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Die Seele des Menschen
1. Die Seele als einfaches Einzelwesen In der Geschichte und ebenso in der Gegenwart treffen wir es vielfach, daß man sich, obwohl man die Seele feierlichst als ein immaterielles Wesen ausgibt, von dem Gedanken nicht frei machen kann, die Seele habe doch, ja müsse einen Ort und Sitz haben, weil man mit der Preisgabe der Örtlichkeit der Seele auch die Seele selber als Gegebenes oder Seiendes überhaupt preis zu geben meint. Daraus erklärt es sich, daß DESCARTES im siebzehnten Jahrhundert und noch HERBART im 19. Jahrhundert, die auch beide von der Einfachheit des seelischen Einzelwesen überzeugt waren, der erstere für die Seele einen dauernden Sitz im Gehirn suchte und die Zirbeldrüse als den Seelensitz auswählte, und HERBART die Seele ein Nomadenleben im Gehirn führen ließ. Wir aber müssen uns, wenn wir es ernst mit der Seele als unkörperlichem Einzelwesen meinen, auch vom letzten Rest als unkörperlichem Einzelwesen, auch vom letzten Rest materialistischer Eierschalen, die freilich einem jeden gar lange noch anhängen, frei machen und streng daran festhalten, daß das Zusammen der Seele mit dem Gehirn einzig und allein auf ihren Wirkungszusammenhang gestellt ist. Dann werden wir freilich doch noch immer mit Recht davon reden, daß dieser oder jener Teil des Gehirns auf die Seele wirkt, d. h. die wirkende Bedingung für eine Veränderung der Seele selber ausmacht, und ebenso daß die Seele die wirkende Bedingung für eine Veränderung dieses oder jenes Teils des Gehirns enthält. Aber immer auch müssen wir uns dessen bewußtsein, daß bei einem solchen Wirken die in Frage und zum Ausdruck kommende Örtlichkeit dem (wirkenden oder Wirkung erfahrenden) Gehirnteil einzig und allein auf die Rechnung zu schreiben ist. Daß die Seele als Einzelwesen ein einfaches ist, wurde von jeher fast ausnahmslos angenommen; diese Annahme erweist sich auch als die einzig richtige, wie eine kurze Überlegung darlegen mag. Die Einheit, als die sich jedes zusammengesetzte Einzelwesen darstellt, ist eine ursächliche, d. h. eine auf den Wirkungszusammenhang ihrer Glieder (Einzelwesen) gestellte Einheit. Die ursächliche Einheit eines solchen Einzelwesens unterscheidet sich von einer anderen ursächlichen Einheit im Gegebenen überhaupt durch ihre Stetigkeit, so daß wir demnach das zusammengesetzte Einzelwesen genauer eine stetige ursächliche Einheit von Einzelwesen nennen müssen. Die Stetigkeit des Wirkungszusammenhangs will heißen, daß, wann immer eines dieser Glieder jenes Einzelwesens von einem anderen Einzelwesen eine Veränderung erfährt, dieses veränderte Glied seinerseits unmittelbar wieder eine Veränderung des anderen Gliedes wirkt. Die andere ursächliche Einheit im Gegebenen überhaupt nennen wir die unstetige; sie findet sich überall da, wo wir zu reden gewohnt sind vom Wirken eines einzelnen Dings auf ein anderes, d. h. also vom ursächlichen Zusammenhang, in dem zwei Einzelwesen nur zeitweise zueinander stehen. Eine derartige unstetige ursächliche Einheit bilden zum Beispiel zwei Kugeln, von denen die eine (die rollende) die andere (die ruhende) in Bewegung setzt, bildet der geworfene Stein und das in Trümmer gehende Fenster usw. Da wir im Gegebenen, sofern es uns Einzelwesen darbietet, in letzter Linie mit einem einfachen Einzelwesen zu tun haben, so würde die menschliche Seele, wäre sie ein zusammengesetztes Einzelwesen, eine stetige ursächliche Einheit von seelischen Gliedern sein, die letzten Endes einfache Einzelwesen sein müßten; gleichwie der Körper unserer Wahrnehmung eine stetige ursächliche Einheit von einfachen körperlichen Einzelwesen bildet. Abgesehen davon jedoch, daß wir unsere Seele gar nicht als ein Zusammen einer Mehrzahl von einfachen Einzelwesen zu fassen vermögen, während uns dies bei unserem Körper spielend gelingt, es bietet unsere Erfahrung auch nicht den leisesten Anhaltspunkt, die Seele für die ursächliche Einheit einer Mehrzahl von einfachen seelischen Einzelwesen auszugeben. Die Tatsachen der Erfahrung lehren uns zwar den Menschen als die ursächliche Einheit von Seele und Leib begreifen, lehren uns den stetigen Wirkungszusammenhang unserer Seele und unseres Leibes; aber selbst von einem unstetigen unmittelbaren Wirkungszusammenhang unserer Seele mit einer anderen Seele, der uns dann vielleicht den Gedanken verständlich machen könnte, daß unsere Seele die Einheit von in einem stetigen unmittelbaren Wirkungszusammenhang miteinander stehenden einfachen Seelenwesen ist, wissen die Erfahrungstatsachen nicht das Geringste. In unserer Wirklichkeit findet sich einzig und allein ein mittelbarer, nämlich durch körperliche Einzelwesen (Leiber und anderes) vermittelter unstetiger Wirkungszusammenhang von Seele und Seele. Von all den Sagen alter und neuester Zeit, die einen unmittelbaren unstetigen Wirkungszusammenhang zweier Seelen wissen wollen, bleibt, sofern sie überhaupt der Prüfung zugänglich sind, erfahrungsgemäß nichts anderes übrig als Hirngespinste. Deshalb ist freilich die Möglichkeit eines unmittelbaren unstetigen Wirkungszusammenhangs von Seele und Seele noch nicht völlig ausgeschlossen, wir werden jedoch immerhin auch sie als eine für uns in der Luft schwebende Behauptung gänzlich an die Seite stellen müssen. In unserer Frage, ob die Seele ein Einzelwesen ist, handelt es sich um einen unmittelbaren stetigen Wirkungszusammenhang einfacher Einzelwesen, aus denen die Seele zusammengesetzt sein könnte. Dieses Mögliche aber als wirkliche Tatsache finden wir selbst in keiner Sage wieder. Ja bei genauerer Besichtigung der Sagen von unstetigem, aber angeblich unmittelbarem Wirkungszusammenhang von Seelen ergibt sich deutlich, daß der Gedanken des mittelbaren Wirkungszusammenhangs der Seelen doch in ihnen eingewickelt liegt. Denn immer findet die Rede von einem Wirken in die Ferne, über Berg und Tal, Wasser und Land geht es hin, während doch Seelen keinen Ort haben, also auch nicht voneinander entfernt und ebensowenig einander nahe sein können. Man ersieht hieraus, daß niemand tatsächlich einen unmittelbaren Wirkungszusammenhang der Seelen, auch nicht unstetigen, fassen kann, und wer sich dabei doch etwas denken will, der greift eben zu dem bekannten, durch Körperliches vermittelten Wirkungszusammenhang, wobei er nur gewöhnlich das nächste körperlich Glied dieses Zusammenhangs, den menschlichen Leib, allerdings auszuschalten pflegt. Soviel steht fest: eine aus Seelen allein bestehende ursächliche Einheit, sei es eine stetige, sei es eine unstetige, ist tatsächlich unfaßbar und im Gegebenen überhaupt nicht anzutreffen. Was als Seele gegeben ist, erweist sich immer zwar als eine Einheit, niemals aber als eine stetige, ursächliche Einheit, also niemals als ein zusammengesetztes Einzelwesen. Den Einwand, daß doch die Seele als die ursächliche Einheit von "Vorstellungen", die miteinander in einem Wirkungszusammenhang stehen - siehe HERBART -, oder von "Empfindungen"; die miteinander in einem Wirkungszusammenhang stehen, siehe die physiologisch verbrämte subjektlose Psychologie unserer Zeit - gefaßt werden könne - diesen Einwand berücksichtige ich hier nicht. Die Frage, ob eine "Vorstellung" und ob die "Empfindung" ein Einzelwesen ist oder Bestimmtheit, wird von mir später beantwortet; weil ich aber dafür halte, daß beides, HERBARTs "Vorstellung" sowie die subjektlose "Empfindung", welche Einzelwesen sein sollen, als solche nur Hirngespinste sind, daß aber das Tatsächliche, das sie meinen, in Wahrheit eine Bestimmtheit der Seele ist, so wird daraus zur Genüge hervorgehen, warum ich über die Meinung, die Seele sei ein aus "Vorstellungen" oder "Empfindungen" zusammengesetzts Einzelwesen, an dieser Stelle hinweggeht. Für uns steht nun dies außer allem Zweifel, daß die Seele nur als einfaches Einzelwesen begriffen werden kann, also, wenn in Wirklichkeit unkörperliche Einzelwesen als "Seelen" bestehen, diese immer als einfache gegeben sein müssen. Steht es aber fest, daß die menschliche Seele ein Einzelwesen ist, so wird uns damit ein anderer nicht abzuweisender Gedanke aufgedrängt, der Gedanke nämlich von der Unvergänglichkeit der Seele. Ich erinnere an meine obigen Ausführungen, an die Unterscheidung von Einfachem und Zusammengesetzten im Gegebenen überhaupt und in dem als Einzelwesen Gegebenen im Besonderen. Wir kennen ferner in dem als Allgemeines Gegebenen Verlierbares und Unverlierbares. Die Unterscheidung von Vergänglichem und Unvergänglichem haben wir dem als Einzelwesen Gegebenen vorbehalten, weil das Einzelwesen als das einzige Veränderliche im Gegebenen überhaupt auch nur Werden und Vergehen erfahren kann. Daß es vergängliche Einzelwesen gibt, wird schlechtweg unbestritten sein. Worauf beruht aber das Vergehen von Einzelwesen? Was uns die Erfahrung an vergänglichen Einzelwesen bietet, ist allesamt ein zusammengesetztes Einzelwesen und ihr Vergehen beruth auf dem Aufhören des Wirkungszusammenhangs ihrer Glieder, der einfachen Einzelwesen. Sehen wir einen Stein oder einen Organismus an, der vergeht, so haben wir hier festzustellen, daß zwar die einfachen Einzelwesen, deren Einheit der Stein, bzw. der Organismus bildete, bestehen bleiben, jedoch fehlt fortan ihr Wirkungszusammenhang. Auf dem Gebiet des Dinggegebenen oder der sogenannten "Natur" ist die Wissenschaft schon lange zu der Einsicht gekommen, daß sich die Einteilung des Dinggebenen in ein einfaches und ein zusammengesetztes Einzelwesen genau mit der Einteilung in ein unvergängliches und ein vergängliches Einzelwesen deckt; daß das einfache körperliche Einzelwesen, das "Atom", unvergänglich ist, erscheint als Denknotwendigkeit. Diese Denknotwendigkeit aber hat offenbar einzig und allein ihre Wurzel in der Einfachheit jenes körperlichen Einzelwesens, so daß wir mit vollem Grund sagen dürfen, all und jedes Einzelwesen im Gegebenen überhaupt, das sich als einfaches erweist, ist auch als ein unvergängliches Einzelwesen anzuerkennen: dies gilt also auch von der Seele, dem unkörperlichen einfachen Einzelwesen. Und da auf dem Gebiet des unkörperlich Gegebenen überhaupt nur ein einfaches Einzelwesen, kein zusammengesetztes, sich findet und gedacht werden kann, wie wir dargelegt haben, so können wir auch dem Satz, daß alle unkörperlichen Einzelwesen unvergänglich sind, die Zustimmung nicht versagen. Dabei hat dieser Satz vor dem der Naturwissenschaft, daß das einfache körperliche Einzelwesen "Atom" unvergänglich ist, noch das Bemerkenswerte voraus, daß das Einzelwesen "Seele" zum unmittelbar Gegebenen unserer Erfahrung gehört, während das einfache Einzelwesen der Naturwissenschaft, das "Atom", nur ein mittelbar Gegebenes oder Erschlossenes ist: dort also handelt es sich m ein allen unmittelbar Vorliegendes, hier aber nur um eine, wenn auch denknotwendige wissenschaftliche Unterstellung (Hypothese). Da der Mensch als zusammengesetztes Wesen die Einheit von Leib und Seele ist, so sprechen wir von ihm mit Recht als von einem leiblichen und einem seelischen Wesen und sagen auch mit vollem Grund von ihm selber das aus, was in einem näheren Sinn nur als Bestimmung einer seiner beiden Glieder gelten kann. In diesem Sinne