cr-2p-4W. WindelbandH. MaierB. ErdmannA. RiehlH. CohenDrobisch     
 
GEORG NEUDECK
Grundlegung der reinen Logik
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"Das Dasselbige sein des Einzelnen dem Verschiedenen ist der Sinn und Inhalt dessen, was wir das Allgemeine nennen und was es nur im und für das Denken gibt. Formell ist das Ich Ausdruck der Einheit des Besonderen mit seinem Allgemeinen, und da es die Form ist, in welcher allein der unmittelbare Zusammenhang von Denken und Sein, die Gewißheit entsteht, so folgt, daß jenes Verhältnis der Einheit des Besonderen mit dem Allgemeinen die Form ist, in welcher die Erfassung eines Vorgestellten als nicht bloß Vorgestellten, eines Gedachten als nicht bloß Gedachten: das heißt sich die Erhebung vom Vorstellen zum Wissen mittels des Denkens vollzieht."

"Nicht daß Übereinstimmung sein soll, brauchen wir von der Logik zu lernen, sondern was sie ist, worin sie als logisches Verhältnis und nicht bloß psychologische Notwendigkeit besteht, wäre klarzulegen. Um zwei zu vergleichen, muß ich ein Maß haben, worin sie eins sind. Nur in der Natur dieses Maßes kann die Sicherheit einer Vergleichung begründet sein."


II. Von der Denkgesetzlichkeit

Die Formen darzustellen, in welchen gewissen Gesetzen gehorchend sich unser Denken bewegen soll, um den Zweck der Erkenntnis des Wahren zu erreichen, gilt allgemein als die Aufgabe der Logik. Indem man nun jene Gesetze im Gegensatz zu den psychologischen als Normen bezeichnet, erscheint allerdings als nächste und wichtigste Frage, die nach ihrem Inhalt, nach dem Sinn, zu dem sie verpflichten. Inwiefern sie aber eben Normen sind und bestimmen, nicht wie im wirklichen Verlauf des Denkens da und dort gedacht wird, sondern wie gedacht werden soll, gehören sie selber nicht zu einem "Gegebenen" und Beobachtbaren, kurz zu den Tatsachen, sondern sind offenbar nur der formulierte Ausdruck für die Beziehungen, in welche aller psychologisch erworbene Bewußtseinsinhalt eintreten muß, wenn er zum Wissen erhoben werden soll, und als welchen diesem erst die Scheidung in wahr und unwahr erwächst. Ihr Charakter als Normen fließt jenen Gesetzen aus der Natur des Zweckes, nämlich der Erkenntnis, und ihr Inhalt muß daher durch die wesentliche Natur der letzteren bedingt sein. Je nach dem Wissensbegriff, an dem die Darstellungen der Logik ausdrücklich oder stillschweigend festhalten, variieren darum auch die Auffassungen über den Sinn und die Zahl jener Normen.

Verhältnismäßig die größte Einigkeit herrscht noch hinsichtlich des sogenannten "ersten" Denkgesetzes, des Prinzips der Identität und des Widerspruchs, wie es herkömmlich genannt wird. Es gilt in seiner traditionellen Formel A = A und A nicht = non A als das fundamentalste, unableitbare Grundgesetz des Denkens, als das eigentlich und allein Selbstverständliche und unmittelbar Evidente, als das Einzige, dessen kontradiktorisches Gegenteil faktisch denkunmöglich, nicht bloß absurd ist. Doch nur über den Literalsinn [buchstäbliche Auslegung - wp] dieser Formel selber glauben alle sich einig zu wissen; die Anschauungen über ihre Bedeutung als eines das ganze Denken beherrschenden Gesetzes, über den Sinn, zu dessen Herstellung oder Festhaltung es die mannigfaltigen Denkhandlungen verpflichtet, gehen vielfach auseinander. Im allerstrengsten Sinn fordert es nach LOTZE als logisches Identitätsgesetz, daß jeder Inhalt nur als sich selbst gleich, S nur als S, P nur als P gedacht werden darf und verbietet als denkunmöglich jede Behauptung von der Form: S ist P. Nach anderen bezeichnet es nur in anschaulicher Form "die Stetigkeit unseres logischen Denkens", deren eigentümliches Wesen dabei freilich in einem ziemlichen Dunkel belassen wird. Danach handelt es sich in den "realen" Anwendungen des Identitätsgesetzes nicht um eine absolute, sondern um eine "relative" oder "partielle" Gleichsetzung, deren Sinn aber doch wohl wieder auf die absolute Identität eben des Partiellen zurückführen dürfte. Wieder andere unterscheiden ein "Prinzip der Konstanz", das die Selbstgleichheit jeder Vorstellung garantiert, und ein "Prinzip der Übereinstimmung", welches die unmittelbar empfundene Notwendigkeit ausdrücken soll, daß, was im Urteil in Eins gesetzt wird, in seinem Vorstellungsgehalt übereinstimmt.

Diese Divergenz der Ansichten betrifft die Art und Weise, in welcher der Sinn des Identitätsgesetzes im Urteilen, also in der Verknüpfung der Elemente des Denkens wirksam hervortritt. Als fundamentales Grundgesetz müßte es aber doch wohl auch schon in der Entstehung jener Elemente, nämlich in der Begriffsbildung wirksam sein. Auch als Prinzip der Konstanz, der Selbstgleichheit jeder Vorstellung gefaßt, ist es aber bereits in die Sphäre des Urteilens eingetragen. Es hängt dies mit dem bereits berührten prinzipiellen Mangel in der Auffassung vom Wesen des Denkens zusammen, wonach die Elemente desselben "Vorstellungen", also ansich Psychologisches sind, so daß die mehrfach hervorgetretene Tendenz erklärlich erscheint, das ganze Denken im Urteilen aufgehen zu lassen, den "Begriff" als eigentlich psychologisches Erzeugnis zu betrachten und aus seiner alten Stellung in der Logik demgemäß zu verdrängen.

