder auch das Vorhandensein von einzelnen Merkmalen wiederum oft durch mehrfache Vermittlung, immer aber ist in letzter Instand ein unmittelbares unbeweisbares Erkennen von Identität oder Verschiedenheit gewisser Elemente die Grundlage des ganzen Beweises. Die Abstraktion ist ihrem Wesen nach nichts anderes, als die Erkenntnis von Identität und Verschiedenheit der Elemente von Vorstellungen, aber eben die größere Feinheit des Materials, der zu fassenden Vorstellungen macht die Schwierigkeit. Was wir guten oder schlechten, viel oder wenig Verstand nennen, ist fast nur der Unterschied in dieser Fähigkeit. Bei völliger Klarheit des Materials wäre es eine Unbegreiflichkeit einen vorgezeigten Schluß nicht zu begreifen. Das, was beim Erlernen bzw. Verstehen einer für uns neuen Wissenschaft so viel Zeit kostet, sind nur die bisher ungewöhnten Abstraktionen. Erkennen wir das Vorgesagte an, und begreifen auch, wie die Unklarheit einer Vorstellung sich durch alle folgenden, die mit ihr irgendwie in Berührung stehen, hinzieht, so reicht dies vollständig aus umd die "Dummheit" mancher Menschen, denen absolut nichts zu beweisen ist, zu begreifen. Wenn vom Jünglingsalter, ja von Kindheit an alle oder faßt alle Vorstellungen nur unbestimmt und unvollständig aufgefaßt worden sind, so sind die späterhin nachgesprochenen Worte, welche einer Spezialwissenschaft angehören oder die komplizierten Verhältnisse des Lebens betreffen im Mund eines solchen Mannes völlig sinn- und bedeutungslos. In seinem Kopf wogt alles wüst durcheinander. Wenn in der Tat die vorhandenen Vorstellungen immer die Organe sind, welche weitere Denkprodukte erzeugen, so muß ein solches Denken der Tätigkeit einer Maschine gleichen, deren Kämme und Walzen, Räder und Bügel halb zerbrochen und verrostet, hier zu kurz, dort zu lang, hier zu dick, dort zu dünn sind, oder dem Leben eines Leibes, dessen Organe teils an den nötigsten Stoffen Mangel leiden, teils mit fremdartigen belastet sind. Wie hier der leibliche Tod und die Zersetzung des Ganzen eine unausbleibliche Folge ist, so dort die bare Unmöglichkeit einer vernünftigen Erkenntnis und damit auch die Interesselosigkeit, ja sogar der Widerwille dagegen, die absolute Abhängigkeit des Denkens, bzw. Sprechens von der herrschenden Neigung, die absolute Schutzlosigkeit gegen jeden Eingriff von außen, sofern dieser nur schlau genug mit Berücksichtigung der vorhandenen Neigungen geführt worden ist, hier Fanatismus, dort absolute Stumpfheit gegen jedes geistige Interesse.

Die Erneuerung der Frage "Woher" kann dieser Anschauung keine Schwierigkeit bereiten. Zu allererst sei die zwar bekannte aber nicht hinlänglich gewürdigte Tatsache erwähnt, die SCHOPENHAUER wiederholt hervorgehoben hat, daß des Menschen Intellekt erst auf den höchsten Stufen natürlicher Anlage und Ausbildung völlig frei wird vom Willen. Wir können unzähligemal beobachten, daß selbst Menschen, die zu den Gebildeten gerechnet werden, zufällig immer nur das gehört und gesehen haben, was ihren bisherigen Neigungen, was dem Satz, den sie erweisen wollen, entspricht. Es geschieht dies in der eklatantesten Weise selbst bei solchen, denen wir eine Lüge durchaus nicht zutrauen. Die Voreingenommenheit lenkt den Blick und läßt tatsächlich oft das Wichtigste, in die Augen Fallendste völlig übersehen, oder doch gar bald wieder vergessen. Noch mehr ist es der Mangel an Interesse an der Wahrheit, der sowohl die genaue Beobachtung des täglich Wahrnehmbaren, als das gehörige Festhalten des Wahrgenommenen zu gelegentlicher Verwendung verhindert. Millionen läßt die hohe Meinung, die sie seit Jünglingsjahren von sich haben, nicht mehr dazu kommen, diejenige Genauigkeit im leiblichen und geistigen Hinsehen und Erfassen bzw. Festhalten des Gefundenen bei einer Untersuchung anzuwenden, welche auf einem lebhaften Bewußtsein der eigenen Fehlbarkeit und der Sehnsucht nach wahrer Erkenntnis beruth. Mit welcher Virtuosität werden die Tatsachen übersehen bzw. durch Redensarten beseitigt oder schnell vergessen, welche die voreilig gefaßte Meinung des Irrtums überführen könnten! Wenn aber die Leibesbeschaffenheit, sowie der Einfluß des Beispiels und der Erziehung durch Eltern und Lehrer und schließlich die äußeren Schicksale alle zusammen eine bestimmte Richtung des Gemüts und des Willens schon im Jüngling ausprägen und eine bestimmte Art die Dinge anzuschauen und aufzufassen, und wenn gar mit den Jahren die Elastizität des Geistes im Gewinnen neuer Vorstellungen schwindet und die alten gewissermaßen zu einem System vereinigten immer fester werden und das ganze Leben der Seele beherrschen, dann ist die ganze Fruchtlosigkeit des Kampfes der Meinungen, die so häufig bemerkt und beklagt worden ist, wohl erklärlich und wahrlich nicht der Annahme bedürftig, daß die von verschiedenen Seiten geltend gemachten Schlüsse eine besondere Schwierigkeit in sich hätten. Aber noch ein anderer Umstand läßt uns das Nichterkennen von Identität und deren Gegenteil, die Unklarheit und Unvollständigkeit der Begriffe, worin allein wir die Quelle allen Irrtums sahen, begreiflich erscheinen.