heißt es von ihm: der Mensch ist klein, mager, er fiebert, er läuft, er schwitzt, usw. und ebenfalls von ihm: der Mensch ist aufmerksam, traurig, gescheit, er begreift, er zweifelt, er hofft, er liebt usw. Und ebenso sprechen wir: der Mensch hat Augen und Ohren, Hände und Füße usw. und: der Mensch hat Empfindungen, Vorstellungen, Gedanken, Wünsche usw. Wie vom Menschen heißt es nun in gleicher Weise vom "Ich": Ich laufe, schwitze, bin aufmerksam, habe Augen und Gedanken usw. Ferner heißt es: der Mensch hat einen Leib und eine Seele, aber ebenfalls: Ich habe einen Leib und eine Seele. Es läßt sich mit Sicherheit behaupten, daß, was immer vom Menschen ausgesagt wird, auch vom Ich ausgesagt werden kann. Nur hat immer der eine Satz doch nicht ganz denselben Gedankenklang (wenn ich es so kurz ausdrücken darf), wie der andere. Zwar bedeutet hier "Ich" immer ganz dieselbe zusammengesetzten Einheit, wie "Mensch", aber wenn von dieser Einheit als "Ich" die Rede ist, so ist die Färbung eine besondere und andere, als wenn von ihr als "Mensch" geredet wird: dort klingt die Einheit, um es so auszudrücken, in der Bewußtseinsfärbung, hier in der Körperfärbung. Oder ohne Bild: "Ich" heißt jene Einheit, wenn sie als das "bewußte" oder "Bewußtseinswesen" noch besonders zum Ausdruck kommen soll, dagegen heißt sie "Mensch", wenn sie noch besonders als körperliches Wesen zum Ausdruck kommen soll. Dieser Unterschied tritt klar hervor in der Rede: Ich bin mager und der Mensch ist mager, Ich schwitze und der Mensch schwitzt, Ich habe Ohren und der Mensch hat Ohren, Ich bin traurig und der Mensch ist traurig. Ich habe Gefühle und der Mensch hat Gefühle, Ich hoffe und der Mensch hofft. In den letzten dieser Aussagen erscheint, wenngleich in den Ich-Aussagen die Einheit als bewußte noch besonders herausgekehrt wird, in beiderlei Aussagen die Einheit als bewußte Einheit gezeichnet, und dies ist, wenn wir genauer hinsehen, in all den Aussagen der Fall, in welchen solche Bestimmtheiten ausgesagt werden, die im engeren Sinn dem Unkörperlichen dieser Einheit, also der Seele angehören (traurig sein, Gefühl haben, hoffen usw.). Wir dürfen demnach erklären, sofern es sich um die Seele dieser zusammengesetzten Einheit handelt, sei diese letztere nun als "Mensch", sei sie als "Ich" bezeichnet, so ist es immer Bewußtsein, das dabei besonders in Frage kommt. "Mensch" oder "Ich" als das seelische Wesen nennen wir nun auch nach alter Gewohnheit bewußtes Wesen. Es ist aber noch auf einen besonderen Sinn der Worte "Mensch" und "Ich" aufmerksam zu machen. Dieser mischt sich mit dem anderen, der die Worte "Mensch" und "Ich" gleichdeutig zeigt in unserem Sprachgebrauch, so daß es von einiger Bedeutung ist, ihn als besonderen klar gegen den anderen hinzustellen. Wir bemerkten, daß die allerdings im allgemeinen gleichdeutig verwerteten Worte "Mensch" und "Ich" doch ihrem Sinn nach je eine besondere Färbung haben, indem die als "Ich" bezeichnete zusammengesetzte Einheit doch in einer besonderen Betonung das Bewußtsein des zusammengesetzten Einzelwesen herauskehrt, während die selbige als "Mensch" bezeichnete zusammengesetzte Einheit doch in einer besonderen Betonung ihren Körper, den bestimmten Leib dieses zusammengesetzten Einzelwesens hervorhebt. Aus dieser verschiedenen Färbung der beiden, ein und dieselbe zusammengesetzte Einheit bedeutenden Wort wird es leicht zu verstehen sein, daß ein jedes dieser Worte noch in einem besonderen Sinn verwendet zu werden pflegt, gemäß welchem mit "Ich" nicht die zusammengesetzte Einheit von Leib und Seele, sondern einzig und allein das eine ihrer Glieder, das Einzelwesen "Seele", und andererseits mit "Mensch" gleichfalls nicht die zusammengesetzte Einheit von Leib und Seele, sondern das andere ihrer Glieder, das Einzelwesen "Leib" gemeint ist. Daß dieser besondere Sinn den Worten, vielfach beigelegt wird, beweisen die Redensarten vom "Ich", in denen nicht stellvertretend das Wort "Mensch" eingesetzt werden, und ebenso die vom "Menschen", in denen nicht stellvertretend das Wort "Ich" verwendet werden kann. Man beachte: das Wort "Ich war außer dem Leibe", "Ich lasse meinen Leib hinter mir", verliert allen Sinn, wenn es für "Ich" heißt: "der Mensch war außer dem Leibe", "der Mensch läßt seinen Leib hinter sich". Dasselbe ergibt sich umgekehrt: das Wort "der Mensch ist tot" läßt sich nicht gegen das sinnlose Wort "Ich bin tot" eintauschen. Für die klare Auffassung des Gegebenen ist es nötig, daß wir uns die hier gezeichnete Verschiedenheit des Gebrauchs der Worte "Mensch" und "Ich" vorführen:
1. "Ich" = (Seele + Leib); 2. "Ich" = menschliche Seele.
1. "Mensch" = (Seele + Leib); 2. "Mensch" = menschlicher Leib. Zweifach findet sich in unserem Sprachgebrauch das Wort "Bewußtsein", einmal zur Bezeichnung einer Bestimmtheit und das andere Mal zur Bezeichnung eines Einzelwesens; wir sagen z. B. "der Mensch oder die Seele hat ein Bewußtsein" und auch, "der Mensch oder die Seele ist Bewußtsein". "Der Mensch hat Bewußtsein" will heißen, er ist sich dessen und dessen bewußt: was aber dies sagen will, ist ohne weiteres jedem Menschen klar. Der Mensch hat dieses "Bewußtsein" eben als seelisches Wesen, er als seelisches Wesen ist gemeint, wenn es heißt, da er sich einer Sache bewußt war oder "Bewußtsein" von ihr hatte, so daß augenscheinlich "Bewußtsein" im Besonderen die Bestimmtheit der Seele bedeuten will. Wird aber behauptet, die Seele habe Bewußtsein als ihre Bestimmtheit, so gilt es zur Klarstellung der Sache in erster Linie, diese angebliche Bestimmtheit in das Gegebene überhaupt einzureihen, indem wir fragen, ob Bewußtsein eine wesentliche oder eine unwesentliche, also eine unverlierbare oder verlierbare Bestimmtheit der Seele und damit auch des Menschen als der aus Leib und Seele zusammengesetzten Einheit ist. Wir müssen hier etwas weiter ausholen. Die Rede: "der Mensch hat das Bewußtsein verloren" ist ganz gebräuchlich und bekannt: was will und was darf sie besagen? Zunächst das Erstere: was will sie besagen? Zweierlei ist hier möglich, entweder daß das Bewußtsein selber Bestimmtheit oder daß es Einzelwesen ist. Liegt nun die Sache, wie sie im ersten Fall bezeichnet ist, dann bedeutet hier der Mensch die aus Leib und Seele zusammengesetzte Einheit, denn das Bewußtsein als die angebliche Bestimmtheit des "Menschen" wäre die Bestimmtheit eines seiner Glieder ja im Besonderen, nämlich der Seele. Bei einer solchen Annahme wäre aber ebenso wahr, wie jener Satz, auch dieser: die Seele hat das Bewußtsein verloren, sowie auch dieser: Ich habe das Bewußtsein verloren, und der letzte Satz würde in allen Fällen wahr sein, einerlei, ob "Ich" als Einheit von Seele und Leib oder nur als Seele gefaßt wäre. Ich achte, daß Viele schon nach dieser Überlegung den Satz "der Mensch hat das Bewußtsein verloren" zumindest denjenigen, in denen das Wort "Mensch" nicht gegen "Ich" auszutauschen ist, zu stellen geneigt sind, eben weil sie Bewußtsein nicht für eine verlierbare Bestimmtheit der Seele ausgeben und demnach mit dem Satz: "Ich habe das Bewußtsein verloren" keinen Sinn verbinden können. Da jedoch für sie der Satz "der Mensch hat das Bewußtsein verloren" noch einen Sinn behält und wahr bleibt, aber Bewußtsein doch keine leibliche Bestimmtheit sein kann, also die Behauptung, der Leib könne Bewußtsein verlieren, als ein möglicher Ausweg wegfällt, so bleibt ihnen die andere Auffassung allein zur Hand, das Bewußtsein, welches ja dem Menschen soll verloren gehen können, für ein Einzelwesen selber anzusehen. Und für diese Auffassung steht dann wiederum nur die Seele im Gegebenen überhaupt zur Verfügung, so daß der Satz "der Mensch hat das Bewußtsein verloren" dem anderen sich gleichstellt: "der Mensch hat die Seele verloren". In diesem Fall bedeutet dann "Mensch" nicht die aus Leib und Seele zusammengesetzte Einheit, denn diese könnte selbstverständlich, wenn das eine Glied nicht mehr da ist, nicht selber noch weiter bestehen, sondern "Mensch" bedeutet hier nur den menschlichen Leib und jener Satz sagt aus, daß der Leib seinen Partner, die Seele, verloren hat, d. h. daß die ursächliche, die auf einem Wirkungszusammenhang beruhende Einheit von Leib und Seele nicht mehr besteht. Wir sehen, der Unterschied ist tatsächlich ein bedeutender, ob es heißt: der (aus Leib und Seele zusammengesetzte) Mensch hat das Bewußtsein (als Bestimmtheit seiner Seele) verloren, oder ob es heißt: der Mensch (menschliche Leib) hat das Bewußtsein (das Einzelwesen Seele als seinen Partner) verloren. Lassen wir das Zweite einstweilen liegen und wenden wir uns zunächst dem Ersteren zu: Gesetzt nun, Bewußtsein wäre eine verlierbare Bestimmtheit des Menschen oder der Seele, so müßte uns, auf daß wir diesen Gedanken zu fassen imstande wären, noch eine andere Bestimmtheit gegeben sein, die, wenn "Bewußtsein" als Bestimmtheit verloren ginge, anstelle des Bewußtseins treten würde. Diese gesuchte Bestimmtheit und das "Bewußtsein" müßten also zwei besondere Bestimmtheiten einer allgemeineren Bestimmtheit der Seele darstellen. Denn selbstverständlich gilt auch für die sich verändernde Seele unser Satz von der Veränderung überhaupt und im Besonderen daher auch der allem Veränderlichen eigene horror vacui [Schrecken vor der Leere - wp] nach welchem keine Bestimmtheit des Einzelwesens verloren gehen wird, für welche nicht eine andere, die ihrerseits mit jener in einer allgemeineren Bestimmtheit eins sein muß, an die Stelle treten kann. Es läßt sich aber für die angebliche Bestimmtheit "Bewußtsei" eine allgemeinere Bestimmtheit nicht entdecken und auftreiben, was mit anderen Worten auch sagen will, daß sich keine andere besondere Bestimmtheit, die den Platz des "Bewußtseins" einnehmen könnte, entdecken und auftreiben läßt. Wer etwa im "Unbewußten" diese gesuchte besondere Bestimmtheit gefunden zu haben meit, wird seinen Irrtum bald einsehen und verstehen, daß in diesem Wort nicht ein anderes Besonderes dargeboten, sondern nur die Verneinung, das Nichtsein, der Mangel an Bewußtsein ausgesprochen wird. Aus dieser Unmöglichkeit, das Gegebene, welches wir Bewußtsein nennen, als etwas, das nicht mehr ist, zu begreifen, weil wir im Gegebenen überhaupt nichts auffinden, das, wenn Bewußtsein selber eine Bestimmtheit ist, als Bewußtseinsersatz der geforderten Art anerkannt werden könnte - aus dieser Unmöglichkeit ergibt sich so viel mit Sicherheit, daß Bewußtsein, sofern es als eine Bestimmtheit bezeichnet werden könnte, ohne Zweifel eine unverlierbare Bestimmtheit seines Einzelwesens sein müßte. Wäre aber überhaupt Bewußtsein eine Bestimmtheit der Seele, so hätte dieses einfache Einzelwesen, das doch, wie jedes andere, als eine Einheit, will sagen, als ein notwendiges Zusammen von mehreren Bestimmtheiten sich darstellen muß, neben Bewußtsein noch etwas anderes als seine Bestimmtheit aufzuweisen. Von dieser Forderung läßt sich nichts abdingen, sie ist ein Grundgesetz des Gegebenen. Wenn HERBART von den einfachen Einzelwesen des Seins als einfach bestimmten redet und seinen "Realen" nur eine einzige Bestimmtheit zubilligen will, so hat auch er diesen seinen Willen tatsächlich nicht durchführen können, sondern