tb-3ra-3Ein Unterrichtsprogramm der AS    
 
KARIN BÜHRING
Kritik und Bewertung
der Allgemeinen Semantik


"Trotz der vielen Unklarheiten und der teilweise vorkommenden Fehler im System Korzybskis ist meines Erachtens der Auffassung der meisten Kritiker der A.S. zuzustimmen, daß innerhalb des Konglomerats von "semantischen" Ideen ein rationeller Kern enthalten ist."

Theoretischer Kern der Konstruktion der "Allgemeinen Semantik" (im folgenden als A.S. abgekürzt) sind ihre Aussagen über den für alle Theorien mit erziehungswissenschaftlichem Gehalt äußerst wichtigen Zusammenhang zwischen Sprache, Denken und Wirklichkeit. Um Art und Stellenwert dieser Relation und der mit ihr verbundenen Fragestellungen zu charakterisieren sei ADAM SCHAFF zitiert:
"Die Behauptungen über den Zusammenhang zwischen Sprache und Denken oder zwischen Sprache und Wirklichkeit sind typische philosophische Verallgemeinerungen, und es hält schwer - zumindest bei dem derzeitigen Stand des Wissens - durch eine unmittelbare Prüfung auf empirische Fakten auf die Lösung eines solchen Problems zu rechnen. Man kann im besten Falle nachweisen, daß das, was wir dank verschiedener Einzelwissenschaften über diese Dinge wissen, mehr für den einen als den anderen Standpunkt spricht..."
S.J. SCHMIDT äußert sich hierzu folgendermaßen:
"Die bisherigen Untersuchungen zur Geschichte dieses Problems haben zu dem Ergebnis geführt, daß die Frage nach der Art des Zusammenhangs zwischen Sprache und Denken weitgehend eine  Metafrage  ist, in dem Sinne, daß sich die Charakterisierung der Relation zwischen den beiden Bezugsebenen weitgehend danach richtet, was man unter Sprache, was unter Denken versteht/verstehen will."
Und er führt hierzu weiter aus: Wenn das Verhältnis Sprache - Denken - Wirklichkeit Gegenstand von Untersuchungen wird, dann bestimmen die Vorannahmen über den Charakter dieses Verhältnisses und seiner Teile die Forschungsrichtung, die Untersuchungshypothesen und -kategorien und legen somit weitgehend auch die Art und Relevanz der Ergebnisse fest.

JÜRGEN HABERMAS formuliert diesen Tatbestand in seinen Ausführungen zu dem Zusammenhang zwischen erkenntnisleitenden Interessen und Untersuchungsmethoden bzw. -ergebnissen; sowohl er als auch S.J. SCHMIDT fordern als Konsequenz für wissenschaftliche Untersuchungen die Reflexion und Erläuterung dieser Vorannahmen über den Charakter des jeweiligen Untersuchungsgegenstandes. Hier soll versucht werden, dieser Forderung nachzukommen.

Überträgt man diesen Zusammenhang auf die Arbeiten der "Allgemeinen Semantiker" ALFRED KORZYBSKI, ANATOL RAPOPORT und SAMUEL ICHYIÉ HAYAKAWA, sowie auf diese Untersuchung, dann läßt sich folgendes sagen:
KORZYBSKI geht in seinem Werk "Science and Sanity" von einem Verständnis des Menschen als des Kultur schaffenden und erhaltenden Subjekts aus, als eines Wesens, welches kraft seines Sprachvermögens Errungenschaften der Kultur vergangener Zeiten verwerten und weiter überliefern kann. Erscheint die Sprache innerhalb dieser Konstruktion zunächst als Instrument, als Mittel zum Zweck, so nimmt sie doch bald eine weitaus mächtigere Position ein: sie verselbständigt sich als alleiniges Kommunikationsmedium zu einer Kraft (das "Organon" wird zur "Energeia"), zu einem Gefüge, welches durch seine Struktur die Welterkenntnis des Menschen determiniert, oder sogar die richtige, d.h. angemessene Erkenntnis verhindert.
Eine Illustration zu einem Aufsatz von HAYAKAWA verdeutlicht das oben Gesagte: Die Menschen erscheinen als Gefangene; ihr Vokabular, ihre Sprache bilden das Gefängnis, in dem sie sich befinden, nur durch die Gitterstäbe dieses Sprachgefängnisse hindurch vermögen sie die Welt zu sehen und miteinander zu kommunizieren. Das Denkvermögen des Menschen, selten überhaupt thematisiert, erscheint in dieser Konstruktion in untergeordneter Rolle, denn die Sprachstrukturen determinieren die gedanklichen Strukturen bzw. letztlich auch die nervlichen Vorgänge im Gehirn. Dem Denkvermögen wird hier keine eigene Qualität zugesprochen; hingegen wird die außersprachliche Realität als unabhängig vom menschlichen Bewußtsein existent und als - begrenzt - erkennbar angesehen; ihr wird die Priorität vor der Sprache zuerkannt.

