Zu Ackerbauzeiten oder von mir aus bis ins 19. Jahrhundert war das "prinzipiell" vorhandene Wissen immer noch überschaubar. "Prinzipiell" deshalb, weil bis dahin immer nur ein paar Prozent einer Gesellschaft über das überhaupt verfügbare Wissen Bescheid wußten. Heute kommt zwar mit zunehmener Alphabetisierung, allgemeiner Schulbildung und verbesserten Kommunikationsmethoden immer mehr von diesem Wissen bei der breiten Masse an, aber das Verhältnis zwischen dem Wissen, das prinzipiell verfügbar ist und dem worüber die Leute tatsächlich Bescheid wissen, ist immer noch dieselbe Kluft wie früher, weil sich das Wissen mittlerweile exponential vervielfacht hat. Um von diesem Wissen, das da ist, aber das sie nicht haben, nicht überwältigt zu werden, ziehen sich die Durchschnittsbürger immer mehr auf ihre "praktischen" Erfahrungen zurück und in ihrer Bedeutungswelt genießen dann "Dinge" und "Tätigkeiten" (Action!) den Vorzug. Alles andere ist "Theorie" und nicht wichtig, nur "Gerede". Und diese Einstellung wird dann auch der nächsten Generation vermittelt. Eine wirklich humanistische Persönlichkeitsbildung verliert an Wert, weil man sich nur solches Wissen aneignet, das sich in bare Münze umsetzen läßt. Alles andere wäre "unrealistisch".
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