sich genötigt gesehen, seinen Realen doch noch "intelligiblen Raum" zuzuweisen, ihnen also außer der berühmten "einen, aber unerkennbaren Qualität" wenigstens noch eine andere Bestimmtheit, nämlich die Örtlichkeit des "intelligiblen Raums" zuzubilligen. Einfaches aber, das überhaupt nur eine einzige Bestimmtheit bieten soll, ist selbstverständlich gar kein Einzelwesen, ist gar nichts Einziges, sondern kann nichts anderes, als nur eine Bestimmtheit sein, ist also etwas Allgemeines. Was nun die angebliche Bestimmtheit "Bewußtsein" angeht, so sind wir nicht, wie HERBART es war, in der glücklichen Lage, die Seele im Raum, sei es auch in einem "intelligiblen", gegeben zu haben, da sie für uns Unkörperliches ist. Wir vermögen uns also nicht mit einer Bestimmtheit "Örtlichkeit" aus der Verlegenheit zu helfen, um in ihr für die Seele die andere zugleich gegebene Bestimmtheit zu beschaffen, ohne die auch Seele als Einzelwesen gar nicht gegeben sein kann. Die benötigte Bestimmtheit der Seele als unkörperlicher Einheit neben ihrer angeblichen Bestimmtheit "Bewußtsein" ist nun in der Tat auf keine Weise zu beschaffen. Steht die Sache aber so, daß wir das Bewußtsein weder als verlierbare Bestimmtheit eines, sei es zusammengesetzten, sei es einfachen Einzelwesens, noch überhaupt als Bestimmtheit eines Einzelwesens zugeben können, weil in jenem Fall diejenige andere Bestimmtheit, die mit dem Bewußtsein in einer allgemeineren Bestimmtheit eins sein müßte, und in diesem Fall diejenige andere Bestimmtheit nicht zu beschaffen ist, die neben und mit der Bestimmtheit "Bewußtsein" das gesuchte Einzelwesen erst überhaupt möglich machen würde: steht die Sache derartig - und ich schätze, ein Widerspruch ist hier nicht mehr möglich, - dann muß das Bewußtsein, ist es überhaupt etwas und demnach besonderes Gegebenes, eben ein Einzelwesen sein. Alles besondere Gegebene erscheint, wie wir gesehen haben, entweder als Einzelwesen oder als Bestimmtheit von Einzelwesen, und somit muß das Gegebene, was wir Bewußtsein heißen, Einzelwesen sein, eben weil es Bestimmtheit nicht sein kann, und, um es als Bestimmtheit zu fassen, müßten wir ein Einzelwesen finden und vorstellen können, als dessen Bestimttheit es uns entgegenzutreten hätte, wenn es überhaupt zum Gegebenen gehört. Ich weiß wohl, daß man sich schwer losmacht von der Auffassung, Bewußtsein sei eine Bestimmtheit, und lieber noch zu einer gezwungenen Unterstellung die Zuflucht nimmt, bevor man sich dem einzig folgerichtigen Gedanken, Bewußtsein sei Einzelwesen, gefangen gibt. Auch diese Unterstellung haben wir erst noch zu beseitigen. Man räumt wohl ein, daß das Gegebene "Bewußtsein" weder eine verlierbare noch eine unverlierbare Bestimmtheit eines Dings, d. h. eines körperlichen Einzelwesens sein kann; man räumt gleichfalls ein, daß im Gegebenen überhaupt sich unkörperliches Einzelwesen, dessen Bestimmtheit das Bewußtsein ist, nicht findet. Um Bewußtsein aber dennoch als Bestimmtheit zu behalten, flüchtet man sich ins Nichtgegebene; d. h. ins Nichtdenkbare, will sagen, man behauptet ein Nichtgegebenes und daher Nichtdenkbares oder, wie wir kurz sagen, ein X als Einzelwesen, dessen Bestimmtheit das Bewußtsein ist. Mit diesem X ist es aber noch nicht getan. Da man nämlich auch nicht von dem Gedanken lassen will, daß Bewußtsein verloren geht, so ist noch eine andere Bestimmtheit, die in einem solchen Fall an die Stelle der angeblichen Bestimmtheit "Bewußtsein" treten muß, anzunehmen. Jedoch die andere Bestimmtheit ist, wie man auch offen einräumt, im Gegebenen überhaupt ebensowenig zu finden, wie jenes X, als dessen eine Bestimmtheit das Gegebene "Bewußtsein" angesehen wird; also auch die andere Bestimmtheit ist Nichtgegebenes und Nichtdenkbares, ist ebenfalls ein X. Gleicherweise aber die "allgemeinere" Bestimmtheit, in der ja die Bestimmtheit X des Einzelwesens X mit der angeblichen Bestimmtheit "Bewußtsein" ein sein muß, um die Veränderung des Einzelwesens X verstehen zu können, - auch diese "allgemeine Bestimmtheit" ist ein X. Schließlich wird man noch genötigt sein, um überhaupt jenes Einzelwesen X als ein Einzelwesen anerkennen zu können, wenigstens noch eine andere Bestimmtheit neben dem Bewußtsein, oder genauer geredet, neben dem X, das jene "allgemeinere Bestimmtheit" des "Bewußtseins" markiert, zu setzen, die aber ebenfalls zum Nichtgegebenen und Nichtdenkbaren gehört, also auch ein X wäre. In diese Gesellschaft von vier X: dem Einzelwesen X, ferner der dem "Bewußtseins" nebengeordneten Bestimmtheit X und der diesen beiden gemeinsamen "allgemeineren Bestimmtheit X sowie der neben letzterer dem Einzelwesen noch eigenen anderen Bestimmtheit X - in diese Gesellschaft von vier X sehe ich also das Gegebene "Bewußtsein" gestellt: eine Denkgrausamkeit, die wohl alle anderen dunklen Taten metaphysischen Spekulierens in den Schatten stellt. Wir wollen uns ihrer nicht schuldig machen. Unsere Erörterung, die sich hier durchaus innerhalb des Gegebenen überhaupt gehalten hat, ist bis zu dem zwingenden Schluß geführt, daß, wenn überall das Wort "Bewußtseins" ein besonderes Gegebenes bedeuten soll, dieses nur als Einzelwesen begriffen werden kann. Der Satz "Der Mensch hat das Bewußtsein verloren" rückt damit in eine ganz bestimmte Beleuchtung und erhält den Sinn, welchen wir als den zweiten möglichen ihm schon oben zuerkannten; er sagt jetzt: der "Mensch", d. h. der menschliche Leib hat das Bewußtsein d. h. die Seele, seinen bisherigen Partner, verloren, die zusammengesetzte Einheit "Mensch" oder "Ich" ist also vergangen, der Wirkungszusammenhang zwischen Leib und Seele ist nicht mehr vorhanden. Auf diesem unserem Standpunkt verstehen wir die Redensart: das "Ich" oder der "Mensch" hat Bewußtsein, ganz in demselben Sinn wie: das "Ich" oder der "Mensch" hat eine Seele. Wir erkennen aber auch deutlich, daß die andere Redensart: "Der Mensch hat Bewußtsein, ganz in demselben Sinn wie: das "Ich" oder der "Mensch" hat eine Seele. Wir erkennen aber auch deutlich, daß die andere Redensart: "Der Mensch hat Bewußtsein" zweierlei Sinn haben wird:
2. der "Mensch", d. h. der menschliche Leib hat zu seinem Partner das Bewußtsein oder die Seele, d. h. er bildet mit ihr zusammen eine ursächliche Einheit. Im ersteren Sinn kann für "Mensch" auch "Ich" gesetzt sein, also auch "Ich habe Bewußtsein"; im zweiten Sinn ist dieser Austausch eine reine Unmöglichkeit; das erweist sich sofort augenfällig, wenn wir das Gegenteil von "Bewußtseinshaben" als Aussage vom "Menschen" wählen: wir können in einem zweiten Sinn (freilich niemals auch im ersteren) sagen: "der Mensch" (menschliche Leib) hat kein Bewußtsein", aber unmöglich ist es zu sagen: "Ich habe kein Bewußtsein"; sei nun "Ich" im Sinne einer Einheit "Seele + Leib" oder im Sinne "menschliche Seele" gebraucht. Man ersieht auch hieraus wieder, wie wichtig es ist, sich stets den besonderen Sinn, der im einzelnen Fall mit den Worten "Mensch" und "Ich" verbunden ist, klar zu machen. Ich meine überhaupt, manche Meinungsverschiedenheit und mancher Streit bei den allgemeinen psychologischen Fragen würde im Keim erstick und beseitigt, wenn erkannt wird, daß in unserem Sprachgebrauch sowohl das Wort "Mensch" als auch das Wort "Ich" zweierlei Sinn hat, so daß diese Worte zwar in einem Sinn zusammenstimmen, im anderen aber ihre besonderen Wege gehen. Im genauesten Sinn können wir nur von der Seele sagen, daß sie sich dessen und dessen bewußt ist, mit anderen Worten: nur ein Bewußtsein kann sich einer Sache bewußt sein. Wir stehen mit gutem Grund demnach zu der Formel: Seele = Bewußtsein! Denn ich wiederhole es: Bewußtsein kann weder eine verlierbare Bestimmtheit noch überhaupt eine Bestimmtheit der Seele bedeuten. Seele, d. h. ein unkörperliches Einzelwesen aber ohne "Bewußtsein", also eine sogenannte "unbewußte" Seele muß uns allen ein leeres Wort bleiben, oder, wenn jemand bei dem Wort "unbewußte Seele" doch irgendetwas, aber nicht doch wieder ein Bewußtsein denkt, so wird sich stets zeigen, daß er unter "Seele" ein Ding, ein körperliches Einzelwesen begreift und somit wieder in den Sumpf von Widersprüchen zu geraten im Begriff ist, der den Materialismus kennzeichnet. Dieselbe Erfahrung machen wir mit den stellenweise sehr beliebten Redewendungen "unbewußtes Vorstellen" und "unbewußtes Wollen". Vorstellen und Wollen sind, wenn überhaupt irgendetwas, zweifellos Eigentümlichkeiten der Seele. Diejenigen nun, welche vom unbewußten Vorstellen und unbewußten Wollen sprechen, meinen damit eine besondere Bestimmtheit der Seele gegenüber derjenigen, die sie bewußtes Vorstellen und bewußtes Wollen nennen. Aber auch hier zeigt sich dem prüfenden Blick rasch, daß man entweder bei den Worten überhaupt nichts gedacht hat oder, wenn doch etwas - aber nicht etwa wieder etwas, was wir alle als Vorstelen und Wollen der Seele, d. h. des Bewußtseins kennen -, nur eine körperliche Bestimmtheit, vielleicht eine Bewegung des Gehirns unter dem Namen "unbewußtes Vorstellen" und "unbewußtes Wollen" gehen läßt. Damit wäre dann wieder der Anschluß an den Materialismus erreicht. Wir sagen dagegen: das Wort "bewußte Seele" ist ein überschüssiges und kann gar nichts mehr enthalten als das Wort "Seele"; ebenfalls sind die Worte "bewußtes Vorstellen" und "bewußtes Wollen" überschüssige, die gar nichts mehr sagen und enthalten können als die Worte "Vorstellen" und "Wollen" allein. "Bewußtsein" ist also nicht etwa und kann gar nich sein eine Besonderheit seelischer Bestimmtheit, etwa des "Vorstellens" usw., sondern Vorstellen usw. ist Bestimmtheit des Bewußtseins, eben des einfachen Einzelwesens, das wir auch "Seele" nennen. So reden wir nunmehr in ein und demselben Sinn von der vorstellenden Seele und vom vorstellenden Bewußtsein des Menschen. denkendes Bewußtsein Welchen Anfang und ob die einzelnen Seele überhaupt einen Anfang gehabt hat, entzieht sich unserer Feststellung. Nur dies sei bemerkt, daß ein einfaches Einzelwesen überhaupt in seiner Unvergänglichkeit nicht etwa in Frage gestellt würde, wenn sich herausstellt, daß es einen Anfang gehabt hat. Auch der Anfang des Zusammenseins von Seele und Leib, also der Anfang des menschlichen Einzelwesens war unserer Forschung bisher zumindest nicht zugänglich; alle Versuche, den Zeitpunkt, in welchem die Einheit von einem bestimmten Leib und der Seele begonnen hat, zu bestimmen, sind bisher erfolglos gewesen. Der Grund dafür ist ersichtlich: man bedenke nur, daß dem Forscher einerseits sein eigenes Seelenleben einzig und allein als unmittelbar gegebenes Seelenleben vorliegt, daß sein Gedächtnis von seinem Seelenleben aber nicht in die ersten Zeiten seines Menschendaseins zurückreicht, und daß andererseits das aufgrund des Leibeslebens anderer Menschen ihm erschließbare, also nur mittelbar gegebene Seelenleben dieser anderen ebenfalls für die ersten Zeiten ihres Menschendaseins, wenn auch bei weitem nicht in dem Umfang, ausfällt. Der Forscher findet auf alle Fälle eine schon in bestimmter Weise entwickelte Seele als Gegenstand vor, an dem er sich über das Wesen der Seele überhaupt, sowie über die Gesetze des Seelenlebens zu unterrichten hat, indem er hierbei allein durch das