cr-4ra-2LotzeLotzeH. PöhlmannL. StählinF. Goldner    
 
FRANZ CHELIUS
Lotzes Wertlehre
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"Der Arbeiter arbeitet und empfängt dafür einen bestimmten Lohn; nach welchem Gesichtspunkt wird die Höhe des Lohnes bestimmt? Zu unserem Leidwesen niemals danach, wieviel der Mann an eigener Kraft geopfert und in seine Arbeit gesteckt hat, sondern immer danach, wieviel sie in den Augen der mitlebenden Gesellschaft bedeutet, einerlei ob diese die Leistung richtig anerkennt oder wegen der vielen Angebote schmählich mißachtet. Ist beim Kauf und Verkauf das Bedürfnis und die Neigung des einzelnen oft allein maßgebend, so bestimmt im großen wirtschaftlichen Getriebe die mitlebende Gesellschaft Preis und Lohn, die Werte schwanken dementsprechend, und es ist geradezu unmöglich, den Wert einer Arbeit, eines Besitztums, einer Ware unabhängig vom Wertsubjekt zu bestimmen. Einzelne oder das Kollektivsubjekt mitlebende Gesellschaft bestimmen Preis und Wert."

"Was dem einen Zeitalter als heilige Pflicht erschien, z. B. die möglichst grausame Tötung des gefangenen Feindes, erscheint uns als unmenschliche Barbarei; zeremonielle Handlungen, die uns als völlig gleichgültig erscheinen, werden bei unkultivierten Völkern außerordentlich hoch gewertet und ihre Unterlassung wird mit schweren Bußen gesühnt. Es ist vornehmlich ein Punkt, in dem sich unser durch das Christentum bestimmtes ethisches Urteil von den bezeichneten Werturteilen der nichtchristlichen Völker bedeutsam unterscheidet. Diese, sogar die allerhöchststehenden unter ihnen wie die antiken Kulturvölker, haben den Wert des einzelnen Menschen unserer Überzeugung nach viel zu gering taxiert, dagegen den Wert der geschichtlich entstandenen Gemeinschaften viel zu hoch; wir urteilen ausgeprägt individualistisch und können weder in Stimmenmehrheit noch in Herkommen die Entscheidung über Gut und Böse finden."

A. Einleitung

In der Vorrede zu seinem populärsten Werk, dem Mikrokosmus, hat es LOTZE als das Ziel seines philosophischen Strebens bezeichnet, eine Weltanschauung herauszuarbeiten, die den Bedürfnissen des Gemüts wie den Forderungen des Verstandes in gleicher Weise genügt oder, theoretischer ausgedrückt, eine Weltanschauung, in der alle wahrhaft wertvollen Gedanken der deutschen idealistischen Philosophie mit den Ergebnissen der empirischen Naturwissenschaft zu einem harmonischen Ganzen verbunden sind. LOTZE will zeigen, "wie ausnahmslos universell die Ausdehnung und zugleich wie völlig untergeordnet die Bedeutung der Sendung ist, welche der Mechanismus im Bau der Welt zu erfüllen hat" (1), wie wichtig die Ziele, Zwecke und Werte des menschlichen Handelns, Erkennens und Fühlens, die wir in flüchtiger Übersicht etwa unter den Gruppen des Guten, Wahren und Schönen zusammenfassen.

Aus dieser Tendenz des LOTZEschen Philosophierens ergibt sich, daß die Wertlehre, die Lehre von dem, was die Menschen werten, eine wichtige Stelle im System behauptet. Gleichwohl liegt uns keine ausgebaute Wertlehre vor. Es war dem Philosophen nicht, wie er in der Vorrede zur Metaphysik (1878) gehofft hatte, vergönnt, im III. Band des Systems die Ästhetik und Ethik ausführlich zu bearbeiten, und so sind wir dann darauf angewiesen, aus den verschiedenen Schriften die Stücke und Stückchen zusammenzulesen, die für das Verständnis des Ganzen von Wichtigkeit sind. Keine Schrift gibt über unsere Frage etwas Vollständiges, keine beschränkt sich so sehr auf die Gebiete der rein theoretischen Philosophie, daß nicht wenigstens in den Zusammenfassungen größerer Abschnitte, in der Erörterung der Gesamtresultate die Wertlehre irgendwie berührt würde.

Es kann darum keine der Schriften von vornherein ausgeschaltet und ebensowenig irgendeine zur Universalquelle gemacht werden, wenn die einzelnen auch verschieden große Beiträge zum Verständnis der Wortlehre leisten. Wenig in Betracht kommt die ausführliche Darstellung der Logik, eher schon die große Metaphysik (1878), weil die letzten Fragen des Seins nach LOTZE nicht ohne Bezug auf die Wertlehre entschieden werden können, mehr noch die Vorlesungen über die Psychologie, Ästhetik, praktische Philosophie und Religionsphilosophie; als Hauptquellen haben jedoch die Enzyklopädie und der Mikrokosmus zu gelten.