Auch wenn wir nicht das Gehirn allein als Träger der Denktätigkeit ansehen, so müssen wir uns doch das Denkende in uns wie ein geistiges Organ analog den körperlichen Organen vorstellen, so müssen wir in allen Fällen doch zumindest das Gehirn als mitbedingenden Faktor ansehen un in allen Fällen ist eine natürliche von Haus aus vorhandene Verschiedenheit in der Lebendigkeit, Sicherheit und Energie, mit welcher das Organ seine Funktion verrichtet, vorhanden. In allen Fällen ist eine Vervollkommnung durch Übung möglich und in allen Fällen eine Depravation [Verschlechterung - wp] sowohl durch einen Mangel an Ausbildung, wie auch durch andere äußere Umstände, in allen eine schlechte Angewohnheit, welche allmählich den richtigen Gebrauch beinahe unmöglich macht, und in allen schließlich ist eine allgemeine Trägheit und Nachlässigkeit die Ursache mangelhafter Anwendung des ansich gesunden Organes. Dieselbe Erscheinung zeigt sich ja beim Gebrauch aller anderen Glieder. Aber nicht nur die unleugbare Analogie des geistigen Vorstellens mit dem unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmen bietet eine Erklärung der falschen Vorstellungen. Viel wichtiger noch ist, daß ja unsere Vorstellungen tausend und aber tausendfach nicht nur von einem geistigen Erfassen des Gehörten und Gelesenen, sondern vom eigenen Sehen und Hören teils ganz allein, teils teilweise abhängen. Ich erinnere nur an die unglaubliche Ungeschicklichkeit, welche manche Menschen im schnellen Überschauen eines gegebenen Raumes an den Tag legen, obwohl ihre Augen völlig gesund sind, wie der eine keinen der vorhandenen Gegenstände unbemerkt läßt, einem andern von gleicher körperlicher Gesundheit und im Allgemeinen gleichen Bildungsgrad, selbst das Wichtigste entgeht. Genügt das Angeführte um uns zu überzeugen, daß die Quelle allen Irrens im Inhalt unserer Vorstellungen liegt und nicht in der Form des Schließens, daß wir selbst bei der größten Interesselosigkeit an der Wahrheit, ja selbst bei der Absicht Unsinn zu sprechen uns der Gesetze des Denkens nicht entschlagen können, daß jeder diese unwillkürlich befolgt und formal richtig schließt, indem wirklich in seinen Vorstellungen die zum Schluß nötige Identität oder deren Gegenteil vorhanden war, so dürfen wir auch den Einwand nicht fürchten, daß wir unsere Denkgesetze einseitig nur aus den Gedanken abstrahierten, die wir für wahre hielten. Wenn dem so ist, so kann selbstverständlich "von normativen Gesetzen, denen sich die Erkenntnistätigkeit um der Erreichung des Erkenntniszweckes willen unterwerfen muß" wie ÜBERWEG meint, die Rede sein. Die Herleitung der gemeinten Gesetze aus jenem Prinzip fehlt in der Tat auch bei ÜBERWEG - denn die Voraussetzung, daß diese eben die Formen des Seienden sind, wäre doch erst zu beweisen - und ist überhaupt unmöglich. Man mache sich doch eine klare Vorstellung davon, in welcher Art eine Herleitung derselben möglich sein könnte. Aus der Beschaffenheit eines gegebenen Materials und dem Zweck kann ich die Gesetze herleiten, nach welchen ich jenes präparieren und bearbeiten muß. Aber die Wahrheit ist kein zu erringender Gegenstand, den ich vorher betrachten könnte, ehe ich an die Arbeit gehe, ihn mir zu eigen zu machen oder irgendwie zu bewegen. Auch wenn wir gar nicht die objektive Wahrheit leugnen, sondern bereitwilligst zugeben, daß eine Wirklichkeit unseren Gedanken entspricht, so können wir eben nur die Weisheit oder Güte des Schöpfers preise, der unsere Denkanlage jenem Sein so konform gemacht hat. Denken wir aber die Möglichkeit, daß eine Wirklichkeit außerhalb von uns anders beschaffen wäre, als unser Denken sie uns darstellt, so könnten wir doch nicht anders, als in unserem gewohnten Denken fortfahren und Wahrheit nennen, was widerspruchslos nach jenen Gesetzen produziert worden ist und Irrtum, was direkt oder nach mehrfacher Vermittlung mit jenen Gesetzen im Widerspruch steht. So wenig wie wir imstande sind den Gedanken einer Wirklichkeit, die ganz anders ist, als unser Denken, zu verfolgen und uns auch nur eine leiseste Ahnung von jenem Zustand zu machen, so wenig wir imstande wären unser Denken mit seinen Grundgesetzen umzuändern, so wenig sind wir auch imstande uns den bekannten Gesetzen als "Normen" zu unterwerfen oder ihrer zu entschlagen. Wenn wir von den Vorschriften einer wissenschaftlichen Methode absehen, so gibt es nur ein normatives Gesetz, nur eine Norm, das ist die unbegrenzte Liebe zur Wahrheit, welche uns aufmerksam macht auf jede Regung in uns, die dem Gedankenwerk Eintrag tun könnte, vor allem den Einfluß der Neigungen, des Vorurteils, der Eitelkeit gründlichst beseitigt und dann alle Kraft zusammennehmen läßt.

