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FRIEDRICH GOTTL-OTTLILIENFELD
(1823-1900)
Herkömmliche Logik

Über die Grundbegriffe
Haushalten und Unternehmen
Werben und Erwerben
Wirtschaft und Gesellschaft
"...daß wir unwillkürlich  jedem vereinzelten Worte gegenüber etwas von dem empfinden, was man den  Glauben an die alleinselig-machende Definition nennen könnte."

Die vielberufenen Worte lenken die Aufmerksamkeit des wissenschaftlichen Denkens schon als bloße Worte auf sich, kraft ihrer Eigenschaft als die eingeborenen Fachausdrücke der Nationalökonomie, und so treten sie einzeln und allmählich aus dem Dunkel der Sprache hervor, und drängen nach ihrer Aufzählung. Der Hergang dabei ist schon im Voraus erläutert worden, und seither ließ sich mancher ergänzende Zug nachtragen. Es erübrigt sich nur mehr, die  Sinnesmeinung  zu erwägen, in der dieser Vorgang zur Tatsache wird.

Mit jener Sinnesmeinung steht die Art und Weise in Frage, wie das nationalökonomische Denken von den Eingeborenen Fachausdrücken Notiz genommen hat. Darüber entscheidet aber eine  Eigenheit des wissenschaftlichen Sprachgebrauchs;  genauer gesagt, etwas, das ich hier in jener Form aufzeige, in der sich alle Angelegenheiten unseres Denkens an letzter Stelle zur Geltung bringen: als eine Sache des wörtlichen Ausdrucks.

Denn schon unter dieser Einschränkung wird es klar, weshalb allein nur die Bezeichnung "Grundbegriffe" vom Herkommen getragen wird, und sich zähe neben den anderen behauptet, - "Grunderscheinungen", "Grundtatsachen", - die erst im Widerspruch gegen sie aufgekommen sind. Es wird sich eben zeigen, wie die Worte, die in der angedeuteten Weise dem wissenschaftlichen Denken sich aufdrängen, notwendig  dieser  Bezeichnung in die Arme laufen.

Jene Eigenheit des wissenschaftlichen Sprachgebrauchs wird als solche freilich nicht empfunden; eher als das ganz und gar Natürliche. So tief wurzelt der Brauch,
    "überall dort von einem "Begriffe" zu reden, wo immer das wissenschaftliche Denken Anlass findet, ein Wort aus seinen sprachlichen Zusammenhängen auszulösen, um nachsinnlich über ihm zu verweilen".
Für die laufende Erwägung kommt diese Sprachsitte nur in ihrer nackten Tatsächlichkeit in Anschlag, ohne Rücksicht auf ihren tieferen Gehalt. Trotzdem empfiehlt sich der Hinweis, daß jener Brauch durchaus nicht harmlos ist, noch daß er sozusagen in der Luft hinge, als ein zufällige Laune der Sprache.

Die Dinge liegen also so, daß man ein vereinzelt betrachtetes Wort, zum Beispiel "Wirtschaft", oder "Wert", gar nicht als solches würdigt, sondern sofort als "Begriffe" anspricht. Es sei denn, man ginge der sprachlichen Vergangenheit dieser Worte nach, ihrem Lautwandel. Auf sprachwissenschaftlichem Gebiete gilt jener Brauch überhaupt nicht. Es liegt nahe, daß der Ausdruck "Wort" doch wenigstens dort nicht zu kurz kommt, wo er von der Bedeutung eines Fachausdrucks ist. Das trifft auch, nur wieder in einem anderen Geiste, für die wissenschaftliche Logik immer mehr zu.

Gegenüber einem solchen Lautgebilde, wie es im Schoße der lebenden Sprache aufwächst, zugleichmit seinem einfachen oder verwickelteren Verhältnissen zu unserem Denken, da ist eben nur die Bezeichnung "Wort" die wirklich harmlose, die in nichts vorgreift und unverbindlich bleibt für alles Eingehen auf den näheren Tatbestand. Ganz anders, sobald man sich jenem Brauche hingibt, und von Haus aus von einem "Begriff Wirtschaft", oder von dem "Begriff Wert" spricht. In irgend einem Sinne gewiss, gleichviel in welchem, hat man sich durch diese Aussage schon dafür verbunden, wie man über das Verhältnis denken soll, das zwischen dem mitausgesagten Worte und unserem Denken in Geltung steht. Eine  Voreiligkeit  liegt da zweifellos vor. Ob auch ein  Fehler in der Sache  vorliegt, das läßt sich nicht ohne weiteres entscheiden, und soll ganz in der Schwebe bleiben.