Dieser ist die einfachste und zugleich umfassendste Darstellung der LOTZE'schen Gedanken über die verschiedenen Beziehungen zwischen theoretischer und praktischer Philosophie, jene enthält Gedanken, die wenigstens als Ansätze zu einer systematischen Bearbeitung des umfangreichen Gebietes verstanden werden können. Inhaltlich bietet sie, dem Charakter der Enzyklopädie entsprechend, überaus wenig, eine knappe Erklärung der Prinzipien, eher eine flüchtige Andeutung als eine eigentliche Lösung der einschlägigen Probleme, ebensowenig wie der Mikrokosmus oder eine der anderen Schriften das, was für die Übersichtlichkeit des Ganzen von hoher Bedeutung gewesen wäre: eine vollständige, brauchbare Terminologie.

Bei diesem Stand der Quellen und in Anbetracht dessen, daß LOTZE kein von vornherein fertiges System hatte, könnte es angebracht scheinen, für die Darstellung ein chronologisch entwickelndes Verfahren zu wählen und zusammenzustellen, was die geschichtlich aufeinananderfolgenden Schriften etwa zur Förderung und zum Ausbau der Wertlehre beibringen. Ich halte diese weitschichtigen Untersuchungen nicht für notwendig, weil LOTZE trotz ständiger Bezugnahme auf die veränderten Resultate der Wissenschaft in den Hauptsätzen der Wertlehre keine grundlegenden Änderungen vorgenommen hat. Der Gedanke, daß der Anfang der Metaphysik nicht in ihr selbst, sondern in der Ethik liegt, daß in dem, was sein soll, der Grund dessen zu suchen sei, was ist, gehört zum Endergebnis schon der Metahysik von 1841, er wiederholt sich in den verschiedenen Schriften und ist im letzten größeren Werk, der  Metaphysik  von 1878 nur dem Wortlaut, aber nicht dem Inhalt nach abgelehnt (2). - - Mag LOTZE daher in einem weitverzweigten Gebiet hier und da Änderungen vorgenommen haben, so sind die Änderungen doch nicht grundstürzender Art und es ist möglich, ihnen durch gelegentliche Hinweise gerecht zu werden.

Auch über die Anordnung des Stoffes kann man verschiedener meinung sein. Es fragt sich, ob der skizzenhafte Entwurf der Enzyklopädie (3) beizubehalten ist oder ob sich ein anderes Einteilungsprinzip empfiehlt. Ich möchte mich für die letztere Auffassung entscheiden, weil die betreffenden Abschnitte der Enzyklopädie nicht in einem strengen und allseitigen Zusammenhang namentlich mit der psychologischen Grundlage der Wertlehre stehen, und ich möchte das Einteilungsprinzip aus der Natur des Problems selbst entnehmen. Während die naive Meinung sich unter dem Wert eines Dings eine Vortrefflichkeit denkt, die ihm auch abgesehen vom wertenden Bewußtsein eignet, führt die tiefergehende Betrachtung zu der Erkenntnis, daß in der Natur der Werte etwas Subjektives, Relatives liegt, insofern als der Wert in der Regel erst vom genießenden Bewußtsein bestimmt wird und sich mit dessen Neigungen und Bedürfnissen ändert. Aus dieser Erkenntnis könnten sich weittragende Folgen ergeben, scheint doch die empirische Beobachtung darauf hinzuführen, daß auch die Werte, die den Menschen die höchsten und heiligsten sind, das Gute, das Wahre und das Schöne, nicht in freier Höhe über den Trieben und Neigungen der Menschen schweben, sondern ebensogut wie alle übrigen Werte etwas Subjektives und Relatives an sich tragen (I). Man hat freilich zu zeigen versucht, daß dem, was wir unter diesen drei Gruppen zusammenfassen, auch abgesehen vom genießenden Bewußtsein ein Wert zukommt, aber es ist nach LOTZEs Meinung nicht gelungen, den Widerspruch, den der Begriff "objektiver Wert" in sich selbst enthält, zu beseitigen. LOTZE zeigt in sorgfältiger Analyse besonders des Schönen und des Guten, daß es derartige objektive Werte nicht gibt (II), aber ebensosehr läuft sein Streben darauf hinaus, darzutun, daß der absolute Wert des Guten, nichtsdestoweniger von menschlicher Neigung und Willkür unabhängig, seine grundlegende und richtunggebende Bedeutung im Weltgeschehen behält (III).

Es kann nicht meine Absicht sein, allen einzelnen Verzweigungen nachzugehen, in die sich diese psychologisch-ästhetisch-ethische Frage spaltet, nur die Hauptprobleme dürfen auf eine ausführliche Bearbeitung rechnen und die Einzelfragen müssen mit der Beleuchtung zufrieden sein, die ihnen im Vorbeigehen zuteil werden kann.