Was nun von der "realen Bedeutung" unseres Denkens zu halten ist, leuchtet ein. Sie gerade so groß, wie die des Bewußtseins unserer selbst, und erst wenn wir an dieser zweifeln, können wir auch an jener zu zweifeln anfangen. Wenn wir aber den natürlichen Zusammenhang zerreißen und diese schöne Welt, die wir sehen und hören und fühlen und erkennen für nicht wirklich erklären zugunsten einer hinter oder in ihr steckenden eigentlichen Wirklichkeit, einer Substanz, einem  noumenon  oder Ding-ansich, so ist es mir so gut, wie jedem anderen unmöglich die willkürlich geöffnete Kluft künstlich zu überbrücken. Versuchen wir über das von uns Wahrgenommene und Gedachte hinauszugehen, so führt uns der erste Schritt zu dem einzig möglichen Gedanken der Ursache. Die Verfolgung dieses Gedankens mögen andere sich zur Aufgabe stellen; uns obliegt zunächst zu sehen, wie diese Welt - ich kenne keine andere als die wahrgenommene und gedachte - in uns entsteht. Die Darstellung soll nicht der Erklärung der Teile einer Machine gleichen, sondern sie soll der Entwicklung des Denkens von seinen ersten Anfängen an Schritt für Schritt folgen und zeigen wie der menschliche Gedanke erwacht und aus dem unscheinbarsten Keim nach inneren Gesetzen zu tausendfältigem Leben erwächst. Nicht die Bewegung für sich allein soll betrachtet werden - denn sie ist nichts, wir sehen nur die Verändertheit und erschließen die bewegenden Momente -; nicht das Material für sich, - denn es ist tot, ist gar kein Denken, sondern das Material in seiner Bewegung, Zug für Zug, wie es sich regt und wächst und gestaltet und schafft, was es zu seinem Haushalt braucht, bis es ein in sich vollendetes Ganzes ist.


IV. Die Erscheinung

Je länger ich darüber nachgedacht habe, desto wunderlicher, desto unbegreiflicher ist es mir geworden, wie das Objekt der Denktätigkeit die außer uns befindliche Welt sein, das Resultat dieser Tätigkeit aber sich nicht am genannten Objekt zeigen, sondern in ganz entgegengesetzter Richtung als Erkenntnis im Kopf des Denkenden zum Vorschein kommen soll. Von gleicher Wunderlichkeit ist das Unterfangen das zur Basis einer Denk- bzw. Erkenntnislehre zu machen, was das letzte und höchste Resultat allen Denkens und Erkennens ist, d. h. diese Welt mit ihren Dingen und Eigenschaften, ohne vorher untersucht zu haben, wie wir zu diesen Vorstellungen gekommen sind. Unter diesen Voraussetzungen mußte die Frage, wie denn das Denken zum Sein gelangt, allerdings aufgeworfen werden, und - unbeantwortet bleiben. Denn nachdem man das Gedachte unter dem gleißenden Namen der Realität, oder der Wirklichkeit - und wer möchte zugeben, daß er nicht Wirkliches erkennt, daß er wie in einem Traum lebt, von bloßem Schein und Gaukelspiel umgeben! - nachdem man, sage ich, das Gedachte, d. h. die Gedanken selbst von ihrem lebendigen Quell losgerissen und unter dem Namen objektive Wirklichkeit in einen begrifflichen Gegensatz zu ihm gestellt und damit eben eine unausfüllbare Kluft gemacht hat, ist es unmöglich aus diesem Denken heraus ein Mittel zu finden, wie es in jenes Sein abermals eindringen kann. Nachdem die Gegensätze in dieser Art gefaßt worden sind, sind Denken und Sein überhaupt inkommensurabel und die Möglichkeit des Denkens und Begreifens hört vollständig auf. Es fehlt absolut jedes Mittel, jede Vorstellung von der Art und Weise des Einwirkens, ja von der Möglichkeit überhaupt; was, unter den genannten Voraussetzungen, in die Dinge Eindringen noch heißen kann, selbst das wird zum unenthüllbaren Geheimnis. Nicht nur die dem Sein und dem Denken gemeinsame Bewegung (TRENDELENBURG) ist nicht imstand uns die Möglichkeit des Eindringens oder Erfassens der Körperwelt von Seiten des denkenden Geistes als möglich oder auch nur denkbar zu erweisen, selbst die günstigste und bequemste Voraussetzung, die wir machen könnten, die, daß die Dinge sich wahrhaftig ganz so verhalten, wie wir sie denken, selbst diese läßt die Möglichkeit der Annäherung und der Einwirkung des Denkens auf die Dinge oder der Dinge auf das Denken unbegriffen und unbegreiflich. Wollen wir uns diesen Vorgang vorstellen, so hört entweder das Denken auf ein Denken zu sein und wir sehen eine mechanische Bewegung, oder das objektive Sein wird intelligibel, wird Gedanke und hört somit auf den bekannten Gegensatz zum Denken zu bilden. Die Dinge können aber nicht Gedanken werden, so wenig, wie ein Gedanke ein Ding werden kann. Ich meine sogar, auch die Offenbarung, welche uns plötzlich die Botschaft brächte, daß die Dinge wirklich so sind, wie wir sie nach unserer Leibes- und Seelenanlage erkannt haben, könnte uns gleichgültig sein. Denn was nützte es uns, und was könnte uns das Gegenteil schaden? Ich stütze mich dabei auf den Begriff, oder die Natur, oder wie man sagt das Wesen des Denkens und Erkennens, das nur in der einen bestimmten Tätigkeit besteht.

