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WILHELM WINDELBAND
Die Prinzipien der Logik
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"Der Vorschlag einer Unterscheidung von reflexiven und konstitutiven Kategorien liegt prinzipiell in der Verschiedenheit der Beziehung des Bewußtseins auf die Gegenstände, also bei dem fundamentalen Moment des Erkennens, an dem sich der Sinn des Wahrheitswertes entscheidet, sofern dieser überhaupt auf den Gegenstand bezogen wird. Danach sind konstitutiv oder gegenständlich diejenigen Kategorien zu nennen, welche als wirkliche Verhältnisse zwischen den Gegenständen gedacht werden, reflexiv dagegen diejenigen, welche . . . als Beziehungen erst im Bewußtsein und nur für das Bewußtsein bestehen. . . . und so würde ich sagen: die konstitutiven Kategorien sind, die reflexiven gelten. Und es ist die letzte Aufgabe des Kategoriensystems, die beiden getrennten Reihen wieder zu vereinigen und die Denkformen ausfindig zu machen, in denen die beiden Grundkategorien, das Gelten und das Sein, zur Einheit miteinander verbunden sind."


II. Reine oder formale Logik

Die reine Logik oder Logik im engeren Sinn des Wortes pflegt wohl als Lehre von den Formen des Denkens definiert zu werden. Doch ist dies zunächst dahin zu spezifizieren, daß es sich in ihr um die Formen des richtigen Denkens handelt, die eine durch den Zweck der Wahrheit bestimmte Auswahl aus den psychologisch möglichen Formen der Vorstellungsbewegung darstellen. Es soll in ihr nicht gelehrt werden, wie man wirklich denkt, sondern wie man denken soll, wenn man richtig denken will. Diese übliche Bestimmung ist zunächst geeignet, die prinzipielle Abgrenzung der Logik gegen die Psychologie in genügender Weise auszudrücken, aber es darf nicht übersehen werden, daß darin die Rücksicht auf die oben besprochene Fundamentaltatsache des empirischen Denkens steckt, welches der Möglichkeit des Irrtums preisgegeben und vor die Unterscheidung zwischen Richtigkeit und Unrichtigkeit seiner Ergebnisse gestellt ist. Und wenn diese Beziehung auf die Alternative von Wahr und Falsch durch keine Art der Stellungnahme zu den logischen Problemen abgestreift werden kann, so ist doch von vornherein darauf zu achten, daß die Geltung dieser Formen in letzter Instanz von einem Erkenntnisstreben des empirischen und speziell des menschlichen Bewußtseins völlig unabhängig sein muß.

Dasselbe trift auf die Wendung der logischen Aufgabe zu, welche die Allgemeingültigkeit des Denkfortschritts als das unterscheidende Kriterium der logischen Formen gegenüber den psychologischen ins Auge faßt: auch diese Rücksicht auf die empirische Mehrheit der Subjekte kann doch nur als der Ausfluß der inneren und sachlichen Notwendigkeit des Logischen ihre Bedeutung haben. Bei der tatsächlichen Verständigung über die Wahrheit spielt die Gemeinsamkeit des Denkens (wie etwa für SOKRATES im Gegensatz zu den Sophisten) im Grunde genommen nur die Rolle, den empirischen Anlaß und die Handhabe für das Suchen nach der Wahrheit zu gewähren. Das kommt schon darin zutage, daß die Allgemeingültigkeit, um die es sich dabei handelt, niemals, wie sich von selbst versteht, die tatsächliche, sondern vielmehr die geforderte ist: ihr Wert ist deshalb der eines abgeleiteten, nicht eines ursprünglichen Merkmals, und sie bildet den Ausgangspunkt nur deshalb, weil dieser im wirklichen Vorstellungsleben nur deshalb, weil dieser im wirklichen Vorstellungsleben genommen werden muß.

Alle diese Erwägungen bestimmen endlich den Sinn, in welchem die logische Denkform auch als Norm und die formale Logik als eine normative Disziplin zu bezeichnen ist. Sie hat in der Tat auf der Seite, mit der sie dem empirischen Denken zugewandt ist, als Kunstlehre des richtigen Denkens Normen aufzustellen: aber der Sinn und die Begründung, die ursprüngliche Geltung dieser Normen muß völlig davon unabhängig sein, ob es irrensfähige Subjekte gibt, deren empirisches Vorstellen sie manchmal befolgt und manchmal verletzt. Hieraus ergibt sich eine prinzipielle Doppelstellung aller logischen Gesetze: einerseits sind sie für das empirische Bewußtsein regeln, nach denen jedes auf Wahrheit gerichtete Denken sich vollziehen soll; andererseits haben sie ihre innere und selbständige Bedeutung und Wesenheit ganz unabhängig davon, ob sich tatsächliche Vorstellungsprozesse abspielen, die ihnen gemäß sind oder auch nicht sind. Man kann das letztere ihre Geltung ansich, das erstere ihre Geltung für uns nennen, wobei unter "uns", nicht bloß wir Menschen, sondern alle etwaigen Einzelsubjekte zu verstehen sind, die wie wir unter ihren Vorstellungen den Unterschied von Wahr und Falsch oder von Richtig und Unrichtig (1) zu machen haben. Von "uns" aus gesehen, ist das Logische ein "Sollen": aber dieses Sollen muß seinen Grund in etwas haben, dessen Geltung ansich besteht und das erst durch die Beziehung auf ein irrensfähiges Bewußtsein für dieses zu einer Norm, zu einem Sollen wird.

Einem hervorragenden Beispiel dieses Doppelsinns begegnen wir gleich an der Schwelle der formalen Logik, sobald wir danach fragen, wie wir überhaupt darauf rechnen können, uns miteinander über Formen des allgemeingültigen d. h. des richtigen Denkens zu verständigen. Alles Untersuchen nämlich und Überlegen, alles Beweisen oder Widerlegen wäre, wie überhaupt, so auch hinsichtlich der logischen Probleme selbst aussichtslos, wenn nicht das vernünftige Bewußtsein, sobald Einiges behauptet worden ist, einen normativen Zwang anerkennen würde, vermöge dessen lediglich um jener Behauptungen willen auch Anderes behauptet werden soll: wobei "Behaupten" als der allgemeine Ausdruck für Bejahen und Verneinen angewendet wird. Diese allgemeinste Forderung des dem Zweck der Wahrheit unterworfenen Denkens möchte ich das Prinzip der Konsequenz nennen. Es enthält eine ganze Anzahl von traditionellen Formeln, wie daß mit dem Grund die Folge gesetzt, mit der Folge der Grund aufgehoben ist, etc., als Spezifikationen unter sich, bringt aber gerade in seiner Allgemeinheit zum Ausdruck, daß im Bereich des logischen Denkfortschritts das Geltungsbewußtsein, das im Meinen und Glauben durch viele und vielerlei Ursachen hervorgebracht wird, nur durch theoretische Gründe bedingt sein darf. Allein diese oberste Anforderung an alles Denken, welches ein Erkennen sein und Wissen werden will, ist doch nur die dem empirischen Denken normhaft zugewendete Seite davon, daß es einen solchen Zusammenhang der Denkinhalte ansich gibt, wonach, weil etwas gilt, darum auch anderes gilt und wieder anderes nicht gilt. Dieser formbestimmte Zusammenhang des Geltenden, der ansich davon unabhängig ist, ob unser Denken ihn erreicht oder verfehlt, bildet den letzten Rechtsgrund dafür, daß wir in einem gemeinsamen Denken beweisend und widerlegend einander zwingen können, um anerkannter Behauptungen willen andere Behauptungen anzuerkennen. Jene objektive Bedeutung (wie ich sie der Kürze halber, obwohl wegen der Abgeschliffenheit des Terminus äußerst ungern, nennen will) involviert, wie man leicht sieht, das erkenntnistheoretische Grundproblem, während die subjektive Bedeutung zunächst die Handhabe für die formale Logik darbietet, für diese aber zugleich eine Voraussetzung enthält, die nicht bewiesen werden kann, weil sie selbst das Prinzip allen Beweisens ausmacht. Dasselbe gilt dann freilich für die methodische Behandlung all der Regeln des richtigen Denkfortschritts, die von der formalen Logik aufzustellen sind: ihr Beweis liegt nur in der Evidenz, mit der sie sich im normalen Bewußtsein geltend machen und z. T. auch in der Folgerichtigkeit und der Übereinstimmung, worin sie als System miteinander stehen. Wer sich aber darüber aufhalten wollte, daß, wenn man über das Denken nachdenken will, man die Normen des richtigen Denkens schon befolgen muß, mit dem ist weiter nicht zu rechten.