B. Darstellung

I.
Das Subjektive in der Natur der Werte

Wenn wir beachten, daß Lotze bei seinen Untersuchungen in der Regel induktiv verfahren ist und nicht zu abschließenden Darstellung seiner Wortlehre kam, so können wir es nicht verwunderlich finden, daß uns nie eine schulmäßig korrekte Definition des Wertes gegeben wird. LOTZE sagt nicht, was ein Wert ist, sondern eigentlich nur, und zwar recht beiläufig (4) - wie ein Wert entsteht. Indem irgendein Tatbestand auf unser Inneres einwirkt und Gefühle der Lust auslöst, kommt ein Wert zustande, entsprechend ein Unwert dann, wenn wir mit Unlust auf irgendetwas reagieren. Lust und Wert, Unlust und Unwert, stehen daher in untrennbarer Beziehung zueinander. Die Lust, die wir subjektiv in uns empfinden, erklären wir für veranlaßt durch den Wert der Dinge, unsere Unlust erklären wir aus dem Unwert der Dinge, es sind die psychologischen allgemein bekannten Tatsachen der Werthaltung, die uns als Ausgangspunkt der Untersuchung gegeben sind. Als Ersatz für die fehlende Begriffsbestimmung kann daher etwa die allgemeine Umschreibung des Wertbegriffs und durch eine Reflexion auf die zahlreichen Bezeichnungen wie schön, gut, angenehm, nützlich etc., unter denen wir Werte registrieren, wird deutlich, daß das Gebiet der Wertobjekte außerordentlich groß und schwer begrenzbar ist. In alle Akte des geistigen Lebens spielt der Wertbegriff herein. Der erste bekannte Akt ist die Sinnesempfindung. Sie besteht nicht bloß darin, daß wir die Gegenstände der Außenwelt aufgrund äußerer Sinnesreize perzipieren, sondern an jeden Eindruck knüpft sich außer dem, was in seiner Folge vorgestellt wird, "auch noch ein Gefühl des Wertes, den derselbe für das körperliche und geistige Wohlbefinden des Perzipierenden hat" (5). Die Vorstellungen, die uns nach Abzug der äußeren Sinnesreize bleiben, behalten den Ton von Lust und Unlust, der ursprünglich an der Wahrnehmung haftete, bei, doch so, daß einzelne Wertgefühle hinter anderen wichtigeren zurücktreten (6). Daß damit der Wert des Eindrucks nicht verschwunden ist, zeigt sich bei der Reproduktion der Vorstellungen, indem diejenigen am leichtesten und zuverlässigsten reproduziert werden, denen ein ausgeprägter Wert anhaftete (7), und es gibt keinen Begriff, keine Vorstellung, die bloß intellektueller, ungewerteter Besitz des Geistes wäre. "Wir fassen den Begriff der Einheit nicht, ohne zugleich ein Gefühl der Befriedigung zu genießen, das sein Inhalt einschließt, den des Gegensatzes nicht, ohne zugleich die Unlust der Feindseligkeit mitzuempfinden; Ruhe, Bewegung und Gleichgewicht beobachten wir weder an den Dingen, noch entwickeln wir uns ihre Vorstellungen, ohne uns mit unserer ganzen Lebendigkeit in sie hineinzuversetzen und den Grad und die Art der Förderung oder der Hemmung mitzufühlen, die für uns aus ihnen hervorgehen könnten" (8). Wenn wir einmal auf die zusammenfassende, systematisierende Tätigkeit unserer Vernunft achten, dann finden wir, daß nicht theoretische Erkenntnisse und Resultate empirischer Beobachtung, sondern jene Wertgefühle unsere Arbeit bestimmen und leiten. Wir möchten vom Weltall ebensowohl die zählbare Endlichkeit einer bestimmten Größe wie auch die unvollendete und unvollendbare Grenzenlosigkeit abhalten, wir verlangen von seiner Vorstellung, daß sie ein Ganzes und innerlich abgeschlossenes Eines darbietet, das doch zugleich das Umfassende aller einzelnen ist, und wir folgen dabei nicht mehr der bloßen Neigung eines gleichgültigen Verstandes, "sondern den Eingebungen einer wertempfindenden Vernunft, die auch das Denkbare abweist, solange es nur denkbar ist und nicht durch die innere Würde seines Inhaltes zugleich die Anerkennung seiner Gültigkeit in der Welt erringt" (9). In seinen bescheidensten Anfängen wie in seiner allerhöchsten Flugbahn folgt das Denken nicht einer rein theoretischen Tendenz, es ist vielmehr in allen seinen Betätigungen von Wertgefühlen begleitet, ja sogar von ihnen angespornt und geradezu gelenkt. Ebenso ist keine Willensbetätigung ohne Bezugnahme auf die Wertgefühle zu erklären; denn Wille ist nicht schon da, wo der Mensch unter der Gewalt eines naturartigen Drucks irgendwie handelt, sondern nur da, wo ihm zwischen verschiedenen Motiven die Wahl bleibt, und er wählt eben dies oder das, je nach dem Wert, der ihm eignet. Wenn der Wille die Triebfeder unseres Handelns ist, dann gilt auch selbstverständlich, daß dieses durch das Trachten nach Festhaltung und Wiedergewinn der Lust und nach Vermeidung des Leids bestimmt wird (10). Offenbar ist es nach allem dem kaum möglich, die zahlreichen Wertobjekte umfassend zu ordnend und vollständig zu klassifizieren. Jede Erscheinung der materiellen Welt, die uns umgibt, ist im positiven oder negativen Sinn Wertobjekt, ebenso haben die Menschen, die uns umgeben, in diesem Sinn als Wertobjekt zu gelten. Die Liebe oder der Haß, die ich ihnen entgegenbringe, das Wohl- oder Übelwollen, mit dem ich an sie denke, all das sind Wertungen, und wie ihre Person, so pflegen wir auch ihre einzelnen Eigenschaften zu werden: ihre geistige oder körperliche Arbeit, ihre Gefühle, Willensentschlüsse und besonders ihre Handlungen, die irgendeine Beziehung auf unsere eigene Person haben. Wir selbst sind uns eben in einem enormen Sinn Wertobjekt, bei allem, was wir leiden und tun, wofür die komplizierten seelischen Phänomene der Zurechnung und der Reue ebensogut wie die allgemein bekannten Tatsachen des Egoismus Zeugnis ablegen. Jedwede religiöse Betätigung ist eine Werthaltung; denn wir unternehmen sie, weil uns Gott selbst oder seine Gesinnung gegen uns wertvoll ist. Also nicht bloß Dinge, die wir gegenwärtig vor uns sehen, sind Wertobjekte, sondern auch gedachte oder geglaubte Größen, von denen wir Einwirkungen auf unser Wohl und Weh' hoffen oder befürchten (11). Zusammenfassend läßt sich sagen: Wertobjekte  sind  die verschiedensten Dinge, soweit sie nur fähig sind, Lust in uns zu erzeugen; Wertobjekt kann all das  werden,  was irgendwie zur Lusterzeugung in uns dienen kann. Der wenigstens als wahrscheinlich (12) hingestellte Satz: "Jeder Vorstellung haftet ein Wert von Lust und Unlust an, es gibt im Grunde keine ganz gleichgültige Wahrnehmung irgendeines Inhaltes" bedeutet, daß jeder Begriff, jeder Gegenstand des Universums, jedes lebendige Wesen mit allem, was es tut und leidet, wenn auch in noch so geringem Grad Wertobjekt bzw. Unwertobjekt ist, sofern es nur auf ein genießendes Bewußtsein einwirkt.