Doch wenden wir uns vorerst der genauen Betrachtung des für selbstverständlich geltenden A = A zu. Was meinen wir eigentlich mit ihm? Man wird geneigt sein, diese Frage mit einem gelinden Zweifel an der psychischen Gesundheit des Fragenden zu beantworten. Ist es doch dasjenige, worauf der zweifelgequälte, oftgeirrte, vorsichtgewohnte Verstand des Verständigen wie der Vogel auf dem Ast sicher zu ruhen gewohnt ist. Und doch erscheint bei näherer Betrachtung auch dieses Selbstverständliche nicht so ganz einfach. Sehen wir ab vom mathematischen = und ersetzen wir es durch das logische "ist", so bleibt immer noch die Frage, warum uns denn A ist A und S ist S zweifelloser gilt als etwa S ist P. Wir sind dabei offenbar von einem Gefühl absoluter Identität geleitet, welche wir für den unantastbaren Rechtsgrund jener Verknüpfung halten. Wie nun, wenn es sich zeigt, daß wir tatsächlich diese vermeintliche absolute Identität im Denken nicht verwirklichen können, daß es unserem Denken nicht möglich ist den Unterschied loszuwerden und das zu erreichen, wovon wir meinen, daß das Denken in ihm ruhen kann? Wir müssen nämlich, um das zu denken oder auszusprechen, was wir mit der "Selbstgleichheit" oder "Dieselbigkeit" meinen, unterscheiden. Die Meinung, welche an den allein zweifellosen und keiner Begründung bedürftigen Denkverknüpfungen von der Form A ist A ihre Unfruchbarkeit, an den fruchtbaren aber von der Form S ist P den Mangel der denkgesetzlichen Geltung und Selbstverständlichkeit beklagt, übersieht, daß die für allein selbstverständlich gehaltene absolute Identität überhaupt nicht denkbar ist und auch nicht in der Formel A ist A gedacht wird. Von den beiden A ist das eine Subjekt, das andere Prädikat, das eine nicht das andere und umgekehrt, und wenn man dies zugebend meint, das Zweite ist doch der Sache nach dasselbe mit dem Ersten, so wird eben dadurch klar, daß dieses "Dasselbesein" etwas ist, was es nur für das Denken mittels der Unterscheidung gibt. Eine Gleichsetzung (d. h. ein als dasselbige Setzen) des gar nicht und in keiner Beziehung Verschiedenen und darum Ununterscheidbaren liegt außerhalb des Begriffs und der Möglichkeit des Denkens und liegt auch nicht in einem A ist A. Es frägt sich also darum, wie Verschiedenes oder Verschiedenes von welcher Art das logische Denken gleich zu setzen hat. Zunächst offenbar solches, dessen Verschiedenheit diese ist, die auch im Gedanken und Ausdruck des "Dasselbigen" als solchen nicht umgangen werden kann. Die Formel A ist A verbirgt nur die auch im Gedanken der Selbstgleichheit steckende Verschiedenheit; sie steck in der "Kopula", welche trennend verbindet (1). Der Sinn der logischen Identität bleibt unerkannt und unverstanden, wenn man an der äußerlichen Gleichheit des doppelten A klebt und so die Formel zum Ausdruck der leeren Tautologie macht. Unter der äußerlichen Gleichheit steckt eine innerliche Verschiedenheit. Das A, das ansich bloß ist, wird vom Denken nochmal gesetzt, aber nicht seinem Sein nach, als seiendes, psychisch Gegebenes, sondern als gedachtes, gewußtes, d. h. zum einheitlichen Grund des Wissens und der Gewißheit Bezogenes. Das ist die Form, in welcher das Denken die erste Besitzergreifung jedes Objekts vollzieht und wodurch es erst ein wirkliches "Objekt" wird. Und diese im Wesen des Denkens begründete Form ist das erste Denkgesetz.

Um die gegebene Vorstellung zum Gedanken zu erheben, muß sie das Denken zunächst, um mich so auszudrücken, unter den Gesichtspunkt der "Selbstgleichheit" bringen. Diesen Gesichtspunkt hat aber eben nur ein wirkliches Selbst in der Form des Ich. Dies ist die lebendige, reale Selbstgleichheit; jene Formel A ist A haben wir und kennen wir und führen wir durch den gesamten Bewußtseinsinhalt durch, weil wir das lebendig sind, wovon sie die abstrahierte Formel ist. Ein alter, immer wieder neu aufgelegter Irrtum behauptet freilich, "ich bin ich" sagten wir mit Recht, weil "A ist A" feststeht. Wir müssen aber darauf beharren, daß es den Sinn der "Selbstgleichheit", den jene Formel meint, für ein Bewußtsein nicht gäbe und damit auch kein Denken, wenn nicht das Ich zuvor wäre. In einem psychischen Leben, dem kein Selbstbewußtsein eignet, mag der Vorstellungslauf auf komplizierte Weise zu Effekten führen, welche ein Analogon, eine bewußte Antizipation [Vorwegnahme - wp] dessen enthalten, was der selbstbewußte Geist des Denkenden in bewußter Befolgung und Anwendung des Identitätsgesetzes leistet oder zu leisten doch die Anlage und Möglichkeit in seiner Bildungsfähigkeit besitzt. Aus dem Ich also muß der Sinn dieses Denkgesetzes verstanden und erklärt werden, nicht darf umgekehrt, wie es gewöhnlich geschieht, nach einem willkürlich aufgestellten, unbegründeten oder ungeprüften Sinn desselben das Ich korrigiert oder geleugnet werden.

Wir müssen nun das Ich, auf welches unsere Analyse des Wissensbegriffs als auf den Anfang der Gewißheit geführt hat, nach seiner formellen Seite hin genauer betrachten. Auf seinen Inhalt geprüft ergab es sich uns als der tatsächliche, unmittelbare Zusammenhang von Denken und Sein. Formell ist es der Ausdruck der Identität des Objekts und Subjekts des Bewußtseins. Anders als in und mit diesem formalen Unterschied ist die Identität oder Selbstgleichheit dem Denken nicht zugänglich oder erfaßbar. Von welcher Natur ist nun die Verschiedenheit, ohne welche die Identität nicht gedacht werden kann? Im Ich ist das eine der Unterschiedenen das Gedachte, das andere das Denkende. Das Denkende ist ein solches, denkend nämlich, indem es überhaupt etwas denkend ist; es denkt zwar im Ichgedanken wie in jedem wirklichen Gedanken etwas Bestimmtes, aber es selbst ist dabei immer nur gleichmäßig und in sich unterschiedslos denkend, ohne den Gegensatz zu anderem Denkenden innerhalb seines Denkens. Es ist also das in sich Eine. Das Gedachte aber im Ichgedanken kann dies wie jedes andere Gedachte nicht als überhaupt Gedachtes, sondern nur als Bestimmtes sein. Ihm ist der Gegensatz zu anderem Gedachten oder Denkbaren wesentlich, es kann nur im Unterschied als Besonderes sein neben anderem Besonderem gegenüber dem in sich unterschiedslosen Denkenden.