Weniger einfach liegt die Sache beim Aufweis und der methodischen Aufsuchung der logischen Formen. Hier muß die Phänomenologie den Leitfaden darbieten, an dem die Besinnung auf die Normen nach dem Prinzip erfolgt, daß für jede Phase der tatsächlichen Vorstellungsbewegung die Bedingungen zu Bewußtsein gebracht werden, unter denen sie als allgemeingültig und in einem normativen Sinn denknotwendig anerkannt wird. Die primitive Verknüpfung von Logik und Grammatik hat in dieser Hinsicht eine lange nachdauernde Wirkung gehabt: wie im synthetischen Aufbau der Sprache als Elemente die Wörter, als ihre Verknüpfung der Satz und als die Verbindung von Sätzen das Satzgefüge aufgefaßt werden, so meinte man in der Logik vom Begriff ausgehen und vom Begriff zum Urteil, vom Urteil zum Schluß fortschreiten zu sollen. Diese Trichotomie herrscht ja in der Schullogik größtenteils bis auf den heutigen Tag.

Hier beginnt nun die Erfordernis, sprachliche und logische Form logos prophorikos [ausgesprochener Gedanke - wp] und logos endiathetos [unausgesprochener Gedanke - wp], methodisch zu unterscheiden. Der Begriff als logisches Gebilde, das von der im Wort ausgedrückten Vorstellung des primären Bewußtseins genau unterschieden werden muß, ist stets das Ergebnis eines Urteils, das ihn begründet. Der so gewonnene Begriff aber, der seine feste Bezeichnung erhalten hat, kann nachher aufgelöst werden und begründet dann ein Urteil, das ihm selbst irgendeines seiner Merkmale zuspricht. Nur diese (im kantischen Sinne) analytischen Urteile setzen also Begriffe als ihre Gründe voraus, während die synthetischen Urteile, in denen das Erkennen besteht, ihrerseits Begriffe bilden und begründen. Man kann das, um die bisher wie üblig promiscue gebrauchten Ausdrücke der Sprache in ihrer Bedeutung zu sondern, auch so aussprechen: alles Erkennen als das die Wahrheit suchende, noch im Fluß begriffene Denken vollzieht sich in synthetischen Urteilen und erzeugt damit Begriffe: in diesen Begriffen aber besteht das der Wahrheit sichere Wissen, das dann bei weiterem Erkennen wieder flüssig gemacht und in analytischen Urteilen für neue Denkfortschritte verwendet werden kann. Dabei ist es nicht unbedingt erforderlich und manchmal nur künstlich durch sprachliche Ungefügigkeiten zu erreichen, daß das, was hier Begriff genannt wird, in einem einzigen, besonderen Wort ausgesprochen wird. Logisch betrachtet, ist der Begriff das zum Wissen erstarrte Erkennen: im Urteil und im Erkennen erwerben, im Begriff und im Wissen besitzen wir die Wahrheit. Aber deshalb ist die logische Struktur des Begriffs keine andere als die des Urteils: nur die verschiedenen Etappen des auf die Wahrheit gerichteten Vorstellungslebens finden für gewöhnlich als Wort und Satz verschiedene Ausdrücke. Wen ich sage "der Wille ist frei", so denke ich zwischen Wille und frei genau dieselbe Beziehung wie bei dem Wort "Willensfreiheit": nur im Urteil behaupte ich die Wahrheit dieser Beziehung, während ich sie im Begriff auch bloß denken kann, ohne zu ihrem Wahrheitswert Stellung zu nehmen. Die Begriffe jedoch, die das Wissen ausmachen, sind durch das Erkennen bejaht worden, und deshalb bewahren sie das Moment der Geltung ansich: verschieden von ihnen sind die Hilfsbegriffe, die auf dem Weg der Forschung vorläufig gebildet und verwendet werden, ohne daß von vornherein über ihren Wahrheitswert entschieden würde; sie bleiben zunächst problematisch oder hypothetisch.

Nimm man zu diesen Erwägungen hinzu, daß Schließen nichts ist als eine Art der Begründung von Urteilen und zwar ein Urteilen durch Urteile, so ist auch von dieser Seite her klar, daß die formale Logik nichts anderes sein kann als Urteilslehre. Unter Urteil aber als Grundfunktion des Erkennens kann dabei nur das verstanden werden, was die Phänomenologie (siehe oben) aufzeigte: die Wahrheitswertung einer Vorstellungsbeziehung, ein Akt des synthetischen Bewußtseins, der auf seinen Wahrheitswert beurteilt wird. Beide Momente sind im fertigen Urteil tatsächlich immer verbunden. Eine Mehrheit aufeinander bezogener Vorstellungsinhalte liegt in Wahrheit auch da vor, wo in gewissen sprachlichen Formen der Urteilsfragmente wie in den Impersonalien oder den Existentialsätzen scheinbar nur eine Vorstellung als Gegenstand der Behauptung vorliegt. Man hat sich über diese einerseits subjektlosen, andererseits prädikatlosen Sätze nur deshalb beunruhigt, weil man sich gewöhnt hatte, die ganze Urteilslehr anhand der sprachlichen Formen des Satzes als der Aussage eines Prädikats von einem Subjekt aufzurollen.

