cr-4Jacobi - HumeVerycken - KausalitätIdentitätHume als Nominalist    
 
ALOIS RIEHL
David Hume und das
Problem der persönlichen Identität


Humes Kausalitätstheorie
Kritik des Kraftbegriffs
Über abstrakte Ideen
Die Wirklichkeit der Außenwelt
Ohne Vorstellungen kein Ich
- ohne Ich keine Vorstellung.

Die Methode, nach der HUME den Begriff des Selbst untersucht, verdient unseren Beifall. HUME zeigt zunächst, daß das Selbst keine besondere Vorstellung, sondern lediglich eine Beziehungsform der Vorstellungen sein.
    "Wenn ich recht tief in dasjenige eindringe, was ich mein Selbst nenne, so treffe ich allemal auf gewisse partikuläre Vorstellungen, oder auf Empfindungen von Hitze und Kälte, Licht oder Schatten, Liebe oder Haß, Lust oder Unlust. Ich kann mein Selbst nie allein ohne eine Vorstellung ertappen, was ich beobachte, ist nichts als eine Vorstellung,"
nichts Einfaches und Kontinuierliches, was diese Vorstellungen hat. Kurz ich bin, insoweit, nur ein Bündel, eine Vereinigungsform von Vorstellungen. Das heißt: HUME sucht sein vorstellendes Ich unter den Vorstellungen seine Ich; kein Wunder, wenn er es unter diesen nicht finden kann. Er der Suchende selbst ist das Ich, das er sucht.

Um nun nachzuweisen, wie überhaupt die Vorstellung der persönlichen Identität entstanden sein möge, untersucht HUME die verschiedenen Fälle und Bedeutungen der Identität. Der erste ist die Verwechslung der Ähnlichkeit aufeinanderfolgender, numerisch verschiedener Impressionen mit ihrer völligen Gleichheit vermöge des unmerklichen Übergangs der Phantasie von der einen zur anderen.

In gleicher Weise bleibt die wahrgenommene Identität bei einer sehr geringen Vergrößerung oder Verminderung eines Dinges und einer sehr allmählichen Veränderung desselben für die Vorstellung bestehen. Andere Fälle von Gleichheit sind Identität des Zweckes, bei künstlichen Gegenständen, und der Sympathie oder Gegenseitigkeit der Teile eines organischen Ganzen. Auch besteht eine besondere Art von Identität bei sehr rascher Veränderung, wenn eben diese das Wesen eines Dinges bildet: - die Identität eines Flußes.

Die Identität der Person ist jenes erdichtete Etwas, von derselben Art, wie das, welches wir den pflanzlichen und tierischen Körpern zuschreiben. Sie rührt von dem sanften und unmerklichen Fortschritt der Gedanken her. Sie ist keine reale Vereinigung, sondern eine Verknüpfung in der Einbildung. Das Gemüt ist ein System verschiedener Vorstellungen oder verschiedener Existenzen, einem Freistaate gleich, in welchem die verschiedenen Glieder gesetzlich durch Regierung und Subordination vereinigt sind. In diesem Satze, der nur richtig ist, wenn der Nachdruck auf das Wort  System  gelegt wird, erscheinen die Vorstellungen verdinglicht, sie werden aus dem Zusammenhange, in welchem und durch welchen sie allein Vorstellungen sein können, herausgehoben, - ein charakteristisches Merkmal jeder reinen Assoziationspsychologie.

HUME bestreitet, daß das Selbst Substanz oder von dinghafter Natur ist, mit Gründen, die denjenigen entsprechen, welche nachmals KANT für den gleichen Zweck gebraucht hat. Wäre das Selbst ein realer Begriff, erklärt er, so müßte es von einer Impression abstammen. Nun ist es aber keine Impression, sondern das, worauf, wie man annimmt, alle unsere Impressionen und Begriffe eine Beziehung haben. Enstünde es aus einer Impression, so müßte diese eine solche sein, die unseren ganzen Lebenslauf hindurch dieselbe bliebe, da ja angenommen wir, daß es auf diese Art existiere. Es gibt aber keine einzige, sich stets gleiche und unveränderliche Impression.

Man vergleich damit die Worte KANTs: das Ich ist eine Substanz nur in Gedanken; um die Kategorie der Substanz auf das Ich anzuwenden, fehlt es an einer beharrlichen Anschauung. Ohne Vorstellungen kein Ich:
    "sind meine Vorstellungen eine Zeitlang aufgehoben, wie im tiefen Schlafe, so fühle ich während dieser Zeit mein Selbst nicht, und man könnte sagen, daß es gar nicht existierte."
Aber auch, fügen wir hinzu: ohne Ich keine Vorstellung. An diesen ebenso wahren Gegensatz hat HUME nicht gedacht. Er läßt die Identität des Bewußtseins aus dem Gedächtnis hervorgehen;
    "Das Denken allein ist es," nach ihm, "das persönliche Identität entdeckt, wenn es auf den Zug der vergangenen Vorstellungen, die den Geist zusammensetzen, achtet und fühlt, daß sie miteinander verknüpft sind und die eine die andere naturgemäß hervorruft."
Dazu ist zu bemerken: so gewiß Einheit des Bewußtsein ohne Gedächtnis nicht möglich ist, ebenso gewiß beruht auch das Gedächtnis auf der Einheit des Bewußtseins; sie fordern sich wechselseitig, sie sind Moment eines einzigen Vorganges. HUME isoliert die Perzeptionen; die einzelnen Perzeptionen können für sich bestehen, erklärte er und übersah, daß sie damit aufhören müßten, Perzeptionen zu sein.

