K. RokitanskyW. Starkvon KirchmannTh. NagelK. Mannheim | ||||
Die positivistische Geschichtsphilosophie und die Aufgaben einer Soziologie der Erkenntnis
2. Was an den Wissenschaften, z. B. der indischen, griechischen, modernen Mathematik, ist in dieser Art gebunden, was dagegen ist als "Wahres", als "Resultat" ablösbar von den besonderen Schauformen auf die Gegenstandswelten, ferner ablösbar von den nationalen oder kulturhistorisch bedingten "Methoden" und "Denkformen"? 3. In welchen Aufgaben der Forschung können sich die "Begabten" aller Nation- und Kulturkreise prinzipiell beliebig vertreten, als auch beliebig kooperieren; in welchen ist dagegen wesensmäßig schon durch die Natur des Gegenstandes eine solche Vertretung ausgeschlossen, so daß nur die Kooperativen der Nationen selbst als je individualer geistiger Kollektivwesen (nicht also beliebiger Glieder derselben untereinander) und nur die gegenseitige Ergänzung ihrer besonderen Anlage Schau- und Denkformen eine möglichst adäquate Erkenntnis des Gegenstandes ergeben kann? 4. Welche Erkenntnisteile und Wissenschaften welcher Gegenstände können je das Sinken einer zusammenhängenden Volkskultur so überdauern, daß sie mit der Wissenschaft einer neuen oder anderen Kulturseele in einem stetigen Sinnzusammenhang und damit in eine kontinuierliche Fortschrittsbewegung treten können, welche aber nicht? COMTEs berühmte Einteilung der Wissenschaften steht in einem engen Sachzusammenhang mit seinem Gesetz der drei Stadien, durch die sich jeder Teil des Wissens hindurchentwickeln soll, in dem eine Wissenschaft umso früher vom theologischen zum metaphysischem Stadium, vom metaphysischen zum positiven gelangen soll, je einfacher und abstrakter (in der Ordnung der Tafel) ihre Gegenstände sind. Das positivistische Ideal des Wissens aber, an dem diese Entwicklungslinie schließlich gemessen wird (und das der Ausgangspunkt ihrer Konstruktion ist), besteht in der ungeheuren Beschränkung des Erkenntnisziels:
2. auf die Auffindung bloßer Gesetze (quantitativ bestimmbarer Relationen) der sensuellen Erscheinungen bei Absehung von allen Fragen nach dem "Wesen" der Dinge, ferner nach den "Substanzen" und "Kräften". Darum habe ich in der soziologischen Abteilung des Forschungsinstituts für Sozialwissenschaften an der Universität in Köln mir es unter anderem zur Aufgabe gemacht, im engen Zusammenhang mit dem System der Philosophie, das ich seit Jahren ausbaue, auch der Soziologie des Erkennens eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Der Raum, der hier zur Verfügung steht, verbietet es, auch nur ein genauer detailliertes Programm dieser Aufgaben zu entwickeln. Als Einführung in diese Arbeiten will ich hier die positivistische Erkenntnissoziologie einer kurzen Kritik unterziehen. Die positivistische Lehre von den drei Stadien ist in jeder Form, sowohl in derjenigen, die COMTE, MILL, SPENCER, wie in Deutschland MACH und AVENARIUS ihr gegeben haben, von Grund aus irrig. Das religiös-theologische Erkennen und Denken, das metaphysische Erkennen und Denken und das positive Erkennen und Denken sind keine historischen Phasen der Wissensentwicklung, sondern essentielle, dauernde, mit dem Wesen des menschlichen Geistes selbst gegebene Geisteshaltungen und "Erkenntnisformen". Keine kann die andere je "ersetzen" oder "vertreten". Die Aufgabe des Verstehens der Welt aus personalen Ursachen, die Aufgabe, die Wesens- und ewigen Ideenzusammenhänge, die im zufällig Wirklichen realisiert sind, für die schauende Vernunft einsichtig zu machen, und die Aufgabe, die Erscheinungen in einer mathematischen Symbolik eindeutig zu ordnen, zu klassifizieren und nach allen Arten ihrer Abhängigkeiten voneinander eindeutig zu bestimmen, sind Aufgaben