Untersuchen wir doch, statt die von uns gedachte Welt als ein Objektives vorauszusetzen und dann den Übergang zu ihr zu suchen, lieber unsere Vorstellungen von ihr. Da gibt es Dinge, die so und so beschaffen sind und so und so tun und leiden. Was denken wir uns dabei, wenn wir von Dingen und ihren Eigenschaften sprechen? Wir denken in Urteilen. Sehen wir einmal von der Verbindung im Urteil ab und betrachten die Elemente des Gedankens einzeln. Sogleich ergibt sich, daß diese selbst die Frucht einer solchen vereinigenden Bewegung, selbst eine Verbindung sind. Hören wir nicht auf mit dem Zerlegen bis wir Vorstellungen haben, die sich als absolut unzerlegbar erweisen, vor allem aber, lassen wir bei diesem Geschäft keinen Namen als Bestandteil gelten, den wir nicht sofort auf das Gründlichste nach seinem "Was" prüfen. Was ist die letzte Antwort auf die unablässig erneute Frage: Was ist das? Sehen wir von einem zweiten später zu betrachtenden Bestandteil ab, so sind es sogenannte Eigenschaften, nichts als einfachste Sinneswahrnehmungen. Wir vermeinen Dinge zu sehen und zu fühlen und können, wenn wir genau sein wollen, zuletzt unsere Wahrnehmung durch nichts anderes bezeichnen, als durch die einzelnen Sinneseindrücke, die wir empfangen haben. Die gemeine Ansicht setzt das Ding als etwas Festes, Wirkliches, Objektives der Eigenschaft entgegen. Aber sehen wir von unseren Schlüssen ab, so ist anzuerkennen, daß nichts als eine Anzahl von Eigenschaften und Sinneseindrücken übrig bleibt. Wir müssen nur das gemeine Vorurteil abstreifen, das die Körperlichkeit, und namentlich den fühlbaren Widerstand des Festen nicht zu den Erscheinungen rechnet. In der Tat aber ist es nur die Vereinigung beider oder mehrerer Eindrücke, auf der jenes Vorurteil beruth und die vergessen läßt, daß auch die wahrgenommene Körperlichkeit nichts anderes ist, als die Wahrnehmung von Gestalt und Farbe und das Gefühl des Widerstandes bzw. die schon auf einem Schluß beruhende Wahrnehmung, daß etwas Anderes in einer erwarteten Bewegung durch jenes verhindert wird. Auch die genaueste Untersuchung erweist keine anderen Momente. Auch die Demonstration, zu der der Ungebildete solchen Behauptungen gegenüber seine Zuflucht nimmt, auch die Teilung des Gegenstandes, die "das Innere" zeigt, ergibt abermals nur wahrgenommene Farben und Gestalten und das Gefühl des Widerstandes. Sehen wir also von der Tätigkeit ab, durch welche jene Wahrnehmungen weiter bearbeitet werden, so gibt es nichts als Erscheinungen und die ganze Erde mit Menschen und Tieren und Pflanzen, mit Gebirge und Tal und Wald und Flur und alles Menschenwerk und das ganze Firmament, es ist alles Erscheinung. Freilich ist das Wort zu erklären; ich brauche es, weil ich kein anderes weiß und betone es in einem sogleich näher darzulegenden Gegensatz, bekenne aber, daß das, was ich meine, mit der naiven Auffassung der Welt tatsächlich doch so ziemlich übereinstimmt.