Wir haben durchaus keinen Grund, ein solches genießendes Bewußtsein allein im Menschen zu suchen, das charakteristische Kennzeichen für die Fähigkeit der Wertempfindung, das Gefühl der Lust und Unlust beobachten wir vielmehr auch an den Tieren (13), oder glauben es wenigstens mit Sicherheit aus ihrem Gebahren erschließen zu können. Gäbe es etwa noch mangelhafter organisierte psychische Wesen, etwa in der Art, wie sich LEIBNIZ die minder vollkommenen Monadenseelen gedacht hat, so würden sie auch nicht ohne die Fähigkeit, Werte zu genießen, vorgestellt werden können (14), und ebenso würde der höchst organisierte Geist, den wir denken, Gott, ein unbegreifliches Wesen, ein uvnerständliches Neutrum sein, wenn er für Lust und Unlust unempfänglich wäre (15). Wertsubjekt ist jedes seelische Wesen, wie vollkommen oder unvollkommen es immer organisiert sein mag, und das Vermögen, Werte und Unwerte zu genießen, ist insbesondere das charakteristische Kennzeichen all dessen, was man Persönlichkeit nennt, weil in ihm das Selbstbewußtsein zu seinem zeitlich ersten und seinem intensivsten Ausdruck kommt. (16) Da die einzelnen Akte des geistigen Lebens eng miteinander verbunden sind, so sind bei den Werthaltungen des Subjekts selbstverständlich alle geistigen Kräfte, Vorstellen, Fühlen und Wollen in Mitleidenschaft gezogen, aber vorzugsweise kommt doch das Gefühl in Betracht und zwar immer in ganz verschiedener qualitativer Bestimmtheit. Lust und Unlust, die beiden Ausdrucksweisen des Gefühls, "sind allgemeine Bezeichnungen, die in dieser Allgemeinheit nichts Wirkliches ausdrücken, vielmehr hat jede wirkliche Lust oder Unlust ihren eigenen, ganz spezifischen Charakter, und man kann sie keineswegs aus verschiedenen Anteilen einer allgemeinen Lust und Unlust zusammensetzen (17). Unserer beschränkten Einsicht und unbeholfenen Darstellungsweise ist es freilich nicht möglich, alle die feinen Beziehungen aufzufassen und auszudrücken, die zwischen den Gefühlen untereinander und den übrigen geistigen Funktionen bestehen, die Tatsache steht jedoch fest, daß es sich nie um eine allgemeine, sondern immer um eine charakteristisch bestimmte Lust handelt (18). Eine andere Frage ist die, ob in allen Wertungen dem Gefühl die ausschlagende Bedeutung zukommt, gibt es doch Wertungen, bei denen das nicht schon durch den Ausdruck offen zutage zu liegen scheint. Wir reden von der Gesinnung eines Menschen und verstehen darunter seine Neigung, auf gewisse Vorstellungsinhalte z. B. auf Gott oder Vaterland, dauernd einen bestimmten Wert zu legen. Diese Gesinnungen sind zwar keine einfachen, bestimmten Gefühle, sondern eher Ursachen, aus denen nach Lage der Umstände die verschiedenartigsten Gefühle entspringen können, aber als Wurzeln bestimmter Gefühle sind sie doch mit ihnen gleicher Art und ihnen aufs nächste verwandt (19). Wir reden weiter von Werturteilen über Schönes und Gutes: auch diese beruhen nicht auf einer theoretischen Erkenntnis oder einer Einsicht in die Zweckmäßigkeit der gewerteten Erscheinung, sondern auf Gefühlen, nämlich den ästhetischen, bzw. moralischen Gefühlen. "Keine Musik ist für den, der die Entstehungsweise der Töne kennt, harmonischer als für den andern, der ohne diese Kenntnis einfach und unbefangen von ihr sein Herz bewegen läßt" (20), und ebenso sind die Urteile der Billigung oder Mißbilligung, die wir einer Handlung zuerkennen, nichts anderes "als der Ausdruck eines Wertes oder Unwertes, den wir nur im Gefühl wahrnehmen" (21). Die intellektuellen Elemente, die sich diesen Werthaltungen beimischen und hauptsächlich in der Auffindung und Verknüpfung der jene Wertgefühle erzeugenden Ursachen bestehen (22), kommen erst in zweiter Linie in Betracht; den Ausschlag im Werturteil gibt immer das Gefühl, und die verschiedenen Kategorien der Werturteile, angenehm, schön, gut sind Ausdrücke, die mit nur annähernder Deutlichkeit die verschiedenen Schattierungen des Gefühls wiedergeben.

