Um diese Selbsterfahrung ist es in dem Maße bestellt, wie "Bewußtsein" vorhanden, bzw. ausgebildet wird und ein solches kann so gut wie gar nicht vorhanden sein, wenn kaum irgendwelche Zusammenhänge klar sind, was die eigenen Lebensumstände angeht. Was den Menschen über die Art, die Gattung, das Animalische erhebt, ist seine Individualität, seine Einzigartigkeit, die das Ergebnis einer Differenzierung ist, die wiederum das Ergebnis von Reflexion ist. Aus dieser Besonderheit ergeben sich notgedrungen solche "Phänomene" wie ein "freier Wille" und damit die Fähigkeit zu moralischem Handeln, was die Grundlage jeder überindividuellen gesellschaftlichen Organisation ist. Dieser freie Wille bedeutet mitunter den Widerstand gegen alle Gebilde, die sich unrechtmäßig über den Einzelnen erheben. - Daß ein Mensch essen und trinken muß und seine Notdurft zu verrichten hat, ist noch kein "anthropologisches Faktum" und hat mit Menschsein überhaupt nichts zu tun, nicht einmal die gourmethafte Überspitzung dieser triebhaften Bedürfnisse. Wird die Fähigkeit zur Reflexion nicht als das Entscheidende in der Menschwerdung angesehen, sondern das Gefühl, die Sinnlichkeit überhaupt oder der Wille allein als das Maßgebliche betrachtet, ist der Schritt vom Tier zum Menschen noch nicht gegangen. Zu dieser Reflexion gehört aber auch, die Anteile des Willens und des Gefühls im Denken nicht zu verachten, denn nur wenn die subjektive Irrationalität des menschlichen Daseins optimal gewürdigt wird, macht die Evolution keinen Fehler, der sich eines Tages bitter rächt indem dann das, was durch die Vordertür aus dem Haus vertrieben wurde, mit Gewalt durch ein Hinterfenster wieder hereinkommt. Eine grundsätzliche Bevorzugung der Verallgemeinerung, um objektiv-sicheres und damit neutrales Wissen zu generieren, stellt eine unbotmäßige Übertreibung des Rationalismus, eine Vergötterung der Logik dar und dient ausschließlich Machtzwecken. Auf diese Art und Weise hat sich sehr viel Macht zentralisiert, die nun wieder auf ihre Ursprünge zurückzuführen ist: auf den einzelnen Menschen und seine Rechte am Leben.
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