Diese übliche Schematisierung ist jedoch nicht so harmlos, wie sie einfach und einleuchtend scheint. Man mache einmal bei einer wissenschaftlichen Darstellung den Versuch, sie Satz für Satz auf die Formel S ist P oder S ist nicht P zu bringen, und man wird schnell sehen, daß das lebendige Denken sich nicht in das Schema pressen läßt. In der großen Mehrzahl bieten die Sätze, die wir denken, die wir sprechen und schreiben, eine mehrgliedrige Mannigfaltigkeit von Inhalten, die in verschiedenen Formen aufeinander bezogen sind und sich nur mit künstlicher Vergewaltigung als die Aussage einer Prädikatsgruppe von einer Subjektsgruppe umformen lassen. Aber auch in jenen einfachen Fällen, welche die formale Logik als Normalfälle zu behandeln pflegt, ist die "Aussage" keineswegs eindeutig. Ihr Sinn wird sprachlich durch die Kopula höchstens angedeutet, aber niemals ausgedrückt. Denn die Kopula ist ihrem eigensten Wesen nach nur der Ersatz der Verbalform bei nicht konjugierbaren Prädikaten, d. h. bei Adjektiven und Substantiven: hier ist eines der Hauptbeispiele für jene oben erwähnte Ökonomie der Sprache, indem dieselbe farblose Sprachform für eine Fülle sehr verschiedener Denkformen eintritt. Die Denkform kommt dabei als solche in der Sprache überhaupt nicht zum Ausdruck, und in logischer Hinsicht besteht somit die "Aussage" nicht darin, daß dem Subjekt das Prädikat, sondern daß im die Beziehung zum Prädikat zugesprochen wird (2). Von den Irrungen, die aus der logisch zufälligen Verwendung0 des Existenzialverbums als Kopula entstanden sind, soll hier nicht weiter gehandelt werden: nur das sei noch erwähnt, daß sprachlich meist nur durch den Apperzeptionsprozeß" entschieden wird, welche der beiden Vorstellungen als die zuerst das Aufmerken auf sich ziehende zum Subjekt und welche als die hinzutretende zum Prädikat im Satz wird. Sachlich läßt sich die Beziehung, die zwischen a und b behauptet werden soll, auch als Beziehung zwischen b und a aussprechen; nötigenfalls natürlich mit Inversion der Beziehung. Daher sind in ihrem logischen Sinn alle Urteile rein umkehrbar, während dies sprachlich nicht der Fall ist. Es kommt lediglich auf die Art der Beziehung an: ist diese eine reziproke [proportional umkehr - wp], wie z. B. die Gleichheit, so steht auch der sprachlichen Umkehrung nichts im Wege: wenn ich von &radix. 4 aussage, es sei gleich 2, so kann ich ebenso gut von 2 aussagen, es sei gleich √ 4. Wenn ich dagegen von Gold sage, es habe die Eigenschaft gelb (das ist der logische Sinn des Satzes der vom Subjekt Gold das Prädikat gelb aussagt"), so darf ich zwar ebensogut von gelb aussagen, es sei eine Eigenschaft des Goldes: aber sprachlich würde die Umkehrung von "Gold ist gelb" in "gelb ist Gold" unzutreffend erscheinen oder doch nicht als Vertauschung von Subjekt und Prädikat, sondern nur als eine ungewöhnliche, inverse Satzbildung gelten. Denn die Inhärenz, die in diesem Fall die logisch ausgesagte Beziehung ist, das Verhältnis des Dings zu seinen Eigenschaften, gehört zu denjenigen Verknüpfungsformen, bei denen die verknüpften Inhalte nicht vertauschbar und nicht sachlich gleichwertig sind: bei diesen kann man daher in gewissem Sinne von einer natürlichen, sachlich bedingten und vom Apperzeptionsprozeß unabhängigen Ordnung von Subjekt und Prädikat rede. Bei der Inhärenz ist diese Denk- und Redegewohnheit sogar so stark, daß ARISTOTELES behaupten konnte, daß das Ding niemals Prädikat im Satz sein kann.

Man sollte also, um den geheimen Schlingen der Sprache zu entgehen, logisch das Urteil nur als Behauptung einer Beziehung definieren (3): und darin wären wieder jene beiden Momente vereinigt, die sich auch bei der psychologischen Analyse als die Wesentlichen herausstellten. Zu demselben Ergebnis aber gelangt man durch die Kritik der Einteilung der Urteile, wie sie von KANT in der bekannten Tafel als Ergebnis aus der Lehrgestaltung der formalen Logik übernommen wurde. Nach SIGWARTs und LOTZEs Untersuchungen kann sie nicht mehr auf die Selbstverständlichkeit Anspruch erheben, die sie ein Jahrhundert lang genossen hat. Es läßt sich leicht zeigen, daß die Unterschiede der Quantität nicht die Funktion des Urteils als solchem, sondern nur eine Verschiedenheit der Subjekte betreffen, deren Erkenntniswert erst für die Lehre vom Begriff und vom Schluß (nach der üblichen Theorie), besonders aber für die Methodologie in Betracht kommt. Etwas verwickelter liegen die Verhältnisse bei der Modalität. Wenn diese nach KANT nichts zum Inhalt des Urteils beitragen, sondern nur den Wert der Kopula für das "Denken überhaupt" angehen soll, so ist allerdings nicht abzusehen, worin sie sich noch von der Qualität unterscheidet, die ja diese Wertbestimmung in Form von Bejahung oder Verneinung enthält. In der Tat laufen dann auch in den meisten Behandlungen Qualität und Modalität vielfach durcheinander. Wo aber die Modalität als Urteilsmoment etwas Eigenes bedeuten soll, da bleibt kaum etwas anderes übrig, als die Abstufung von Maß und Art der Begründung, die das individuelle Bewußtsein für sein Behaupten erlangt, Verschiedenheiten, die durch sprachliche Vieldeutigkeiten (des "Könnens" und "Müssens") auf das Gebiet der Relation hinübergespielt werden. Und so bleiben schließlich auch hiernach nur Qualitäten und Relation als die beiden prinzipiellen Gesichtspunkte der Urteilslehre übrig.

Die Lehre von der Qualität der Urteile führt im Wesentlichen auf die Normen des Bejahens und Verneinens, die unter dem Namen der Denkgesetze als allgemeinste logische Prinzipien bekannt sind. In dieser Sphäre ist zwar, wenn man von einigen im sprachlichen Ausdruck begründeten Schwierigkeiten absieht, die Beziehung auf anthropologische Eigenheiten leicht abzustreifen; dafür aber bleibt die Beziehung auf ein jedes empirische Bewußtsein bestehen, das irren kann und deshalb des Verneinens bedarf. Das letzte Problem aber, das dabei aus der oben gezeichneten Doppelstellung der Normen erwächst, ist prinzipiell dahin auszusprechen: wie die ansich rein postitiven Bestimmungen des objektiven Geltens Normen für die Verhältnisse zwischen Bejahen und Verneinen werden können.

Denn zunächst scheint nicht abzusehen, was die Verneinung anderes bedeuten soll als die Ablehnung einer versuchten Bejahung. Es ist eine Tatsache, daß die Zahl richtiger, aber zweck- und sinnloser negativer Urteile willkürlich bis ins Endlose vermehrt werden kann, und daß man vernünftigerweise nur das verneint, was irgendwie in Gefahr ist irrtümlicherweise bejaht zu werden. Das ist mit Recht gerade in der neueren Logik hervorgehoben worden: aber es fragt sich doch sehr, ob damit der rein subjektie, auf ein irrensfähiges Subjekt beschränkte Charakter der Negation erwiesen ist. Je mehr ich vielmehr dieser Verhältnisse erwäge, umso deutlicher wird mir, daß alle die angedeuteten Argumente zwar für die Anlässe und den tatsächlichen Verlauf des Verneinens im empirischen Bewußtsein zu treffen, daß aber trotzden im allgemeinen und in jedem besonderen Fall für die richtige Verneinung ein ihr entsprechender sachlicher Grund vorliegen muß. Die Unvereinbarkeit, die jedes negative Urteil bedeutet, oder das Mißlingen des Versuchs, die Urteilselemente in die gedachte Beziehung zu bringen, liegt doch irgendwie in diesen Elementen selbst. Hier kommt jenes eigenartige Verhältnis zwischen Form und Inhalt des Bewußtseins, wonach sie nur in begrenztem Maß eine freie Beweglichkeit gegeneinander haben (vgl. oben), als eine oberste und - soweit ich sehe - nicht weiter aufhellbare, sondern als gegeben hinzunehmende Bedingung für die logische Evidenz von Bejahung und Verneinung in Wirksamkeit: und das bedeutet, daß in der Negation zuletzt doch ein moment sachlicher Geltung stecken muß, das von den Bewegungen des irrensfähigen Bewußtseins unabhängig ist.

