Zu beweisen, daß ohne Begriff keine Erfahrung möglich ist, heißt zu beweisen, daß es keine Erfahrung gibt, jedenfalls keine objektive. Objektive Gültigkeit bleibt ein Wunschtraum, bzw. eine freche Behauptung. Der Begriff ist ein konstituierendes Moment. Richtig! Aber nicht des Gegenstandes, sondern der Intention. Um Erkenntnis geht es nur insofern, als sie einem gewollten Zweck dient. Eine Erkenntnis oder Wahrheit ansich wäre so sinnvoll wie das wissenschaftlich beweisbare Abzählen aller Sandkörner auf diesem Planeten. Wo es um Wissen geht, will jemand immer etwas aus einem bestimmten Grund, aus einem bestimmten Zusammenhang heraus wissen, aber nicht ansich. Freilich kann man auch etwas "nur so" wissen wollen, ohne einen bestimmten Zweck zu verfolgen, aber das ist dann auch ein gewisses Interesse, wenn auch "nur so". Die Identifikation des Begriffs mit dem Gegenstand fällt nicht einfach so vom Himmel. Da befindet sich jemand in logischer Not und glaubt, mit seiner begrifflichen Jonglierkunst seine intellektuellen Sorgen los zu werden. Aber so einfach geht das nicht, weil es sich dabei um Willkür handelt und wenn man so eine Willkür gewähren läßt, dann landet man damit im Despotismus, in einer Diktatur, in der Tyrannei, in einem Gulag. Alle Wahrheit und Erkenntnis ist im Grunde nur dazu da, der Ausübung ungerechtfertigter Macht Einhalt zu gebieten, als friedliches Mittel gegen irrationale Gewalt. Geistige Arbeit, die dazu dient, Widersprüche aufzulösen, "ist" [wie immer für meine Begriffe] ein zivilisatorisches, kulturschaffendes Unternehmen und notwendig, um dem Begriff "Menschlichkeit" seine Bedeutung zu geben. Wenn das Faustrecht unter Kontrolle ist, dann sind auch alle möglichen nicht so effektiven Unternehmungen in Sachen Erfinder- und Entdeckergeist erlaubt. Sobald aber die Gefahr von Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit droht, sind alle derartigen Kapazitäten auf die Beseitigung des Übels zu richten. Und in diesem Sinne hat die sogenannte Menschheit mindestens 100 Jahre an moralischem Fortschritt gegenüber dem technischen aufzuholen.
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