gleich ursprünglichen Rechts und haben sich auch gleich ursprünglich aus dem mythischen Denken voneinander differenziert. Über den ganzen tiefen Irrtum des Positivismus COMTEs, die Religion sei eine primitive Naturerklärung gewesen, durch die sich die soziale Gruppe der Natur angepaßt hat, sie müsse also durch den Fortschritt der Wissenschaft allmählich zersetzt werden und schließlich aussterben, bedarf es heute keiner Aufklärung mehr. Er verkennt das Wesen der Religion als Lebens gemeinschaft der Person und des überindividuellen Ganzen der Gruppe mit einer heiligen Macht, die als Grund aller Dinge angeschaut ist. Ebensowenig ist die Religion, wie FICHTE, HEGEL, SCHELLING, SCHOPENHAUER, von HARTMANN dachten, eine sekundär bildhaft gewordene Metaphysik, eine "Metaphysik fürs Volk". Hier sah vielmehr in einem Punkt COMTE richtiger als der deutsche Idealismus, wenn er das theologische Denken dem metaphysischen vorangehen und es von ihm bedingt sein ließ. Die metaphysischen Gedankensysteme, die wir kennen - das indische, griechische, christliche und moderne -, tragen immer den Stempel ihrer religiösen Umwelt. Gleichwohl ist die Metaphysik kein "Entwicklungsstadium" der Religion, sondern differenziert sich von ihr so ursprünglich, wie sie sich von den positiven Wissenschaften differenziert. Auch der Versuch WILHELM DILTHEYs (8), der zwar die Religion, nicht aber die Metaphysik in einer dauernden Anlage des menschlichen Geistes gründen läßt, in der Metaphysik also nur eine historische Kategorie sieht, ist als mißlungen anzusehen. Es sind drei völlig verschiedene Motive, drei völlig verschiedene Gruppen von Akten des erkennenden Geistes, drei verschiedene soziale Gruppen, auf denen Religion, Metaphysik und positive Wissenschaft beruhen. Auch die historischen Bewegungsformen der drei geistigen Mächte sind wesensverschieden. Dem Motiv nach beruth die Religion auf dem unwiderstehlichen Drang der Persönlichkeit nach geistiger Selbstbehauptung durch Bergung, Rettung des Personenkerns in eine personhafte, heilige, weltlenkende Macht. Die Metaphysik beruth auf immer neuer Verwunderung, daß überhaupt etwas ist und nicht lieber nichts ist. Die positive Wissenschaft beruth auf dem Bedürfnis Natur, Gesellschaft und Seele zu lenken nach Zielen und Zwecken, die sich als "beliebige" von den je besonderen Zwecken abgehoben, haben, in denen der beruflich arbeitende Mensch verflochten ist. Darum ist die positive Wissenschaft nur da entstanden, wo sich eine arbeitende Klasse mit einer höheren Klasse, die Freiheit und Muße hatte, langsam durchdrang; - in größtem Maß im europäischen Weltbürgertum. Die Religion gründet in aufnehmenden, besonderen Akten des Geistes (Hoffen, Fürchten, Lieben, Wollen, Erkennen usw.), die alle das gemeinsame Merkmal haben, daß endliche Welterfahrung ihnen, als Gegenstand und Ziel vorgehalten, keine Erfahrung geben kann, und daß sie etwas als "heilig", "göttlich" Gedachtes zu ihrem Gegenstand haben (9). Die Metaphysik erreicht das Ziel - Wesenserkenntnis - durch eine wesenschauende Vernunft, also nicht in Beobachtung und mittelbarem Folgern; die Wissenschaft ihr Ziel in Beobachtung, Experiment, Induktion, Deduktion. Ziel der Religion ist das Heil der Person und der Gruppe, Ziel der Metaphysik ist höchste Persönlichkeitsbildung durch Weisheit. Ziel der positiven Wissenschaft ist ein Weltbild in mathematischen Symbolen, das mit bewußter Vernachlässigung alles Wesenhaften an der Welt nur die Beziehungen der Erscheinungen in sich aufnimmt, um nach ihm die Natur zu lenken und zu beherrschen. Die Religion hat ihren führenden Typ im "homo religiosus", dem Heiligen, d. h. einem Menschentyp, der ausschließlich um seiner charismatischen Qualität willen