"Radikal neue Wirklichkeitsakzente" müssen so akzentuiert sein, daß sie die "objektive" Wirklichkeit überhaupt zum Verschwinden bringen. Was bleibt, ist eine "subjektive" Wirklichkeit, bei der das Wort "Wirklichkeit" nicht mehr ist, als ein praktischer Allgemeinbegriff, mit dem man kurz auf eine Vielheit hinweisen kann und sich dabei die Mühe erspart, jedesmal wieder bis ins kleinste Detail zu gehen. "Wirklichkeit" ist dann nichts anderes als z. B. "Obst". Das gibt es auch nicht, sondern nur Äpfel und Birnen etc., aber oft reicht auch ein Wort an Stelle von vielen aus, um sich zu verständigen, vorausgesetzt es herrscht allgemein Klarheit darüber, was damit gemeint ist. Eine solche Klärung muß selbstverständlich immer Vorhergehen. Ist das nicht der Fall, gibt es nichts als Verwirrung. Das Chaotische Verhältnisse bestehen dann, wenn geglaubt wird, man könnte die Dinge einfach so mit Worten identifizieren oder man etwa der Meinung ist, daß in einem Lexikon steht, was die Worte "bedeuten", objektiv bedeuten, weil sie "definiert" sind von Leuten, die was davon verstehen und man es deshalb auch so macht. Das Resultat eines solchen Verhaltens ist letztlich, daß es immer Menschen gibt, die mehr wissen als man selbst, so daß man auf ewig der Unwissende bleibt. Eine solche "Ansich"-Betrachtung ist aber nicht relevant, weil es kein "objektives" Wissen gibt, denn dafür bräuchte es den objektiven Menschen, den Menschen mit einem "Bewußtsein überhaupt". Auf diese irrige Vorstellung eines "allgemeinen" Bewußtseins [derjenigen, die 2 + 2 zusammenzählen können] ist selbst ein Gelehrter wie Kant hereingefallen. Kann man also der Masse der Menschen einen Vorwurf machen, wenn sie einen solchen Blözinn glaubt? Ich denke schon! Jedes Kind kommt mit einem vorurteilsfreien Verstand auf die Welt und läßt sich diesen Verstand früher oder später austreiben - in vielen Fällen unter Protest. Der Vorwurf besteht darin, daß sich diese Kinder geschlagen gegeben, daß sie aufgegeben haben, einen eigenen Verstand zu wollen, der sich nicht nur durch Trotz um des Trotzes willen auszeichnet, sondern dem Falschen und Schlechten trotzt und das Richtige und Gute fördert.
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