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Reise ans Ende der Nacht
LOUIS FERDINAND CELINE

Nichts Lebendiges war mehr vom Dorf übrig, nur ein paar verstörte Katzen. Zuerst hatte man die Möbel zerlegt, als Feuerung für die Feldküche, alles ging drauf, Stühle, Sessel, Anrichten, vom Leichtesten bis hin zum Schwersten. Und alles, was auf einen Rücken paßte, das trugen sie weg, meine Kameraden. Kämme, kleine Lampen, Tassen, Kleinkram, Brautkränze sogar, alles ging mit. Als hätten wir noch Jahre zu leben. Sie stahlen zum Zeitvertreib, um so zu tun, als hätten sie noch lange Zeit. Immer die gleichen Wünsche.

Das Kanonenfeuer war für sie nur Lärm, mehr nicht. Ebendeswegen können Kriege dauern. Sogar die, die ihn führen, können ihn sich nicht vorstellen, während sie ihn führen. Noch mit einer Kugel im Wanst würden die unterwegs alles einsammeln, was "sich noch brauchen" ließe. Wie ein Schaf, das auf der Seite im Gras im Sterben liegt und dabei noch frißt. Die meisten Leute sterben erst im allerletzten Augenblick; andere fangen früher damit an und bereiten sich zwanzig Jahre drauf vor und vielleicht noch länger. Das sind die Unglücklichen auf Erden.


LITERATUR, Louis Ferdinand Celine, Reise ans Ende der Nacht, Reinbek 2004