Zunächst hat man die Erscheinung vom Schein zu trennen. Der Sprachgebrauch setzt die Erscheinung der Wirklichkeit gegenüber, aber es ist bei diesem Gegensatz wohl festzuhalten, was er unter Wirklichkeit versteht. Ihm ist die Wirklichkeit nichts anderes, als die gewohnte Bestätigung einer Sinneswahrnehmung durch die andere. Die farbige Fläche gilt dem gemeinen Sprachgebrauch nicht schon ansich für eine Erscheinung, sondern erst dann, wenn ganz gegen die Erwartung die tastende Hand keinen Widerstand wahrnimmt, das Gefühl des Widerstandes erst dann, wenn kein Auge einen Gegenstand erblicken kann usw. Hier wird also die ganze durch Erfahrung und unsere Geistestätigkeit hervorgebrachte Ansicht von den Dingen, d. h. den untrennbar aneinander geketteten Erscheinungen vorausgesetzt. Ich kann nun durch die erfahrungsmäßig angenommene Zusammengehörigkeit zweier oder mehrerer Sinneseindrücke den Charakter der Erscheinung als solcher, wenn wir das Wort in einem weiteren Sinn brauchen, nicht für aufgehoben erachten und so ist mir alles das Erscheinung,  phainomenon,  was da erscheint, d. h. was wahrgenommen, nicht erst erschlossen wird. Der Wahrnehmung also steht das gegenüber, was rein als Werk des Gedankens gilt, das  noumenon.  Daß Erscheinungen mit unverbrüchlicher Treue und Festigkeit verharren oder nach einem unwandelbaren Gesetz wiederkehren, kann sie des Charakters der Erscheinung nicht entkleiden. Was nun, sei es um dieser Festigkeit des Vereins, sei es um der Beharrlichkeit und Gesetzmäßigkeit willen geschlossen wird und werden kann, ist eine andere Frage und wir haben diesen Schluß vom Empfangenen als solchem wohl zu unterscheiden. Man schloß und schließt noch heute von vielen Seiten, es müsse etwas, wie man sagt, als Träger hinter oder unter oder in den Erscheinungen stecken. Insofern nur der Unterschied desselben von unserer Auffassung, dem Eindruck auf uns, der ja durch die Beschaffenheit unserer Nerven und des Gehirns bedingt ist, ins Auge gefaßt wird, nennt man jenes  suppositum [Annahme - wp] das Ding-ansich, insofern es nicht mit den Sinnen wahrgenommen, sondern nur gedacht wird, das  noumenon,  insofern es als Träger hinter oder unter der Erscheinung steckt  Substanz,  und insofern dieses dem Wandel der Erscheinungen als feste Grundlage gegenübersteht, auch das  Wesen.  Aber niemand hat außer diesen äußerlichen, nur bildlich darzustellenden Bezügen, die den Namen rechtfertigen, je etwas anderes davon zu sagen gewußt, es sei denn - daß es der hervorbringende Grund ist. Ist dies in der Tat das einzige, was wir außer der Erscheinung selbst zu denken vermögen, so leuchtet ein, daß die Fassung der Wesenheit und Substantialität, insofern sie enger ist als der reine einfache Gedanke der Ursache, ein nebelhaftes Werk der Willkür ist.

Wenn man das Verhältnis des Subjekts hervorhebt, daß der Erscheinung doch ein Erscheinendes als Subjekt zugrundeliegen muß, so untersuche man doch erst diesen Gedanken vom Subjekt und Prädikat, um zu finden, daß er eben nichts enthält, als entweder das Verhältnis von Ursache und Wirkung oder das der Identität, welches unten auseinandergesetzt werden wird.

Was von der Ursache unserer Sinneswahrnehmungen wohl ausgesagt werden kann, hat eine andere Wissenschaft zu erläutern. Nur das sei hier bemerkt, daß der Gedanke einer hervorbringenden Ursache, wie zur Erklärung der einmal hervorgetretenen Erscheinung, so auch zur Erklärung der Beharrlichkeit und Regelmäßigkeit und des festen Vereins gewisser Erscheinungen ausreicht; was, sozusagen, aus dem Nichts die Affektion meiner Nerven hervorbringt, hat sicher auch die Macht diese Wirkung in einer bestimmten Regel zu wiederholen und mit anderen zu verbinden.

Wenn ich nun diese Welt  Erscheinung  nenne und den einen Urbestandteil unseres Denkens damit bezeichnet haben will, so brauche ich dieses Wort allerdings in dem bekannten Gegensatz, aber nicht ohne ihn zugleich zu verneinen. Also ich erkläre, daß wir das objektive Sein, die sogenannte Wirklichkeit als Ding-ansich, Substanz und Wesenhaftigkeit nicht mit unserem Denken erreichen, sondern nur die Erscheinung, zugleich aber, daß es reinste Willkür ist, mit dem Begriff  Erscheinung  die Vorstellung von etwas Unwirklichem, Wesen- und Gesetzlosem, gespenstisch Nichtigem und Trüglichem zu verbinden. Es liegt nicht der geringste Grund vor, diese Welt der Erscheinungen für unzuverlässiger, weniger erfreulich und weniger tröstlich zu halten, als die der supponierten Wesenheiten.

Ich hätte für Erscheinung auch Wahrnehmung sagen können, habe dieses Wort aber deshalb vermieden, weil wir es häufig auch anwenden um das ganze durch mannigfache Schlüsse gewonnene Endergebnis einer Anzahl von Sinnesaffektionen zu bezeichnen.

Wir gehen also nicht von der vorausgesetzten noch unerkannten Welt aus, sondern von dem Sichersten, was es gibt. Mag es immerhin nichts absolut Sicheres geben - es ist unfruchtbar darüber zu streiten - so gibt es doch jedenfalls ein Sicherstes, und das ist jeder sich selbst. Es gibt aber kein leeres Selbstbewußtsein; wir werden uns unserer selbst nur bewußt, indem wir uns unserer Zustände und Handlungen bewußt werden. Die Erscheinungen aber sind Zustände, deren wir uns bewußt werden. Sie sind die Bewegten, das Material, welche die Tätigkeit des Geistes bearbeitet. Die einfachsten Gedankenelemente sind die einfachsten unzerlegbaren Erscheinungen, einfach freilich nur in einem subjektiven Sinn, diejenigen Eindrücke, welche vom Subjekt als ein Ganzes erfaßt werden, die es noch nicht in andere Erscheinungen bzw. Eindrücke als seine Bestandteile aufgelöst hat.