Mit wie vielen Schwierigkeiten auch die psychologische Analyse der Wertgefühle verbunden sein mag, darüber meinen wir doch klar zu sein, daß die Wertgefühle nicht aus einem unbestimmt dunklen Grund unseres geistigen Wesens regellos emportauchen, sondern immer von irgendwelchenn Objekten und bestimmten Verhältnissen in ihnen abhängig sind. Das Unwertgefühl, das auf manche Eindrücke des Sehnervs folgt, wissen wir von den Gegenständen der Außenwelt abhängig; mit Wohlgefallen oder Mißfallen reagieren wir auf die Eindrücke des Gehörsinns, die uns von außen kommen, die Geruchsnerven setzen sich nicht von ungefähr in Bewegung und Tätigkeit, die Zunge vermittelt uns keine angenehmen oder unangenehmen Gefühle, wenn keine Gegenstände mit ihr in Berührung kommen, das Gefühl der Haut, das in uns die intensivsten Unwertgefühle hervorruft, ist immer durch irgendwelce Eindrücke von innen oder von außen veranlaßt. Aus zusammengesetzten Wertgefühlen schließen wir auf zusammengesetzte Erscheinungen, gesteigerte Wert- oder Unwertgefühle sehen wir an Veränderungen im Wertobjekt geknüpft. In der Regel verursachen Gegenstände, die eine schwach ausgeprägte Eigenart haben, mäßig betonte Wertgefühle: Der leichte Druck und Stoß auf die Haut ist kaum merklich, der heftige unerträglich, manchmal wird durch eine Steigerung dessen, was die Lust verursacht, der lustvolle Eindruck in sein Gegenteil verkehrt (23). Das Licht ist uns bis zu einem gewissen Grad angenehm, wird es zu einer größten Intensität gesteigert, dann blendet und belästigt es uns. Bei den Sinnesempfindungen kann man es sogar bis zu einem gewissen Grad zahlenmäßig feststellen, wie die Veränderungen in den Gefühlen des Wertsubjekts von den Veränderungen im Wertobjekt abhängig sind, haben doch WEBER und FECHNER in dieser Richtung bedeutsame und nicht erfolglose Versuche gemacht (24); bei den komplizierten Wertgefühlen ist die Möglichkeit einer zahlenmäßigen Feststellung dieser Abhängigkeit allerdings ausgeschlossen, aber wir meinen doch fest davon überzeugt sein zu dürfen, daß die reichhaltige Skala unserer Wertgefühle und Stimmungen nur durch die Anregung, gewissermaßen als Widerschein der buntfarbigen, vielgestaltigen Wirklichkeit, zu erklären ist. Unser ästhetisches Gefühl weidet sich an schönen Dingen, die sich durch ihre feinen Farben und ihre durchgängige Ebenmäßigkeit auszeichnen, unser sittliches Gefühl wird durch gute Handlungen, Gesinnungen oder Willensentschlüsse in wohltuender Weise angeregt. Wir beobahten demnach eine durchgängige Ebenmäßigkeit auszeichnen, unser sittliches Gefühl wird durch gute Handlungen, Gesinnungen oder Willensentschlüsse in wohltuender Weise angeregt. Wir beobachten demnach eine durchgängige Abhängigkeit unserer Wertgefühle von den Wertobjekten und den bestimmten Verhältnissen in ihnen.

