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Ein Unterrichtsprogramm der Allgemeinen Semantik ( Lektion 9 -18 )
Lektion 9: Lernen, was innerhalb und außerhalb von uns existiert An der Tafel steht: Denkt daran, daß Behauptungen uns häufig mehr darüber sagen, was in einem Speicher vorgeht, als darüber, was außerhalb von ihm geschieht. Motivation: Der Lehrer hält ein Löschblatt mit einem bizarr geformten Tintenfleck hoch und fragt, was das sei. Alle noch so phantasievollen Deutungen des Tintengebildes werden zurückgewiesen, bis ein Schüler sagt "Das ist ein Tintenfleck". Nur dieser letzte Schüler hat korrekt geantwortet, gesagt, was er wirklich gesehen hat. Anhand dieses Beispiels werden die Begriffe "intensional" und "extensional" eingeführt. Übungen: Die Schüler werden aufgefordert, ihre Assoziationen zu einigen Äußerungen zu notieren, etwa zu "vor langer Zeit", "ein hübsches Mädchen" usw. Die Ergebnisse werden verglichen, dabei wird herausgestellt, daß die Notizen mehr über den Schreiber selber als über den gemeinten Sachverhalt aussagen. Folgerung: Es ist gefährlich, wenn Menschen über das, was in ihnen vorgeht, so reden, als wären es Tatsachen, denn dadurch können Mißverständnisse entstehen und jegliche Kommunikation bleibt wirkungslos. Als Hilfsmittel wird empfohlen, statt "Das ist..." zu sagen "Mir scheint...", "Ich glaube..." "Für mich..." u.ä.m. Übungen: Scheinbar extensionale Behauptungen werden analysiert, z.B. wird die Relativität der Empfindung von Kälte und Wärme gezeigt und daran die Intensionalität solcher Äußerungen wie "Es ist kalt hier drinnen" aufgewiesen. Anwendung: Schreibe einen Dialog. Thema: Zwei Menschen streiten sich über ihre Meinungen, ohne dies zu merken. Erst durch allmählich einsetzendes Fragen der Art "Was meinst du eigentlich?", "Was verstehst du darunter?" erkennen sie ihren Irrtum, und können erst jetzt ihre Diskussion zu Ende führen. Lektion 10: Wörter haben verschiedene Bedeutungen (Die Thematik von Lektion 2 und Lektion 6 wird erneut aufgegriffen.) In dieser Lektion werden Homonyme diskutiert, also Wörter, deren Schreibweise die gleiche ist, die aber verschiedene Bedeutungen haben. Mißverständnisse werden diskutiert, die aufgrund der irrtümlichen Auffassung eines Homonyms entstehen. Die Lektion schließt mit der Mahnung: Denkt daran, die Bedeutung eines Wortes ist weder in ihm selbst enthalten noch findet ihr sie im Lexikon, sie ist in den Menschen selbst enthalten. An dieser Stelle erhält die Klasse die Möglichkeit, für die restliche Dauer des Kursus einen beliebigen Gegenstand aus ihrer Umgebung umzubenennen. Dadurch soll gezeigt werden, daß Zeichen arbiträr sind, daß ihre Bedeutung durch Konvention festgelegt wird. Lektion 11: Die Abstraktionsleiter Ausgehend von der Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Begriffen wird die Abstraktionsleiter eingeführt. Ein Begriff, z.B. Teerose wird "nach oben" immer abstrakter: Teerose - Rose - Blume - Pflanze - Gewächs - organisches Gebilde; "nach unten" immer konkreter: Teerose - kleine Teerose - usw., bis hin zu der kleinen Teerose, die Jim seiner Mutter am letzten Mittwoch zum Geburtstag schenkte. Die Schüler lernen, daß man beim Aufwärtssteigen der Leiter immer ungenauer, allgemeiner wird, beim Abwärtssteigen hingegen immer genauer, bishin zu Eindeutigkeit.