In der normativen Logik wird das Verhältnis zwischen Affirmation und Negation durch den Satz des Widerspruchs ausgesprochen, der das Verbot bedeutet, zu verneinen was bejaht wird und zu bejahen was verneint wird. Man hat wohl gemeint, das Verbot sei unnötig, weil Bejahen und Verneinen desselben Inhalts sich naturgesetzmäßig ebenso ausschließen wie Begehren und Verabscheuen: und andererseits soll doch nicht verboten werden, daß man, was man irrigerweise bejaht hat, später verneint und umgekehrt. Auch hier zeigt sich, daß die kontradiktorische Disjunktion ansich sachlich gelten muß, um die Verbote, die sich daraus für die psychologischen Vorstellungsbewegungen ergeben, zu begründen. Für diese trifft es zu, daß, während seelische Motive des Bejahens neben solchen des Verneinens bestehen können, der sachliche Grund zur Entscheidung nur nach einer von beiden Seiten bestimmend sein kann: und wenn es praktisch sehr selten vorkommen mag, daß jemand in einem Atem Bejahung und Verneinung desselben Inhalts behauptet, so liegt die wertvolle Bedeutung des Verbots des Widerspruchs in seiner Verbindung mit dem Prinzip der Konsequenz, wonach aus einer Behauptung nichts folgen darf, was mit ihr selbst oder einer anderen anerkannten Behauptung im Widerspruch steht. Im Besonderen sind diese Verhältnisse bei der Lehre vom Beweisen und Widerlegen zu entwickeln. Sie begründen aber schon hier die schon bei ARISTOTELES erfüllte Forderung, dem Satz des Widerspruchs auch eine objektive Formulierung zu geben. Wenn das aber in der bekannten Formel: "A ist nicht non-A" oder in der anderen: "es ist unmöglich, daß dasselbe ist und auch nicht ist" zu geschehen pflegt, so ist das ein metaphysischer Grundsatz oder ein erkenntnistheoretisches Postulat, worin gemeint ist, daß die Wirklichkeit den Widerspruch von sich ausschließt. Von der Berechtigung dieses Satzes, der eine viel weitere Tragweite hat, ist in der formalen Logik nicht zu handeln. Für diese würde es sich empfehlen, mit der neueren Terminologie dem Satz des Widerspruchs die indifferentere Form zu geben: daß Bejahung und Verneinung derselben Beziehung nicht beide gelten können.

Aber die kontradiktorische Disjunktion ist damit erst zur Hälfte analysiert: ihre andere Seite besteht darin, daß Bejahung und Verneinung auch nicht beide falsch sein können, eins von beiden also gelten muß. Das wird im Satz vom ausgeschlossenen Dritten ausgesprochen, dessen Geltung durch keinerlei scheinbare, d. h. rein sprachliche Ausnahmen erschüttert werden kann. Hier ist nun das Eigenartige dies, daß der Satz vom ausgeschlossenen Dritten nur in einer objektiven Geltung ausgesprochen werden, dagegen eine Norm aus ihm nicht abgeleitet werden kann. Vielmehr muß auf dem Standpunkt des empirischen Bewußtseins eine Zumutung, unbedingt und ausnahmslos jede beliebige gedachte Beziehung entweder zu bejahen oder zu verneinen, durchaus abgelehnt werden (4). Es gibt im Fortgang des Erkennens sehr häufig die Lage, daß weder Bejahung noch Verneinung begründet werden können, daß also beide vor dem logischen Gewissen verboten sind. Denn hier tritt gerade das dritte der sogenanten Denkgesetze in Kraft, der Satz vom zureichenden Grund. Er enthält als ausgesprochene Norm das logische Verlangen, daß jede Behauptung einen allgemeingültigen Grund haben muß, und er tritt gerade damit der Vielheit psychischer Ursachen entgegen, die zum individuellen Geltungsgefühl des Meinens und Glaubens führen. Doch ist hier wiederum zu betonen, daß die Allgemeingültigkeit des Grundes dabei kein quantitatives Prinzip, sondern vielmehr die sachliche Denknotwendigkeit bedeutet. Aber gerade damit gewinnt auch dieser Satz den Charakter eines Verbots: man darf nicht behaupten, nicht bejahen noch verneinen, wenn kein zureichender Grund vorhanden ist, und dieses Verbot läßt sich wiederum mit den antiken Skeptikern und mit DESCARTES als das Gebot der Suspension der Behauptung oder des problematischen Verhaltens aussprechen.

Hiernach stellt sich das Bild des durch die Denkgesetze bestimmten Verhältnisses zwischen den beiden Momenten des Urteils folgendermaßen dar. Eine Relation zwischen Vorstellungen kann zunächst noch ganz indifferent bloß gedacht werden. Sobald sie auf den Wahrheitswert bezogen wird, haben wir die sprachliche und gedankliche Form der Frage. Die Entscheidung der Frage ist entweder die Behauptung, worin sie bejaht oder verneint wird, oder das problematische Verhalten, worin ihre (vorläufige oder endgültige) Unentscheidbarkeit behauptet wird. Das theoretische Denken der Beziehung ist in allen diesen fünf Stadien genau dasselbe, und es kann in der sprachlichen Form als Wort, Wortverbindung oder Satz, immer mit gleichem logischen Inhalt, auftreten. Welche der vier Arten der Stellungnahme aber als "Urteile" anerkannt werden sollen, das scheint mir eine Sache der Terminologie zu sein. Manche haben die Frage als die Urteilsvorbereitung und deshalb schon als Art der Urteilsqualität gelten lassen wollen; anderen haben ihr das nicht zugestanden, weil zum fertigen Urteil die Entscheidung gehört und mit dem gleichen Argument ist auch mein Vorschlag bekämpft worden, das problematische Verhalten als dritte Qualitätsart neben Affirmation und Negation zu stellen. Wenn ich trotzdem daran festhalten möchte, so geschieht es hauptsächlich wegen der oben entwickelten Beziehung dieser "kritischen Indifferenz" zu Satz vom zureichenden Grunde. Daß der letztere wesentlich als Norm dem empirischen und deshalb eventuell unzureichenden Bewußtsein zugekehrt ist, erweist sich gerade darin, daß unser wirkliches Denken ihn vielfach verletzen muß, indem es sich, wo keine zureichenden Gründe zum Bejahen oder zum Verneinen vorliegen, mit der Wahrscheinlichkeit zu begnügen hat, die als Behauptung aus unzureichenden Gründen definiert werden sollte. Ihre Theorie aber gehört deshalb in die Methodologie, die zu zeigen hat, weshalb auch die Wissenschaft, wie das Leben, nicht bei der logisch verlangten Suspension der alternativen Frageentscheidung stehen bleiben kann.