Andererseits läßt sich durch ebendieselben Beispiele belegen, daß die Werthöhe durchaus ebendieselben Beispiele belegen, daß die Werthöhe durchaus von der Beschaffenheit des Wertsubjekts abhängig ist. Zeigen läßt sich das zunächst durch einen Rekurs auf die Entstehung unserer Sinnesempfindungen. Das Wertgefühl, das sich in Verbindung mit den verschiedenen Reizen einstellt, richtet sich nicht nur nach der Natur dieser Reize, sondern ebensosehr nach der Eigenart des empfindenden Organs, und zwar sind die Wertgefühle oft umso intensiver, je weniger fein die betreffenden Organe gebaut sind. "Farben und ihre Kontraste erregen bloß Wohlgefallen oder Mißfallen, Dissonanzen von Tönen beleidigen schon den Hörer persönlich; Lust und Unlust des Geruchs und Geschmacks sind schon viel intensiver; aber erst in der Haut, die für sich allein wenig Erkenntnis liefert, und in den inneren Teilen, die dazu gar nichts beitragen, nimmt die Unlust den Charakter des Schmerzes an". (25) Sind wir berechtigt, die Sinne in eine Skala zu ordnen, deren feinstes, bestorganisiertes Glied der Gesichts-, dessen gröbstes der Gefühlssinn in der Haut ist, dann gilt, daß sich in den höheren Sinnen die leidenschaftliche Stärke der Gefühle allmählich verliert, daß der gröbst organisierte das empfindende Bewußtsein zu den intensivsten Wertungen, allerdings negativer Art, veranlaßt. Andererseits eignet gerade diesen intensivsten Wertungen am wenigsten eine qualitative Bestimmtheit. So können wir die Art und Weise eines Schmerzes zwar anderen durch verschiedene Bilder: bohren, reißen, stechen oder nagen deutlich machen, die wirkliche Beschaffenheit der schmerzvollen Erregung jedoch niemals vollkommen beschreiben. (26) Unser bestorganisiertes Sinnesorgan, das Auge dagegen, vermittelt wenig intensive, dagegen qualitativ sehr bestimmte Wertungen, indem es mit einer gewissen "kühlen Unparteilichkeit" die unendliche Vielheit fein aufeinander bezogener Punkte aufnimmt, sie in derselben unverworrenen Deutlichkeit dem Bewußtsein darstellt und so Wertungen bewirkt, in denen die Eigentümlichkeiten der gewerteten Erscheinung zu deutlichsten Ausdruck kommen. (27) Trotz einer weitgehenden Gleichartigkeit in der menschlichen Organisation ist das für Wertungen besonders wichtige Nervengeflecht so verschieden gebaut, durch so verschiedene Eindrücke von körperlicher und geistiger Seite aus in seiner Eigenart bestimmt,, daß wenige Menschen auf dieselben Sinneseindrücke hin in derselben Weise lustvoll oder leidvoll erregt werden. Ein Schmerz, der dem einen kaum merklich zu sein scheint, ist dem andern bereits unerträglich; eine Speise, die diesem wohl mundet, kann jenen gar nicht reizen, ist ihm vielleicht sogar unangenehm, ein Wohlgeruch entzückt den einen und ist dem andern lästig. Wenn sich auch in uns hie und da ein Gefühl der Unbefriedigung über diese Verschiedenheit äußert und wir unser Urteil gern für alle verbindlich halten möchten, so geben wir uns doch bei einer gewissen Reife der Bildung und Erkenntnis mit der Tatsache zufrieden, daß sich das Wertgefühl bei den einzelnen verschieden äußert und daß sich über den Geschmack - im weitesten Sinne genommen - nicht gut streiten läßt (28). Es sind vier Gruppen von Werten, an denen wir das Subjektive in der Natur der Werte noch weiter deutlich machen wollen. Zunächst die Gruppe der materiellen Werte. Der Arbeiter arbeitet und empfängt dafür einen bestimmten Lohn; nach welchem Gesichtspunkt wird die Höhe des Lohnes bestimmt? Zu unserem Leidwesen niemals danach, wieviel der Mann an eigener Kraft geopfert und in seine Arbeit gesteckt hat, sondern immer danach, wieviel sie in den Augen der mitlebenden Gesellschaft bedeutet, einerlei ob diese die Leistung richtig anerkennt oder wegen der vielen Angebote schmählich mißachtet. Ist beim Kauf und Verkauf das Bedürfnis und die Neigung des einzelnen oft allein maßgebend, so bestimmt im großen wirtschaftlichen Getriebe die mitlebende Gesellschaft Preis und Lohn, die Werte schwanken dementsprechend, und es ist geradezu unmöglich, den Wert einer Arbeit, eines Besitztums, einer Ware unabhängig vom Wertsubjekt zu bestimmen. Einzelne oder das Kollektivsubjekt "mitlebende Gesellschaft" bestimmen Preis und Wert. (29) Wenn wir nun von den ästhetischen Werten handeln, dann zeigt uns allerdings ein Blick auf die künstlerischen Leistungen der einzelnen Völker, daß es einfache Formen gibt, zu deren Ausprägung eine überall gleiche Neigung den Menschen unter den verschiedensten Verhältnissen der Kultur getrieben hat, daß überall da, wo Spiel und tanz oder irgendeine feierliche Begehung stattfindet, die Zeit nach irgendeiner Art des Taktes, der Raum nach irgendeiner Symmetrie gegliedert wird. (30), aber es wäre doch voreilig, daraus zu schließen, daß die Ideale der Kunst überall und zu allen Zeiten dieselben gewesen wären. Mag der Glaube an die Geltung ewiger Gesetze der Schönheit noch so eifrig verfochten werden, die empirische Untersuchung kann uns nur