Glauben, Gefolgschaft, Vertrauen findet. Er begründet seine Worte nicht an Sachformen, die außerhalb seiner selbst sind, sondern fordert Glauben nur, weil er als Person so redet, handelt, und aufgrund seines besonders erlebten Verhältnisses zu Gott. Dem "Heiligen" tritt der "Priester" als Kulttechniker und als kirchliche Amtsperson zur Seite; seine stets abgeleitete Autorität ruht auf der charismatischen Qualität des Stifters der Religion und Kirche oder Sekte. - Der Führertyp in der Metaphysik ist der Weise, eine eigenartige, personhafte, geistige Gestalt, die vom "homo religiosus" ganz verschieden ist; er gibt irgendein System des Wissens von der Wesensstruktur, d. h. den Urkonstanten der Welt - also immer eine ganze Welt, nicht Fach-, Berufswissen und dgl. Aber er begründet, was er behauptet, in letzten unmittelbaren Einsichten, die zu vollziehen er auffordert. Der Führertyp in der positiven Wissenschaft ist der Forscher, der nie ein Ganzes, Fertiges, kein "System" geben will, sondern nur an irgendeinem Punkt den unendlichen Prozeß "Wissenschaft" fortführen will. Dem "homo religiosus" entsprechen als sozialer Kreis die Kirchen, Sekten, Gemeinden; dem Weisen die "Schulen" (im antiken Sinn); dem Forscher die stets nach Internationalität strebende "wissenschaftliche Republik" mit ihren Organisationen (z. B. Universitäten, Fachschulen, Akademien, gelehrte Gesellschaften). Die geschichtlichen Bewegungsformen dieser drei Grundarten von Erkenntnis sind - was der Positivismus ganz verkannte, nicht minder grundverschieden. Da alle Religion auf einer gläubigen, freien Annahme dessen beruth, was die charismatische Person von Gott, sich selbst und vom Heil lehrt, ist sie stets ein Ganzes schlechthin Abgeschlossenes, Vollendetes. Der Führer und ein Vorbild ist hier immer der "Einzige", der keinen anderen Mittler neben sich duldet. Irgendwie sagt jeder große Religionsstifter: "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich." Alles, was Entwicklung, Fortschritt heißen kann, ist hier nur das tiefere Eindringen in den "Offenbarungsgehalt", d. h. in das, was der ursprüngliche "homo religiosus" von Gott geschaut und gelehrt hat. Sonst gibt es nur eine Ersetzung des einen "Einzigen" durch einen anderen "Einzigen" nicht aber im selben Sinn die Anerkennung einer Mehrheit gleich ursprünglicher Führer, wie in Philosophie, Kunst, Wissenschaft. Ferner ist es der Religion wesentlich, daß eine religiöse Bewegung, Erneuerung, Wandlung nie prospektiv erfolgt, sondern retrospektive als ein "Zurück zu den Quellen", als die "Wiederherstellung eines Verlorengegangenen", als Reformation. Nie will der "homo religiosus" etwas bewußt Neues lehren, immer ein Altes. Der Positivismus geriet in seine tiefen Irrtümer über die soziologische Dynamik des Wissens, weil er im engsten Sinn europäisch orientiert war, d. h. weil er die dazu noch einseitig gesehene west europäische Bewegungsform des Wissens während der letzten drei Jahrhunderte - ein minimales und örtlich eng begrenztes Kurvenstück der geistigen Menschheitsentwicklung - für ein Gesetz der ganzen Menschheitsentwicklung nahm. Das ist der unermeßliche Irrtum seiner Fortschrittslehre. Was religiöse und metaphysische zeitgeschichtliche Dekadenz einer kleinen Gruppe der Menschheit war (als negatives Korrelat des positiv-wissenschaftlichen Fortschritts) - die Dekadenz des bürgerlich kapitalistischen Zeitalters -, nahm er für einen normalen Prozeß des "Absterbens" des religiösen und metaphysischen Geistes überhaupt. Darum vermochte er auch eine der fundamentalsten Tatsachen universalgeschichtlicher Wissensentwicklung nicht zu sehen: das verschiedene Maß von Verteilung der Fähigkeiten zu den drei, dem Menschengeist wesentlichen Erkenntnisarten