Endlich ist hier zu bedenken, daß es die größten Schwierigkeiten hat, dem Satz vom Grunde eine objektive Form zu geben, wie sie sich für die beiden anderen Denkgesetze verhältnismäßig leicht einstellt. Denn die der früheren Ontologie geläufige Umwandlung dieses logischen Prinzips in den Kausalitätssatz ist als ein verderblicher und gefährlicher Irrtum längst so sicher erkannt, daß dieser Nachweis nicht wiederholt zu werden braucht. Vielleicht könnte an diese Stelle einzutreten das Prinzip der Konsequenz berufen sein. Aber wenn man sich damit wieder auf das neutrale Gebiet des Geltens retten wollte, so würde zwar, wie es oben bereits ausgeführt wurde, mit Recht von einem durchgängigen Zusammenhang von Gründen und Folgen gesprochen werden dürfen, der als ansich bestehend die Norm für das behauptende Denken ausmacht: aber es wäre schon bedenklich, das Prinzip so zu formulieren, daß jedes Geltende seinen Grund hat, um dessen willen es gilt. Denn man würde bei dieser Fassung doch an einen Grund denken, der vom Geltenden, das er begründen soll, verschieden wäre. Das ist aber nicht angängig, weil es den bekannten regressus infinitum in sich schließen würde. Es muß vielmehr, gerade um den Satz vom Grunde durchzuführen, immer angenommen werden, daß einiges, das ansich gilt, lediglich in sich selbst den zureichenden Grund des Geltens hat und damit die Geltung auch des anderen begründet. Für das empirische Bewußtsein stellt sich dieses Verhältnis in der bekannten Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Gewißheit dar. Allein es gehört zu den wertvollsten Ergebnissen schon der aristotelischen Logik, daß beide Verhältnisse nicht zusammenfallen, daß vielmehr in der Bewegung des wirklichen Erkennens zureichende Begründungen vorkommen, die durchaus nicht von dem ansich geltenden Grund ausgehen. -

Die Relation der Urteile ist der Gegenstand der Kategorienlehre. Diese bildet den Höhepunkt aller logischen Theorie; sie ist seit KANT das große, zentrale Hauptproblem, dessen anerkannte Lösung noch aussteht. Seitdem der Leitfaden, den KANT in der alten "Tafel der Urteile" gefunden zu haben glaubte, sich zerfasert hat, gilt es vielmehr umgekehrt, ein Prinzip zu finden, aus dem sich das System der Kategorien und damit auch der Urteile ableiten läßt. Dies scheint mir nun aber, wie ich es in der Festschrift für Sigwart (Das System der Kategorien, Tübingen 1900) ausgeführt habe, kein anderes zu sein, als das der Synthesis, die das allgemeinste Wesen des Bewußtseins, wie schon oben berührt, überhaupt ausmacht und damit die oberste Bedingung darstellt, unter der beziehendes Denken allein möglich ist: nur durch die Besinnung auf diese Bedingung wird es auch gelingen, die höchsten Formen der Beziehung, die Grundkategorien, aufzufinden, die sich dann zu den besonderen Relationen determinieren lassen. Das Prinzip des Fortschritts in dieser Entwicklung des Kategoriensystems kann immer nur darin bestehen, daß die bereits gewonnenen Momente weiter aufeinander bezogen und miteinander kombiniert werden. So bedarf die systematische Entwicklung keiner von außen hereingenommenen Bestimmungen und kann doch auf ihren verschiedenen Stufen die empirisch wohlbekannten Beziehungsformen herausspringen lassen.

Von vornherein aber läßt sich übersehen, daß das ganze System der Relationen sich in verschiedene Reihen gliedern muß, zwischen denen eine gewisse Korrespondenz obwaltet. Schon wer etwa bloß zusammentragen wollte, was jemals als Relationen oder Kategorien in den verschiedenen logischen Lehren behandelt worden ist, der würde die Erfordernis eines sachlichen Gliederungsprinzips anerkennen müssen, wie es KANT mit seiner Vierteilung, der sich ein trichotomischer Fortschritt unterordnen sollte, im Auge gehabt hat. Eine solche Gliederung wurde, wo metaphysische oder erkenntnistheoretische Prinzipien in die kategoriale Logik eindrangen, leicht auch als eine Einteilung der Erkenntnisgebiete oder der Gegenstandssphären betrachtet. So stellte PLOTIN neben die aristotelischen Kategorien die der intelligiblen Welt: so gliederte HEGEL die Selbstentwicklung der Idee bis in die dialektischen Verhältnisse und die inhaltlichen Grundbestimmungen der natürlichen und der geistigen Erfahrungswelt. Mit großer Energie hat dann EDUARD von HARTMANN den Parallelismus der Kategorien durch die drei gesonderten Gebiete des Subjektiv-idealen, des Objektiv-realen und des Metaphysischen durchgeführt: und zuletzt hat LASK (Die Logik der Philosophie und die Kategorienlehre), ohne noch in die Entwicklung der besonderen Reihen einzugehen, den höchst bedeutsamen Entwurf einer anderen Dreiheit des Kategoriensystems vorgelegt, das er in die Gebiete des Geltens, des Seins und des Überseins gliedern will. Wie weit hier eine korrespondierende Struktur der Reihen durchgeführt werden soll oder kann, läßt sich noch nicht sicher übersehen.

Dieser Erfordernis der parallelen Struktur schien mir der Vorschlag einer Unterscheidung von reflexiven und konstitutiven Kategorien zu genügen. Ihr Prinzip liegt in der Verschiedenheit der Beziehung des Bewußtseins auf die Gegenstände, also bei dem fundamentalen Moment des Erkennens, an dem sich der Sinn des Wahrheitswertes entscheidet, sofern dieser überhaupt auf den Gegenstand bezogen wird. Danach sind konstitutiv oder gegenständlich diejenigen Kategorien zu nennen, welche als wirkliche Verhältnisse zwischen den Gegenständen gedacht werden, reflexiv dagegen diejenigen, welche, obwohl durch die Eigenart der Gegenstände bestimmt, doch als Beziehungen erst im Bewußtsein und nur für das Bewußtsein bestehen. In diesem Sinn verteilen sich beide Arten der Kategorie auf den transzendenten und den immanenten Wahrheitsbegriff, und so würde ich sagen: die konstitutiven Kategorien sind, die reflexiven gelten. Und es ist die letzte Aufgabe des Kategoriensystems, die beiden getrennten Reihen wieder zu vereinigen und die Denkformen ausfindig zu machen, in denen die beiden Grundkategorien, das Gelten und das Sein, zur Einheit miteinander verbunden sind.

Die Kategorien der Reflexion beginnen mit der Unterscheidung als der ersten und für alle übrigen grundlegenden Funktion des Urteils; denn um Vorstellungsinhalte in irgendeiner sonstigen Form aufeinander zu beziehen, muß man sie zunächst voneinander unterscheiden und unterschieden halten. Die sprachliche Gewohnheit, das Unterscheiden in einem negativen Satz auszudrücken, darf über den logischen Sinn solcher Sätze nicht täuschen. Die elementare Selbstverständlichkeit, daß jedes Bewußtseinsmoment von allen anderen unterschieden und ihnen gegenüber in seiner Eigenbestimmtheit aufrechterhalten werden soll, ist wohl als Prinzip der Identität ausgesprochen worden; doch scheint es besser, diesen Terminus für die Kategorie zu reservieren, der wir an hervorragender Stelle unter den gegenständlichen Formen begegnen (5). Als Norm besagt jene Voraussetzung alles weiteren kategorialen Denkens die Eindeutigkeit des Wortsinns im gemeinsamen und die Festigkeit des Bewußtseinsinhalt im individuellen Vorstellen.