In jedem wirklichen Akt des Selbstbewußtseins ist ja auch das gedachte Ich stets ein individuell und bestimmt zuständliches und als solches von jedem anderen verschieden. Ich ist aber das so Verschiedene und Besondere durch das, worin es nicht verschieden ist, nämlich durch die den vielen gedachten Ich gleichmäßig eigene Beziehung der sachlichen Identität mit dem denkenden Ich. Nun wird jenes Verschiedene nur eben dadurch, daß es in diese Beziehung eintritt, daß das Bewußtsein diese Beziehung an ihm verwirklicht, wirklich gewußt, zum Wissen erhoben, d. h. als nicht bloß vorgestelltes erfaßt; denn ebendies kann, wie bewiesen wurde, ursprünglich nur in Form eines Ichgedankens stattfinden. Formell betrachtet besteht also die Erhebung zum Wissen in jenem eigentlichen Geburtsakt der Gewißheit zunächst darin, daß ein Besonderes und in der Besonderheit Verschiedenes als identisch mit dem erfaßt wird, welches von ihm dadurch verschieden ist, daß es in sich ohne Verschiedenheit Besonderung und Unterschied und dabei doch mit dem Besonderen, dem es also wesentlich ist in der Vielheit zu sein, dasselbige ist. Nun ist dieses: in sich unterschiedslos und dabei doch dasselbige sein mit dem Einzelnen des unter sich verschiedenen Vielen (nach Zeit, Raum, Gestalt usw. Differenzierten, so und so individuell Bestimmten) der Sinn und Inhalt dessen, was wir "das Allgemeine nennen und was es nur im und für das Denken gibt. Formell ist also das Ich Ausdruck der Einheit des Besonderen mit seinem Allgemeinen, und da es die Form ist, in welcher allein der unmittelbare Zusammenhang von Denken und Sein, die Gewißheit entsteht, so folgt, daß jenes Verhältnis der Einheit des Besonderen mit dem Allgemeinen die Form ist, in welcher die Erfassung eines Vorgestellten als nicht bloß Vorgestellten, eines Gedachten als nicht bloß Gedachten: das heißt die Erhebung vom Vorstellen zum Wissen mittels des Denkens sich insofern vollzieht, als zunächst jedes Vorgestellte in jenes Verhältnis eingetragen und jene Beziehung an ihm hergestellt werden muß. Nun ist der innere Zusammenhang des gewöhnlich wie ein "urweltliches Fatum" hingestellten ersten Denkgesetzes mit allein ansich Gewissen, mit der Quelle des Wissens und Denkens aufgezeigt und damit auch unzweideutig sein Sinn festgestellt. (2) Die Verschiedenheit, ohne welche auch die Identität des sich selbst Gleichen nicht gedacht werden kann, ist der Unterschied des Besonderen und Allgemeinen. Er tritt da, wo die "Selbstgleichheit" real wird, im Ich, als die Form hervor, in welcher etwas "als es" erfaßt wird. Ohne die hierin liegende Allgemeinheit würde das Denken nichts festhalten können; es würde sich in der Flucht des Vielen verlieren müssen. Ein solches Sichverlieren symbolisiert die herkömmliche Formel A = A, wenn sie wie gewöhnlich dahin verstanden wird, daß sie das Einzelne als Einzelnes festzuhalten befiehlt. Man sieht dabei nicht, daß auch diese Anweisung das Grundverhältnis der Allgemeinheit nicht los wird, indem wir, um Einzelnes als Einzelnes festzuhalten, es ja eben unter den Gesichtspunkt der Einzelheit rücken, also jene denkgesetzliche Beziehung der Allgemeinheit an ihm ausführen. Ohne sie könnten wir ja überhaupt vom Einzelnen als solchem nichts wissen und reden, kurz: überhaupt nicht denken. Im Namen des ersten Denkgesetzes ein Denken in lauter Eigennamen als Ideal des Denkens proklamieren, heißt daher nicht so fast das Denkgesetz verletzen als vielmehr seinen Sinn so gründlich verkennen, daß man als Denkgesetz betrachtet und verehrt, was alles wirkliche Denken und Verstehen und Wissen seiner Möglichkeit nach aufhebt. Eben diese innere Möglichkeit aber ist es, welche das erste Denkgesetz durch die Form setzt, die es als jedem Gedanken wesentlich vorschreibt, und mit und in dieser Möglichkeit den inneren Zusammenhang, den aller Bewußtseinsinhalt mit dem einheitlichen Grund der Gewißheit haben muß, um Wissen zu werden. Darum kann dieses Grundgesetz auch nicht erst in der Prädizierung und etwaigen weiteren Formen der Gedankenverknüpfung, sondern muß schon in der Begriffsbildung, bei der Erhebung der Vorstellung zum Gedanken irgendwie wirksam sein.

Die schwierige Frage, wie es nun das Denken anfängt, um den gegebenen mannigfaltigen Inhalt des Bewußtseins in die geforderte Beziehung zu bringen, überlassen wir dem Abschnitt über den Begriff zur Untersuchung und erinnern uns jetzt der Kehrseite des Identitätssatzes, des sogenannten "Widerspruchs".

An der erwähnten Formel A nicht = non A, womit man seinen Sinn auszudrücken pflegt, fällt vor allem ein eigentümliches logisches Element auf, das der Negation. Mit ihr scheint der Sinn des Widerspruchs wesentlich verknüpft.

Was "nicht" heißt, meint SIGWART, und was die Verneinung meint, läßt sich nicht weiter definieren noch beschreiben; es läß sich nur an das, was jeder dabei tut, erinnern. Doch glaubt er von der Verneinung zu wissen, daß sie einen Sinn nur hat gegenüber einer versuchten positiven Behauptung, was sich sofort aus der Überlegung ergibt, daß von jedem Subjekt nur eine endliche Anzahl von Prädikaten bejaht, eine unabsehliche Menge von Prädikaten aber verneint werden kann. Alle Verneinungen, die ansich möglich und wahr wären, z. B. der Stein liest oder schreibt nicht usw., zu vollziehen, wird ja gewiß niemandem einfallen. Wenn zu diesen Bemerkungen dann noch die bestimmte Behauptung tritt, daß die Verneinung unmittelbar und direkt ein Urteil über ein Urteil ist, so wird daraus einmal klar, daß hier auch der Satz vom Widerspruch in seinem Dinn und seiner Bedeutung auf die Form des Urteils beschränkt wird, und zweitens, daß nach dieser Auffassung die Verneinung Ausdruck eines erkenntnistheoretischen Urteils ist, eines Urteils über den Erkenntniswert einer "Vorstellungsverknüpfung". Wir müssen beides bezweifeln; ersteres aus denselben Gründen wie die Beschränkung des Identitätssatzes auf das Urteil. Letztere Deutung des Sinns der Verneinung aber gerät offenbar in einen Zirkel; denn sie hat zur Voraussetzung, daß das Urteil wesentlich eine Behauptung von der ursprünglich positiven Form: A ist B ist, und wenn nun die Verneinung selber auch ein Urteil sein soll, so wird unbegreiflich und unerklärlich, wie sie verneinend sein kann. Die Meinung, welche das bejahende Urteil für die ursprüngliche und wesentliche Form des Denkens erklärt, vergißt zu bedenken, daß der Sinn der Bejahung die ausschließende Verneinung einschließt und implizit enthält, daß ein Bewußtsein, welches das "ja" versteht, vom "nein" aber keine Ahnung hat, undenkbar ist. Die Bejahung involviert die Verneinung und umgekehrt; im Sinn beider liegt diese Zusammengehörigkeit. Das eine ist nicht der Grund des anderen, sondern seine Kehrseite. Wenn man übrigens von Verneinung spricht, darf man auch den Unterschied zwischen "nein" und "nicht" nicht übersehen. Das "nein" mag als Abbreviatur [Abkürzung - wp] der Ausdruck eines Urteils sein; nicht so das "nicht". Dieses erscheint im Urteil, nie aber als solches. Dem "nein" entspricht ein "ja", dem "nicht" aber nicht "ja", sondern eine inhaltliche Beziehung, die nur in der Form des Gedankens ihren eigentümlichen Ausdruck findet. Von der Verneinung des "nein" unterscheidet sich das "nicht" als bloß ausschließend und drückt so die der logischen Einschließung, d. h. der Identität entgegengesetzte inhaltliche Beziehung aus. Wo daher die Identität ihren Ursprung hat, muß ihn auch der "Gegensatz" haben: im Ich.

In demselben Sinn, in welchem wir das Ich die reale Selbstgleichheit nannten, ist es auch die reale Ausschließung. Zum Sinn des Ich als der Selbsterfassung gehört unmittelbar auch die Ausschließung des "Nichtich"; die Nichtausschließung würde das Ich aufheben, das ohne jene Ausschließung nicht entstehen kann. Es ist ein einheitlicher Akt, der "ursprüunglich" im Ich implizit eint und trennt, verbindet und unterscheidet. Explizit gesetzt erscheint die Ausschließung in der Form des "nicht". Nun ist das Ich der innere Anfang des Denkens, sofern dieses den Unterschied des Wahren und Unwahren nur mittels und aufgrund der Ich aufblitzenden Gewißheit in den Bewußtseinsinhalt bringt. Dieser Anfang besteht in der Erfassung der Identität des gedachten und denkenden Ich; zu dieser Identität gehört aber als umittelbares Komplement die Ausschließung des "nichtich", weil nur durch den und im Gegensatz zu "anderem" das Ichbewußtsein entstehen kann, wie umgekehrt jenes "andere" nur durch seine Bezogenheit auf das Ich, als nichtich also, für das Bewußtsein ein wirklich anderes sein kann. Das mit der Identität unmittelbar Ausgeschlossene als nicht ausgeschlossen denken hebt das Denken nicht als psychologischen Vorgang, aber als logische Bewegung auf, indem der Zusammenhang des Gedachten mit dem Grund der Gewißheit unterbrochen wird. Diese Nichtausschließung des nur als ausgeschlossen Denkbaren ist der Widerspruch, der das Eine als zugleich Anderes faßt. Im Sinne des ersten Denkgesetzes liegen also zwei allgemeine Grundverhältnisse, in denen alles "Gegebene" erfaßt werden muß, um gedacht werden zu können. Es muß jedes als es selbst und eben damit als nicht ein anderes erfaßt werden. Das Wissen von einem "anderen" als anderen kann es ursprünglich aber nur in der Form des "nichtich" geben und nur infolge davon das weitere von einem "nicht = es" (a- non a). In der ersten Beziehung stiftet das Denken das Verhältnis der Allgemeinheit, in der letzteren durch die Ausschließung das der Besonderheit als solcher. Beide gehören zusammen wie ja und nein und jedes von beiden ist es selbst nur in dieser Zusammengehörigkeit.

