Der praktisch-vernünftige Wille ist absolut frei und unabhängig von der empirischen Tatsachenwelt, nicht wahr? Er orientiert sich an höheren Gesetzen, die der laufenden Wirklichkeit übergeordnet sind. Die Frage ist nur, wie man zu solchen Gesetzen kommt, woher diese ihre Richtigkeit und ihr Recht haben. Nicht, daß da ein paar Schlaumeier irgendwas ausbaldowern, das sich hinterher als totale Bauernfängerei herausstellt. Ein absolut freier Wille, aber nur, wenn er praktisch-vernünftig ist, sonst nicht. Und was praktisch-vernünftig ist, bestimmt das höhere Gesetz. Daß dabei irgendjemand auch etwas kapieren muß, davon ist keine Rede. Das steht auch prinzipiell gar nicht zur Debatte, weil es sich bei diesen höheren Gesetzen ja um eine logische Notwendigkeit handelt, die jeder "vernünftige" Mensch, der bis 10 zählen kann, verstehen muß. Ich glaube nicht, daß man mit so einer Idealvorstellung vom geistigen Zustand großer Bevölkerungsteile allzuweit kommt, wenn es darum geht, eine akzeptable Ordnung zu bwerkstelligen. Dabei wird es immer bei einer Parallelgesellschaft zwischen denen da oben und denen da unten bleiben. Da kann von keinem gemeinsamen Maß für alle Menschen die Rede sein, weil die Notwendigkeit von Herrschern gegenüber Beherrschten auf alle Zeit theoretisch festgeschrieben ist. Wie soll Leuten, die ganz gern ihre eigene geistige und seelische Freiheit für materielle Sicherheit aufgeben, klar gemacht werden, daß es falsch ist, was sie da tun, daß sie damit auf dem Stand eines zivilierten Tieres bleiben und ihre typisch menschlichen Eigenschaften dabei verkümmern? Dazu brauche ich einen Plan, mit dem auf so etwas wie eine eigene Urteilskraft eingewirkt werden kann, dazu braucht es einen Verstand, der weiß, was ein Widerspruch ist und daß Widersprüche auf die Dauer jeden Verstand kaputt machen. Wenn dann jemand immer noch der Meinung ist, der Sinn und Zweck seines Lebens besteht z. B. darin, der holden Weiblichkeit an die Wäsche zu gehen und darin sein Glück zu finden, dann wird man daran wohl nichts ändern können [solange man von einem beiderseitigen Einverständnis der Beteiligten ausgehen kann] und vernünftigerweise auch nichts ändern wollen, weil es dann ja die eigene Entscheidung ist und nicht einfach so passiert.
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