innerhalb der großen Kulturkreise der Menschheit und die verschiedenen Sozialstrukturen, die ihrer Auswirkung entsprechen. Der intellektuelle Status des indischen und ostasiatischen Kulturkreises ist gekennzeichnet dadurch, daß die metaphysische Geisteshaltung die Oberherrschaft hat sowohl über die positiv wissenschaftliche wie über die religiöse. Darum gibt es hier keinen Fortschritt des Wissens im Sinne eines unendlichen Prozesses, keine arbeitsteilige Fachwissenschaft, die, einem beruflich geschiedenen Volkskörper und einem geschulten Fachbeamtentum dienend, ein Weltbild zu erzeugen sucht, durch das man die Welt technisch beherrschen kann, sondern es gibt etwas ganz anderes. Es gibt an erster Stelle eine immer neue Einübung von geistigen Haltungen, durch die man weise wird, wobei der Stoff, an dem man diese geistigen Haltungen einübt, fix bleibt, sich nicht wesentlich verändert oder vermehrt. Diesen Stoff bilden die alten Schriftdenkmäler der vorbildlichen Weisen (z. B. die vedischen Texte, die Traditionen BUDDHAs, KONFUZIUS', LAOTSE usw.). Sie sind kein Lernstoff, sondern Übungsstoff zur Übung der geistigen Funktionen - Meditationsstoff. Man liest sie nicht, um zu wissen, was in ihnen steht - dazu würde die ein- oder zweimalige Lektüre genügen -, sondern man liest sie immer wieder, um an ihnen (als Beispiel), verbunden mit einer vorgeschriebenen Seelentechnik, neue und immer höhere Bewußtseinshaltungen einzuüben, die man dann in jedem Augenblick des Lebens der ganzen Welterfahrung gegenüber anwenden kann. So ist "Bildung", "Gestaltung" des Menschen in Indien wie in China das Ziel dieser Art "Wissenschaft", keine Kenntnis von Regeln, nach denen man die Natur lenken kann. Sie beginnt mit der Seele und steigt von hier zu der Ordnung der toten Welt herab, im Gegensatz zur europäischen Wissenschaft, die vom Toten über das Lebendige zu Seele und Gott hinaufsteigt. Die obersten Klassen in Indien und China sind in diesem Sinne ebenso einseitig auf Bildung gerichtet wie in Europa auf Leistung und Lenkung. Zu jeder Art von Wissenschaft gehört eine Art von Technik. Zum asiatischen Wissensideal gehört notwendig die Bio- und Seelentechnik der Selbsterlösung (Vergegenständlichung allen Begehrens, Wollens, aller Leidenschaften und Affekte vor einem nur rein schauenden Verhalten); zum europäische Ideal gehört die anorganische Technik der Naturbeherrschung. Nicht darin irrte der Positivismus, daß er den religiösen Sinn des Menschen als Erkenntnisorgan im Laufe der Geschichte als mehr abnehmend denn als zunehmend ansah; er irrte vielmehr darin, daß er das gleiche auch von den religiösen Bedürfnissen behauptet - dem Drang nach Religion; und daß er im Abnehmen der seelisch geistigen Dispositionen, mit dem Transzendenten in unmittelbare Fühlung zu treten, aufgrund seiner falschen Fortschrittslehre (einem europäistischen Vorurteil) auch ein Zeichen dafür sah, daß dem Gegebenen des religiösen Sinnes keine objektive Realität zukommt. Der richtige Schluß aus dieser Abnahme ist aber nur die Einsicht, daß in religiösen Dingen die je spätere Menschheit nur zu bewahren hat, was die frühere erkannte - soweit nicht neue freie Selbsterschließungen Gottes an den Menschen vorliegen und Glauben finden. Auch die Metaphysik schreitet nicht im selben Sinn fort wie die positive Wissenschaft. Die möglichen Metaphysiken sind ihren Hauptschemata nach eine Zahl begrenzter Typen (DILTHEY), die immer wiederkehren und auf den verschiedensten Niveaus wissenschaftlicher Ausbildung und Begründung immer wieder miteinander in Kampf und Auseinandersetzung treten. Das liegt in der Natur der metaphysischen Erkenntnisart, deren Grundmittel die Wesensschau ist. Wesen und Wesenszusammenhänge sind ja