Aus diesen, von den drei genannten Autoren in unterschiedlichem Ausmaß und Weise reflektierten Prämissen ergeben sich die theoretischen Aussagen und Prinzipien der A.S. Was jedoch charakteristisch für die A.S. ist, sie von anderen Erklärungsversuchen des Zusammenhanges Sprache - Denken - Wirklichkeit und des linguistisch-logischen Bedeutungsproblems unterscheidet und sie zum Gegenstand dieser Arbeit macht, ist der pädagogische Anspruch, mit dem sie auftritt.

Die A.S. ist nicht primär eine Theorie, sondern eine Lehre, die es als ihre explizite Aufgabe betrachtet, mit ihren Mitteln die wenn nicht schlechten, so doch kranken und "defekten" Menschen zu gesunden und heilen zu erziehen, der Gesellschaft zur "sanity" (geistigen Gesundheit) zu verhelfen. Nicht nur ihr Anspruch, auch ihre tatsächliche Wirksamkeit charakterisieren sie als eine pädagogische Bewegung, die über den engen, institutionalisierten Erziehungsbereich hinaus in allen menschlichen und kulturellen Bereichen tätig wird. Erziehung wie Selbsterziehung des einzelnen sowie der ganzen Nation mittels semantischer Methoden erscheinen als der Weg zu besserer Verständigung und besserem Zusammenleben.

Das dieser Arbeit zugrunde liegende Vorverständnis muß auf zwei Ebenen, die sich gegenseitig beeinflußen, reflektiert und charakterisiert werden: auf der einen Ebene die eigene Auffassung der Relation Sprache - Denken - Wirklichkeit als Gegenstandsbereich der A.S., auf der anderen die Einschätzung der prinzipiellen Möglichkeiten, die eine solche pädagogische Bewegung überhaupt haben kann, einschließt.

Weder einer extrem monistischen noch dualistischen Auffassung des Zusammenhangs Sprache - Denken wird zugestimmt, sondern in Anlehnung an ADAM SCHAFF wird eine Interdepenz beider - allerdings qualitativ unterschiedlicher - Vermögen vertreten. Sprechen und Denken sind also nicht identisch, allerdings werden sie im Lern- und Sozialisationsprozeß des Individuums derart miteinander verflochten, daß nur sehr schwer die genauen Funktionen und Auswirkungen beider Qualitäten bestimmt werden können.

Bis eine empirische Verifikation oder Falsifikation des umstrittenen Zusammenhanges (d.h. ein biologisch-chemischer Nachweis, der in materialistischer und anti-metaphysischer Einstellung als letztes Entscheidungskriterium angesehen wird) möglich wird, wird eine prinzipiell kritische Position gegenüber allen philosophischen Metaorientierungen eingenommen, die allerdings insofern materialistischen Positionen zugeneigt, als die Priorität des Seins vor dem Bewußtsein unter Beachtung ihrer Interdependenzen als unabdingbar angesehen wird.

Trotz der vielen Unklarheiten und der teilweise vorkommenden Fehler im System KORZYBSKIs ist meines Erachtens der Auffassung der meisten Kritiker der A.S. zuzustimmen, daß innerhalb des Konglomerats von "semantischen" Ideen ein rationeller Kern enthalten ist.