Also sind Erscheinungen nichts anderes, als unsere Eindrücke? als Empfindungen?, nicht objektiv, nur subjektiv? sie sind nichts außerhalb von uns? Dann leben wir also wohl doch nur wie in einem Traum, ein Scheinleben?

Wenn man dieses Leben einen Traum nennen will bloß deshalb, weil das Denken Denken ist und sich nicht als mechanische Bewegung begreifen läßt, so ist darüber nicht zu streiten, und wenn man das Wort "Schein" in einem doppelten Sinn nehmen will, einmal in dem alten oben erörterten und dann in einem neuen, identisch mit Sinneseindruck, so habe ich nicht die Verantwortung dafür. Jedenfalls ist dieses Scheinleben ganz erträglich und der Schein, so gesetzmäßig und zuverlässig, unterscheidet sich tatsächlich nicht von der sogenannten Wirklichkeit. Das Entsetzen beruth eben nur auf einem falsch gefaßten Gegensatz. Das "nur subjektiv und nicht objektiv" ist unberechtigt. Der Gegensatz hat für mich keinen Sinn, - es sei denn, daß die für alle Menschensinne gleichen Eindrücke, welche somit auf dieselbe Ursache verweisen, den Empfindungen entgegengesetzt würden, welche in einer dem Subekt allein angehörigen Bewegungs- oder Erscheinungsursache wurzeln, z. B. gewissen Farb- oder Toneindrücken, welche einen Blutandrang oder sonst eine krankhafte Beschaffenheit der Organe verursacht.

Wenn wir uns nicht ganz handgreiflich des alten oft gerügten Fehlers schuldig machen wollen, um eines erwünschten Resultates willen die bezüglichen Voraussetzungen einzuschmuggeln, sondern ganz objektiv und um das Resultat unbekümmer die Tatsachen aufnehmen, so kann kein Zweifel sein, daß unser ganzes Leben und Erkennen kein Eindringen in Dinge ist, sondern ein Verarbeiten von Sinneseindrücken und daß wir außer ihnen und den aus diesen geschaffenen Vorstellungen nichts haben, als den Gedanken der Ursache jener, und daß eine Erscheinung, welche in jenem oben vermeinten Gegensatz objektiv sein soll und ein drittes ist in der Mitte zwischen unseren Sinneseindrücken und der Ursache derselben, ein bloßes Wort ist, eine bare Undenkbarkeit.

Also die Erscheinungen sind Eindrücke, und diese Eindrücke sind der Uranfang allen Denkens und Sprechens. Die Geschichte der Sprache weist uns auch darauf hin, daß die ersten Ansätze des Sprechens nicht Dinge bezeichneten, sondern nichts als Namen für empfangene Eindrücke waren. Wenn man die Eigenschaft nicht in einen Gegensatz zur Bewegung stellt, sondern so faßt, daß letztere unter jenen Begriff fällt, so ist die Eigenschaft nichts als eine Erscheinung, ein Eindruck.

Die ersten Eindrücke nun, von denen Vernunft und Sprache sich zu entwickeln begann, waren zweifellos nicht die einfachsten, von denen ich eben sprach. Die einfachsten als solche hat erst die theoretische Betrachtung erkennen gelehrt. Je tiefer die Entwicklungsstufe, desto mehr einfache Erscheinungen wurden ungeschieden als ein Totaleindruck empfunden und benannt.

Daß hier nicht nur die Volksindividualität und die Beschaffenheit des Landes, sondern auch eine unberechenbare Zahl von Ereignissen und Umständen, die wir als zufällig bezeichnen müssen, im Spiel war, um die Zusammenfassung grade der und der Erscheinungen zu einer Vorstellung in einem Wort und dann die allmähliche Aussonderung zunächst grade jener Gruppen von Erscheinungen zu bewirken, ist klar.

Die Logik ist bei allen Völkern dieselbe; nicht in ihr, sondern in jener Quelle unserer Vorstellungen ist die Verschiedenheit der Sprachen begründet. Die Logik, welche uns diese Tatsache erkennen läßt, gibt eben nur ein Mittel, um die Unterschiede zu finden und zu messen und zu begreifen. Wenn auch das Bewußtsein der ersten Sprachbildner nichts von einer Zusammensetzung einfachster Erscheinungen zu einer Gesamtvorstellung wußte, so ist doch aber die Zusammengesetztheit dieser aus jenen eine unleugbare Tatsache.  Wir  erkennen in ihnen die einfachsten Erscheinungen als Bestandteile.