Man darf auch nicht glauben, daß ein solcher Brauch harmlos sei, und ohne Folgen bleibe, weil schon die Gewohnheit, so zu reden, allen Nachdruck auf das entscheidende Wort hintanhält. An diesem Worte selber, "Begriff", da hinge allerding nichts; ob man es dem anderen jenem Worte, über dem unser Denken nachsinnlich verweilen will, voransetzt, oder nicht voransetzt. Soweit ist der Name Schall und Rauch.  Aber dem Worte folgen die Gewohnheiten unseres Denkens

Die Auffassungen, die sich ihm zu verknüpfen pflegen, wo es ernst genommen wird, vielleicht als Fachausdruck, diese Auffassungen schleppt es auch dorthin nach, wo es nur in der Hingabe an einen Sprachgebrauch verwendet wird. Was aber schwerer wiegt:  im gegebenen Augenblicke setzen sich diese Auffassungen in die Tat um.  Dann hat man gut von Schall und Rauch sprechen, die Folgen der "blossen Nennung" werden bedenklich greifbar.

Nur im Anstreifen sei daran erinnert, daß dem Ausdruck "Begriff" in alle seine Verwendungen das  Gebot der Definition  nachfolgt. Wo immer die Verhältnisse bestehen, die man bei der  Begründung  dieses Gebots im Auge hält, ist das letztere zweifellos am Platze. Wenn aber das auslösende Wort "Begriff",  blindlings  einschlägt, in der blinden Hingabe an eine blinde Sprachsitte verwendet, dann kann ebensogut das Rechte getroffen werden, wie auch das Falsche.

Für die Worte, die trotzdem zu ihrer Definition verurteilt werden, ohne die Bezeichnung zu verdienen, die ihnen ein trügerischer Brauch an den Hals gehängt hat, für diese Worte heißt es dann eben: "Begreif dich, oder fress dich!" Warum soll es nicht Worte geben, die ihrem besonderen Verhältnis zu unserem Denken nach überhaupt keiner Definition zugänglich sind; als richtige Wechselbälge von Wesen und Beruf! Das eine ist natürlich mit  jedem  Worte, überhaupt mit jeder Lautfolge möglich, daß man den Stiel umkehrt, und erst  durch  die Definition in Willkür einen  Namen  schafft; wobei es noch fraglich bleibt, ob sich jedes Wort gutwillig dazu hergibt; ob es nicht zwei Seiten weiter der WIllkür entschlüpft, und sich so verstehen läßt, wie ihm der Schnabel undefinierlich gewachsen ist.

Das sind lauter Dinge, die sich nur  von Fall zu Fall, von Wort zu Wort  entscheiden lassen; man darf da nichts über einen Kamm scheren, nichts im Voraus wissen wollen. Aber jene Sprachsitte, höflich gesagt, die will beides; bis zu letzten Neige. Und mit dieser Gewohnheit schleicht sich dieses Vorwissen so sehr in unser Denken ein, daß wir unwillkürlich  jedem  vereinzelten Worte gegenüber etwas von dem empfinden, was man den  Glauben an die alleinselig- machende Definition  nennen könnte; und sei es das ungebärdigste Naturkind der Sprache, dem hernach die Definitionen auswuchern, wie die Hydraköpfe.

Und schließlich auch die "Theorien". Denn wie die blinde Nennung als "Begriff" das Gebot der Definition nach sich zieht, und dieses Gebot ganz von selber das Streben nach der einen, nach der Definition erstehen läßt, die alle anderen aus dem Felde schlägt, so wächst aus diesem Glauben an die alleinseligmachende Definition schließlich noch ein anderer Glaube empor, ganz unvermeidlich: Der Glaube, daß jenes Wort, über das sich die erforderlichen Definitionen seither ergossen hatten, schlechthin  eines  sprachlich vertrete; etwas für jedermann Nämliches, das irgendwie  mehr  sein muß, als jener eine "Begriff", den schon jedes Durchschnittswort, den überhaupt jedes Wort schon als solches vorstellt - unter Gewähr des Sprachgebrauchs.