Es wird förderlich sein, schon hier einer Ansicht zu gedenken, auf welche die Lehre von der Begriffsbildung eingehender zurückkommen wird. LOTZE (Logik, Seite 24f) schickt der Betrachtung des Begriffs die dreier Leistungen voraus, die er für eine Art logischer Vorarbeit ansieht und als "Setzung, Unterscheidung und Vergleichung der einfachen Vorstellungsinhalte" bezeichnet. Man kann, so erklärt er, nicht vorstellen ohne dem Vorgestellten die bejahende Setzung zu geben, d. h. es als mit sich selbst gleich zu erfassen, und die Verneinung soll unabtrennbar von dieser Bejahung sein, womit wir zugleich seine Verschiedenheit von anderem hervorheben. Mit dem einfachen Haben und bloßen psychischen Erleben einer Vorstellung läßt so auch LOTZE ganz unbedenklich Leistungen unmittelbar verknüpft und dem Vorstellen immanent sein, die ihren Realgrund unmöglich im bloßen psychischen Sein einer Vorstellung haben können. Das "sich selbst gleichsein" gehört so wenig analytisch zum Sein einer Vorstellung, als, wie wir früher sahen, ihr "gewißsein". Daß alles ist, was es ist, scheint uns freilich, denen dieser Gesichtspunkt längst völlig geläufig ist, der ganz selbstverständliche Inhalt eines unmittelbaren Gefühls und richtig ist auch, daß kein Versuch der Unterscheidung gelingen kann, wenn dem Bewußtsein nicht vorher klar wäre, was jedes der zu unterscheidenden Glieder für sich ist. Aber eben dieses "klar sein" ist etwas ganz anderes als das einfache Haben eines Inhalts im Vorstellen. Diese Klarheit und Helligkeit des nicht mehr bloß vorstellenden, sondern denkenden Bewußtseins läßt erst der Lichtblick des Ichgedankens entstehen. Der Erkenntnis, welche durch die scheinbare Tautologie "alles ist, was es ist" formuliert wird, muß die Frage vorangehen, was denn etwas ist. Weder diese Frage noch ihre Beantwortung ist von selber mit der Erlebung des etwas, einer bestimmten Vorstellung nämlich "gegeben". Daß überhaupt gefragt wird, was etwas "ist", ist ja das Wunderbare, und wenn man es so ganz selbstverständlich findet, daß alles ist, was es ist, rot rot und Baum Baum, so vergißt man, daß es diese selbstverständliche "Selbstgleichheit" für ein Bewußtsein erst aufgrund der Beantwortung jener ersten Frage gibt und daß die Subjekte all der identischen Sätze von der Form "rot ist rot" ja nichts psychisch Gegebenes, sondern die geleistete Lösung jener ersten Frage sind. Denn
    "empfunden", sagt Lotze, und dürfen wir wohl hinzufügen wirklich vorgestellt "wird, wie wir wissen, stets nur eine bestimmte Einzelschattierung einer Farbe, nur ein Ton von bestimmter Höhe, Stärke und Eigenart; nur diese ganz bestimmten Eindrücke wiederholt auch die Erinnerung so, daß sie als inhaltvolle Bilder, die sich anschauen lassen, vor unserem Bewußtsein stehen."
Folglich ist der Sinn des Ausdrucks "alles ist, was es ist" oder der Selbstgleichheit des "A ist A" der, daß das Prädikat dieser scheinbaren Tautologien immer die Frage beantwortet, was das Subjekt ist, und sie in der dem Denken wesentlichen Form der "Allgemeinheit" beantwortet, wobei das Subjekt, das als Individuelles, als "ganz bestimmter Eindruck" vom Allgemeinen im Prädikat verschieden und doch auch wieder dasselbe mit ihm ist, d. h. im Verhältnis der logischen Identität zu ihm steht, mittels Antizipation der Allgemeinheit des Prädikats in der gleichen Form wie dieses erscheinen muß, weil es in seiner inhaltlichen Individualität und bestimmten Besonderheit dem Denken nicht unmittelbar erfaßbar und aussprechbar ist. Darum sagten wir wohl mit Recht, die Tautologie des A = A verhüllt den Sinn der logischen Identität, das Verhältnis des Besonderen und Allgemeinen. Um denken zu können, "rot ist rot", muß der Gedanke "dies (d. h. eine gegebene Einzelempfindung oder -vorstellung) ist rot" vorangegangen sein, und die scheinbar intensivere, unmittelbarere "buchstäbliche" Identität des "rot ist rot" kann unter ihrem Subjekt "rot" nur die Vielheit solcher "dies" verstehen, von deren jedem das Denken durch die gleiche denkgesetzliche, in der Natur des Ich begründete Leistung Besitz ergreifen, es zum Wissen erheben kann, d. h. von deren jedem gilt, daß es rot "ist" (3). Sowenig ferner, als wir LOTZE und der herrschenden Anschauung glauben können, das "Vorstellen" vermöge aus sich und für sich jeden Inhalt "als das, was er ist" festzuhalten, wird es ihn als "nichtseiend, was andere sind" fassen können. Ein Unterscheiden zwischen rot und blau wird freilich dem beziehenden Vorstellen eignen und wohl ebenso ein deutlicheres oder dunkleres Erfassen der Verwandtschaft und Verschiedenartigkeit zwischen den mannigfaltigen Vorstellungsinhalten, was irgendwie das Innewerden eines "Gemeinsamen" voraussetzt. Aber als Unterschied und als Gemeinsames kann das bloße Vorstellen beides nicht erfassen, d. h. kein Wissen von ihnen haben. Wie die Frage, was etwas ist, nur durch einen Standpunkt über dem "Mechanismus" des Vorstellens möglich wird, so auch die Kehrseite derselben, was es nicht ist. Und ebenso würden wir nicht bloß, wie LOTZE meint, wenn wir "wirklich für alle Einzelschattierungen des Blau besondere voneinander unabhängige Einzelnamen hätten und dem unser Vorstellen entspräche, einseitig die Trennung jeden Inhalts von jedem anderen vollziehen, dagegen die positiven Beziehungen völlig übersehen, die zwischen allen stattfinden", sondern ein solches Vorstellen käme überhaupt zu keinen "Namen", weil es eben bloß ein Vorstellen und kein Denken wäre; es wüßte auch nichts davon, daß jeder von den vielen "ein Inhalt" wäre "neben anderen". Und was schließlich das Gemeinsame oder "erste Allgemeine" anlangt, von dem LOTZE behauptet, daß es uns ohne logische Arbeit lediglich als beobachtbares und vorgefundenes Erzeugnis unseres Vorstellungslebens zufällt, so daß,
    "wer in Gelb, Rot und Weiß nicht unmittelbar Abwandlungen des Gemeinsamen empfände, das wir Farbe nennen, dem durch keine logische Arbeit je deutlich gemacht werden könnte, weder daß diese Eindrücke Arten dieses Allgemeinen sind, noch überhaupt, was eigentlich ein Allgemeines und die Beziehung seines Besonderen zu ihm sagen will",
so ist nicht zu vergessen, daß das unmittelbare, bloß empfindungsmäßige Erleben dessen, was wir dann das Gemeinsame nennen, eben noch lange keine solche Nennung, keine denkende Fixierung desselben, kurz kein verstandener Sinn, sondern bloß ein psychischer Effekt ist, dem seine Auswirkung im weiteren Ablauf der psychischen Ereignisse durch dessen Gesetzlichkeit gesichert sein mag, dem es aber, um Ausgangspunkt für anzuknüpfende Denkhandlungen zu werden, an allem Zusammenhang mit einem wirklichen Anfang des Denkens gebricht. Nicht also, was das Verhältnis des Besondern zu seinem Allgemeinen sagen will, würde dem durch keine logische Arbeit klar gemacht werden können, der es nicht unmittelbar empfände, sondern, wer bloß unmittelbar empfände, für den gäbe es überhaupt das "klar machen" und "logische Arbeit" nicht. Diese gibt es vielmehr, weil mit dem Innewerden jenes Grundverhältnisses über dem Empfinden und Vorstellen, das sein unbewußtes Unterscheiden und Vergleichen nicht zur wissenden Fixierung eines gültigen Sinnes verdichten kann, erst ein wirkliches Denken entsteht, und jenes Innewerden wiederum gibt es nur aufgrund des Ich, dieses eigentlichen "Ankergrundes" allen Wissens.