Aber auch die einfachste Erscheinung birgt, sobald wir sie wissen und nennen, also sobald wir eine Vorstellung von ihr haben noch einen anderen Bestandteil in sich. Sehen wir doch manches geschehen, was andere nicht bemerken, nicht fühlen und müssen nachträglich aus Kennzeichen schließen, daß mit und um uns selbst manches geschehen ist, was wir nicht merkten, obgleich unsere Sinne nicht unberührt bleiben konnten. Demnach schließen wir mit absoluter Gewißheit, daß die Erscheinungen, insofern wir von uns gewußte Zustände unserer selbst, also bewußte Vorstellungen darunter verstanden, nicht allein von der Affektion eines Nerven abhängen. Der andere Faktor nun, der die Nervenaffektion zur Vorstellung macht, ist um dieser offenbar ihm zuzuschreibenden Tat willen als das eigentlich Denkende aufzufassen. Die Erfahrung lehrt, daß diese Funktion nicht von unseren Sinnesnerven vollbracht wird, die Anlage dazu also von Haus aus,  a priori  dem Menschen eigen sein muß. Wie wir diesen Faktor aufzufassen und zu benennen haben, wird der folgende Abschnitt lehren; vorderhand kommt es hauptsächlich darauf an zu zeigen, daß also ursprünglich nicht die ganzen Erscheinungen bzw. die ersten einen Totaleindruck enthaltenden Vorstellungen die eigentlich Bewegten, die Subjekte der Bewegung sind, sondern die Sinnesreize. Diese also, die noch nicht ins Bewußtsein aufgenommenen Empfindungen - wenn das nicht eine  contradictio in adjecto [Widerspruch in sich - wp] sein sollte - sind das Objekt einer rein geistigen Tätigkeit, welche darin besteht sie zu Vorstellungen zu machen, d. h. sie ins Bewußtsein zu erheben. Wir haben von keinem der beiden Faktoren für sich allein eine Vorstellung. Nur  in abstracto  können wir die Scheidung vollziehen und die Gedoppeltheit der Faktoren schließen. Nicht also die Dinge, nicht objektive Erscheinungen umschlingt oder umfaßt der Geist, macht sie sich in wunderbarer Weise zu eigen, sondern die Erregungen der Nerven macht er zu bewußten, d. h. Vorstellungen.

Dies ist der Anfang, der erste Ansatz des Denkens. Es liegt meinem Ziel fern danach zu forschen, welche Erscheinungen sich immer oder meist oder unter gegebenen Umständen zuerst der wahrnehmenden Seele aufdrängen und so Schritt für Schritt die entstehenden Gedanken und ihre weiteren Verknüpfungen zu verfolgen. Es genügt für meinen Zweck das Gebiet aufgewiesen zu haben.

Allen unseren heutigen Vorstellungen (mit wenigen weiter unten anzugebenden Ausnahmen), auch der kompliziertesten liegt dieser einfachste Vorgang zugrunde. Daß wir auch auf einem anderen Weg Kenntnis von einfachsten Erscheinungen gewinnen, nämlich auf dem des Schlusses, soll hier nur erwähnt sein um Mißverständnisse vorzubeugen.

Diese Welt setzt sich also zusammen aus den einfachsten Erscheinungen, welche die fünf Sinne und denen, welche der sogenannte innere Sinn bietet.

Auch das Bewußtwerden jeder Tat des Vorstellens und Denkens, jedes Gefühls und jeder Neigung und Willenserregung gehört hierher. Es ist nur noch zu erwähnen, daß ich eben nur von dem spreche, was von der Erscheinung unmittelbar ins Bewußtsein kommt, und daß diejenigen Erscheinungen, die wir als Ursache jener ansehen, z. B. also die Schwingungen des Äthers und dgl. die Bewegung des Gefühlten oder der tastenden Hand, welche eine Bedingung der Wahrnehmung des Rauhen und Glatten ist, nicht in Betracht kommt. Auch daß die Wahrnehmung durch das Auge einer Bewegung bedarf, kommt hier nicht in Betracht, weil nichts davon in der Empfindung selbst und dem Begriff von ihr enthalten ist.

Auch das ist noch zu erinnern, daß die Namen für die einfachsten Erscheinungen oft nicht einfach sind, sondern durch einen Vergleich mit bekannten Dingen oder durch eine Angabe des hervorbringenden Dings gebildet werden. Man darf sich dadurch nicht täuschen lassen; der Eindruck selbst kann deshalb doch ein einfacher sein.

Die einfachsten wirklichen Erscheinungen aber, ich meine nicht die abstrakten Gedanken z. B. der Gefärbtheit, sondern die wirkliche Wahrnehmung durch das Auge, Ohr usw. zeigt bei genauerer Betrachtung und namentlich infolge eines Vergleichs mit anderen derselben Art doch noch Spuren von Zusammengesetztheit. Unwillkürlich lösen sich gewisse Eindrücke ab und werden in uns als Vorstellung selbständig, welche doch nie und nimmer allein wahrgenommen werden, für sich allein eine Erscheinung ausmachen können. Wir sehen also doch die einfachste Erscheinung schon als ein Produkt von mehreren Faktoren, deren Zusammensein und Wirken weiter nicht bestimmbar, sondern eben als die Urform von Zusammensein und Wirken anzusehen ist. Wir wollen diese Faktoren die Elemente der Erscheinung oder  Erscheinungselemente  nennen. Es ist klar, daß eine Erscheinung nicht möglich ist, ohne den Ort, wo, und die Zeit, wann sie erscheint, bei einigen, den Farbeindrücken z. B. auch nicht ohne die begrenzenden Linien, und wäre die Grenze eben die des Sehfeldes selbst, und ohne die Zeit, wie lange. Das  Wo  ist bei den Wahrnehmungen usnerer seelischen Zustände am undeutlichsten bestimmt; ja man kann es bei ihnen auch ganz in Abrede stellen. Von dem Gefühl z. B., daß mein Wille erregt ist, kann ich keinen Ort angeben, es sei denn eben die vage Bestimmung, daß es nicht an der Oberfläche des Leibes, sondern von innen wahrgenommen wird. Jede wirkliche einfachste Erscheinung also enthält drei einander gegenseitig fordernde Faktoren als notwendige Erscheinungselemente,
    1) eine Affektion eines unserer Sinne,
    2) eine räumliche und
    3) eine zeitliche Bestimmtheit.
Auf diese tatsächliche Untrennbarkeit von Raum, Zeit und der Sinnesaffektionen ist besonders aufmerksam zu machen.