Dieses Eine kann dann "Erscheinung", und nur nebenher, gegen das Wort hin betrachtet, "Begriff" sein; oder vielleicht "Tatsache" und beileibe kein "Begriff"; das hängt dann ganz am persönlichen Geschmack. Im Ganzen eine Entwicklung, für die natürlich sehr Vieles noch mithilft, und die unter besonderen Umständen auch anders einsetzen kann;  die aber den kräftigsten Nährboden immer an jener Sprachsitte findet;  sie ist eine deutsche - und wo anders sind die "Theorien" so üppig ins Kraut geschossen, wie in der deutschen Nationalökonomie!

Aber selbst dieser Vorstoß, auch ihn vorläufig nur, um das Bild abzurunden, das ich in aller Eile von dem möglichen Gehalt jener "harmlosen Sprachsitte entwerfen wollte. Noch ein Wort über den tieferen Zusammenhang, dem sich diese Sprachsitte einflicht.

Mit dem Brauche, das nachsinnlich beschaute Wort "Begriff" zu heißen, gibt sich in einem einzelnen, aber markigen Zuge etwas nach Aussen kund, das ich als  herkömmliche Logik  bezeichnen möchte. Das Verhältnis des Wortes zum Denken ist freilich nur in einer beschränkten Hinsicht Gegenstand der Logik. Aber man tut dem Ausdrucke "herkömmliche Logik" keine sonderliche Gewalt an, sofern man ihm auch die erkenntnistheoretischen und psychologischen Voraussetzungen unterstellt, von denen das herkömmliche Denken unbewußt ausgeht.

"Denken in herkömmlichen Anschauungen" - wie diese Wendung gemeint ist, und eben nicht im Geiste eines Schlagwortes, das sofort auch ein anmaßendes wäre, sondern nüchtern und sachlich, das habe ich schon an früher Stelle zu erläutern gesucht; seither hat es wohl der einfache Hergang der Kritik klarer gemacht, in welchem Geiste man sich dieser Wendung bedienen darf. So wage ich es auch, von einer herkömmlichen Logik zu sprechen; abermals im Vertrauen, daß die Kritik nur weiterzulaufen braucht, um auch hier die Taufrede sachlich zu unterstützen.

Mit dem herkömmlichen Denken bedingt sich die herkömmliche Logik ganz ebenso, wie es Denken und Logik überhaupt tun. Die herkömmliche Logik baut sich einfach aus den logischen Anschauungen auf, von denen das herkömmliche Denken getragen wird; die ihrerseits jedoch wieder nur mit dem letzteren zugleich von Dasein sind.
    "Denn es ist die herkömmliche Logik zunächst nur eine Logik als Tat, gegeben mit dem wirklichen Gebaren eines verwirklichten Denkens."
Sie ist gleichsam das ungeschriebene Gewohnheitsrecht jenes Denkens, das an der Pflege der Wissenschaften tätig ist.

Nur in dem eingeschränkten Sinne dieses Gleichnisse ist die herkömmliche Logik die in die Tat umgesetzte Logik als Wissenschaft. Sie zweigt nicht eigentlich von dem ab, was man die  wissenschaftliche Logik  nennen darf, die im Fluß des Strebens nach Erkenntnis verharrt; sondern eher von dem, was öfters die Logiker selbst bekämpfen müssen, bald als "Schullogik" (MILL), bald als "formale Logik" (WUNDT); obwohl es zu jener Ruhe in sich selber gelangt ist, der man unwillkürlich Achtung entgegenbringen muß; die anderseits aber auch so gut auf das Herkommen reimt.

Nur diese "Schullogik"  - der Name fährt dem erklärenden Zusammenhang nach! -  ist es eben, die landläufig geworden und dem wissenschaftlichen Denken wirklich in Fleisch und Blut gedrungen ist.  So wird sie umgekehrt, für die Kritik am wissenschaftlichen Denken, als herkömmliche Logik erfahrbar. Danach steht zu erwarten, daß die Kritik öfters in die Lage kommt, von der herkömmlichen Logik an die wissenschaftliche Logik mit Erfolg zu appellieren. Vielleicht gerade auch in dem Punkte, auf den es hier ankommt.

Durch lauter halbe Vorgriffe, die ebensoviel verteidigende Angriffe waren, dürfte jene Eigenheit des wissenschaftlichen Sprachgebrauchs so weit im Klaren sein, daß ich von ihr so ausgehen kann, wie sie als schlichte Tatsache vorliegt: Jedes vereinzelt betrachtete Wort gilt einfach schon als solches als "Begriff".