unmittelbar Gegebene, seine eigene Seele, zu den grundlegenden allgemeinen Begriffen des Seelenlebens, dagegen durch sein eigenes sowie das ihm mittelbar gegebene Seelenleben Anderer in die Mannigfaltigkeit einer gesetzmäßigen Veränderung der Seele eingeführt wird. Daß es mehrere, ja zahllose menschliche Seelen gibt, scheint uns, weil es zahllose menschliche Leiber gibt, von vornherein selbstverständlich zu sein, und doch ist es nicht unnütz, sich den Berechtigungsschein zu dieser Meinung zu verschaffen. Es ist durchaus verfehlt, von der Tatsache als solcher, daß es viele menschliche Leiber gibt, die Berechtigung, ebensoviele Seelen zu behaupten, herzuleiten, indem man etwa schließt, weil der Mensch die Einheit von zwei Einzelwesen, Seele und Leib, ist, so müssen gerade eben soviele besondere Seelen bestehen, als es besondere Leiber gibt. Dieser Schluß würde richtig sein, wenn die Seele ein Ding und die Örtlichkeit eine ihrer Bestimmtheiten wäre, wenn demzufolge die Seele "im" Leib irgendwo wäre: denn dann müßte das Einzelwesen "Seele und Leib" nicht nur eine stetige ursächliche Einheit sein, sondern zugleich auch ein räumliches Zusammensein von Seele und Leib aufweisen, den örtlich verschiedenen Leibern müßten also örtlich verschiedene Seelen entsprechen. Da aber die Einheit von Seele und Leib einzig und allein ein stetiges ursächliches Zusammensein bedeutet, so erscheint an und für sich auch die Möglichkeit durchaus nicht ausgeschlossen, daß ein und dieselbe Seele mit mehreren Leibern zugleich eine Einheit bildet. Wir würden in diesem Fall zwar immer noch von mehreren Menschen reden, weil diese zusammengesetzten Einzelwesen selber, eben aufgrund ihrer verschiedenen Leiber, ja immerhin verschiedene wären, auch wenn die Seele in all diesen zusammengesetzten Einzelwesen ein und dieselbe sein würde. Leiber, Dinge überhaupt, können ja, so sehr sie sich im Laufe ihrer Entwicklung auch gleich mögen werden, weil die zu einem jedem gehörende Örtlichkeit in ihrer Besonderheit der unaufhebliche Grund ihres Verschiedenseins, also ihrer Mehrzahl bildet. Ein Blatt, das einem andern Blatt, wie man sagt, "ganz gleich" wäre oder würde, bleibt doch ein besonderes Einzelwesen gegenüber dem anderen aufgrund seiner besonderen Örtlichkeit. Anders steht es mit den Seelen und ihrer Verschiedenheit. Ihnen fehlt zunächst jene Bestimmtheit, aus der die unaufhebliche Verschiedenheit der körperlichen Einzelwesen hervorgeht, die Örtlichkeit; wir haben deshalb als bemerkenswerten Unterschied von Dingen und Seelen hervorzuheben, daß Dinge nur "gleich" werden, Seelen aber nur "eins" werden können. Für Dinge, die sich in ihrer Entwicklung immer ähnlicher werden, ist der höchste Abschluß dieser Entwicklung das Gleichsein, für Seelen ist es das Einssein; Dinge können niemals eins, Seelen aber auch niemals gleich werden. Sobald die Seelen den letzten Schritt der Entwicklung, welcher die Dinge zum Gleichsein bringt, tun, hört die Mehrzahl von Seelen auf und nur eine Seele ist fortan da. Die Möglichkeit des Einswerdens von Seelen steht nicht im Widerspruch mit unserer Behauptung von der Unvergänglichkeit der Seele, des einfachen Einzelwesens; in einem Widerspruch stände dies nur, wenn wir der Seele auch eine Unveränderlichkeit beigelegt hätten. Unveränderlich ist aber weder die Seele, noch überhaupt ein einfaches Einzelwesen, also auch nicht jenes andere einfache Einzelwesen, das "Atom". In Bezug auf das letztere behaupte ich: selbst wenn wir zugeben wollten, daß seine einzigen Bestimmtheiten überhaupt Größe, Gestalt und Örtlichkeit wären, und weiter auch zugeben wollten, daß alle Atome in ihrer Größe und Gestalt gleich und nur in ihrer Örtlichkeit unterschieden wären, so würde damit doch das Atom nicht zum Unveränderlichen gestempelt sein, weil ihm noch immer im Allgemeinen der Wechsel von "Bewegung" und "Ruhe", sowie im Besonderen die Bewegungsveränderungen möglich bleibt. Durch die Möglichkeit des Einswerdens der Seelen aber wird tatsächlich nur die Ewigkeit der Mehrzahl von "Seele" in Frage gestellt, nicht aber etwa die Unvergänglichkeit des unkörperlichen Einzelwesens "Seele". Diese unsere Behauptung kann nur demjenigen eine Ungereimtheit zu sein scheinen, der noch immer nicht von der Meinung frei geworden ist, daß, wie das körperliche Einzelwesen im Besonderen, so auch das Einzelwesen überhaupt die Örtlichkeit als eine ihrer Bestimmtheiten haben und, als stets in besonderer Örtlichkeit befindlich, daher auch ein besonderes Einzelwesen gegenüber anderen, trotz vollster Wesensgleichheit mit diesen, bleiben muß. Die Möglichkeit des Einswerdens von Seelen aber ergibt sich aus dem Wesen der Seele überhaupt. Betrachten wir nun den Menschen als seelisches Wesen, wie er als entwickeltes einem jeden von uns unmittelbar gegeben ist, so zeigt er sich als ein Bewußtsein, das sich nach drei verschiedenen Seiten hin besondert; wir nennen es in dieser Hinsicht gegenständliches, zuständliches und ursächliches Bewußtsein. Der Mensch heißt uns gegenständliches Bewußtsein, wenn er Gegenstand oder Gegenständliches "hat", z. B. tastet, sieht, hört, schmeckt und riecht. Wir wollen das in diesen fünf Worten Bezeichnete in dem einen Wort "Wahrnehmen" zusammenfassen oder, was uns dasselbe sagt, in dem Wort "Wahrnehmungen haben". Nicht minder ist der Mensch ein gegenständliches Bewußtsein, wenn er "vorstellt" oder, was uns dasselbe sagt, "Vorstellungen hat". Unter "Vorstellen" aber verstehen wir hier diejenige Bestimmtheit des Bewußtseins, in der von ihm gegenständlich unter besonderen eigenartigen Bedingungen gehabt ist, was früher schon von ihm, sei es gegenständlich oder sei es in anderer Weise, gehabt war; "Vorstellen" bedeutet also ein Wiederhaben. Wahrnehmen und Vorstellen sind die beiden besonderen Bestimmtheiten der Seele als gegenständlichem Bewußtsein; die gegenständliche Bewußtseinsbestimmtheit weist die beiden als ihre zwei Arten auf. Jedes Wahrnehmen und Vorstellen ist ein ganz bestimmtes, so daß wir also immer ein besonderes Wahrnehmen und Vorstellen aufzuweisen haben, immer eine besondere Wahrnehmung und Vorstellung haben, wenn wir überhaupt wahrnehmen und vorstellen. Wann immer wir uns nun als gegenständliches Bewußtsein haben und betrachten, findet es sich, daß wir, sei es als wahrnehmendes, sei es als wahrnehmendes und zugleich vorstellendes Bewußtsein, Mehreres zugleich gegenständlich haben, mit anderen Worten, es zeigt sich, daß wir stets Mehreres entweder wahrnehmen oder wahrnehmen und vorstellen, daß wir, wenn wir wahrnehmen und vorstellen, auch immer Unterschiedenes haben oder, was wiederum dasselbe sagt, daß wir auch immer unterscheiden. Wir finden uns jedoch nicht nur als unterscheidendes Bewußtsein, sondern auch oft als ein Bewußtsein, das dieses Unterschiedene zugleich wieder in besonderer Weise als Vereintes hat, oder, was wiederum dasselbe sagt, ein vereinendes Bewußtsein ist. Es kann daher behauptet werden, daß die Seele, wenn sie als gegenständliches Bewußtsein gegeben ist - und das ist sie in jedem ihrer Augenblicke - auch immer wenigstens ein unterscheidendes, meistens aber ein unterscheidendes und zugleich vereinendes Bewußtsein ist. Nennen wir unsere Seele, insofern sie überhaupt Unterschiedenes und Vereintes "hat", das denkende Bewußtsein, so bedeuten uns Unterscheiden und Vereinen die beiden Arten des Denkens, wie Wahrnehmen und Vorstellen die beiden Arten des gegenständlichen Habens. Denkendes Bewußtsein ist die Seele mithin auch sobald sie etwas Gegenständliches ist, und da sie letzteres immer ist, so steht fest, daß die Seele ein denkendes und gegenständliches Bewußtsein zu jeder Zeit ist. Man irrt, das Seelenleben so aufzufassen, als ob Wahrnehmen und etwa auch noch Vorstellen von etwas gewissem Gegenständlichen anfangs allein eine Bestimmtheit des Bewußtseins ist, und darauf erst Unterscheiden und Vereinen des Wahrgenommenen und Vorgestellten sich anschließt. Wir treffen in keinem Augenblick unseres Seelenlebens Wahrnehmen und Vorstellen ohne Denken, aber freilich auch nicht das Denken ohne die gegenständliche Bewußtseinsbestimmtheit an. Auf diese Wahrheit gründet sich die oft gehörte Behauptung, daß die Seele keine "Begriffe" hat, ohne "Vorstellungen" zu haben; wir können aber im gleichen Sinn mit demselben Recht erklären, daß wir keine "Vorstellungen" haben, ohne "Begriffe" zu haben. Wir sind eben in jedem Augenblick ein wahrnehmendes-vorstellendes und denkendes Bewußtsein zugleich. Es wird sich aber zeigen, daß Denken eine noch weitergreifendere Stellung im Seelenleben einnimmt, als wie das Gebiet des Wahrnehmens und Vorstellens reicht. Von Bedeutung ist es nun, daß man sich angelegen sein läßt, die Formel "Wahrnehmen = Wahrnehmung haben", "Vorstellung = Vorstellung haben", "Denken = Gedanken haben", streng zu beachten; am Ende wird es von einigem Vorteil sein, nicht von Wahrnehmen, Vorstellen und Denken als einem "Akt" zu reden. Das Wort "Akt" führt leicht das Mißverständnis mit sich, Wahrnehmen, Vorstellen, Denken für eine Tätigkeit, ein "Tätigsein" der Seele anzusehen, als dessen Ergebnis sich erst am Schluß das Wahrnehmunghaben, Vorstellunghaben, Gedankenhaben für die Seele einstellt. Wir kennen aber doch tatsächlich kein Wahrnehmen, da wir keine Wahrnehmung hätten, d. h. etwas wahrnähmen usw. Darum erscheint es geraten, gar nicht erst das Wort "Akt des Wahrnehmens, Vorstellens, Denkens" zu verwenden. Damit soll nicht verneint werden, daß wir doch in einem bestimmten Sinn mit Recht von uns reden können, als den wahrnehmend, vorstellend, denkend "Tätigen"; wir werden aber dann damit sagen wollen, daß wir von einer Wahrnehmung zur anderen, von einer Vorstellung zur andern, von einem Gedanken zum andern wechseln, keineswegs aber etwa auch, daß wir in diesem "Tätigsei" jemals anders wahrnehmend, vorstellend, denkend sind, den als solche, die Wahrnehmungen, Vorstellungen, Gedanken haben. Dabei ist aber andererseits durchaus nicht verwehrt, doch zwischen Wahrnehmen und Wahrnehmung, Vorstellen und Vorstellung, Denken und Gedanke in einem besonderen Sinn zu unterscheiden. Tun wir dies, so heißt "Wahrnehmen" eben eine "Wahrnehmung haben", "Vorstellen" eine "Vorstellung haben" und "Denken" "Gedanken haben"; hier trifft die Aussage das Bewußtsein, die Seele als solche. Dagegen "Wahrnehmung", "Vorstellung" und "Gedanke" heißt dann nur das, was die Seele gegenständlich "hat", mit anderen Worten das, dessen sie sich als wahrnehmende, vorstellende und denkende Seele bewußt ist: hier betrifft die Aussage allein den Bewußtseinsbesitz als solchen, d. h. die Besonderheit des gegenständlichen oder des denkenden Bewußtseins und nicht dieses Bewußtseins als solchem selber. Was das wahrnehmende und vorstellende Bewußtsein angeht, so ist seine mannigfaltige Besonderheit eben gekennzeichnet in diesen "Wahrnehmungen" und "Vorstellungen", d. h. in dem, was die Seele wahrnimmt und vorstellt. Die besonderen Wahrnehmungen und Vorstellungen bedeuten genauer die Besonderheit des Wahrnehmens und Vorstellens der Seele, und so geschieht es dann eben mit vollem Recht, daß die Forschung, sofern sie mit der Erklärung der Mannigfaltigkeit des besonderen gegenständlichen