Der berühmte Tellerrand als Grenze eines geistigen Horizontes in der Fassung fotografischer Bildhaftigkeit, nur daß das Bild erst einmal kein echtes Bild, sondern ein Wort ist. Dieses Wort wird nun bildhaft gesehen, d. h. man stellt sich etwas darunter vor, man macht sich ein [geistiges] Bild von der Sache. Es fällt aber niemandem ein, daß das nur das eigene Bild ist und jemand anderer ein anderes Bild haben wird - nach Feierabend kann das vielleicht noch vorkommen, aber nicht während der regulären Arbeitszeit, denn da gibt es Begriffe mit Zwang und Notwendigkeit. Da hat man sich etwas ganz bestimmtes vorzustellen und wehe man stellt sich etwas anderes vor, dann kommt gleich der Vorgesetzte und macht einem klar, daß es so nicht geht. Da wird einem dann klar, daß Machtbeziehungen mehr Macht haben, als etwa ein gedanklicher, bzw. logischer Bezug, mag er noch so richtig sein. Deswegen sind es ja gerade Machtbeziehungen, weil es nicht darauf ankommt, wer Recht hat, sondern wer die Macht hat. Darum ist auch so etwas wie Idealismus oder Humanismus bisher immer relativ machtlos geblieben, weil "realistisch" betrachtet, die Verhältnisse einfach so sind, daß mit klugen Sprüchen nicht viel bewirkt werden kann. Und ich kann dieses Mißtrauen gegenüber vielen intellektuellen Schlaumeiern auch gut verstehen, denn die meisten von diesen Rationalitätspredigern tun nur so, als hätten sie lautere Interessen. In Wahrheit haben sie viel zu wenig Ahnung, um mit ihren Weisheiten auch "im Ganzen" die Kurve zu kriegen. Wer mit seiner Logik nur bis zur Abbildtheorie der Sprache reicht, ist für meine Begriffe aber ziemlich ungeeignet, um die Schalthebel der Macht in die richtige Richtung zu drehen. Die natürlich irrationalen Gewalten lassen sich auf Dauer nur mit Verstand in vernünftigen Bahnen halten und ein solcher Verstand ist nicht vorhanden, wenn einem nicht die prinzipielle Irrationalität bewußt ist, die bei jeder Art von sogenannter Wirklichkeit veranschlagt werden muß.
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