(3) Lektion 12a: Der Wert der Verwendung von Indizes Diese Lektion wird als die wichtigste des ganzen Kursus angesehen, sie wird länger als eine Stunde ausgedehnt und ihre Inhalte sollten später von allen Schülern gewußt werden. Motivation: An der Tafel steht: "Noch nie sind zwei Dinge identisch, d.h. sich in allen Teilen gleich gewesen." (Dieser Satz enthält die logische Weiterentwicklung des Prinzips der "non-allness".) Die Schüler werden aufgefordert, Beispiele zu finden, die diesen Satz möglichst falsifizieren sollen. Bei der nun einsetzenden Diskussion hält sich der Lehrer möglichst zurück, die Schüler sollen selbst Argumente und Gegenargumente bringen. Allmählich erkennen die Schüler, daß zwei Gegenstände - auch maschinell produzierte - nie wirklich identisch sind. Dann schreibt der Lehrer "Mädchen" und "Jungen" an die Tafel. Fünf möglichst verschieden aussehende Schüler beiderlei Geschlechts werden ausgewählt und vor die Klasse gestellt. Jetzt werden so viele "Mädchen" und "Jungen" betreffende Redensarten wie möglich gesammelt, etwa "Mädchen sind fleißig", "Jungen sind Rüpel", "Mädchen spielen gern mit Puppen" usw. Jede Redensart wird von einem Mitglied der vorn stehenden Gruppe als für seine Person nicht zutreffend zurückgewiesen. Schließlich wird zusammengefaßt: Joe gehört zur Gruppe der Jungen aufgrund gemeinsamer biologischer Merkmale dieser Gruppe. Aber innerhalb dieser Gruppe dürfen wir auf keinen Fall die individuellen Unterschiede vernachlässigen. Es darf nicht vergessen werden: jedes Mitglied einer Gruppe ist auch Individuum. Eine lange Liste von weiteren Verallgemeinerungen wird aufgestellt, zu der die Schüler Stellung nehmen. Im Vergleich zu den mathematischen Variablen x, y usw. werden allgemeine Begriffe (Abstrakta) als Variable hingestellt, die it Indizes versehen werden müssen, um die Einmaligkeit des bezeichneten Gegenstandes hervorzuheben. Merke: Wir verwenden Indizes, um uns an die Unterschiede zwischen den einzelnen Dingen zu erinnern, z.B. ist Kuh1, nicht die gleiche wie Kuh2. Übungen: Mit Hilfe der Methode des Indizierens werden weitere Vorurteile diskutiert, z.B. "New Yorker sind unfreundlich", und TV-Reklamespots werden hinterfragt, etwa "Blonds have more fun". Folgende Aufgabe wird gestellt: Stellt dir vor, Personen verschiedener Nationalität (z.B. ein Russe, ein Japaner, ein Spanier, ein US-Amerikaner) diskutieren über die Demokratie, und jeder von ihnen ist überzeugt, in einer Demokratie zu leben. Wie können sie ihr Problem lösen? Drei Leitfragen zur Bewertung von Verallgemeinerungen werden aufgestellt:
Lektion 12b: Stereotype und Indizes Motivation: Für einen Film müssen einige Rollen noch besetzt werden: Ein Lehrer, Geschäftsmann, ein Gangster. Wie müßte jede dieser Figuren aussehen, angezogen sein, reden usw.? Nachdem die Schüler die Rollen mit den entsprechenden Figuren besetzt haben, wird ihnen klargemacht, daß sie typisierte Vorstellungen geäußert haben. Die Herkunft dieser Vorstellungen wird diskutiert, das Konzept der Stereotypen wird entwickelt. Weitere Stereotype aus Film und Fernsehen werden analysiert, Zeitungsartikel und Essays dazu gelesen. Einige diffamierende Bezeichnungen und deren Wirkungen werden untersucht, etwa: Was geschieht, wenn im Krieg Deutsche als "Krauts", Russen als "commies" bezeichnet werden? Witze, die auf Stereotypen beruhen, werden analysiert, die Methode des Indizierens wird angewandt. Stereotype, die