Bewußtseins zu tun hat, allein diese Wahrnehmungen und Vorstellungen als solche ins Auge faßt. Nur darf im Eifer der Forschung nicht vergessen werden, daß ihr besonderer Gegenstand eben das Gegenständliche der Seele, d. h. die mannigfaltige Besonderheit im wahrnehmenden und vorstellenden Bewußtsein ist. Man muß sich darum hüten, dem Irrtum zu verfallen, der die Wahrnehmungen und Vorstellungen nicht als die besonderen Bestimmtheiten des Einzelwesens "Bewußtsein" festhält, sondern sie für unkörperliche Einzelwesen selber ausgibt, ein Irrtum, in dem seit der englischen sogenannten "Assoziationspsychologie", sowie seit HERBART nicht Wenige verstrickt sind. Dieses Vereinzigen dessen, was tatsächlich Allgemeines, nämlich eine Bestimmtheit des bewußten Einzelwesensist, wird für die klare Auffassung des Seelenlebens verhängnisvoll. Wie nicht anders zu erwarten, folgt der Vereinzigung jenes Allgemeinen die phantastische Meinung auf dem Fuß, daß die Wahrnehmungen und Vorstellungen als angebliche Einzelwesen "in der Seele", also als Veränderliches eben auch eine Veränderung erfahren, ja daß sie "in der Seele" sogar aufeinander wirken. Tatsächlich aber sind Wahrnehmungen und Vorstellungen Bestimmtheiten der Seele, also selber Unveränderliches, sie können als solche unter keinen Umständen eine Wirkung, eine Veränderung erfahren. Gewiß werden auch wir, wenn es gilt, die Mannigfaltigkeit des gegenständlichen Bewußtseins zu erforschen, den Blick eben auf die Besonderheiten, die verschiedenen Wahrnehmungen und Vorstellungen, einzustellen haben, aber wir wollen dabei niemals vergessen, daß sie Bestimmtheiten der Seele, nicht aber selber Einzelwesen sind, und uns vor allem hüten, das phantastische Vereinzigen dieses Allgemeinen unsererseits mitzumachen. Außer dem gegenständlichen Bewußtsein, als welches die Seele Wahrnehmungen und Vorstellungen hat, und dem denkenden Bewußtsein, als welches sie Unterschiedenes und Vereintes hat, kennen wir das zuständliche Bewußtsein, als welches die Seele fühlt oder Gefühle hat. Als fühlende Seele zeigt das Bewußtsein zweierlei Besonderheit seiner Bestimmtheit, nämlich Lust und Unlust; unter diese beiden verteilt sich alles, was die Seele an Zuständlichem, d. h. an Gefühlen hat. Wir kennen aber auch keinen Augenblick des Seelenlebens, in welchem nicht die Seele gegenständliches und zuständliches Bewußtsein zugleich wäre; gegenständliche und zuständliche Bestimmtheit sind tatsächlich immer zusammen da. Es ist ein Irrtum, wenn die Einen meinen, daß die Seele zunächst nur die Wahrnehmung und hernach erst das Gefühl hat, oder wenn umgekehrt Andere dafür halten, das Erste, was die Seele hat, ist Gefühl, oder wenn Dritte der Ansicht sind, es kann die Seele in ihrem Leben wenigstens gewisse Augenblicke aufzeigen, in denen entweder nur Gefühl, oder nur Gegenständliches die Bestimmtheit des Bewußtseins ausmacht. Was man zum Beleg dieser Meinungen angeführt hat, erweist sich alles bei genauer Prüfung sogar als ein Beleg unserer Auffassung von einem stetigen Zusammen von gegenständlicher und zuständlicher Bewußtseinsbestimmtheit. Dieses Zusammen ist allerdings ein derartiges, daß vielfach im einen Fall etwa die gegenständliche Bewußtseinsbestimmtheit ganz im Vordergrund steht und die zuständliche kaum zur Geltung kommt, in einem anderen umgekehrt das Gefühl in demselben Maß das Gegenständliche überwiegt. Solche Fälle haben wohl den Anlaß zu jenen irrtümlichen Meinungen gegeben, indem das im Hintergrund stehende Andere einfach ganz übersehen wurde. Daraus wird uns auch die Behauptung erklärlich, daß unsere zuständliche Bewußtseinsbestimmtheit nicht zwei, sondern drei Besonderheiten aufzuweisen hat, neben dem Lustgefühl und dem Unlustgefühl als ein drittes das "indifferente" Gefühl. Ich muß gestehen, daß ich in meinem Bewußtseinsleben vergebens nach diesem gesucht habe und keinen Augenblick kenne, in welchem ich nicht entweder Lust oder Unlust habe, dagegen freilich viele Augenblicke kenne, die mir nur ein verschwindend geringes Lust- oder Unlustgefühl boten: aber ohne alle Lust oder Unlust fand sich keiner. Die irrige Meinung, daß die gegenständliche Bestimmtheit der zuständlichen vorausgeht, spiegelt sich auch in der vielgebrauchten Redensart wieder, daß Wahrnehmung und Vorstellung ein Gefühl "hervorrufen". Man geht dabei anscheinend von der Annahme aus, daß "Wahrnehmung" und "Vorstellung" etwas sind, das an die eigentliche Seele erst herankommen muß, worauf dann diese als eine Art "Resonanzboden" im auftretenden Gefühl auf die herangekommenen und einwirkenden Wahrnehmungen und Vorstellungen antwortet. Wie ungeheuerlich erscheint hier alles verschoben! Die Bestimmtheiten der Seele, die Wahrnehmungen und Vorstellungen sind zu Einzelwesen gemacht, die irgendwie doch außerhalb der eigentlichen Seele stehend auf die Seele erst einwirken und dadurch das Gefühl in ihr "hervorrufen" sollen. Aber selbst wenn man gegen meine Darstellung jener Meinung Einspruch erheben würde und erklärt, daß selbstverstänlich Wahrnehmungen und Vorstellungen nur "in der Seele" zu denken sind, so würde die Behauptung, daß sie ein Gefühl in der Seele "hervorrufen" d. h. bewirken, doch nicht weniger zu beanstanden sein. Sind Wahrnehmungen und Vorstellungen nämlich "in der Seele", so darf dies nur heißen, daß sie eben Bestimmtheiten der Seele sind. Da nun aber Seele ein einfaches Einzelwesen ist, so ist es gar nicht zu verstehen, wie eine ihrer Bestimmtheiten auf die Seele selbst wirken, d. h. die wirkende Bedingung einer Veränderung dieser selben Seele, wie es doch das Auftreten eines neuen Gefühls ist, sein könnte. In der Redensart, daß Gegenständliches eines Bewußtseins Zuständliches desselben Bewußtseins hervorruft, können wir daher nur den unklaren Ausdruck der Tatsache, die durchaus unbestritten sein soll, erblicken, daß ein neu eintretendes Gegenständliches von einem neuen Gefühl begleitet wird, mit anderen Worten: daß ein neues Gefühl auch mit einem neuen Gegenständlichen zusammen auftritt. Ist es wahr, daß in jedem Augenblick unseres Seelenlebens, den wir kennen, die Seele ein gegenständliches und zuständliches Bewußtsein zusammen ist, hat daher die Seele immer eine Wahrnehmung-Vorstellung mit einem Gefühl zusammen, und ist es gleichfalls wahr, daß gegenständliche und zuständliche Bestimmtheit zweifelsohne zwei verschiedene Bestimmtheiten des Bewußtseins sind, so wird auch das wahr sein müssen, daß sie ohne die denkende Seele gar nicht zusammen gegeben sein können. Denn es ist einleuchtend, daß die Seele, wenn sie ein Bewußtsein ist, sich dessen, was sie "hat", bewußt sein muß, daß sie also, wenn sie in der Tat Verschiedenes, wie auch Gegenständliches und Zuständliches, "hat", dieses eben auch als Unterschiedenes haben, sich dessen als Verschiedenen bewußt sein muß, sonst könnte das Verschiedene ja eben gar nicht zugleich ein dem Bewußtsein Eigenes sein. Unterschiedenes haben heißt aber Denken, folglich muß die Seele, wenn und sobald sie gegenständliches und zuständliches Bewußtsein ist, auch denkendes Bewußtsein sein. Man sieht hieraus, daß, wie wir oben schon anmerkten, die Seele als denkendes Bewußtsein tatsächlich weiter greift, als das Gebiet des gegenständlichen Bewußtseins reicht. Die Seele zeigt sich also, wann immer sie sich als Gegebenes findet, ohne Ausnahme als gegenständliches sowie denkendes Bewußtsein zugleich. An dieser Tatsache dürfen wir uns auch nicht dadurch irre machen lassen, daß wir das Bewußtsein das eine Mal in dieser, das andere in jener Bestimmtheit besonders ins Auge fassen und untersuchen können, ohne die anderen dabei zu beachten. So sprechen wir dann auch im einen Fall vom Wahrnehmen und vom Vorstellen, im anderen Fall vom Fühlen, im dritten vom Denken des Menschen allein und meinen damit eben tatsächlich besondere Bestimmtheiten der Seele, ohne dabei doch irgendwie daran zu rütteln, daß der Mensch als seelisches Wesen in jedem Augenblick alle drei Bestimmtheiten aufweist, also gegenständliches, zuständliches und denkendes Bewußtsein auf einmal ist. Als gegenständliches (Wahrnehmen und Vorstellen), zuständliches (Fühlen) und denkendes Bewußtsein ist die Seele demnach in drei unverlierbaren, d. h. wesentlichen Bestimmtheiten gekennzeichnet, die zwar nicht die eine auf die anderen, wohl aber zusammen im Bewußtsein überhaupt gegründet, jede gegenüber der anderen eine eigenartige Bestimmtheit der Seele und doch als gegebene Bewußtseinsbestimmtheit ohne die andere nicht denkbar sind. Eine jede dieser Bestimmtheiten aber als besondere des bestimmten Augenblicks ist ein zusammengesetztes Allgemeines, so daß die Seele in ihrem Leben gar mancherlei Wahrnehmungen und Vorstellungen, mancherlei Gefühle, mancherlei Gedanken haben kann und somit ein großer Reichtum des Seelenlebens möglich ist. Mit diesen drei unverlierbaren Bestimmtheiten ist, wie es scheint, das Wesen der Seele jedoch nicht erschöpft. Ich finde mich nicht nur als gegenständliches, zuständliches und denkendes Wesen, sondern bin mir meiner selbst auch oft als eines ursächlichen Wesens bewußt, bin also auch "ursächliches" Bewußtsein. Was soll das heißen? Ist damit die Seele noch in einer vierten Bestimmtheit gezeichnet, die mit jenen drei zusammen sich im Bewußtsein als solchem gegründet findet? Wir weden aus den Tatsachen der Seele, welche seit alter Zeit von der Seele als wollender sprechen, vor allem hierüber Aufschluß erhoffen können. Daß vom "Willen" des Menschen immer nur dann geredet wird und zu reden ist, wenn der Mensch als bewußtes Wesen, d. h. als Bewußtsein in Frage kommt, dürfen wir, trotz SCHOPENHAUER und von HARTMANN, die von einem "unbewußten" Willen zu wissen meinen, festhalten. Daß ferner, was wir als menschlichen "Willen" bezeichnen, nicht etwa ein vom Bewußtsein oder der Seele unterschiedenes besonderes Einzelwesen ist, wird, trotz unseres in diesem Punkt recht wilden Sprachgebrauchs, keinen Widerspruch erfahren. Daß schließlich, ws man "Wille" nennt, in einem bestimmten Verhältnis zum Wirken des Bewußtsein steht, unterliegt auch keinem Zweifel: wir sprechen von willkürlichem Handeln, d. h. Wirken des Menschen. Eine allgemeine Überlegung in Bezug auf den Begriff dieses besonderen Wirkens soll daher unsere Erörterung über den Willen einleiten. Wir haben schon früher, als vom Wirken überhaupt die Rede war, bemerkt, daß die Wirkung, welche ein Einzelwesen erfährt, stets das Auftreten einer neuen Bestimmtheit dieses Einzelwesens ist, und ferner, daß für die Welt der Dinge im besonderen, sowiet sie untereinander wirken, die von uns sogenannte "wirkende Bedingung" der Veränderung ebenfalls nur eine Bestimmtheit des "wirkenden" Dings bildet, nicht aber etwa dieses gegebene Ding als Augenblickseinheit die mitwirkende Bedingung ist. Es fragt sich, ob wir diesen für die wirkenden Dinge schlechthin gültigen Satz auch auf das wirkende unkörperliche Einzelwesen ausdehnen können. Nun ist es zweifellos, daß in gar vielen Fällen, in denen das Bewußtsein in seinem Zusammenhang mit dem körperlich Gegebenen betrachtet und als wirkendes festgestellt wird, sich herausstellt, das "eigentlich" Wirkende, die wirkende Bedingung, sei auch hier nur eine Bestimmtheit