Nun komme das nationalökonomische Denken also in die Lage, daß es für einen Seitenblick Zeit findet, auf sein eigenes Gebaren. Dann muß sich seine Aufmerksamkeit an den einzelnen der vielberufenen Worte fangen. Sei es, daß die Letzteren durch ihre  häufige Wiederkehr  auffallen; meinetwegen kann man sogar einen solchen Grad von Selbstbesonnenheit in Annahme stellen, daß  noch vor  der Erfahrung jener häufigen Wiederkehr sich irgendwie der  Zwang  fühlbar macht, jene Worte zu verwenden.

Ob sie so oder so aus dem Dunkel der Sprache emportauchen, kraft ihres eigenen Treibens, übermächtig dem Denken, jedenfalls erregen sie des letzteren Aufmerksamkeit. Weil aber jene Sprachsitte vorwaltet, kann das wissenschaftliche Denken von diesen Worten, indem sie als vereinzelte auffallen,  nicht anders Notiz nehmen, als daß es diese Worte einzeln als "Begriffe" entgegennimmt.  Das ist der schlichte Tatbestand, der vom Boden dieser Kritik aus noch einer zweifachen Erläuterung bedarf.

Die mehr oder minder tiefe Sinnesmeinung, die ein Hinzutritt der Bezeichnung "Begriffe" nach Aussen kündet, entzieht sich freilich aller Kenntnis. Weiß Gott, was der Einzelne dabei denken mag, wenn er irgend etwas als "Begriff" anspricht. Aber was immer er denken mag, viel oder wenig, flacht oder tief,  genau  das Nämliche sieht er dann mit jenen Worten vorliegen, die er als "Begriffe" entgegennimmt.

Das gilt bedingungslos. Es sei irgend eine solche Sinnesmeinung, die sich der Bezeichnung "Begriff" für ein Denken verknüpft, als "Weiß" verbildlicht. Dann liegt mit jedem der vielberufenen Worte für dieses Denken jenes "Weiß" vor, und möge der Tatbestand, der hier wirklich unterläuft, hundertmal eher als "Schwarz" zu verbildlichen sein. Hier setzt nun gleich die zweite kritische Erläuterung fort.

Faßt man den Tatbestand ins Auge, daß das nationalökonomische Denken die vielberufenen Worte einzeln als "Begriffe" entgegennimmt, so hängt das Interesse der Kritik dabei nicht an dem, was  nachher vor sich geht,  sondern nur an dem,  was vorher ausgeblieben war!  Jeder tätige Eingriff des wissenschaftlichen Denkens war ausgeblieben. Aus dem Dunkel der Sprache steigen diese Worte durch ihr  eigenes  Gebaren empor; das wissenschaftliche Denken braucht sich gerade nur Zeit nehmen, diesen Vorgang duldend zu erleben.

Und die Bezeichnung "Begriff" tritt zu den einzelnen dieser Worte wieder dadurch, daß sich das wissenschaftliche Denken jener  Sprachsitte  leidend ausliefert.
    "Tat und Wirken beginnen für das wissenschaftliche Denken erst dort, wo ihm für seine Auffassung bereits der "Begriff Wirtschaft", der "Wertbegriff", und so fort, vorliegen."
Dann freilich, von da ab werden diese Worte bedingungslos als "Begriffe" behandelt - oder mißhandelt; das hängt ja nur an den fallweisen Umständen, über die hier zur Tagesordnung übergegangen wird. Worte sind ja geduldig, nur wie die Erkenntnis dabei fährt, ist die Frage. Die Worte selber jedoch lassen sich in jedem Falle als "Begriffe" definieren, differenzieren, rubrizieren, die Definitionen zu "Theorien" ausbauen.
    "Und wenn es uns glückt, Und wenn es sich schickt, So sind es Gedanken!"
Aber diese ganze und umständliche Geschichte  folgt erst hinterher,  und änder daher nicht das Geringste mehr an der entscheidenden Tatsache, daß jene Worte nicht etwa so aus ihrer Verborgenheit aufgegriffen werden, daß man sie als "Begriffe" erkennen würde, und gleichviel, was diese Erkenntnis in sich schließen müßte;  sondern daß sie als Worte auftauchen, und nur äußerlich jene Bezeichnung "Begriffe" sofort aufgestülpt erhalten, die hier wie irgendwie über die Sinnesmeinung entscheidet. 