Wenn wir uns jetzt der Anklage erinnern, die HERBART im Namen des Identitätsgesetzes gegen die im Ich liegenden Widerspruch erhob und welche seiner ganzen Philosophie ihre charakteristische Richtung gab, so wird sich aus der vorstehenden Untersuchung die Grundlosigkeit dieser Anklage erhellen. Es lag ihr eben jene starre Auffassung des Sinnes der Identität und des Widerspruchs zugrunde, die sich uns als undenkbar ergeben hat.

Gehen wir nun über zur Betrachtung des zweiten Denkgesetzes, das allgemein als solches anerkannt wird unter dem Namen des Gesetzes von Grund und Folge. Eine Formulierung seines Sinnes von ähnlicher Anschaulichkeit, wie sie seit alter Zeit das erste Denkgesetz gefunden hat, wurde für diesen zweiten Grundsatz erst in jüngster Zeit von LOTZE nach dem Vorgang HERBARTs versucht. Schon daraus ergibt sich, daß man sich über seinen Sinn nicht ebenso im Klaren fühlte. Auch diejenigen, welche ihn als reines Denkgesetz festhielten und die verwirrende Verquickung desselben mit der metaphysischen "Kausalität" vermieden, kamen über mehr oder weniger unbestimmte und dunkle Bezeichnungen eines Verhältnisses der Abhängigkeit oder Bedingtheit, der Zusammengehörigkeit oder Verknüpfung zweier Denkinhalte nicht hinaus. Worin eigentlich das damit gemeinte logische Verhältnis besteht, blieb als unausdrückbarer Rest dem glücklicheren Gefühl zu ergänzen. Noch bestimmter als bezüglich des ersten Denkgesetzes, das zumindest in der Gestalt eines Prinzips der Konstanz auch für die einzelnen Elemente des Denkens, für die "Vorstellungen" eine nicht weiter untersuchte Geltung besitzen sollte, wiesen dem Satz vom Grunde alle Auffassungen das Feld der Gedankenverknüpfungen als alleinigen Geltungsbereich zu, einige beschränkten ihn sogar noch enger auf die Denkform des Schlusses, in welchem die Abhängigkeit der Urteile voneinander ihren Ausdruck findet. Es versteht sich nach dem bisherigen Gang unserer Entwicklung von selbst, daß er sich für uns als "Grundgesetz des Denkens" durch alle Denkformen wirksam hindurch erstrecken und ihre Darstellung seiner gedankengestaltenden Bedeutung überall begegnen muß. Denn die Denkgesetze sind uns Grundverhältnisse des Denkens, in dessen Wesen begründet, und nicht in der äußeren oder inneren Erfahrung irgendwo vorgefundene und irgendwie ihm aufgenötigte Axiome.

LOTZEs erwähnte Formulierung unseres Gesetzes führt dieses auf den Identitätssatz zurück. Für sich würde A nur A, B nur B sein; das Denken käme nicht vom Fleck, wenn es nicht Identitäten oder "Äquivalenzen des Verschiedenen" gäbe, wenn es nicht einen Grundsatz gäbe, der die in der inneren Erfahrung angetroffenen vorstellbaren Inhalt nach der typischen Formel A + B = C zu verknüpfen gestattet. Und dieser Grundsatz stützt sich auf die nicht weiter beweisbare, sondern mit unmittelbarer Gewißheit zu erfassende Voraussetzung einer Zusammengehörigkeit der Welt des Denkbaren und eines Zusammenhangs von Gründen und Folgen in ihr, der nicht denknotwendig, sondern nur eine glückliche Tatsache ist, ohne welche das Denken scheitern müßte.

Es ist klar, daß uns diese Deutung nicht befriedigen kann. Die rechnerische Formel, die sie für den Inhalt des zweiten Denkgesetzes aufstellt, deckt so wenig den Sinn eines allgemeinen Grundverhältnisses jedes Gedankens, wie die herkömmliche algebraische Formel für das erste Denkgesetz. Wie wir hinter der letzteren den logischen Sinn erst suchen mußten, so können wir uns auch bei jener Formel nicht beruhigen, sondern müssen uns auf die inhaltliche Natur des Zusammenhangs besinnen, den wir mit dem Verhältnis von Grund und Folge meinen. Ohnehin liegt ihr die mathematische Auffassung des Identitätsgesetzes zugrunde, die von vornherein zur Verkennung des eigentlichen Wesens des Logischen führen muß, das eben mit dem Mathematischen sich durchaus nicht deckt. Die Bedeutung, welche für die mechanistische Tendenz der modernen Wissenschaft die rechnerisch faßbare Größe besitzt, erklärt freilich die allgemeine Neigung der gegenwärtigen Logiker, möglichst nach dem Vorbild der reich entwickelten und in sich sicheren Mathematik die Darstellung der Logik zu gestalten. Will man doch neuestens geradezu die philosophische Theorie der Denkfunktionen durch einen sogenannten Algorithmus derselben, d. h. das logische durch das algebraische Kalkul ersetzen, bzw. verbessern oder zu größerer Sicherheit erheben. Dem gegenüber gilt es nachdrücklichst daran zu erinnern, was denken heißt, daß es den Unterschied von wahr und unwahr, folglich den Zusammenhang von Vorstellen und Sein involviert, der für die vorstellbaren Inhalte nur mittelbar durch ihren Zusammenhang mit dem Ich zu gewinnen ist. In diesem Zusammenhang und seiner Form besteht das Wesen der Denkgesetzlichkeit. In erster Linie ist nun dieser Zusammenhang, wie wir gesehen haben, Abhängigkeit des Vorstellbaren von der Einheit des denkenden Ich. Um gedacht zu werden, muß jeder Inhalt auf den identischen Grund der Gewißheit bezogen werden. Daraus ergab sich das subjektive [mfk] Verhältnis der Allgemeinheit, indem jeder Inhalt, der seinem Dasein nach und für das Vorstellen ein "ganz bestimmter", singularer ist, vom Denken nicht in dieser schlechthinnigen Besonderheit, sondern nur als relativ Allgemeines erfaßt werden kann. Was gar nicht in diese Beziehung gebracht werden kann, ein Inhalt, an dem jene "erste Frage": was er ist, nicht zur Lösung zu bringen ist, ist vom Denken ausgeschlossen, ist und bleibt "unverständlich". Aber andererseits ist nicht alles Denkbare, alles was gedacht werden kann, bloß und schon deshalb, weil es gedacht werden kann. Was mittels der ersten denkgesetzlichen Beziehung der Allgemeinheit in Zusammenhang mit dem ansich "nicht bloß Gedachten", mit dem Ich gebracht ist, ist Gedanke und kann als solcher "nicht bloß Gedachtes", kann gewiß sein. Bei dieser leeren Möglichkeit müßte es sein Bewenden haben, wenn nicht jedem (wirklichen) Gedanken außer jener ersten Beziehung zweitens auch die Abhängigkeit des denkenden Ich vom Vorstellbaren wesentlich wäre. Die Einheit des denkenden ("reinen") Ich ist nur Grund für das Daß, aber nicht für das Was jedes Gedachten. Diese zweite Abhängigkeit oder Form der "Zusammengehörigkeit" ist von anderer inhaltlicher Natur als jene erste. Der Inhalt jedes Gedankens, der gedacht werden kann, allerdings nur mittels der im Ich als dem höchsten Erkenntnisgrund begründeten Allgemeinheit, wird nicht durch den Erkenntnisgrund bestimmt. Das allerdings "leere Ich" kann das "bunte Bewußtsein" nicht aus seine Leerheit herausspinnen.

