Das haben schlaue Leute den "hiatus irrationalis" genannt und man [nicht nur ich] kann froh sein, daß es die sogenannte Wissenschaft überhaupt soweit gebracht hat, die ganze Angelegenheit auf so einen Punkt zu bringen. Skeptische Ansichten in Bezug auf Wissen und Wahrheit hat es ja immer schon gegeben, aber diese Veranstaltung hat sich einem stets sehr weit verbreiteten Glauben an allgemeingültige, bzw. absolute Wahrheit gegenüber abgespielt, so daß diese Unkenrufer und Miesmacher nie über den Status der übertriebenen Schwarzmalerei hinausgekommen sind. Der "hiatus irrationalis" hat auch nach Max Weber und Heinrich Rickert keine besonders große Karriere gemacht, denn sowas paßt den positivistischen "Machern" nicht ins Konzept und der Faschismus des 20. Jahrhunderts hat ein übriges dazu getan, daß sowas wie Irrationalismus nicht hoffähig werden konnte. Da mußten dann erst wieder die Soziologen und Ethnologen kommen, um gewisse relativistische Erkenntnisse salonfähig zu machen. Nachdem dann die Idee des nicht-absoluten Zusammenhangs, bzw. der individuellen Relation ein paar Jahrzehnte später ohne einen weiteren geistigen Fortschritt verwurstet war und endgültig dem Fundus pseudo-liberaler Beliebigkeitsapostel einverleibt wurde, war die Orientierungslosigkeit wieder einmal komplett. Und das blöde dabei ist, daß auch niemand mehr eine Ahnung hat, von welchem Punkt an der Hase falsch gelaufen ist, so daß man sich zügig an die notwendigen Korrekturen hätte machen können. Das mit dem "hiatus irrationalis" wäre so ein Punkt gewesen, der eine gründlichere Bearbeitung verdient hätte, aber was soll man schon von Leuten erwarten, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, wenn ihnen etwas anderes mehr Vorteile verschafft. Die Folgen eines solchen Verhaltens mögen sich bei Otto Normalverbraucher noch im Rahmen halten, wenn sich so ein Schlendrian aber in der intellektuellen Zunft ausbreitet, kann das durchaus verheerend werden und eine ganze Kultur verblöden.
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