Reihenfolge und Tempo dabei sind ebenso gleichgültig, wie der ganze nähere Hergang; zum Beispiel gleich die Art, wie sich das Verhalten der verschiedenen Pfleger der Wissenschaft gegenseitig beeinflußt. Nur im Allgemeinen sei erwähnt, daß  jegliche  Definition, von der ein Wort der lebenden Sprache befallen wird, zu einer  Wiederholung  des Versuches anreizt, dieses Wort in die rechte Stellung zu unserem Denken zu rücken; weil der Erfolg dabei vom Nächstbesten gleich wieder als ein unbefriedigender empfunden wird.

Von dem Worte, an dem sich das besinnliche Denken - Denken, das seiner eigenen Bedingungen zu achten strebt, - einmal gefangen hat, von diesem Worte kommt es nicht mehr los, und so kann ein solches Wort nicht gut mehr in das Dunkel der Sprache zurücksinken; sofern es innerhalb eines fachlichen Sprachgebrauches  dauernd  die Rolle spielt, um derentwillen es die Aufmerksamkeit erregt hat.

Für die eingeborenen Fachausdrücke aber trifft dies im Wesen zu,
    und so werden sie für das fachliche Denken über kurz oder lang dauernd von dem sprachlichen Hintergrund abstechen, dem sie entstammen;
Dieser Sachlage entspinnt sich nun ungezwungen der weitere Hergang.

Während es in Fühlung mit den vielberufenen Worten tritt, wird das nationalökonomische Denken auch sonst mit Vielerlei zu tun bekommen, um dessentwillen in der Nationalökonomie von "Begriffen gesprochen wird. Zum Teil in der Hingabe an jenen Brauch der Sprache; zum Teil aus anderen, vielleicht einwandfreieren Anlässen. Dort sieht man den "Begriff" mit einem Worte vorliegen, ausgelöst aus den sprachlichen Zusammenhängen, in denen sich das wissenschaftliche Denken zur Darstellung bringt.

Dann ist  zuerst das Wort  da, weil eben das wissenschaftliche Denken schon vorher an die Hilfe des Wortes gebunden war, ehe es nachsinnlich über ihm verweilt. Umgekehrt kann ein Wort zu einem Ergebnis des Denkens, das sich zunächst in vielen Worten darstellt, erst  hinzutreten;  in verständiger Willkür dafür auserwählt, dieses Ergebnis sprachlich zu vertreten; gleichgültig, ob man dieses Wort dazu neu bildet, oder fertig der Sprache entlehnt.

Dann war das beteiligte Denken nicht von Haus aus an die Hilfe dieses Wortes gebunden. Nicht das Wort, sondern die  Möglichkeit der Definition  war dann zuerst da. Näher brauche ich auf diese Sonderung hier nicht einzugehen. Denn im Geiste der herkömmlichen Logik liegt in  beiden  Fällen mit dem betreffenden Worte ein "Begriff" vor, und darauf allein kommt es für diesen Zusammenhang an.

Der Kreis der "Begriffe", die für das nationalökonomische Denken mit seinen eingeborenen Fachausdrücken vorliegen, verharrt in seinen engen Grenzen. Die Überzahl der  sonstigen  "Begriffe" schwillt dagegen stetig an. Einerseits häufen sich die Anlässe, die das nationalökonomische Denken in seinen verschiedenen Bereichen dafür findet, über hilfreichen Worten nachsinnlich zu verweilen.

Anderseits steigt mit seinen Leistungen der Bedarf an Namen.
    Mit diesen anderen "Begriffen" kommt aber das nationalökonomische Denken nur fallweise in Berührung;
nur in vereinzelten Bezirken seiner Tätigkeit häufiger, oder überhaupt nur selten. Für jene "Begriffe" darunter, die mit ausgelösten Worten vorliegen, unter Gewähr jener Sprachsitte, versteht sich das von selben. Ausnahmen sind nur unter den "Begriffen" denkbar, die nicht mit ausgelösten, sondern mit hinzutretenden Worten, mit richtigen Namen richtiger Ergebnisse vorliegen.

Und wirklich nur Ausnahmen. Denn gerade das erfahrungswissenschaftliche Denken läuft mit seinen Ergebnissen sozusagen in lauter Spitzen aus, bei denen es in der Regel abbricht. Aber nur diese Ausnahmen eifern den "Begriffen" nach, die mit den eingeborenen Fachausdrücken vorliegen. Weil nun schließlich jeder richtige Name als Fachausdruck anzusehen ist, so wird man die Worte, mit denen die Ausnahmen unter diesen "Begriffen" vorliegen, als  eingebürgerte Fachausdrücke  bezeichnen dürfen: die vielverwendeten Namen vielgeschäftiger Ereignisse.