Den Grenzfall der Unterscheidung bildet die Gleichheit, wobei selbstverständlich die gleichgesetzten Inhalte in irgendeiner Hinsicht noch immer unterschieden werden: und aus den mannigfachen abgestuften Verbindungen von Unterscheiden und Gleichsetzen (wie sie sich sprachlich auch als Ähnlichkeiten oder Unähnlichkeiten ausprägen) folgen die weiteren Kategorien der Reflexion in zwei Reihen, die man als mathematische und diskursive bezeichnen kann. Auf der ersten dieser Linien ist die Grundform für die Synthesis des Mannigfaltigen, das in gleichen unterschiedenen Momenten besteht, das Zählen. Hieraus entwickeln sich dann die weiteren Kategorien der Zahl und der Quantität mit dem Grundverhältnis des Ganzen zu seinen Teilen, und weiterhin die Relationen der Größe mit den verschiedenen Bestimmungen des Maßes und des Grades. Wie weit bei dieser und eventuell noch weiterer Ausführung der mathematischen Reihe die anschaulichen Verhältnisse von Zeit und Raum in Betracht kommen, will ich hier nicht genauer verfolgen: aber das muß hervorgehoben werden, daß sie innerhalb der reflexiven Reihe niemals logische Prinzipien, sondern nur Anwendungsgebiete für logischen Prinzipien bedeuten, und namentlich, daß die Grundfunktion des Zählens als psychischer Akt die Zeit in keinem anderen Sinn und in keinem anderen Maß voraussetzt, als jede sonstige Synthesis des Mannigfaltigen. Die Zurückführung all dieser Kategorien auf das Verhältnis von Unterscheiden und Gleichsetzen zeigt sich schließlich als Gleichheitsurteile aussprechen lassen, und daß diese Beziehung der Gleichheit (wie die der Unterscheidung) absolut reziprokabel [umkehrbar - wp] ist. Darauf beruth die Vertauschbarkeit der Glieder der Gleichung, ihre Fähigkeit, füreinander substituiert werden zu dürfen, und damit die logische Grundstruktur aller Zahlentheorie.

In der diskursiven Reihe entwickeln sich aus Unterscheiden und Vergleichen die Begriffsverhältnisse und hier hat in der Urteilslehre die übliche Theorie vom Begriff ihre richtige Stelle. Denn die erste Arbeit des logischen Denkens ist die Verwandlung der Erlebnisse in Begriffe. Dies geschieht so, daß die erlebte Mannigfaltigkeit in ihre Elemente zerlegt und die Form ihrer Verknüpfung zu einem gesonderten Bewußtsein gebracht wird, d. h. durch unterscheidende Analysis und rekonstruierende Synthesis. Wird auf diese Weise im Begriff deutlich bewußt, was in der Anschauung vorher vollzogen war (sodaß man hier von einer Art von anamnesis [Erinnerung - wp] reden dürfte), so ist daran hauptsächlich zweierlei hervorzuheben: erstens, daß die unvermeidliche Unvollständigkeit der Analysis eine auswählende Spontaneität der Synthesis erforderlich macht, sodaß sich schon hier die "Gegenstände" der weiteren gedanklichen Arbeit als Erzeugnisse des logischen Bewußtseins selbst herausstellen; und zweitens, daß diese ersten Begriffe zwar im Inhalt und in der Form den primären Vorstellungen verwandt, aber doch wieder davon sowohl im Inhalt, der durch Auswahl verringert, als auch in der Form, die zu einer bewußten Gestaltung erhoben ist, bedeutsam verschieden sind. Darin wurzeln die Schwierigkeiten und Mißverständnisse, welche in den sehr häufigen Fällen zutage treten, wo dasselbe Wort, das ursprünglich die primäre Vorstellung bedeutete, auch zur Bezeichnung des Begriffs verwendet wird, und darauf beruth das Recht, ja zum Teil die Pflicht der Wissenschaft, die von ihr geprägten Begriffe durch eigene Namen auszuzeichnen.

An den Begriffen entwickelt sich nun wiederum die Wechselwirkung von Unterscheiden und Vergleichen. Jeder einzelne ist nicht bloß eine Summe, sondern eine bestimmte Ordnung und Beziehung seiner Merkmale, worin deren Zusammengehörigkeit (meist durch eine konstitutive Kategorie) gedacht bzw. behauptet wird. Dadurch bieten sie zusammen die Möglichkeit der Vergleichung, welche durch Abstraktion von den verschiedenen und durch Reflexion auf die gleichen Merkmale zur Bildung der Gattungsbegriffe führt: diese müssen dann ebenso wieder vor der Verwechslung mit den ihnen häufig homonymen Allgemeinvorstellungen des unwillkürlichen Vorstellungsverlaufes bewahrt werden. Durch die Fortsetzung des Abstraktionsprozesses und andererseits durch seine Umkehrung in der Determination (für deren Theorie erst LOTZEs feinsinnige Lehre von den unbestimmten Allgemeinmerkmalen eine befriedigende Grundlage gegeben hat) entsteht jene bekannte Rangordnung der Begriffe, welche die Verhältnisse ihrer Subordination und Koordination, ihrer Division und Disjunktion einschließt. Von den (meist analytischen) Urteilen, in denen diese Kategorien der Begriffsbeziehung ausgesprochen werden, haben besonders die Subordinationsurteile eine höchst bedenkliche Bedeutung dadurch erlangt, daß die Logik (schon bei ARISTOTELES) der Neigung verfallen ist, die darin gedachte Einordnung des Subjekts in den Umfang des Prädikats als den Typus allen Urteilens und die Subordination oder Subsumtion [Unterordnung - wp] als den durchgängigen Sinn der Kopula anzusehen. Das ist ein prinzipieller Grundfehler der Schullogik. "Gold ist ein Metall" ist freilich eine richtige Subordination: aber "Gold ist gelb" bedeutet im lebendigen Denken niemals, daß Gold unter gelb subsumiert werden soll, was ein offenbarer Unsinn wäre, und durchaus nicht immer, daß Gold unter die gelben Körper zu rechnen ist, sondern vielmehr, daß Gold die Eigenschaft von Gelb hat. An Subsumtion kann mann dabei nebenher denken; aber sie ist nicht der eigentliche Sinn des Urteils. Aber auch die Prädikatitn ist es nicht immer, und auch die vorsichtigere, vom Inhalt der Begriffe ausgehende Wendung von ARISTOTELES, wonach das Prädikat als Merkmal von einem Subjekt ausgesagt wird, trifft in vielen Fällen nicht zu. Ein Satz wie "Gold wird in der Natur unter Umständen rein aufgefunden" fällt unter keines von beiden Schematen.

Die Besinnung auf diese Verhältnisse ist erforderlich, um die prinzipielle Stellung zu der darauf gegründeten Syllogistik zu gewinnen. Deren Aufgabe können wir von unserem Standpunkt aus dahin verstehen, die Formen zu bestimmen, in denen ein Begriff für andere gilt. Schon bei der Determination, Division und Disjunktion kommt man nicht ohn die bestimmende Deutung aus, welche im Denken der Gattungsbegriff für alle Teile seines logischen Umfangs (d. h. der ihm untergeordneten Art- und Singularbegriffe) besitzt: aber noch allgemeiner tritt dies schon darin zutage, daß jede Bestimmung, die von einem Gattungsbegriff als solchem gilt, auch für jeden einzelnen Teil seines empirischen Umfangs gültig ist. Der Begriff "supponiert" für alle seine Exemplare, er "repräsentiert" sie und sein ganzer Umfang darf für ihn selbst "substituiert" werden. So zeigt sich das logische Grundverhältnis der Abhängigkeit des Besonderen vom Allgmeinen sprachlich darin, daß jedes Begriffsurteil die Form eines generellen oder apodiktischen [sicheren - wp] Satzes annehmen kann: S ist P - alle S sind P - jedes S muß P sein; wobei hier von einer näheren Erörterung der Schwierigkeiten abgesehen werden mag, die dem Dictum de omni et nullo [Aussage über alles und nichts - wp] aus der Mehrdeutigkeit der Negation des generellen Urteils erwachsen können.