Was Raum und Zeit sind, unterfange ich mich nicht zu sagen; nach dem oben dargelegten Standpunkt habe ich auch ein Recht an dieser dornigen Frage vorüberzugehen. Daß sie die vor aller Anschauung in unserem Gemüt bereit liegenden Formen der Anschauung sind, habe ich einst festgehalten. Mit der Zeit ist mir jedoch diese "Form der Anschauung" immer unvorstellbarer geworden. Ist doch "Form" auch nur ein Bild und zwar ein der Raumanschauung selbst entlehntes. Die Möglichkeit der reinen Mathematik kann auch ohne jene Ansicht begriffen werden. Ihre Erkenntnisse hängen allerdings nicht wie die der empirischen Wissenschaften von der Beobachtung des Gegebenen ab, aber sie haben auch nichts mit Ursache und Wirkung zu tun, sondern schließen nur in fortgesetzter Abstraktion durch eine genaue Analyse des selbstgeschaffenen Begriffs auf Identität, bzw. Gleichheit und Ähnlichkeit. In letzter Instanz aber ist die Erkenntnis der Gleichheit auch nicht mehr beweisbar, sondern hängt von unmittelbar zu erkennenden Bedingungen ab.

Die Verschiedenartigkeit von Raum und Zeit und den anderen Sinneswahrnehmungen ist nicht zu verkennen. Während der einzige Begriff oder soll ich sagen die  Anschauung  des Raumes genügt, um alle Möglichkeiten der Gestaltung und der Größenverhältnisse zu ermessen, setzt selbst eine lange Übung und Erfahrung uns nicht in den Stand alle Möglichkeiten der Gerüche, der Unterschiede des Geschmacks, der Gefühle, der Getöne zu ahnen. Aber - stehen diese Möglichkeiten sich wirklich gleich gegenüber? Gibt es, wie mehrere verschiedene Töne oder Gerüche oder Gefühle, so auch wirklich verschiedene Räume? Ist der Raum nicht vielmehr einer, eine einzige Wahrnehmung, ein einziger Eindruck, der nur um anderer Umstände willen verschiedenartig scheint oder bezeichnet wird? Was unterscheidet die Räume, was begründet ein hier und dort, wo ist die gestaltende Grenze, wenn wir von einem Widerstand Leistenden und durch die Farbe dem Auge Wahrnehmbaren absehen? Kann man dann noch die einzelnen Örter als Arten der Gattung Raum ansehen? Gewiß nicht. Oder die drei Dimensionen? Sind diese etwa ansich unterscheidbar?

Wenn wir so die Gebundenheit von Raum und Zeit an die anderen Sinneswahrnehmungen betrachten, so kann sich wohl ein Zweifel darüber einstellen, ob wir nicht jene so gut wie diese der Erfahrung verdanken.

Wenn wir Zeit und Raum absolut nicht wegdenken können, so frägt sich noch, ob nicht das unverlierbare Bewußtsein unserer eigenen Körperlichkeit, und der Möglichkeit uns zu bewegen, die Ursache ist. Wir haben auch ohne Affektion von außen, unmittelbar das Gefühl, daß wir selbst Ausgedehnte sind, fühlen den Abstand der Glieder voneinander, die Richtung des Körpers, jeden Pulsschlag und Atemzug. Wir können uns keine Vorstellung davon machen, daß kein Raum und keine Zeit ist, aber wir können uns ebenso absolut keine Vorstellung davon machen, daß Raum und Zeit ist ohne irgendeinen Inhalt, ohne irgendeine Farbe, ohne irgendeine Gestaltung. Im absoluten Schwarz gibt es keinen Raum. Die Vorstellung von einem endlos sich Ausdehnenden ist ohne irgendeine Schattierung nicht möglich. Kann sich doch auch niemand eine Figur denken, ohne die Linien durch irgendeine, wäre es auch die zarteste Färbung zu fixieren.

Daß wir die einzelnen Örter und Zeitpunkte ohne die allgemeine Vorstellung des Raumes und der Zeit nicht zu verstehen vermögen, ist nicht erwiesen. Aus den einzelnen Sinneswahrnehmungen wird allmählich das Element des  Wo  und  Wann  vom anderen Teil der Wahrnehmung ab- und ausgesondert.

Wir sehen also Raum und Zeit, so wie die anderen Sinnesempfindungen, als die einander gegenseitig fordernden und bedingenden Urelemente jeder Erscheinung an.
LITERATUR: Wilhelm Schuppe, Das menschliche Denken, Berlin 1870