zeigen, wie verschieden die einzelnen Völker ihren künstlerischen Geschmack ausgebildet haben und wie wenig wir nach Lage der Dinge berechtigt sind, dem, was wir gerade schön finden, nun auch unabhängig von unserem Geschmacksurteil das Prädikat "schön" beizulegen. Die alten Völker des Morgenlandes haben bei ihren Kunstschöpfungen einem Zug ins Kolossale nachgegeben; das Beste an den poetischen Resten, die uns überliefert sind, trägt den Stempel der Erhabenheit, und ebenso ist ihre Plastik aus der Sehnsucht heraus geboren, das Gefühl der eigenen Nichtigkeit innerlich durch solche Kunstschöpfungen zu überwinden, die vermöge ihres dauerhaften Baus den Stürmen der Zeit Trotz bieten (31). Der Grieche (32) spottete über die ungeschlachten zyklopischen Formen, liebte die fein verschlungenen, harmonisch bis ins Kleinste abgestuften Gebilde, der Römer (33) verachtet alles, was an Spielen und Tändeln erinnern könnte und bevorzugt strenge, ausdrucksreiche Formen, bei allem Verständnis für das Elegante (34), während die Phantasie des Mittelalters den Blick des Grübelns ausbildet (35) und vornehmlich tief religiöse Geheimnisse in ihre künstlerischen Schöpfungen hineinlegt. Anders wieder ist die Phantasie der neueren Zeit gerichtet. Wir von heute suchen ernsthaft die Vergangenheit zu verstehen, finden infolgedessen sogar in den massigen Gebilden des Orients ein Element von Schönheit und viel Mustergültiges vornehmlich in den Schöpfungen der antiken und mittelalterlichen Kunst, aber wir sind doch keineswegs gewillt, die Wertschätzungen der Vergangenheit unbesehen zu übernehmen (36). Die neue Zeit entwertet auch auf künstlerischem Gebiet manches Alte und ruft durch die Veränderung der Geschmacksrichtung andersartige künstlerische Werte ins Leben. Wir sehen also: Was schön ist, das steht nicht ein für allemal fest als etwas im Gegenstand selbst Liegendes, sondern auch das Schöne ist zu den verschiedenen Zeiten verschieden bestimmt worden und dem ästhetischen Werturteil haftet immer etwas Subjektives an. Zu keinem anderen Resultat führt uns die empirische Untersuchung der Werturteile über das Gute. Man meint zwar leicht bestimmen zu können, was gut ist, weil uns gewisse Normen für das Handeln sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen sind; wenn jedoh einmal die Sittlichkeit der verschiedenen Völker verglichen wird, dann sehen wir: Das Gute ist ebensowenig wie das Schöne dem Fluß der geschichtlichen Entwicklung entnommen, es wird wie dieses auf den verschiedenen Kulturstufen verschieden bestimmt. Was dem einen Zeitalter als heilige Pflicht erschien, z. B. die möglichst grausame Tötung des gefangenen Feindes, erscheint uns als unmenschliche Barbarei; zeremonielle Handlungen, die uns als völlig gleichgültig erscheinen, werden bei unkultivierten Völkern außerordentlich hoch gewertet und ihre Unterlassung wird mit schweren Bußen gesühnt (37). Es ist vornehmlich  ein  Punkt, in dem sich unser durch das Christentum bestimmtes ethisches Urteil von den bezeichneten Werturteilen der nichtchristlichen Völker bedeutsam unterscheidet.  Diese,  sogar die allerhöchststehenden unter ihnen wie die antiken Kulturvölker, haben den Wert des einzelnen Menschen unserer Überzeugung nach viel zu gering taxiert, dagegen den Wert der geschichtlich entstandenen Gemeinschaften viel zu hoch;  wir  urteilen ausgeprägt individualistisch und können weder in Stimmenmehrheit noch in Herkommen die Entscheidung über "Gut und Böse" finden. (38) Selbst unter denen, die sich in ihrem Handeln wesentlich nach denselben Zielen richten und von denselben religiösen Überzeugungen zumindest beeinflußt sind, ehen die Werturteile manchmal beträchtlich auseinander, insofern die einen in einem Tun um Gotteswillen, die anderen - wenigstens der Theorie nach - lediglich im Gehorsam gegen das Pflichtgebot den höchsten ethischen Wert sehen (39). Ein gewichtiger Grund für diese Verschiedenheit der Werturteile liegt darin, daß eben auch die ethischen Wertungen in einer lebendigen Verknüpfung mit den übrigen intellektuellen und auch materiellen Anlagen erfolgen, daher immer irgendwie durch die Eigenart der Völker und der einzelnen bedingt sind. Am ehesten könnten wir noch erwarten, daß sich die Grundbegriffe der theoretischen Wahrheit überall der gleichen Wertschätzung erfreuten, aber auch dies läßt sich nicht generell behaupten. Sehen wir nämlich von den rein formalen Denkgesetzen ab, die hier mit Bewußtsein und in entwickelter Gestalt, dort unbewußt und unentwickelt gebraucht werden (40), so finden wir, daß eine klare, umfassend-systematische Welterkenntnis nicht überall in gleichem Maße geschätzt und erstrebt wird, hat doch ein sonst so begabtes Volk wie das der Inder wenig Eifer für die völlige Aneignung der Wahrheit über die Welt gezeigt. Nicht einmal der Wert des Lebens selbst steht überall gleich hoch im Kurs; denn je nach Sinnesart und Schicksalen haben die einzelnen wie die Völker ihn sehr hoch oder sehr niedrig bestimmt. (41)