Nur aus diesen sprachlichen Formen ist die Theorie des Schlusses zu verstehen, wie sie seit ARISTOTELES üblich ist. Sie beschränkt sich auf die Verhältnisse der Gleichheit und der Verschiedenheit, die zwischen den Inhalten und den Umfängen der Begriffe obwalten: sie berücksichtigt also nur diese Art der reflexiven Relationen im Urteil gleichgültig vorüber. Auf dieser Begrenzung beruth die Vollständigkeit, womit ARISTOTELES das System der Syllogistik hat entwickeln können, in dessen Ausführung hier nicht eingetreten zu werden bracht. Es ließe sich leicht zeigen, daß die "falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren auf die erste, d. h. auf den Subalternationsschluß, der gerade jene Abhängigkeit des Besonderen vom Allgemeinen am Reinsten zum Ausdruck bringt. Unter ihnen gehört auch die sogenannte Folgerung durch Opposition, sobald man die Negationsverhältnisse im Schließen richtig mit dem Prinzip der Konsequenz in einen Zusammenhang bringt: doch bedürfte dies näherer Ausführungen, zu denen hier der Raum mangelt.

Die letzte und in gewissem Sinne folgerichtige Wirkung dieser Einschränkung der Schlußtheorie auf Gleichheitsverhältnisse von Inhalt und Umfang der Begriffe liegt in den bis auf die neueste Zeit wiederholten Versuchen des logischen Kalküls vor. Im Anschluß an die, wie es scheint, schon im Altertum beliebten Schematisierungen der Schlüsse durch Kreise oder Winkel und im Verfolg der irrigen Meinung, die Kopula bedeutet auf irgendeine Weise stets eine Gleichsetzung von Subjekt und Prädikat, ist man imer wieder auf den Gedanken zurückgekommen, die Urteile als Gleichungen zu schreiben und im Schluß mit ihnen wie mit mathematischen Gleichungen zu rechnen. Der einzig gangbare Weg dazu wurde, nachdem in der "Quantität" der Urteile schon schon eine abgestufte Größenbestimmung des Subjekts vorlag, die Quantifikation des Prädikats, die dann allerdings Gleichungen zwischen den beiderseitigen Umfängen zu bilden und mit ihnen zu rechnen erlaubte. Doch ist aus dem Obigen deutlich, wie eng der Bezirk von Beziehungen ist, auf welche damit das Schließen beschränkt wird: von den wirklichen Schlüssen des lebendigen Denkens trifft diese Schlußtheorie unverkünstelt nur auf die - mathamtischen zu. Auch hier kommen wir zu dem Ergebnis: es gibt logische Prinzipien der Mathematik, aber keine mathematischen Prinzipien der Logik. -

Das Gebiet der konstitutiven Kategorien fällt mit dem Umkreis der Denkformen zusammen, die KANT für seine transzendentale Logik mit Abgrenzung gegen die formale in Anspruch nahm, d. h. die gegenständlichen Relationen: und es ist der Ertrag seiner gewaltigen Schöpfung, daß diese Gegenständlichkeit sich für unser wirkliches Erkenntnisleben in der Beziehung auf die Erfahrung und in der Einschränkung auf diese Erfahrung darstellt. Zwar ist auch KANT der Meinung gewesen, daß seine (gegenständlichen) "Kategorien" ansich für jedes Denken überhaupt ebenso gelten, wie die "analytischen" Formen, die unter dem Satz des Widerspruchs stehen, und der transzendental-logische Sinn dieser Kategorien soll also in letzter Instanz von den Bedingungen jeder, also auch "unserer" Anschauung unabhängig sein: aber gerade die Gegenständlichkeit, um die es sich dabei in erster Linie handelt, verdanken diese Kategorien lediglich ihrer Schematisierung in zeitlichen und zum Teil sogar räumlichen Formen. Das ist die zentrale Bedeutung, welche der Schematismus in der transzendentalen Logik hat. Denn die Eintauchung in die (nach kantischer Lehre) sinnlichen Schemata von Zeit und Raum ist in der Tat für die gegenständlichen Relationen so wesentlich, daß sie geradezu als das charakteristische, ja als das artbildende Merkmal dieser Kategorienreihe angesehen werden darf. Will man dieses Merkmal abstreifen, so bleibt nur eine formal-logische Beziehung, eine reflexive Kategorie übrig: an die Stelle der Kategorie des Seins tritt wieder die des Geltens (6). Am bekanntesten und einleuchtendsten ist dieses Verhältnis bei der Kausalität: nimmt man ihr den zeitlichen Charakter, so bleibt nur die allgemeine Form der Dependez oder Determination übrig, deren Grundform die Abhängigkeit des Besonderen vom Allgemeinen ist (7): das ist SPINOZAs zeitlose oder "mathematische" Kausalität.

Danach betrachte ich als das prinzipielle Verhältns zwischen den Kategorienreihen folgendes: indem die reflexiven Beziehungen (Gleichheit und Verschiedenheit) als in den Gegenständen seiend gedacht werden, färben sie sich durch Bestimmungen aus der zeitlichen und zum Teil auch aus der räumlichen Ordnung. Zeit und Raum haben also in der Logik diese Stelle, daß sie aus den reflexiven Kategorien die konstitutiven machen. Dabei ist gegenüber den mancherlei schiefen Auffassungen, die sich aus psychologischen Vorurteilen an die kritische Sonderung der "anschaulichen" von den "logischen" Formen herangedrängt haben, ganz besonders darauf hinzuweisen, daß die konstitutive Kategorie eine in sich einheitliche Formbeziehung ist, an der das "Anschauliche" und das "Logische" nur die beiden lediglich in der Abstraktion voneinander zu scheidenden Seiten darstellen. Jede der Wahrnehmungen, die unsere Erfahrung ausmachen, enthält eine zur Einheit geordnete Mannigfaltigkeit von Empfindungsqualitäten: aber diese Ordnung ist niemals nur zeitlich-räumlichen Charakters, sondern stets zugleich eine kategoriale; und diese beiden Ordnungen sind nicht etwa nur so miteinander verbunden, daß jede für sich bestehen könnte, sondern sie bilden eine untrennbare Einheit anschaulich-kategorialer und eben deshalb und nur deshalb gegenständlicher Gestaltung des mannigfachen Inhalts. In den empirischen Vorstellungsbewegungen kann dabei gelegentlich die eine oder die andere der beiden Ordnungen für die Apperzeption als maßgebend und begründend auftreten: aber für die gegenständliche Erkenntnis stehen und fallen sie miteinander. Daß Zeitfolgen Anlaß und Handhabe für unsere Einsicht in Kausalzusammenhänge bilden, ist ein lediglich methodologisches, kein logisches Verhältnis. Von hier aus ließe sich wohl am Einfachsten und Deutlichsten das HUME-KANTische Problem überblicken.