ULRICI, der bekanntlich auch den Sinn des Satzes vom Grunde aus der Natur des Denkens als "unterscheidender Tätigkeit" ableitet, d. h. in die Unterscheidung von Tätigkeit und Tat setzt, sagt (4), die Seele hat in allem Tun notwendig das unmittelbare Gefühl, daß sie nicht tätig sein kann, ohne etwas zu tun, d. h. daß ihr Tun notwendig in eine Tat übergeht, eine Tat zur Folge hat.

Allein, wenn hier nicht bloß eine Ungenauigkeit im Ausdruck vorliegt, so stehen dieser Fassung mehrfache Bedenken entgegen. Wir können allerdings nicht denken ohne etwas zu denken; aber dazu kommt es eben nicht durch ein einfaches "übergehen" des leeren Denkens in "Taten", d. h. in Gedanken, sondern die Denktätigkeit, die als solche nie Tat (Gedanke) wird, stiftet die Gedanken als Produkt der Wechselwirkung des Ich und der sachlich von ihm verschiedenen vorstellbaren und erfahrbaren Inhalte. Das "etwas", ohne welches nicht gedacht werden kann und woran das denkende Ich in seinem Denken gebunden ist, ist eine notwendige Voraussetzung. Die in der inneren und äußeren Wahrnehmung "gegebenen" Inhalte, die wir unwillkürlich als Wirkungen von Seiendem, also als "Wirkliches" betrachten, bedingen alles Denken positiv, wie ja auch im unmittelbaren Zusammenhang von Denken und Sein, im Ich das (zunächst auch nur als Vorstellung) "gegebene" Wirkliche, nämlich das objektive, in jedem Moment individuell zuständlich Ich vorausgehen muß, damit es zum Ichgedanken kommen kann. Als Ich kann dieses objektive, individuelle Ich nur gedacht werden mittels der Identität mit dem Denkenden; aber was so als Ich gedacht werden kann, das wird seinem zuständlichen Inhalt nach vom subjektiven Ich und seinem Denken nicht auch so gesetzt und bestimmt, wie mittels der Identität dessen "Ichsein". In dem Akt also, der die Gewißheit ursprünglich verwirklicht und damit ein wirkliches Denken erst ermöglicht, offenbart sich die positive Abhängigkeit des Denkens von dem ihm vorausgehenden, von ihm inhaltlich unabhängigen Sein als ein dem Denken wesentliches Grundverhältnis.

Dieses Verhältnis von Denkendem und Denkbarem muß daher in aller Gedankenbildung wirksam erscheinen. Wie alles Vorstellbare nur als abhängig vom Ich und darum in der Beziehung der Allgemeinheit gedacht werden kann, so muß jedem wirklichen (nicht leeren und mit dem Sein unzusammenhängenden) Gedanken auch die Bedingtheit und Abhängigkeit vom Vorstellbaren eignen. Das in der inneren und äußeren Wahrnehmung (und der durch sie bedingten Vorstellung) sich uns aufdrängende Sein des individuell Existierenen ist Voraussetzung und Grund des Gedankens als eines inhaltlich bestimmten, und der Gedanke in dieser wechselseitigen Beziehung die Folge. Alles also, was in die Identität eingeht, was mittels der allgemeinen Beziehung denkbar ist, jeder Gedanke muß, um ein wirklicher Gedanke zu sein, inhaltlich von Voraussetzungen abhängig, muß "begründet" gedacht werden, weil im "inneren Anfang" des Denkens, im Ich, der Inhalt des Gedankens ein nicht vom Denken gesetzter, sondern es bestimmender und bedingender ist (5). Nicht in einer "Naturbestimmtheit der (unterscheidenden) Seele", zufolge deren ihre Tätigkeit notwendig in bestimmter Form verläuft, können wir daher den Ursprung und Sinn dieses Denkgesetzes erblicken; denn weder läge in jener Form des psychischen Geschehens eine aufzeigbare Vermittlung des Zusammenhangs von Denken und Sein, welche ein Denkgesetz leisten soll, noch erklärt der "Übergang" von Tätigkeit in Tat das Wissen vom Verhältnis, in dem sich bei bloß befinden. Mit Recht erklärt ULRICI zwar denen gegenüber, welche die Vorstellung von Grund und Folge durch das Muskelgefühl vermittelt werden lassen, daß sie nicht dadurch entstehen kann, da, um ein äußeres Geschehen als Wirkung unserer Kraftanstrengung und diese als Ursache von jenem fassen zu können, man bereits irgendwie ein Bewußtsein der Zusammengehörigkeit, einer "inneren Verknüpfung" beider haben muß; aber eben diese Zusammengehörigkeit und innere Verknüpfung gibt es als solche für ein Bewußtsein außerhalb des und ohne das Ich ebensowenig wie die Allgemeinheit. Das Vorstellen verläuft kausal, so sagen wir, aber das bloße Vorstellen weiß nichts von der Kausalität, die seine Form ist. Wenn JOHN STUART MILL, um den logischen Ursprung und Sinn sich dabei gar nicht kümmernd, die Kausalität als unbedingte Sequenz erklärt, so führt er mit dem Wörtchen "unbedingt" ein ungelöstes Rätsel, das die Logik erst aufzuhellen hätte, als bekannte und verstandene Größe ein. Was "bedingt" und "unbedingt" heißt, ist nichts Anschauliches oder Vorstellbares, sondern ein nur dem Denken zugängliches "inneres" Verhältnis. Etwas bedingt denken heißt Voraussetzungen machen, d. h. ein Gedachtes abhängig denken nicht vom Denken, sondern vom Sein, oder kürzer: etwas bedingt denken heißt in diesem Gedanken sein Denken abhängig wissen. Das setzt aber offenbar ein Bewußtsein des Zusammenhangs von Denken und Seiin, also eine Unterscheidung des Erkenntnisgrundes und Seinsgrundes voraus, und dies gibt es ursprünglich nur in der Form des Ich. Wo kein Bewußtsein von sich als denkendem und damit von seinem Denken ist, kann es auch kein Bewußtsein der Abhängigkeit dieses seines Denkens, d. h. kein Bewußtsein von Voraussetzungen und von einem "Zusammenhang von Gründen und Folgen" geben. Diese Abhängigkeit des Denkens gehört mit zum Inhalt des ansich Gewissen, des Ich, ist im unmittelbaren Zusammenhang von Denken und Sein das wesentliche zweite Moment und darum für die mittelbare Erhebung zur Gewißheit, für die Herstellung des mittelbaren Zusammenhangs alles Denkbaren mit dem unmittelbaren und realen Zusammenhang von Denken und Sein, mit dem Ich, notwendiges Gesetz der Vermittlung.