Weltkonstanten; ihre Erkenntnis ist evident, abgeschlossen und gegenüber dem Quantum induktiver Erfahrung a priori. Die metaphysische Erkenntnis ist also bei jedem geschichtlichen Stand der positiven Wissenschaft als des jeweiligen Quantums von Menschheitserfahrung möglich. Ihr fehlt notwendig der Charakter des "unendlichen Prozesses", der überall vorliegt, wo beobachtet, induziert und deduziert wird. Wie der Metaphysik der kumulative "Fortschritt" fehlt, der zum Wesen der positiven Wissenschaft gehört, so fehlt ihr aber auch die Begleiterscheinung des "Fortschritts": die Entwertung des je früheren "Standes der Wissenschaft". Die Systeme PLATOs und des ARISTOTELES, AUGUSTINUS, DESCARTES, LEIBNIZens, KANTs usw. sind nicht veraltet wie heute die Chemie LAVOISIEREs oder die Mechanik NEWTONs. Sie können nie veralten. Die Metaphysik "wächst" also in ihren verschiedenen Typen und vervollkommnet sich, indem sie wächst; aber sie schreitet nicht fort (10). Die Metaphysik ist ferner, da sie Werk des Weisen und System ist, keines arbeitsteiligen Betriebes fähig, wie es die positive Wissenschaft ist. Sie bleibt personhaft gebunden an das geistige Antlitz ihres Urhebers, dessen Widerschein seine "Welt" ist. Die großen Metaphysiker sind darum unersetzlich - die großen Entdeckungen in den positiven Wissenschaften, z. B. Trägheitsprinzip, Satz von der Erhaltung der Energie, zweiter Wärmesatz, sind dagegen von vielen Forschern zugleich gemacht worden (11). Der Stand der Probleme und der Automatismus der Methode scheint die positiv wissenschaftlichen Resultate wie von selbst hervorzutreiben. Die "Forscher" erscheinen oft nur als Diener, Sprachrohre der Methode und des wissenschaftlichen, kontinuierlichen, sachlogischen Prozesses. PLATOs und KANTs Werk sind dagegen einmalig, und man kann nicht denken, daß ein anderer hätte finden können, was sie fanden. Ferner bleiben die Metaphysiker national und kulturkreishaft gebunden. Die indische Metaphysik konnte nur in Indien, nicht in Griechenland, die griechische nicht in Indien entstehen. Die positive Wissenschaft bewegt sich hingegen arbeitsteilig, unpersönlich, kontinuierlich, international und kumulativ fortschreitend mit einer Entwertung des früheren Standes. So sind Religion, Metaphysik und positive Wissenschaft nach allen diesen Richtungen wesensverschieden und als Aufgabe und Problem dem Menschengeist ursprünglich eigen. Daraus folgt als praktische Forderung für den Aufbau der Bildungsorganisationen eines jeden Volkes, daß in einem solchen Aufbau keine einseitige Ausbildung in einer der Richtungen dieser Erkenntnisarten, sondern eine harmonische Ausbildung in allen gegeben werden muß. Was für die Ausgestaltung des deutschen Bildungswesens dieser fundamentalen Forderung folgt, soll an anderer Stelle dargelegt werden.
1) Siehe neuerdings HAUSENSTEIN, die Kunst und die Gesellschaft, München 1916. 2) GEORG SIMMEL, Philosophie des Geldes. 3) FERDINAND TÖNNIES, Geschichte der philosophischen Terminologie; ferner: "Gemeinschaft und Gesellschaft". 4) WERNER SOMBART, Der moderne Kapitalismus 5) WILHELM DILTHEY, Einleitung in die Geisteswissenschaften und besonders "Das natürliche System der Geisteswissenschaften" (in DILTHEYs Schriften II, 1914). 6) HENRI BERGSON, "Matiére et Mémoire" und "L'evolution créatrice". 7) PIERRE DUHEM, Ziel und Struktur der physikalischen Theorie, Leipzig 1908 8) WILHELM DILTHEY, Einleitung in die Geisteswissenschaften. 9) Eingehendes findet sich über diese Dinge in meinem Buch: Vom Ewigen im Menschen, Bd. I, Leipzig 1921. 10) HEGELs Irrtum war, der Religion dieselbe Bewegungsform zu geben, wie sie die Metaphysik hat. Das ist sein falscher Gnostizismus. 11) SIEHE ALFRED VIERKANDT, Die Stetigkeit im Kulturwandel. |