In Bezug auf die Nationalökonomie erinnere ich zum Beispiel an "Produktivität", "Volkswirtschaft", "Tauschwert"; übrigens nur unter allen möglichen Vorbehalten, die inhaltlich noch nicht hierher gehören. Aber weder diese vereinzelten Nebenbuhler der eingeborenen Fachausdrücke, noch die fließenden Grenzen der letzteren erschüttern den Gegensatz, der sich zwischen den "Begriffen", die mit den eingeborenen Fachausdrücken vorliegen, und jenen  anderen  "Begriffen" fühlbar macht.

Je mehr die Nationalökonomie sich selber findet, je freier der Blick wird, den ein Denken nationalökonomischer Eigenart rings über die zerstreuten Bereiche seiner Tätigkeit zu werfen vermag, desto augenfälliger muß dieser Gegensatz werden. Auf der einen Seite die bunte, registerschwere Menge der "Begriffe", von denen man an die einen nur da, an die anderen nur dort stößt. Auf der anderen Seite das  Häuflein der Unvermeidlichen,  die "Begriffe", die mit den vielberufenen Worten vorliegen; denen man an allen Ecken und Enden begegnet, undnie ganz ausweichen kann; und besonders auch, wenne s auf die Definitionen der übrigen "Begriffe" ankommt.

Nach dem Eindruck genommen, den das nationalökonomische Denken hier empfangen muß, sondert sich für dieses Denken aus dem schillernden Gewimmel der "Begriffe", die ihm den ewigen Wandel und Wechsel bedeuten, da sondert sich die kleine Zahl der "Begriffe" aus, die in ihrer zähen Wiederkehr die Ruhe, das Bleibende darstellen.
    Dort also, wo ihre Aufzählung möglich wird, erscheinen sie aus dem Gesichtspunkte der Nationalökonomie als das Unverückbare;
dem Grund und Boden vergleichbar, über den wir wandern. Wenn die Bezeichnung "Grundbegriffe" nicht schon da wäre, in der Anempfindung an diese Sachlage könnte man sie erfinden! Und eben,  weil  die Umstände sie frei erfinden lassen, mußte diese Bezeichnung dem Herkommen verwachsen.

Es bleibt ja immerzu dahingestellt, was hinter den vielberufenen Worten eigentlich steckt, in welchem näheren Verhältnisse sie zum Denken im Allgemeinen, und besonders noch zum fachlichen Denken stehen. Wie aber diese Worte nur als solche zusammenkommen, wie nichts als ihr Zusammenhalt, ihre Artgemeinschaft als eingeborenen Fachausdrücke ihre schließliche Aufzählung zuwege bringt, das ist dadurch wohl noch klarer geworden, daß nun auch die Sinnesmeinung, in der sich jene Aufzählung vollzieht, nach ihren Anlässen offen liegt.
    In der Hingabe an die blinde Sprachsitte werden diese Worte als "Begriffe" entgegengenommen, und der bloße Eindruck, den ihr Gebaren hervorrufen muß, legt die Bezeichnung "Grundbegriffe" nahe.
So also, wie diese Bezeichnung für den nationalökonomischen Sprachgebrauch zur Tatsache wird, und dem Herkommen verwächst, bedeutet sie rein nur einen  Sammelnamen für aufdringliche Fachausdrücke. 

Abermals liegt die Bezeichnung schon vor, (und hier neben ihr noch die Möglichkeit, das so Bezeichnete aufzählen zu können,)  ehe das wissenschaftliche Denken zu tätigem Eingriff käme.  Ein zwingender Anlass ist dazu nicht vorhanden; man beruhigt sich einfach bei diesem vorgeschaffenen Sachverhalt, und spricht von "Grundbegriffen", als ob dies längst eine ausgemachte Sache wäre.

Es anders zu halten, setzt schon eine ziemliche Selbstbesonnenheit des Denkens voraus. Dann aber mangelt es dem Letzteren nicht an Anknüpfungspunkten; "Grundbegriffe" - wieviel Gedanken läßt ein solches Wort nicht anklingen, wie viele Vorstellungskreise schwingen da bei seinem Klange nicht mit! Allein, das Denken hat auch gebundene Marschroute: man weiß ja die "Grundbegriffe" sofort aufzuzählen.
LITERATUR - Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld, Die Herrschaft des Wortes, Untersuchungen zur Kritik des nationalökonomischen Denkens, Jena 1901