die Schüler vermutlich selbst besitzen, werden hinterfragt, z.B. die Vorstellung vom "idealen Partner". Wie ist folgende Lehreräußerung einem Schüler gegenüber zu beurteilen: "Du benimmst dich genauso wie dein Bruder?". Merke: Denke daran, daß es viel mehr Ausnahmen von Stereotypen gibt, als du je geahnt hast. Werde ein "Ausnahmejäger" (exception-hunter). Lektion 13: Datieren, ein Hilfsmittel, das uns daran erinnert, ![]() Motivation: der Lehrer behauptet: "Nicht einer von uns ist der gleiche wie vor fünf Jahren!" Die Schüler akzeptieren diese Behauptung als zutreffend und führen Beispiele an, wie sie sich in den letzten Jahren verändert habe. Der Lehrer weist die Beispiele als nicht zutreffend zurück und besteht darauf, wörtlich erklärt zu bekommen, was sich geändert hat. Schließlich erklärt er, was er meint: Sämtliche Körperzellen in uns erneuern sich ständig, so daß wir buchstäblich nicht die gleichen Menschen wie vor fünf Jahren sind. Aber unsere Sprachgewohnheiten reflektieren diese ständigen Veränderungen nicht, sie sind statisch, nicht dynamisch. Ein Schüler wird aufgefordert, einen Vortrag über die Atomtheorie zu halten; daraus wird ersichtlich, daß auch scheinbar feste Materie in Wirklichkeit aus dynamischen Prozessen besteht. Oft werden die naturhaften Veränderungen unserer Wirklichkeit optisch sichtbar, z.B. Rost, Alter, Wachstum usw. Die Schüler sollen sich einen Gegenstand überlegen, der sich nicht verändert. Schlußfolgerung: Alles verändert sich, aber wir sprechen so, als bliebe alles gleich. Wenn die Dinge der Außenwelt, die Natur sich ständig verändern, dann sollten sich auch unsere Sprach- und Verhaltensweisen diesen Veränderungen anpassen. Als Hilfsmittel wird die Methode des Datierens eingeführt, Übungen dazu werden durchgeführt, etwa:
Lektion 14: Wir leben in einer "Entweder-Oder-Welt" Motivation: Was hältst du von der Redensart "Jedes Ding hat seine zwei Seiten?" Der Lehrer erklärt den Begriff der Zweiwertigkeit, Beispiele dazu werden gesammelt, etwa Gegenüberstellungen wie gut - schlecht, reich - arm, schön - häßlich usw. Die Vorgehensweise der Wissenschaftler wird erläutert, die angeblich darin besteht, nicht von zwei Extremwerten auszugehen, sondern sämtliche Abstufungen dazwischen zu messen. Die Bellkurve der Normalverteilung wird erklärt, daran wird deutlich gemacht, daß die gemessenen Werte eines Versuchs meistens um den Mittelpunkt streuen und zu den extremen Punkten hin abnehmen. Das Entweder-Oder- Denken ist also unrealistisch und extremistisch. Eine Vielzahl von Beispielen für diese Denkweise wird gesammelt und kommentiert, wie z.B.: Bist du für oder gegen mich? Love me or leave me! Ein Schüler, der die Höchstpunktzahl in einer Arbeit nur knapp verfehlt hat, behauptet von sich selbst, er habe versagt. Schlußfolgerung: Auf die Behauptung "Jedes Ding hat seine zwei Seiten" erwidere einfach "Warum gerade zwei und nicht mehr?". Die Schüler sollen lernen, zwischen engstirnigen und offenen Menschen zu unterscheiden, sie sollen möglichst versuchen, zu der letzteren Gruppe zu gehören (ungeachtet der Tatsache, daß auch diese Differenzierung wieder eine zweiwertige ist!). Die erste Gruppe zeichnet sich dadurch aus, daß sie eine Person und deren Meinung entweder akzeptiert oder zurückweist, die zweite hingegen hat mehrere Verhaltensmöglichkeiten. Anwendung (u.a.): Ein Kriterium guter Literatur ist die Tatsache, daß die "Helden" nicht gut oder schlecht sind, sondern differenziert dargestellt werden. Beispiele dazu werden angeführt. Lektion 15: Wörter sind wie Landkarten Die "map-territory" Metapher wird noch einmal sorgfältig erläutert, dann werden Sprechgewohnheiten daraufhin untersucht, wie adäquat sie die Realität abbilden. Angeführt werden folgende Beispiele:
Lektion 16: Das Ist der Identität Motivation: Die Schüler sollen zu mehreren Aussagen Stellung nehmen und sie in folgendes Schema einordnen: wahr - falsch - nicht zu entscheiden (mit Kommentar). Ein Beispielsatz: "Hausaufgaben sind gut für dich!" Anschließend an die selbständige Arbeit der Schüler werden die Ergebnisse verglichen und die Bedingungen, unter denen solche Aussagen nur gelten, werden festgestellt und analysiert. Aussagen über Farben wie "Der Apfel ist grün" werden in ihrer Relativität deutlich gemacht, Farbe als Funktion der Größe von Wellenlängen wird erklärt. Schlußfolgerung: Wenn wir das Wort "ist" verwenden, neigen wir dazu, zu vergessen, daß Wörter nur Symbole sind und nicht die bezeichneten Dinge selbst. Anwendung: Die englische Sprache wird mit der spanischen verglichen. Vielen Wendungen, die im Englischen das "ist" enthalten, werden im Spanischen mit Hilfe von "haben" ausgedrückt. Die Schüler sollen an einer Reihe von Beispielen den Unterschied erkennen. Ratschlag: Statt "ist" sage lieber "Mir scheint...", "Für mich...", usw. Die Schüler machen Umformungsübungen. Lektion 17: Die Kunst des Fragens Motivation: Was, glaubst du, war zuerst da: Das Huhn oder das Ei? Nachdem die Schüler dieses Problem eine Zeitlang diskutiert haben, erkennen sie, daß diese Art von Fragestellung unsinnig, zwecklos, nicht beantwortbar ist. Den Schülern wird klar gemacht, daß der erste Schritt bei Problemlösungen die richtige Fragestellung ist. Diese Erkenntnis wird auf persönliche Probleme der Schüler angewendet. Übung: Eine Reihe von sinnlosen Fragen soll in sinnvolle umgeformt werden, z.B. die Fragen: "Warum geschieht immer mir so etwas?", "Warum muß ich bloß zur Schule gehen?", "Wirst du auch immer mein bester Freund bleiben?" Schlußfolgerung: Wenn du ein Problem hast, dann stelle solche Fragen, mit deren Hilfe du einen Ausweg aus deiner Lage finden kannst. (Diese Lektion soll unmittelbare Lebenshilfe bieten. Diese "Kunst des Fragens" ist eine Methode des "personal adjustment", der Anpassung an Gegebenes, durch die die Allgemeine Semantik hauptsächlich versucht, den Menschen zur geistigen Gesundheit zu verhelfen.) Lektion 18: Zusammenfassung Alle Prinzipien der Allgemeinen Semantik werden wiederholt, die Schüler erhalten Gelegenheit, sämtliche Grundsätze und Hilfsmittel noch einmal anzuwenden. Die Berichtshefte der Schüler werden verglichen und besprochen, die verschiedenen Ergebnisse der Langzeitaufgabe werden zur Diskussion gestellt. Die Schüler erhalten die Möglichkeit, sich schriftlich und umfassend über ihre Erfahrungen mit den Lehren der Allgemeinen Semantik zu äußern. Den Kursus abschließend machen alle Schüler einen Test, der sicher auch für die Selbstüberprüfung vieler Leser interessant ist und deshalb hier vorgestellt wird. Der abschließende Test von J. A. BLACK umfaßt 20 Aussagen, die mit "wahr" oder "falsch" bewertet werden müssen. Für jede Bewertung müssen Gründe angeführt werden.
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