So ein Wesensbegriff hat seinen Zweck in der Herstellung von Allgemeinheit und damit Macht. Daß diese Macht ja "zum Guten" verwendet wird, ist kein Argument - und da kann dann noch so viel "versprochen" oder "ausgemalt" werden. Soll das Ganze nicht auf ein System hinauslaufen, in dem einige Leute wissen, was für andere gut ist und die von dieser Weisheit Betroffenen gar nicht beurteilen können, was Sache ist, dann würde ich persönlich nicht von einem "Gut" sprechen. Wenn es aber darum geht, daß irgendjemand etwas kapiert, halte ich eine andere Art von Aufklärung, als die bei Marcuse gebotene für die richtigere. Solange es bei dem, was gut ist, hauptsächlich und auch grundsätzlich um so etwas wie einen materiellen Wohlstand als Grundvoraussetzung von allem anderen geht, ist im Grunde nichts erreicht. Sowas bringt auch die Tierwelt ohne Verstand, rein durch Zufall und äußere Umstände fertig. Auf der Schiene dürfte es dann noch weitere hundertausend Jahre an Evolution brauchen, bis ein paar mehr als die wenigen "aus der Art" geschlagenen Exemplare das Prädikat "Mensch" verdienen. In der Zwischenzeit gilt dann, daß Menschsein [Humanismus] ansich möglich ist. Wenn ich so vom begrifflichen Werkzeug ausgehe, das in sogenannten wissenschaftlichen oder philosophischen "Substraten" grassiert, dann bewegt sich die Erkenntnis der jeweils wirksamen "Tendenzen" genau in diesem evolutionären Langzeitrahmen. Es geht nicht um die Idee dessen, was die Praxis verwirklichen soll, sondern darum, daß es so eine Wirklichkeit gar nicht gibt und die Idee alles ist, womit man es in einem Bewußtsein zu tun hat. "Wirklichkeit" oder "Sein" oder "Realität" und wie sie alle heißen, das war die bisherige Stufe der Evolution. Ich könnte das Kind auch "Macht" nennen. Dieses Thema ist erledigt, weil es kein vom Sollen getrenntes Sein gibt und man es lediglich mit unterschiedlichen Stufen des Sollens zu tun hat. Der neutralen Realität steht kein guter oder schlechter Mensch gegenüber, sondern die Wirklichkeit selbst [dieses unbekannte Etwas, das "irgendwie" da ist] ist bereits eine moralische Kategorie, so wie "der Mensch" eine moralische Kategorie ist und überhaupt alle Kategorien etwas sind, was "ansich" [idealertypischerweise] gelten soll. Fällt die selbstlos- neutrale formallogische Allgemeinheit als Irrlicht weg, hat man es grundsätzlich mit ethischen Fragen [auch der Verallgemeinerung] zu tun und die Logik ist nur noch Mittel und keine Wahrheit mehr.
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