des Bewußtseins. Wir werden dies z. B. immer bei den Wirkungen der Seele behaupten können, welche als "unwillkürliche" bezeichnet zu werden pflegen. Aber, indem wir diese einer genaueren Untersuchung unterziehen wollen, drängt sich zunächst noch eine andere Unterscheidung dessen, was wir als Wirkung überhaupt bezeichnen, auf, ich meine die Unterscheidung der unmittelbaren und mittelbaren Wirkungen. Sie besteht für das Gegebene überhaupt, also auch für die Welt der untereinander wirkenden Dinge. In Bezug auf das Bewußtsein wissen wir, daß es einzig und allein mit dem Gehirn in einem unmittelbaren Wirkungszusammenhang steht, daß die Seele also, wann immer sie wirkt, unmittelbar nur auf das Gehirn wirkt. Ist es nun gestattet, alle Wirkungen des Bewußtseins im Unterschied von der des Dings mit dem besonderen Namen der Handlung zu belegen, so werden wir erklären dürfen, daß alle unmittelbaren Handlungen des Bewußtseins einzig und allein Gehirnveränderungen sein können. Was wir nun im gewöhnlichen Leben unwillkürliche Handlungen zu nennen pflegen, das sind ja nicht selber Gehirnveränderungen, sondern nur durch eine Gehirnveränderung vermittelte, sind also allesamt mittelbare Wirkungen der Seele. Dann wird gefragt werden, ob jene unmittelbaren Wirkungen des Bewußtseins auch zu den unwillkürlichen gerechnet werden müssen oder ob sie willkürliche sind. Die Entscheidung liegt auf der Hand: sie müssen allesamt den unwillkürlichen Wirkungen der Seele zugesellt werden. Es gilt nun zu ermitteln, wodurch sich das, was als unwillkürliche Wirkung oder Handlung der Seele angesprochen werden muß, von der willkürlichen unterscheidet. Wir haben noch nicht viel gewonnen mit der Antwort, daß letztere eine gewollte, erstere eine ungewollte ist, denn gerade, was Wille ist, muß ja erst klargestellt werden. Immerhin aber wird uns durch jene Antwort der Weg zum Ziel gezeigt. "Von uns gewollt" nennen wir eine vorliegende "Wirkung" oder "Veränderung" nur dann, wenn wir diese Veränderung vor ihrem Auftreten schon irgendwie vorgestellt hatten; also das Vorgestelltsein der noch nicht aufgetretenen Veränderung ist jedenfalls unerläßlich, wenn die aufgetretene Veränderung eine "gewollte" soll genannt werden können. Ich nenne jedoch noch nicht jede Veränderung im Gegebenen überhaupt, die vorher von mir vorgestellt war, wenn sie eingetreten ist, eine gewollte, selbst dann nicht, wenn sie sich bei einer später angestellten Untersuchung als Wirkung meiner Seele herausstellen sollte. Als zweite unerläßliche Bedingung für das "Gewolltsein" kommt hinzu, daß ich mir meiner selbst als eines ursächlichen Bewußtseins schon angesichts der vorgestellten, aber noch nicht aufgetretenen Veränderung bewußt gewesen bin. Die zuerst genannte Bedingung des "Gewolltseins" reicht freilich zur Feststellung dessen, was keine gewollte oder unwillkürliche Wirkung der Seele ist, auch schon allein aus; ungewollt oder unwillkürlich ist all das, was zwar eine Wirkung des Bewußtseins ist, jedoch von diesem nicht schon vorher in der Vorstellung gehabt war. Wenn wir solches nun doch auch, wie das "Gewollte", Wirkung des Bewußtseins nennen, so muß dem "Wirken des Bewußtseins" offenbar zweierlei Sinn zukommen. "Wirken des Dings" hat nur einen Sinn, es sagt, daß eine Bestimmtheit des Dings die wirkende Bedingung für das Auftreten einer Veränderung ist. Eben denselben Sinn hat aber das "Wirken des Bewußtseins" in all den Fällen, in welchen unwillkürliche oder ungewollte Wirkungen desselben auftreten, seien diese nun unmittelbare, also Veränderungen des Gehirns, seien sie mittelbare, also Veränderungen im sonstigen Gegebenen: stets ist hier die wirkende Bedingung in der Tat nur eine Bestimmtheit des Bewußtseins. Einen anderen Sinn hat Wirken des Bewußtseins in den willkürlichen oder gewollten Handlungen: hier ist keine Bestimmtheit des Bewußtseins, sondern das augenblickliche Bewußtsein als dieses Einzelwesen, also die augenblickliche seelische Einheit als solche die "wirkende Bedingung" selbst. Als dieses Bewußtsein, das sich der ursächlichen Beziehung seiner selbst als dieser Einheit angesichts einer erst vorgestellten Veränderung bewußt ist, nennen wir die Seele ursächliches Bewußtsein. Eine unwillkürliche Handlung der Seele ist die Wirkung des Bewußtseins, welche ihre wirkende Bedingung nur in einer Bestimmtheit der Seele hat, eine willkürliche Handlung dagegen die, deren wirkende Bedingung das Einzelwesen als solches, die Seele als augenblickliche Bewußtseinseinheit ist. Da nun alle unmittelbaren Handlungen oder Wirkungen des Bewußtseins Gehirnveränderungen und als diese Wirkungen der Seele unwillkürliche Wirkungen sind, so kann die willkürliche Handlung der Seele nichts anderes als eine mittelbare Wirkung des Bewußtseins sein. In diesem Sinne mittelbaren Wirkens darf dann mit Fug und Recht auch wieder gesagt werden, daß die Seele, wie auf Anderes, so auch mittelbar auf sich selber wirken und dementsprechend auch das Auftreten von Veränderungen ihrer selbst wollen kann; wie andererseits in diesem Sinne mittelbaren Wirkens gleichfalls von einem unwillkürlichen Wirken der Seele auf sich selbst geredet werden darf. Ein unmittelbares Wirken der Seele auf sich selbst aber ist selbstverständlich infolge der Einfachheit ihrer selbst als Einzelwesen schlechthin ausgeschlossen und die Vermittlung ihres Wirkens auf sich selbst durch das Gehirn bleibt in jeem Fall die unausweichliche Bedingung; bedarf es doch schon zum Wirken überhaupt notwendig immer zweier Einzelwesen. "Ich will" heißt aber auf alle Fälle "ich bin ein ursächliches Bewußtsein"; "ich habe diesen Willen" oder "ich will das" heitß: "Ich bin ursächliches Bewußtsein angesichts dieser vorgestellten künftig möglichen Veränderung". Das Letztere läßt verstehen, daß "Ich will" nicht gleichbedeutend ist mit "Ich wirke"; der "Wille" und die "Tat" sind zweierlei; dagegen sagen aber "wollen" und "wirken wollen" ein und dasselbe (1), denn "wollen" heißt "Bedingung sein wollen" für das Auftreten einer Veränderung. Nennen wir die Seele, sofern sie will, ursächliches Bewußtsein, so steht noch zur Frage, ob sie als solche eine besondere Bestimmtheit zeigt, die sich den oben genannten drei Bestimmtheiten der Seele nebenordnet. Der Sprachgebrauch, der von Denken, Fühlen und Wollen oder von Verstand, Gemüt und Willen der Seele weiß, möchte uns geneigt sein lassen, die Frage einfach zu bejahen. Doch macht uns die Tatsache stutzig, daß die Seele anscheinend nicht immerfort ein ursächliches Bewußtsein ist, nicht immer ein "Wollen" zeigt. Wäre der "Wille" eine wesentliche Bestimmtheit, wie jene drei, denen er nebengeordnet sein soll, so müßte die Seele stets eine wollende sein, denn die wesentliche Bestimmtheit ist dem Einzelwesen unverlierbar; wie aber läßt sich damit jene Tatsache reimen? Auf der anderen Seite aber ist "Wille" als eine verlierbare Bestimmtheit der Seele doch auch nicht zu verstehen, denn wir kennen nichts am unkörperlichen Einzelwesen "Seele", das mit dem Wollen in einer allgemeineren Bestimmtheit eins wäre, und demnach, wenn "Wollen" dem Einzelwesen verlorgen ginge, als die andere besondere Bestimmtheit an dessen Stelle treten könnte. Man spricht ja wohl hie und da vom "Nichtwollen" als dem Anderen, welches mit dem Wollen wechselt, jedoch, was auch immer auch das Wollen sein mag, ob eine Bestimmtheit oder nicht, das können wir mit voller Sicherheit behaupten, daß "Nichtwollen" nicht eine Bestimmtheit der Seele sein kann, den "Nichtwollen" ist überhaupt nichts. Soll aber unter "Nichtwollen", das dem "Wollen" gegenübergestellt wird, "etwas nicht wollen" verstanden werden, d. h. "etwas nicht haben wollen" im Gegensaz zu "etwas haben wollen", z. B. "Zahnschmerzen nicht haben wollen", aber "Gesundheit haben wollen", so ist mit diesem angeblichen Nichtwollen selbstverständlich ein ganz bestimmtes Wollen gemeint, nämlich "nicht schmerzende, d. h. gesunde Zähne haben wollen". Wir können diesen Fall mit jenem vergleichen, in dem "Bewegungslosigkeit", sogenannte "Nichtbewegung", der Bewegung gegenübergestellt wird, unter der eben stets ein ganz bestimmtes Verhalten des Dings, nämlich die Ruhe, verstanden wird. Wäre "Wollen" überhaupt eine Bestimmtheit der Seele, so müßte sie schon eine wesentliche, unverlierbare, also ein letztes Allgemeines des Bewußtseins bedeuten, wie jene drei oben genannten Bestimmtheiten. Ist "Wollen" aber eine Bewußtseinsbestimmtheit, so muß es sich auch als eine besondere gegenüber jeder der drei oben genannten erweisen, sich ebenso wie diese ja auch trotz ihres innigen Zusammens klar voneinander als besondere abheben. Eine solche Bewußtseinsbestimmtheit "Wille" oder "Wollen" suchen wir vergebens: diese Tatsache ist es, die Manchen sich berechtigt halten läßt, "Wille" oder "Wollen" als etwas Besonderes im Seelenleben ganz zu verneinen, so daßß sie das Seelenleben mit "Vorstellung und Gefühl" allein verstehen möchten. Ich gebe ihnen darin Recht, daß sie "Wille" oder "Wollen" als Bewußtseinsbestimmtheit verneinen, halte jedoch dafür, daß sie irren, wenn sie Wille und Wollen als etwas Besonderes streichen. Der Wille ist keine Bewußtseinsbestimmtheit, sondern eine Bewußtseinsbeziehung: im "Willen" oder "Wollen" bezieht sich die Seele als ursächliches Bewußtsein auf eine noch nicht wirkliche, bloß vorgestellte Veränderung. Die Seele als ursächliches Bewußtsein ist eine augenblickliche Bewußtseinseinheit in einer solchen ursächlichen Beziehung: sie zeigt sich also gegenüber der Seele als dem gegenständlichen, zuständlichen und denkenden Bewußtsein keineswegs noch in einer vierten besonderen Bewußtseins bestimmtheit; sie enthält als dieses ursächliche Bewußtsein sogar, da sie als ein Einzelwesen eben hier in Betracht kommt, die gegenständliche und denkende Bestimmtheit dieses Augenblicks sin sich, aber sie ist als Bewußtsein nicht nur die Einheit dieser Bestimmtheiten. Die Seele muß allerdings als ursächliches Bewußtsein ein gegenständliches und denkendes Bewußtsein sein, sie wäre sonst ja als Einzelwesen überhaupt nicht denkbar. Das ursächliche Bewußtsein schließt also immer das gegenständliche und denkende Bewußtsein in sich; das Neue aber, was hinzugekommen ist, ist eben die ursächliche Selbstbeziehung dieses Bewußtseins auf eine vorgestellte Veränderung. Ist Wollen eine Bewußtseins beziehung, dann kann es auch nicht anders sein, als daß für das Wollen die Seele als die augenblickliche Bewußtseinseinheit in Frage kommt: denn eine Bewußtseinsbeziehung, d. h. die Beziehung eines Bewußtseins ist selbstverständlich die bewußte Beziehung dieses Einzelwesens, also eine Selbst beziehung der Seele als ursächlicher auf eine vorgestellte Veränderung, und die Seele, die sich hier selbst bezieht, ist das augenblickliche Einzelwesen. In Bezug auf diese ursächliche Bewußtseinsbeziehung erhebt sich nun die Frage, ob sie, ohne daß die Seele als das Einzelwesen selber aufgehoben wird, fehlen kann. Soviel steht fest, daß der Wille oder das Wollen der Seele nicht sein kann, wenn nicht die Seele als gegenständliches, zuständliches und denkendes Bewußtsein gegeben ist, denn da in dieser dreifachen Bestimmtheit das Wesen der Seele gekennzeichnet