Voraussetzung dieses logischen Verhältnisses ist die psychologische Anschauungsnotwendigkeit, die unmittelbare Aufnötigung des "Wirklichen" in der äußeren und inneren Anschauung oder Wahrnehmung; nicht aber ist, wie es oft dargestellt wird, diese psychologische Notwendigkeit selber schon eine Denknotwendigkeit. Letztere bedeutet nicht eine Tatsache, sondern einen Sinn, d. h. sie ist ein den Erkenntniswert eines Gedankens bedingendes Verhältnis und darum eine jedem Gedanken wesentliche Form, ohne die ihm ein Zusammenhang von Denken und Sein nicht möglich ist. Die logische Notwendigkei, das Zwingende, das im Zusammenhang von Grund und Folge liegt, ist nicht der Nichtwiderspruch, welcher die aus dem ersten Denkgesetz fließende Denknotwendigkeit darstellt, die nur bestimmt als was etwas gedacht werden muß und umgekehrt nicht darf; das Gesetz von Grund und Folge bestimmt, was gedacht werden muß, was nicht nicht zu denken ist, weil ein nichtdenken desselben (letztinstanzlich) das (denkend nicht aufhebbare) Denken aufheben würde. Diese Notwendigkeit, deren allgemeiner Sinn hiermit festgestellt ist, wird in der Mannigfaltigkeit der verknüpfenden Gedankenbildungen verschiedene formelle Gestaltungen gewinnen, welche die Darstellung der einzelnen Denkformen zu fixieren hat. Für sie alle folgt aber eben aus dem allgemeinen Sinn und der allgemeinen Bedeutung des zweiten Denkgesetzes die Notwendigkeit einer fundamentalen Unterscheidung, die der vergessene MARTIN DEUTINGER, ohne freilich dafür Verständnis bei den Logikern zu finden, zuerst klar ausgesprochen hat. Es muß nämlich in dieser Denknotwendigkeit die objektive von der subjektiven Seite unterschieden werden. Aus der inhaltlichen Natur des notwendigen Zusammenhangs von Denken und Sein, aus welchem das zweite Denkgesetz hervorgeht, folgt, daß diese Denknotwendigkeit eben eine Notwendigkeit für das Denken ist, welches daher positiv nur vom Gegebenen auf die Voraussetzung, vom subjektiven (zur Voraussetzung nötigenden) Grund zur zu denkenden Folge fortschreiten, umgekehrt aber nur negativ verknüpfen kann. Es ist eine Verletzung des Denkgesetzes, das Sein vom Denken positiv abhängig zu denken, was geschieht, wenn man den objektiven Grund (die Voraussetzung) von der objektiven Folge positiv abhängig denkt; denn notwendig nach dem Sinn des Denkgesetzes und "begründet" ist etwas nur als nicht nicht zu denkendes, weil es andernfalls ein das Denken aufhebendes wäre: eben dieser Zusammenhabg aber, der logische mangelt beim Fortschreiten vom objektiven Grund zur Folge, von der Blüte zur Frucht, vom Künstler zum bestimmten Kunstwerk, da die Negation der Folge den Grund nicht denkgesetzlich aufhebt. Vom objektiven, vorauszusetzenden Grund läßt sich also mit logischer Notwendigkeit nur negativ auf eine Folge schließen, und dieser Gegensatz des objektiven und subjektiven Verhältnisses in der Anwendung des Satzes vom Grunde offenbart durch die setzende Bejahung und aufhebende (nicht bloß, wie innerhalb des ersten Denkgesetzes, ausschließende) Verneinung die Denken und Sein in sachlicher Abhängigkeit verknüpfende Bedeutung des zweiten Denkgesetzes.

Es genügt daher nicht die herkömmliche Art, wie die Logiker den Sinn des Gesetzes durch die vage und doch auch wieder zu enge Anweisung interpretieren, kein Urteil ohne Grund zu fällen oder keinen Satz ohne Grund für wahr gelten zu lassen. Denn, nicht was jeweilig ein logischer Grund ist, sondern was Grund ist, was Grundsein bedeutet, hat die reine Logik festzustellen und dies kann nur aus der Natur und dem Wesen des Denkens beantwortet werden.

Es entsteht jetzt die Frage, ob es außer den erörterten zwei allgemeinen Denkgesetzen noch ein drittes gibt. Auch darüber herrscht wenig Übereinstimmung. Unter dem alten Namen eines "Gesetzes des ausgeschlossenen Dritten" [tertium non datur - wp] pflegt die Mehrzahl der Logiker allerdings ein drittes, das disjunktive Denkgesetz, anzuführen. Da auch diejenigen noch nicht ausgestorben sind, welche dem Satz vom Widerspruch in ganz grundloser Weise den Wert eines selbständigen Denkgesetzes vindizieren [zuweisen - wp], so verehren einige sogar vier solcher Grundgesetze des Denkens. Was nun jenes herkömmliche dritte Glied in der allein diskutablen Dreizahl von Gesetzen betrifft, so wird sich später zeigen, daß ja eben das disjunktive Urteil die logische Form ist, die in der Verknüpfung der Elemente des Denkens, der Begriffe, das richtig verstandene Verhältnis der Identität und des Widerspruchs hervortreibt, so daß man eigentlich nicht einmal mit ULRICI sagen kann, daß das disjunktive eine "Folgerung aus dem Satz der Identität und des Widerspruchs" ist, sondern behaupten muß, der letztere ist das logische Gesetz der (kontradiktorischen) Disjunktion. Freilich darf man dann seinen Sinn nicht in der Sinnlosigkeit der herkömmlichen äußeren Formulierung desselben erblicken. Nur wenn man eben so rein äußerlich und empirisch und ohne jedes philosophische Bedürfnis nach genetischer Aufklärung ihrer Bedeutung die Formeln aneinanderreiht, kann man mit WUNDT (6), allerdings nach dem Vorgang SCHOPENHAUERs, auf den Satz des ausgeschlossenen Dritten als "Grundgesetz der disjunktiven Urteile" die Gesetze der Identität und des Widerspruchs "zurückführen" wollen.

Soll es also wirklich ein drittes Denkgesetz geben, so muß es einen anderen Inhalt und Sinn haben als das gewöhnlich mit diesem Titel aufgeführte. Es war wieder DEUTINGER (7), der zuerst unter dem Namen des Verhältnisses der Dis- und Konjunktion, der Aus- und Einschließung den Inhalt eines dritten Denkgesetzes als weitere und letzte Stufe der Denknotwendigkeit formulierte, welche das gleichmäßige Festhalten der doppelten, den gegensätzlichen Inhalt der zwei ersten Gesetze bildenden Abhängigkeit als zur allseitig geschlossenen Bestimmtheit jedes Gedankens erforderlich befiehlt. Die zwei ersten notwendigen Verhältnisse, das der Einschließung in den Gewißheitsgrund samt der daraus hervorgehenden Allgemeinheit und in ihr begründeten Denkbarkeit einerseits, und das der Ausgeschlossenheit (dem Sein, Inhalt oder dem "Was" nach) samt der durch sie bedingten inhaltlichen Notwendigkeit, stehen ansich im Gegensatz. Einseitiges Vorherrschen des einen oder anderen führt zu willkürlicher und leerer inhaltsloser Gedankenbildung, der es an "Kenntnissen" oder zur Zersplitterung in lauter Besonderheiten, denen es an Allgemeingültigkeit und Gewißheit fehlt. Erst aus der einheitlichen Synthese des doppelten Grundes, nämlich der inneren Möglichkeit und der äußeren, im Besonderen vorliegenden Notwendigkeit, erwächst der wirkliche, allseitig bestimmte, abgeklärte Gedanke als vermittelte Einheit (mittelbarer Zusammenhang) des Erkenntnisgrundes (Ich) und Seinsgrundes, von Denken und Sein.