Fassen wir nun die Resultate des 1. Teils zusammen, so ergibt sich etwa folgendes: Eine Darstellung der LOTZE'schen Wertlehre muß folgerichtig mit einer kurzen Untersuchung über die Gefühle und ihre Mitwirkung im Getriebe des geistigen Lebens beginnen; denn wo sich Gefühle regen, da liegt allemal auch ein Wert zugrunde. Unter einem Wert verstehen wir demnach eine Eigentümlichkeit in Personen oder Sachen, aus der wir unsere angenehmen oder unangenehmen Gefühle herleiten. Das Vermögen, Werte zu empfinden, ist das Gefühl. Weil dieses sich nicht bloß hie und da einmal regt, sondern alle Akte des geistigen Lebens vom einfachsten bis zum kompliziertesten begleitet und im Grunde die entscheidende Rolle bei unserem menschlichen Tun spielt, darum waren wir bei einer empirischen Untersuchung der Werte genötigt, alle die weiten Gebiete des geistigen Lebens wenigstens flüchtig zu durchstreifen. So einflußreich die Wertgefühle auch auf seine Entwicklung sind, so schwer ist es doch, sie mit ihren bewirkenden Ursachen in einer systematischen Ordnung darzustellen; denn das Wertgefühl hat allemal etwas Unberechenbares, Unzuverlässiges an sich. (42) Infolgedessen beobachten wir in der Wertbestimmung nahezu aller Dinge des täglichen Lebens ein beträchtliches Schwanken: Lust, Neigung, Bedürfnis und tausend kleine Umstände vermögen den Wert einer Sache beträchtlich zu erhöhen oder auch herunterzudrücken. Die Werte des Schönen, Wahren und Guten nehmen unter den verschiedenen anderen ein besonderes Interesse in Anspruch, weil man der Meinung ist, daß sie nicht von einem allgemeinen Schwanken berührt werden. Dabei läßt man sich allerdings vom eigenen Gefühl einen Streich spielen; denn aus der hohen Verehrung, die wir dem nach unserer Meinung Schönen und Guten zollen, folgt noch nicht, daß alle Völker und alle Menschen eben dieses nun auch für schön und gut halten müßten. Die auf induktivem Weg gewonnene Definition des Schönen und des Guten würde etwa lauten: schön und gut ist das, was in geistigen Wesen von bestimmter Charakteranlage und sittlicher Entwicklung ein intensives Wertgefühl, hier mit einem Antrieb zum Handeln, dort ohne denselben erzeugt (43), und es ist gar nicht ausgemacht, ob in einem anders organisierten Wesen nicht auch diese Werte als Unwerte gefühlt werden können, gibt doch die empirische Untersuchung zu recht radikalen Thesen derart Anlaß. Danach scheint es ein Grundgesetz für die Beurteilung aller Werte, insbesondere auch der ästhetischen und ethischen zu sein, daß sie von einem wertempfindenden Subjekt bestimmt werden.
LITERATUR - Franz Chelius, Lotzes Wertlehre, Erlangen 1904
    Anmerkungen
    1) Vorwort zu "Mikrokosmus", Bd. 1, Seite XV.
    2) Mikrokosmus, Seite 604
    3) Logik und Enzyklopädie der Philosophie, Seite 115 - 117
    4) Mikrokosmus I, Seite 269 und 243.
    5) Vorlesungen zur Psychologie, Seite 20
    6) Vorlesungen zur Psychologie, Seite 44
    7) Vorlesungen zur Psychologie, Seite 20
    8) Mikrokosmus I, Seite 273
    9) Mikrokosmus I, Seite 274
    10) Mikrokosmus II, Seite 314
    11) Mikrokosmus I, Seite 277f
    12) Vorlesungen zur Psychologie Seite 44
    13) Mikrokosmus II, Seite 183
    14) Mikrokosmus I, Seite 398
    15) Mikrokosmus, Seite III, Seite 40 - 41f
    16) Vorlesungen zur Psychologie, Seite 48
    17) Vorlesungen zur Psychologie, Seite 45
    18) Mikrokosmus I, Seite 271
    19) Vorlesungen zur Psychologie, Seite 46 - 47
    20) Mikrokosmus II, Seite 178
    21) Vorlesungen zur Psychologie, Seite 46
    22) Mikrokosmus III, Seite 561
    23) Vorlesungen über praktische Philosophie II, Seite 185
    24) Vorlesungen zur Psychologie, Seite 9f
    25) Vorlesungen zur Psychologie, Seite 45
    26) Mikrokosmus II, Seite 183
    27) Mikrokosmus II, Seite 185
    28) Mikrokosmus II, Seite 325
    29) Vorlesungen über praktische Philosophie, Seite 59
    30) Mikrokosmus II, Seite 199
    31) Mikrokosmus III, Seite 284f
    32) Mikrokosmus III, Seite 289f
    33) Mikrokosmus III, Seite 302
    34) Mikrokosmus III, Seite 306
    35) Mikrokosmus III, Seite 316
    36) Mikrokosmus III, Seite 318 und 324f
    37) Mikrokosmus II, Seite 312
    38) Mikrokosmus III, Seite 361
    39) Mikrokosmus III, Seite 357
    40) Mikrokosmus I, Seite 277
    41) Mikrokosmus III, Seite 342f
    42) Mikrokosmus I, Seite 271 und 275
    43) Logik und Enzyklopädie der Philosophie, Seite 113