erscheint, hieße die Behauptung, der Wille sei das erste Ursprüngliche, er sei also da, bevor Wahrnehmen, Fühlen, usw. da ist, soviel als, eine Seele wäre als ursächliches Bewußtsein vorhanden, auch wenn die Seele nicht wäre. Die notwendige Bedingung für die Seele als ursächliches Bewußtsein, als wollende Seele, ist unabweislich die Seele als gegenständliches, zuständliches und denkendes Bewußtsein. Wir fragen uns aber, ob die Seele in ihrer gegenständlichen, zuständlichen und denkenden Bewußtseinsbestimmtheit auch ohne die ursächliche Bewußtseinsbeziehung gegeben ist, oder ob jene Bestimmtheiten nur dann gegeben sein können, wenn die ursächliche Bewußtseinsbeziehung der Seele auch besteht. Im ersteren Fall könnten wir verstehen, ja müßte sich für uns ergeben, daß unsere ursächliche Bewußtseinsbeziehung nicht an die gegenständliche, zuständlich und denkende Bestimmtheit überhaupt, sondern nur an gewisse besondere Bestimmtheiten dieses dreigliedrigen Bewußtseins geknüpft ist, an andere aber wiederum nicht. Wie dem auch sei, soviel bleibt wahr, daß ursächliches Bewußtsein, wann immer es gegeben ist, eben als Einzelwesen, das sich hier bezieht, ein gegenständliches, zuständliches und denkendes Bewußtsein ist. Darum erscheint es uns auch nur natürlich, daß die Zergliederung jeglichen Willens oder Wollens d. h. des ursächlichen Bewußtseins stets auf gegenständliche, zuständliche und denkende Bewußtseinsbestimmtheit stößt; wir treffen sicherlich in jedem Fall des "Wollens" auf ein Vorstellen, Fühlen und Denken der Seele. Da uns aber in der ursächlichen Bewußtseinsbeziehung die Seele als ein einheitliches geschlossenes Einzelwesen entgegentritt, so wird daraus auch verständlich, daß wohl vom "Willen" als dem "Kern" der Seele geredet wird; das Wahre an dieser Redewendung ist jedenfalls dies, daß sich im Wollen die Seele als geschlossenes Einzelwesen findet, in diesem Sinne das "wahre", nämlich das ganze Selbst der Seele hervortritt, während sich im Wahrnehmen, Fühlen, Denken die Seele nur immer in einer ihrer Bestimmtheiten geltend macht. Irrig aber ist, wie schon gezeigt wurde, die Auffassung, die den Willen für die grundlegende Bestimmtheit des Seelenwesens und in diesem Sinn für den "Seelenkern" ausgiebt, um den herum sich angeblich erst die eigentlichen Bestimmtheiten der Seele als gegenständlichen, zuständlichen und denkenden Bewußtseins angliedern sollen. In der Frage, ob die Seele immer ein ursächliches Bewußtsein ist, haben, wie wir hier vorweg schon festlegen wollen, diejenigen recht, welche die Frage verneinen. Bei der Entscheidung muß man sich in erster Linie hüten, Wollen und Wirken der Seele zusammenzuwerfen; denn die "wollende" Seele ist keineswegs dasselbe, wie die "wirkende" Seele; einmal schon deshalb nicht, weil in all den Fällen unwillkürlichen Wirkens der Seele, d. h. in all den Fällen, in denen tatsächlich nicht die Seele als Bewußtseinseinheit, sondern nur eine ihrer Bestimmtheiten die mitwirkende Bedingung der betreffenden Veränderung ist, von einem Wollen der wirkenden Seele nicht die Rede sein kann. Aber, selbst abgesehen von diesem Wirken der Seele, läßt sich auch der Satz nicht aufrecht halten, daß "wollende Seele" und "bewußt wirkende Seele" im Seelenleben zusammenfallen. "Wollen" und "bewußtes Wirken" sind tatsächlich zweierlei. "Wollen" ist eine Bewußtseinsbeziehung, ist eine ursächliche Selbstbeziehung der Seele auf eine nur vorgestellte Veränderung, "bewußtes Wirken" dagegen ist ein "bewußtes Bedingungsein für eine auftretende Veränderung". Gemeinsam ist ihnen allerdings, daß dort, wie hier, die Seele als Bewußtseinseinheit und nicht etwa nur eine Bestimmtheit der Seele in Betracht kommt. Ferner werden wir auch dies bereitwillig zugeben, daß, wann immer sich ein bewußtes Wirken der Seele findet, das Wollen der Seele oder, besser ausgedrückt, die Seele eben als wollende, d. h. das ursächliche Bewußtsein die wirkende Bedingung derjenigen Veränderung ausmacht, die als Wirkung gegeben ist. Wir werden daher völlig dem Satz zustimmen, daß bewußtes Wirken der Seele ohne "Wollen" gar nicht möglich ist, daß nur die wollende Seele eine bewußt wirkende Seele sein kann. Aber dieser Satz läßt sich nicht umkehren; ich kann wohl als wollende Seele bewußt wirken, d. h. die bewußte Bedingung einer auftretenden Veränderung sein, jedoch nicht immer, wenn ich eine wollende Seele bin, bin ich auch eine bewußt wirkende Seele. Wir müssen uns dessen zunächst erinnern, daß zwischen einem unmittelbaren und einem mittelbaren Wirken zu unterscheiden und alles bewußte Wirken zu zählen ist, da Gehirnveränderungen des Menschen allein die unmittelbaren Wirkungen seiner Seele sein können, diese aber nicht zum "Gewollten", dem als künftige Veränderung Vorgestellten der wollenden Seele gehören. Das unmittelbar Wirken jedes Einzelwesens ist immer eines, dessen wirkende Bedingung eine Bestimmtheit des Einzelwesens bildet. Was aber die wirkende Bestimmtheit betrifft, so ist zu sagen, daß, wann immer ein Einzelwesen gegeben ist, jede seiner Bestimmtheiten eine wirkende Bedingung für eine bestimmte auftretende Veränderung ist: jedes Einzelwesen steht in jedem Augenblick in einer jeden von seinen Bestimmtheiten da als wirkende Bedingung auftretender Veränderungen. Dieses Wirken der Einzelwesen ist ein unaufhebbares; wohl kann es sich durch die Umstände verschieden gestalten, aber keine Bestimmtheit eines Einzelwesens kann auch nur für einen Augenblick als wirkende Bedingung aufgehoben werden. Das finden wir überall im Dingwirklichen bestätigt, wo ja allein dieses Wirken eben aufgrund der Dingbestimmtheiten als der wirkenden Bedingungen geschieht; dasselbe müssen wir aber auch festhalten für alles "unbewußte", d. h. unwillkürliche Wirken der Seele, in welchem auch nur eine Bestimmtheit der Seele die wirkende Bedingung ist. Alles unwillkürliche Wirken der Seele besteht, wie das Wirken des Dings, ohne Aufhören, solange diese Seele besteht; in diesem Sinne "wirkt" die Seele also in jedem Augenblick ohne eine Unterbrechung. Darum bestehen wir auch mit Recht auf dem ununterbrochenen Wirkungszusammenhang der Seele und des Leibes. Anders steht es mit dem bewußten Wirken der Seele, d. h. mit ihrem "als Bewußtsein selber die wirkende Bedingung einer Veränderung sein". Wir wissen alle, wie oft uns dieses bewußte Wirken unmöglich gemacht wird. Während also jegliche Bestimmtheit des Bewußtseins, gemäß der Eigentümlichkeit jeglicher Bestimmtheit im Gegebenen überhaupt, jederzeit wirkdende Bedingung einer Veränderung ist, d. h. jederzeit wirkt, also ununterbrochen und solange wirkt, als sie überhapt am Einzelwesen "Seele" zu finden ist, - wirkt das Bewußtsein als Bewußtseinseinheit keineswegs immer und würde als solche auch nicht einmal dann immer wirken, wenn es immer ein wollendes Bewußtsein wäre. Wir wissen es, bewußtes Wirken fehlt der wollenden Seele vielfach; bewußtes Wirken (Bedingungsein einer gegebenen Veränderung) ist ja nur da. wenn das "Gewollte" wirklich geworden ist, d. h. die Wirkung tatsächlich eintritt. Daß bei unbewußten Wirken der Seele, in welchem eine ihrer Bestimmtheiten die wirkende Bedingung ist, für das Auftreten der Wirkung gleicherweise, wie beim bewußten Wirken, in welchem das Bewußtsein als die Augenblickseinheit die wirkende Bedingung bildet, andere "Umstände" mitbestimmend sind, ist bekannt. Aber weil im Fall des unbewußten Wirkens der Seele, gleichwie beim Wirken des Dings, niemals eine Wirkung vorher vorgestellt, also niemals "gewollt" wird, ist auch niemals vom Vergleichen und Unterscheiden einer vorgestellten, d. h. "gewollten Wirkung" und einer tatsächlich eingetretenen, aber nicht vorgestellten d. h. nicht gewollten Veränderung zu reden. Vielmehr finden wir im einzelnen Fall nur imm dieses, daß die Bestimmtheit der Seele eine den Umständen gemäße Wirkung ausgeübt hat; und welche verschiedenen Wirkungen eben auch unter verschiedenen Umständen eintreten, sie sind doch alle gleicherweise ihre Wirkungen und nicht ist es die eine mehr, die andere weniger. Die einzelne Bestimmtheit hat also in den vielen einzelnen Fällen als die wirkende Bedingung nicht stets ein und dieselbe bestimmte "Wirkung" aufzuweisen - wäre das anders, dann würde sie nicht nur wirken, nein sie würde "schaffen" - sondern die bestimmte "Wirkung" im einzelnen Fall richtet sich immer zugleich nach den mitbestimmenden "Umständen" und nur unter ein und denselben Umständen hat dieselbe Bestimmtheit auch ein und dieselbe "Wirkung". Eben daher läßt sich beim Wirken des Einzelwesens, in dem eine seiner Bestimmtheiten die wirkende Bedingung ist, auch nicht von einem halben Erfolg oder auch vollem Mißerfolg reden; der "Erfolg" der wirkenden Bestimmtheit ist stets ein ganzer. Die Rede vom halben Erfolg, vom Mißerfolg, von einer "Wirkungshemmung" ist nur da am Platz, wo es sich um ein wollendes Einzelwesen, das in ursächlicher Bewußtseinsbeziehung zu einer vorgestellten bestimmten Veränderung, einer "künftigen Wirkung", steht, die wir das "Gewollte" nennen. Hier ist es möglich, von Mißerfolg usw. zu reden, weil die ins Auge gefaßte voliegende Veränderung mit der "gewollten" Veränderung verglichen werden kann. Wenn im übertragenen Sinn auch auf dem Gebiet des unbewußten Wirkens, sei es der Seele, sei es besonders auch des Dings, von "nicht eintretendem" Erfolg und von einer "Hemmung" geredet wird, so kann das nur geschehen, weil man seine eigne, unter der Unkenntnis der besonderen Umstände des betreffenden Falles aufgestellte Erwartung von einer bestimmten Wirkung dem Ding als sein "Gewolltes" unterschiebt, d. h. das Ding zu einem wollenden Einzelwesen macht. Das wollende Einzelwesen, weil es sein "Gewolltes" mit der später eingetretenen Veränderung vergleichen kann, wird mit Recht, wenn diese Veränderung mit dem Gewollten nicht übereinstimmt, je nachdem von einem Mißerfolg, von einem halbem Erfolg oder von einem völligen Mißerfolg reden. Den "Mißerfolg" führt man dann wohl auf eine "Hemmung seines Willens" zurück, womit man ganz richtig ausdrückt, daß der Mensch hier zwar ein wollendes Einzelwesen, aber doch kein wirkendes Einzelwesen war, und zwar letzteres deshalb nicht, weil eben, was "gewollt" war, wegen hindernder "Umstände" nicht als Wirkung eintreten konnte. "Wollendes" und "bewußt wirkendes" Einzelwesen fallen also keineswegs zusammen. "Wirken" ist stets abhängig von den die Veränderung (Wirkung) mitbestimmenden Umständen, Wollen dagegen ist selbstverständlich von diesen, die Wirkung mitbestimmenden "Umständen" gar nicht abhängig, was sich auch daraus bestätigt, daß ein bestimmtes Wollen selbst dann besteht, wenn die augenblicklichen "Umstände" das Wirken des wollenden Bewußtseins unmöglich machen, also, wie man kurz sagt, "den Willen völlig hemmen". Es gibt also sicherlich in vielen Fällen ein wollendes Bewußtsein, d. h. es ist die Seele vielfach ein ursächliches Bewußtsein, sie steht vielfach in einer ursächlichen Bewußtseinsbeziehung zu einer vorgestellten Veränderung, ohne daß sie als dieses Einzelwesen wirkt, d. h. eine "bewußt" oder "willkürlich" wirkende Seele wäre. Seele wirkt in ihren einzelnen Bestimmtheiten zweifellos unaufhörlich, sie wirkt aber