Um zu zeigen, daß das Selbst keine Impression sei, fordert er uns auf, ein Bewußtsein zu imaginieren, tiefer stehend als das einer "Auster" und auf eine einzige Vorstellung eingeschränkt, etwa die des Durstes, oder des Hungers, und bemerkt nicht die innere Unmöglichkeit dieser Fiktion.  Eine  Vorstellung könnte nie ein Bewußtsein bilden, sie könnte nicht  Vorstellung  sein. Weil HUME von dem Ergebnis einer Analyse ausging, konnte er nicht mehr zur ursprünglichen Synthese gelangen.

Diese aber ist das Bewußtsein selbst vermöge der ihm wesentlichen Einheit. Zwar hat, oder ist das Bewußtsein nur die Einheit einer Leistung, einer Tätigkeit, nicht die eines dauernden Dinges. Seine Stellung aber, als Ausgangspunkt aller Erfahrung, bringt es mit sich, daß seine Einheitsform den Rahmen gibt für alle übrigen, empirischen Formen des Zusammenhanges. So ist die allgemeine Einheit der Erfahrung, das systematische Grundgepräge der Dinge, wonach alle Erfahrungen wesentlich zu Einer Erfahrung gehören, zunächst der Reflex des in Anschauung und Denken einheitlichen Bewußtseins.

Die Gegenstände, die zur Erfahrung kommen können, m.a.W. von denen Erfahrung überhaupt möglich sein soll, müssen die Einheitsform des Bewußtseins haben. Es muß möglich sein, von ihnen einen Begriff zu bekommen. Tatsächlich intermittiert das Bewußtsein, zum Beweis, daß es nicht von substantieller Natur ist, sondern von aktueller; dennoch aber ist der über alle diese empirischen Unterbrechungen übergreifende Gedanke seiner Einheit und Kontinuität, Grund und Quelle aller übrigen Stetigkeitsvorstellungen.

Diese erkenntnistheoretische Bedeutung des Bewußtseins überhaupt, oder des Begriffes des Bewußtseins, die sich über alle Erscheinungen der Außen- wie der Innenwelt erstreckt, hat HUME übersehen, über der von ihm mit Recht verneinten Frage: ob das Selbst ein Ding sei oder ein Ding, eine Monade, zum Grunde liegend habe.

Seine Philosophie läuft daher dem Problem der Identität gegenüber in völlige Ratlosigkeit aus.
    "Aber alle meinen Hoffnungen schwinden, wenn ich daran gebe, die Prinzipien zu erklären, die unsere sukzessiven Perzeptionen in unserem Denken oder für unser Bewußtsein vereinigen. Es gibt zwei Grundsätze, die ich nicht in Einklang bringen kann: nämlich, daß alle unsere verschiedenen Perzeptionen für sich bestehen können, oder verschiedene Existenzen sind, und daß der Geist nirgends eine reale Verknüpfung zwischen Dingen, die verschieden sind, wahrzunehmen vermag. Ich, für meinen Teil," fährt HUME fort, "muß hier für mein Privileg als eines Skeptikers eintreten, wenn ich auch nicht behaupten will, daß die Schwierigkeit für immer unlösbar ist."
Hier rührt HUME an die Voraussetzung aller Erfahrung, die Quelle ursprünglicher, die Erfahrung ermöglichender Begriffe. Die Einheit des denkenden Ich als diese Quelle zu erkennen, hinderte ihn jedoch der Positivismus der  reinen  Erfahrung. Die Unmöglichkeit, von diesem Standpunkte aus irgendein synthetisches und zugleich objektiv gültiges Prinzip zu entdecken, mit anderen Worten die Unmöglichkeit, die Erfahrung im Sinne einer Erkenntnis von Dingen zu rechtfertigen, ist allein schon ein ausreichender, obzwar nur negativer Beweis gegen den reinen Empirismus. Diesem eigentlich hat HUME wider seine Absicht den Prozeß gemacht.

Keiner hat dies mit klareren Worten ausgedrückt, als HELMHOLTZ:
    "Das Streben, alle Erkenntnis auf Empirie zu gründen, endete bei HUME in der Leugnung aller Möglichkeit objektiver Erkenntnis."
Den Glauben der empiristischen Philosophie an ihr eigenes Prinzip zerstört zu haben, ist der Gewinn von HUMEs Skepsis. Es mußte daraus erhellen, daß Erkenntnis mehr ist als bloße Empirie, und Erfahrung mehr als ein Vergleichen, Verbinden und Verallgemeinern von Ideen, die nur in Nachwirkungen von Sinneseindrücken bestehen, und Anpassung des Verlaufs solcher Ideen an der Ablauf der Eindrücke.
LITERATUR - Alois Riehl, Der philosophische Kritizismus, Bd.I, Leipzig 1924