Es muß selbstverständlich auch bezüglich dieser dritten Stufe der Denkgesetzlichkeit einer Darstellung der einzelnen Denkformen, zu der wir uns nunmehr wenden, überlassen bleiben, die formale Wirksamkeit zu verfolgen, welche das Gesetz in der Mannigfaltigkeit jener Formen entfaltet.
LITERATUR - Georg Neudecker, Grundlegung der reinen Logik - ein Betrag zur Lösung der logischen Frage, Würzburg 1882.
    Anmerkungen
    1) Zwar bemerkt - im betreffenden Zusammenhang mit Recht - SIGWART (Logik I, Seite 122): "ein Band, welches trennt, ist ein Unsinn." Aber ebenso gewiß ist, daß ein Band das in gar keiner Beziehung steht, Getrennte nicht verbinden kann.
    2) SIGWART, von dem die bereits erwähnte Deutung des Identitätsgesetzes als Prinzips der Übereinstimmung stammt, führt Logik I, Seite 82 aus, daß es die unmittelbare und unfehlbare Sicherheit in der Vergleichung (zweier Vorstellungen) als eine notwendige Voraussetzung allen Urteilens und zugleich als eine fundamentale psychologische Tatsache ausspricht. - Es wird da die Sache ziemlich einfach mit einem Postulat abgetan, das eine petitio principii [es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen ist - wp] in sich schließt. Nicht daß Übereinstimmung sein soll, brauchen wir von der Logik zu lernen, sondern was sie ist, worin sie als logisches Verhältnis und nicht bloß psychologische Notwendigkeit besteht, wäre klarzulegen. Um zwei zu "vergleichen", muß ich ein Maß haben, worin sie eins sind. Nur in der Natur dieses Maßes kann die "Sicherheit" einer Vergleichung begründet sein.
    3) Durch die Güte meines Kollegen, Professor ERNST MALLY, wurde ich nachträglich auf die einschlägigen Bemerkungen STEINTHALs (Abriß der Sprachwissenschaft, erster Teil 1881) aufmerksam gemacht. Dieser führt (Seite 127) aus: "Wir bemerkten, daß die Gleichheit zweier Faktoren nur eine relative ist und daß es, wenn sie absolut wäre, unmöglich sein würde, die Gleichung anzusetzen, weil wir gar nicht mehr zwei Faktoren haben könnten, sondern nur einen. Selbst die Formel A = A ist nur so möglich, daß sie eine Negation der Negation ist. Es wird zuerst das Eine-und-Selbe als nicht solches Eine, sondern als zwei durch nichts unterschiedene Gleiche gesetzt, dann aber diese Sonderung, diese Negation der Einundselbigkeit wieder aufgehoben und als falsch, als unmöglich gesetzt; also die Negation der Identität wird negiert. Oder es wird der logisch identische Inhalt A zweimal psychologisch gesetzt, wonach sich als Ergebnis doch nur ein Inhalt ergibt". - Daran ist richtig die Abweisung der absoluten Identität. Allein STEINTHAL hält offenbar nicht wort, denn in seine Deutung der relativen schleicht sich die absolute wieder ein, wobei natürlich der Widerspruch unvermeidlich ist. "Es wird zuerst das Eine und Selbe als nicht solches Eine gesetzt". In diesem Satz setzt STEINTHAL das gleich als Subjekt, dessen Sinn erst der ganze Satz, nämlich die ganze zweigliedrige Formel enthält und ausdrücken kann. Das erste A ist für sich bloß das Eine, nicht aber auch das "und Selbe", wozu es erst in und durch die Beziehung zum zweiten wird. Dieses Eine kann aber nicht als zwei "durch nichts unterschiedene Gleiche" gesetzt werden; denn sind sie durch nichts unterschieden, so können sie unmöglich zwei, folglich auch nicht "gleich" sein. Die Dieselbigkeit, das "logisch Identische" darf man weder wie STEINTHAL als ansich Bestehendes und Fertiges antizipieren, weil es nicht anders sein kann, denn als Sinn eines Verhältnisses, noch kann diesen Sinn eine "zweimalige psychologische" Setzung erzeugen. Denn die letztere führt entweder zur "Verschmelzung", der es an der unterscheidbaren Zweiheit mangelt, oder mittels der Zweiheit der "Verbindungsmerkmale" zu zwei "Gesetzten", deren inhaltliche Identität eben wieder bloß eine unerklärte Voraussetzung ist. Die zweimalige Setzung vorzunehmen, hat einen Sinn doch nur, sofern man durch sie der Identität erst inne werden soll. Nun kann dieses innewerden nicht mittels dessen geschehen, was am zweimal Gesetzten verschieden ist, und der Identität inne werden wollen mittels dessen, was daran identisch ist und weil es dies ist, heißt, mit SIGWART zu reden, mit der Brille auf der Nase eben diese Brille suchen. Denn wie wollten wir es anfangen herauszubringen, was daran identisch ist, wenn wir nicht schon irgendwoher wüßten, was identisch ist und heißt. Kurz: es ist unmöglich den Anfang des Logischen aus dem Psychologischen sozusagen herauszudestillieren. Die feinste "psychische Mechanik" liegt tief unter der Lichtregion des Logischen. - Im wesentlichen ist übrigens auch STEINTHALs Darstellung nur eine Variation des alten Textes von JOHN LOCKE in dessen "Versuch über den menschlichen Verstand", wo es *Buch II, Kapitel 27, § 1 heißt: "Wird ein Ding als daseiend zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort aufgefaßt, so vergleicht man es mit sich selbst (!) zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort und bildet danach die Vorstellungen der Dieselbigkeit und Verschiedenheit". - Also man vergleicht sie mit sich selbst und bildet danach die Vorstellung der Dieselbigkeit! Diese petitio principii ist der HERBARTische Realismus und die auf ihn gebaute Apperzeptionspsychologie bis zur Stunde noch nicht losgeworden.
    4) ULRICI, Kompendium der Logik, Seite 40f.
    5) Dies hat auch J. H. LÖWE (Lehrbuch der Logik, Wien 1881) übersehen, wenn er (Seite 43) den Geist "sich als kausalen Grund seines Daseins" erkennen läßt. Darum bringt er es, so scharf und tief er auch manchen Punkt faßt, zu keiner klaren Ausscheidung des ersten und zweiten "Grundgesetzes" und zu keiner hinreichenden Unterscheidung von Vorstellen und Denken.
    6) MARTIN DEUTINGER, Logik, Seite 508f
    7) vgl. LORENZ KASTNERs Monographie "Martin Deutingers Leben und Schriften", München 1875, wo dessen logische Arbeiten (Seite 123-196, 413-451) lichtvoll dargestellt und (Seite 753-772, 789-807) gründlich erläutert und gewürdigt sind.