als augenblickliche Bewußtseinseinheit keineswegs immer. Also das unbewußte Wirken der Seele ist ein stetiges, ununterbrochenes und ein so vielfaches in jedem Augenblick, als die Seele eben besondere Bestimmtheiten im Augenblick aufweist; das bewußte Wirken der Seele dagegen ist unstetig, ist unterbrochen, wenn es aber auftritt, ist es ein einfaches, weil seine wirkende Bedingung das einfache Einzelwesen, die einheitliche Seele ist. Aus der Tatsache nun, daß die Seele nicht immer ein "bewußt wirkendes" Einzelwesen ist, läßt sich noch keineswegs der Schluß ziehen, die Seele sei nicht immer ein wollendes oder ursächliches Bewußtsein, vielmehr könnte nach dem soeben Entwickelten mit jener Tatsache der Satz, daß die Seele stets ein ursächliches Bewußtsein ist, friedlich zusammenbestehen. Denn nur dann wenigstens wird von der wollenden Seele als wirkender mit Grund geredet werden, wenn die auftretende Veränderung mit dem "Gewollten", der Veränderungsvorstellung des ursächlichen Bewußtseins, übereinstimmt. Wollen jedoch kann der Mensch etwas, ohne daß die zu dessen Verwirklichung "günstigen" Umstände vorhanden sind, wirken dagegen kann er als wollender ohne diese günstigen Umstände niemals. Wenn wir aber dafür halten, daß die Seele nicht in allen Augenblicken ein ursächliches Bewußtsein ist, und demnach meinen, daß sie, um uns kurz auszudrücken, zwischen "Wollen" und "Nichtwollen" wechselt, so werden wir mit dieser Behauptung gegen unseren Satz, daß Einzelwesen sich nicht verändern können, ohne daß etwas und nicht nichts an die Stelle des Verlorenen tritt, nur in den Augen derer zu verstoßen scheinen, die "Wollen" doch wieder zu einer Bestimmtheit des Bewußtseins machen und nicht als eine Bewußtseinsbeziehung, d. h. als eine Selbstbeziehung der Seele auf eine vorgestellte Veränderung fassen wollen. Eine Bestimmtheit im Gegebenen überhaupt wird freilich dem Einzelwesen niemals verloren gehen, ohne daß eine andere an ihre Stelle tritt, jedoch eine Beziehung des Einzelwesens kann aufhören, ohne daß eine andere für sie eintritt. Alle Beziehungen im Gegebenen überhaupt beruhen jedoch auf Bestimmtheiten des Einzelwesens. Sie sind entweder an unverlierbare oder an verlierbare Bestimmtheiten geknüpft, also an ein letztes Allgemeines der Einzelwesen oder an Besonderheiten derselben; im ersteren Fall werden die betreffenden Beziehungen dauernde sein, im letzteren Fall treten sie auf, verschwinden, kommen wieder usw., je nachdem eben die sie begründende Besonderheit einer Bestimmtheit des Einzelwesens da ist, nicht da ist, wieder da ist usw. Was nun an der Seele dasjenige ist, auf das sich die ursächliche Bewußtseinsbeziehung im Besonderen gründet, wird weiter unten untersucht werden; daraus kann sich dann auch erst klar entscheiden lassen, ob die Seele in jedem Augenblick ein ursächliches Bewußtsein ist, wie sie auch immer ein gegenständliches, zuständliches und denkendes Bewußtsein ist, ob demnach die ursächliche Bewußtseinsbeziehung auf ein letztes Allgemeines der Seele gründet und zwar dann eben sowohl auf eine gegenständliche als auch auf eine zuständliche und denkende Bewußtseinsbestimmtheit schlechthin, oder ob die Seele nur zeitweise ein ursächliches Bewußtsein ist und zeitweise nicht, mithin die ursächliche Bewußtseinsbeziehung sich nur auf eine bestimmte Besonderheit des gegenständlichen, zuständlichen und denkenden Bewußtseins gründet und auf eine andere Besonderheit wiederum nicht. Im Übrigen können wir aber als festgestellt erachten, daß der "Wille" oder das "Wollen" nicht eine besondere vierte Bestimmtheit der Seele neben den drei bekannten ist, sondern daß wir in ihm nur die ursächliche Selbstbeziehung des Bewußtseins auf eine vorgestellte Veränderung vor uns haben. Das einzelne Wollen, die einzelne ursächliche Bewußtseinsbeziehung ist daher immer durch eine vorgestellte, noch nicht wirkliche Veränderung bestimmt und die Besonderheit jener Beziehung ist eben in dieser Veränderungsvorstellung gezeichnet. Jeder Wille, jedes Wollen kennzeichnet sich ja als ein bestimmter Wille, ein bestimmtes Wollen durch seinen "Willensinhalt", d. h. durch das "Gewollte". Man sieht schon hieraus, daß wir auf der rechten Fährte sind, indem wir behaupten, in der Seele als ursächlichem Bewußtsein lasse sich immer das gegenständliche und denkende Bewußtsein nachweisen. Wir kennen nunmehr von der Seele jene drei Bewußtseinsbestimmtheiten, sowie ihre Selbstbeziehung: das Wahrnehmen-Vorstellen, das Fühlen und das Denken, sowie das Wollen der Seele. Das Wesen der Seele an und für sich wird in jenen Bestimmtheiten besonders getroffen, jedes Einzelwesen muß ja die Einheit mehrerer Bestimmtheiten sein. Unter den genannten drei Bestimmtheiten der Seele hat aber das Denken insofern eine hervorragende Stellung, als das denkende Bewußtsein, wie wir sagten, das Gebiet des gegenständlichen und zuständlichen Bewußtseins zusammen umfaßt. Diese Wahrheit von der überragenden Stellung des Denkens im Seelenleben könnte man vielleicht in der platonisch-aristotelischen Ansicht wiederfinden, die das eigentliche Wesen der menschlichen Seele im Denken sehen wollte und das Wahrnehmen, Fühlen und Begehren erst aus der Beziehung des seelischen Wesens zu den Dingen hervorgehen ließ. Sehen wir aber doch noch zu, ob denn tatsächlich in den drei Bestimmtheiten Wahrnehmen-Vorstellen, Fühlen und Denken das eigentliche Wesen der Seele schon erschöpft ist. Ist es der Fall, so muß aus diesen drei Bestimmtheiten selber auch die Einheit, in der sie gegeben sind, zu verstehen sein. Das Einzelwesen "Ding" begreifen wir in jedem seiner Augenblicke durch seine verschiedenen Bestimmtheiten als eine Einheit aufgrund seiner einen Bestimmtheit, nämlich der besonderen Örtlichkeit. Der Umstand, daß sich die anderen in Frage kommenden, im einzelnen Augenblick auch gegebenen Bestimmtheiten allesamt mit ein und demselben Ort verknüpft zeigen, begründet die aus diesen Bestimmtheiten bestehende Einheit oder das Einzelwesen dieses Augenblicks: die Örtlichkeit ist also einheitstiftende Bestimmtheit des Dings in seinem einzelnen Augenblick. Von den Bestimmtheiten, welche wir bisher als seelische kennengelernt haben, ist aber keine, die in ähnlicher Weise als die einheitstiftende geltend gemacht werden und somit für uns die Einheit, die das Einzelwesen "Seele" doch in jedem ihrer Augenblicke darstellt, begründen könnte: weder Wahrnehmen-Vorstellen, noch Fühlen, noch Denken kann das leisten, wie leicht ersichtlich ist. Daß jedoch in diesem Augenblick ein Wahrnehmen-Vorstellen mit einem Fühlen und einem Denken in einer Einheit gegeben ist, diese Tatsache eben verlangt, um sie zu verstehen, doch einen einheitstiftende Bestimmtheit, die mit jenen anderen Bestimmtheiten verknüpft gegeben ist. Die Örtlichkeit kann es hier nicht sein, weil Seele ja ein unkörperliches Einzelwesen ist, jede Seele aber muß die einheitstiftende besondere Bestimmtheit in sich selber aufweisen. "Ich" nennt sich, wie wir wissen, der Mensch, indem er sich im Besonderen als seelisches Wesen betont. Im "Ich nehme wahr, Ich fühle, Ich denke" ist nun auch in der Tat mehr gegeben, als ein Zusammen von Wahrnehmen, Fühlen und Denken; das nun, was im "Ich" außer diesen drei Bestimmtheiten noch zum Ausdruck kommt, ist gerade die einheitstiftende Bestimmtheit: wir nennen sie das Subjekt des seelischen Einzelwesens. Wenn wir demgemäß vom "Subjekt" der Seele reden, so meinen wir bei Leibe nicht wiederum ein Einzelwesen, wie es Seele ist, sondern nur die für die Einheit der Seele in jedem Augenblick grundlegende, also die einheitstiftende Bestimmtheit der Seele. Dieses sogenannte Subjekt der Seele ist, wie die anderen seelischen Bestimmtheiten, Wahrnehmen, Fühlen usw., ein Allgemeines und nicht selber etwa ein Einziges, was ja nur das Einzelwesen sein kann. Das Seelensubjekt als ein Allgemeines unterscheidet sich aber von den einzelnen Augenblicken der Seele mit ihm gegebenen anderen besonderen Bestimmtheiten dadurch, daß es nicht auch, wie diese, in ein Allgemeines und Besonderes sich zergliedern läßt. Das Subjekt der Seele ist ein einfaches Allgemeines, aber es bedeutet trotz alle dem eine von den besonderen Bestimmtheiten eines jeden Seelenaugenblicks. Keineswegs gibt es - was aus der Tatsache, daß das Subjekt der Seele ein einfaches Allgemeines ist, klar sein muß - ein besonderes Subjekt, das nur einem Seelenaugenblick im Unterschied von demjenigen früherer oder späterer Augenblicke derselben Seele eigen wäre, und auch nicht ein besonderes Subjekt der einen Seele gegenüber demjenigen anderer Seelen. Dieses Subjekt eben als ein einfaches Allgemeines allen Seelenlebens ist für alle Augenblicke der Seele und für alle Seelen ein und dasselbe einheitstiftende Beweisstück. Jede der anderen besonderen Bestimmtheiten irgendeines Seelenaugenblicks, z. B. jedes einzelne Wahrnehmen, läßt sich als Allgemeines zergliedern in das Allgemeine, das Wahrnehmen schlechthin und in die Besonderheit, die das, was wir in diesem Augenblick besonders wahrnehmen, ausmacht. Ebenso das einzelne Gefühl, das ich in jedem bestimmten Augenblick habe, zerlegt sich in das Allgemeinere, das Gefühl schlechthin und in die Besonderheit, die das, was ich Lust oder Unlust nenne, ausmacht. Das einheitstiftende Subjekt der Seele ist, wenngleich als einfaches Allgemeines notwendig ein und dasselbe für alle Seelen, so doch auch einer jeden einzelnen Seele notwendig zugehörig als die eine ihrer wesentlichen Bestimmtheiten. Was aber die einzelnen Seelen als verschiedene Einzelwesen dastehen läßt, kann also in keiner Weise im Subjekt der Seelen seinen Grund haben, sondern das beruth einzig und allein auf der mannigfaltigen Besonderheit der anderen Bestimmtheiten, des Wahrnehmens-Vorstellens, des Fühlens und des Denkens. Die früher schon erwähnte Möglichkeit des Einswerdens aller Seelen dagegen stützt sich in erster Linie auf das Subjekt der Seelen, das als einfach Allgemeines eben ein und dasselbe für alle Seelen ist. So verstehen wir, daß die einheitstiftende Bestimmtheit des unkörperlichen Einzelwesens das Einswerden der Seelen nicht nur nicht, wie die einheitstiftende Bestimmtheit des Dings (die Örtlichkeit) das Einswerden der Dinge, schlechthin unmöglich macht, sondern geradezu für die Möglichkeit des Einswerdens der Seelen die grundlegende Bedingung abgibt. Auf zwei Tatsachen gründet sich die Möglichkeit des Einswerdens aller Seelen: auf das allen Seelen gemeinsame Subjekt, sowie darauf, daß die Seele ein Veränderliches ist, und zwar veränderlich in ihrem Wahrnehmen-Vorstellen, Fühlen und Denken, so daß als ein mögliches Entwicklungsziel der Seelen wenigstens denkbar bleibt, daß sie alle zu einer Seele, zu einem gegenständlichen, zuständlichen und denkenden Bewußtsein werden. ![]()
1) Wenn man freilich unter "Wirken" nicht schlechthin "Bedingung sein für die Veränderung eines Einzelwesens" versteht, sondern es faßt, wie in jenem Spruch geschieht: "Wirket, solange es Tag ist, denn es kommt die Nacht, da niemand wirken mag", wo also "Wirken" soviel wie "fleißig sein" bedeutet und dem Faulenzen gegenübergestellt ist, so gilt natürlich unsere Gleichstellung "Wirken = Wirkenwollen" nicht. |