Vermöge dieser Beziehungen gliedern sich die konstitutiven Kategorien in die beiden Reihen, die nach ihren hauptsächlichsten Repräsentanten als die der Substanz und der Kausalität benannt sein mögen, weil diese ja auch bei KANT in der "Relation" und in den "Analogien der Erfahrung" die beiden Grundmomente sind. Nennen wir doch das "Sein", das in den konstitutiven Kategorien differenziert wird, bald Realtität(res), bald Wirklichkeit (Wirken). Die Vermittlung mit den reflexiven Kategorien ist unter diesen Voraussetzungen verhältnismäßig leicht einzusehen. Seiende Gleichheit heißt Identität insofern, als eine Mehrheit mehr oder minder gleicher Vorstellungen gegenständlich auf ein numerisch Eines bezogen wird, und Verschiedenheit heißt Veränderung, insofern die Mehrheit mehr oder weniger verschiedener Vorstellungen ebenso auf den numerisch einen Gegenstand bezogen wird: damit ist im ersten Fall das Beharren des Gleichen, im zweiten der zeitliche Wechsel des Verschiedenen gedacht, und zugleich wird klar, weshalb Identität nur am Verschiedenen und Veränderung nur am Identischen zu denken ist. Die beharrende Identität ist das Ding, dessen Verhältnis zu seinen verschiedenen und wechselnden Eigenschaften die Kategorie der Inhärenz ausmacht (8), und wenn die Veränderung ein Geschehen darstellt, das in Werden und Entwerden (Vergehen) zerfällt, so ist deutlich, weshalb es nur zwischen den Zuständen der Dinge stattfindet und entweder ein immanentes Geschehen an demselben Ding oder ein transgredientes [überschreitden - wp] zwischen den Zuständen verschiedener Dinge bedeutet. Die kategoriale Einheit im Geschehen ist das Wirken, das die Notwendigkeit der Zeitfolge bedeutet: sie ist entweder kausal, wenn das Vorhergehende das Nachfolgende zum Dasein in der Zeit bestimmt, oder teleologisch, wenn das Ergebnis als das seine Bedingungen Bestimmende gedacht wird (wobei zu bemerken ist, daß Zweck und Absicht zu den kausalen, nicht zu den wahrhaft teleologischen Geschehensformen gehören): die Notwendigkeit ist also entweder Erfolglichkeit oder Erforderlichkeit. Derselbe Unterschied trifft schließlich auf die im Geschehen entspringenden Dingkomplexe zu, die selbst wieder Dinge höherer Ordnung darstellen: hier ist entweder das Ganze durch seine Teile bestimmt als mechanisches Produkt, oder umgekehrt die Teile durch das Ganze als Organismus oder, wie DRIESCH es genannt hat, als Individuum. Weiter brauchen diese Verhältnisse hier nicht ausgesponnen zu werden; es ist nur hervorzuheben, daß die Anwendbarkeit dieser verschiedenen Arten der konstitutiven Kategorien in den Bereich der Methodologie fällt.

Zum Schluß aber müssen wir darauf aufmerksam sein, daß alle Möglichkeiten der Veränderungen im beharrenden Wesen der Dinge irgendwie ermöglicht und begründet sein müssen. Das pflegt man als das der Kräfte oder Vermögen zu den Wirksamkeiten und Zuständen auszusprechen. Sieht man aber dieses Verhältnis genauer an, so findet man, daß es das des Allgemeinen zum Besonderen ist, d. h. daß jene reflexive Beziehung der Determination hier konstitutiv geworden ist. Das Allgemeine ist eines der Momente, die das Besondere bewirken. Dazu kommt weiter, daß, wenn das Dictum de omni et nullo [alles und nichts - wp] rein logisch nur zu bedeuten schien, daß der Gattungsbegriff für seinen ganzen logischen Umfang gilt, wir das lebendige Denken durchaus daran gewohnt finden, ihn auch für seinen ganzen empirischen Umfang als maßgebend und das Verhalten aller seiner einzelnen wirklichen Exemplare bestimmend zu betrachten. Dabei geht, wie nebenbei bemerkt sein mag, der Sinn des sogenannten generellen negativen Urteils aus der begrifflichen Unmöglichkeit in die reale Ausschließung über. Und schließlich wird die reale Zusammengehörigkeit des Verschiedenen im Geschehen unter allen Umständen (auch wo etwa tatsächlich eine unvergleichliche und unwiederholbare Zeitfolge vorliegen sollte) als notwendig nur dadurch angesehen, daß das Zeitverhältnis durch eine allgemeine Regel bestimmt wird. Wir nennen diese allgemeine Regel ein (kausales oder teleologisches) Gesetz, und in dieser höchsten und abschließenden Kategorie denken wir ein Allgemeines, das für das darunter begriffene Besondere nicht nur reflexiv, sondern auch konstitutiv gilt, obwohl wir uns von der Wirklichkeit solcher "Gattungsbegriffe von Veränderungen" und von ihrem realen Verhältnis zu dem durch sie bedingten Geschehen auch nicht die geringste Vorstellung machen können. Darum sind weder Nominalismus noch Realismus durchführbar: aber schon die reine Logik führt uns durch diese Struktur des Kategoriensystems zu der Einsicht, daß das Gelten und das Sein, so sorgfältig sie voneinander geschieden sein müssen, doch in letzter Instanz nicht völlig auseinanderfallende Potenzen sein können.
LITERATUR - ARNOLD RUGE (Hrsg.), Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften, Tübingen 1912
    Anmerkungen
    1) EMIL LASK hat in seiner "Lehre vom Urteil" (Tübingen 1912), die ich leider erst bei der Korrektur heranziehen kann, den glücklichen Vorschlag gemacht, die beiden sonst promiscue gebrauchten Gegensatzpaare im Sinne jener beiden Bedeutungen zu unterscheiden (a. a. O. Seite 13f). Die von ihm angewendete Terminologie scheint mir im Ganzen zweckmäßiger und zutreffender als die umgekehrte von BERGMANN (vgl. ebd. Seite 26). Nur möchte ich "Falsch" lieber im Gegensatz zu "Wahr" als zu "Richtig" brauchen.
    2) Aus ähnlichen Erwägungen ist LASK in seiner "Lehre vom Urteil" (Seite 58) zu der Folgerung gekommen, das logische Prädikat sei in jedem Fall die Kategorie, die vom gesamten "Urteilsmaterials" ausgesagt wird. Damit wären die aristotelische und die kantische Bedeutung der "Kategorie" einander so nahe wie möglich gebracht.
    3) Damit wären auch an der Wurzel alle die unnötigen Schwierigkeiten abgeschnitten, die man sich mit der sprachlich veranlaßten Frage gemacht hat, ob und wieweit die Kopula die Existenz von Subjekt und Prädikat bedeuten soll.
    4) Diese Unterscheidungen sind von besonderer Bedeutung für die Theorie des Wahrheitswertes disjunktiver Urteile.
    5) Vgl. meine Abhandlung "Über Gleichheit und Identität" in den Sitzungsberichten der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse 1910, Nr. 14.
    6) Hiernach ist KANT daraus kein Vorwurf zu machen, daß er in der Beziehung der Kategorien auf die Urteilsarten eine prinzipielle Gemeinsamkeit für die beiden Teile seiner Logik, den formalen und den transzendentalen, gesucht hat: an diesem inneren Zusammenhang zwischen beiden muß durchaus festgehalten werden. Der Fehler der "transzendentalen Analytik" besteht meines Erachtens nur darin, daß die "Tafel der Urteile" lediglich historisch "aufgerafft" ist. Denn die Vierteilung ist in keiner Weise aus dem Wesen des Urteils abgeleitet oder abzuleiten, sondern empirische aus der Schullogik übernommen und in den Trichotomien symmetrisch zugestutzt. Das richtige Verhältnis hat KANT selbst angegeben, wenn er mehrfach die Kategorien als ansich leere Denkformen von ihrer gegenständlichen Anwendung auf zeit-räumliche Anschauung unterschied (vgl. z. B. "Kritik der reinen Vernunft, Abschnitt "Über Phänomena und Noumena", Ausgabe A, Seite 241f / Akademie-Ausgabe IV, Seite 158f).
    7) Vgl. ebd. Seite 243 (IV 159, 24), Ausgabe B, Seite 301 (III 206, 10). Allgemein ist diese Sachlage bei KANT besonders deutlich am Verhältnis der Kategorien zu den Grundsätzen, und dafür ist die Verschiedenheit der Formulierung in den beiden Auflagen der K. d. r. V. von hervorragend instruktiver Bedeutung.
    8) Es sei hier von der Frage abgesehen, ob die Koexistenz des Mannigfaltigen, die zur Inhärenz gehört, die mehrdimensionale Anschauung des Raumes verlangt.