MAX BLACK z.B. schreibt: "Ich betrachte die theoretische Grundlage der  Allgemeinen Semantik  als logisch inkohärent und erachte eine gründliche Überarbeitung für notwendig." Er ist dennoch der Meinung, daß von KORZYBSKIs Werk möglicherweise wissenschaftliche Impulse ausgehen könnten (er bezeichnte es auch als beeindrucken wegen seiner Frische, Lebendigkeit und Kraft und sieht KORZYBSKI selber nicht als minutiösen Denker, sonder als Reformer und Evangelisten, und fährt fort: "Dies impliziert nicht notwendigerweise eine ablehnende Beurteilung des Wertes der  Allgemeinen Semantik;  die Geschichte der Wissenschaft liefert zahlreiche Beispiele für konfuse theoretische Systeme, aus denen letztlich doch nützliche und interessante Ergebnisse hervorgingen."

Dieser Auffassung würden sich auch die marxistischen Kritiker SCHAFF und NEUBERT anschließen. SCHAFF hebt in seiner Bewertung der A.S. besonders deren rationale Elemente hervor, die er hauptsächlich in zwei Punkten zu sehen glaubt: Erstens in der Tatsache, daß KORZYBSKI primär von der Struktur der Realität ausgeht - zumindest verbal -, um das zentrale Problem der Relation Sprache-Wirklichkeit zu erfassen; und weiter darin, daß er eine prozessuale Interpretation der Wirklichkeit verficht und in seinem Rückgriff auf PAWLOW das reale Problem der semantogenen Hemmungen zu erklären versucht; zweitens in dem "Programm einer  programmatischen  Erforschung der Sprache, d.h. einer Erforschung der Sprache unter dem Aspekt der  Produzenten  der sprachlichen Zeichen.

Allerdings wäre es verfehlt, eine Verwandtschaft zwischen A.S. und materialistischer Semantik oder Erkenntnistheorie feststellen zu wollen, denn NEUBERT weist den Semantikern ein falsches Verständnis des Abstraktionsprozesses, ein Verkennen der Dialektik des Erkenntnisprozesses nach: "Vom Konkreten zum Abstrakten, und von diesem eben nicht endlos weiter ins Abstrakte, sondern immer wieder "zurück" zu einem klarer erfaßten Konkreten, so verläuft die menschliche Erkenntnis".

Dennoch bemüht sich auch NEUBERT um eine gerechte Bewertung, indem er auf die aufklärerische Funktion der Spracherziehung zwecks Sprachbewußtsein und -kritik hinweist und die semantischen Bemühungen als einen "ersten Schritt" auf dem Weg zur Befreiung von Propagandaterror und kapitalistischer Ideologie einschätzt: "Dennoch kann durch eine Art  semantischer Erziehung  im Volk der Sinn für die  symbolic exploitation  geweckt werden und die Abwehrhaltung des Volkes gegen die verhetzenden Worte gestärkt werden."

Notwendig bei der Einschätzung der A.S. scheint in jedem Fall eine differenzierte Sichtweise und Beurteilung zu sein: es sollte sowohl zwischen dem Gründer der Bewegung, KORZYBSKI, und einigen seiner Anhänger als auch zwischen der theoretischen Konzeption des Systems und seiner praktischen Anwendung unterschieden werden. KORZYBSKI und seine psychosomatischen Therapiebemühungen sind sicherlich anders einzuschätzen als viele seiner Anhänger in der  International Society for General Semantics,  die wirkliche Kommunikationsprobleme der heutigen Gesellschaft unter pragmatischem Aspekt erforschen und die von SCHAFF als "Sozialtechniker" bezeichnet werden, etwa HAYAKAWA, der bezeichnenderweise den größten Verdienst KORZYBSKIs in der Analyse menschlicher Verhaltensweisen sieht.

Rapoport, der in seinen Ausführungen eine eigenartige Zwischenposition zwischen rational denkendem Wissenschaftler und Anhänger der Bewegung und des "Visionärs" und "Apostels" KORZYBSKI erkennen läßt, betont sehr die zweite der beiden oben angeführten Differenzierungen. Im Zusammenhang mit dem Problem der Verifizierung der A.S. führt er aus, daß der Erfolg der Bewegung nicht zugunsten oder zuungunsten der zugrunde liegenden Theorie gerechnet werden dürfe, sondern daß beide unterschiedliche Beurteilungskriterien verlangten.

A.S. als semantische Therapie kann an ihren konkreten Erfolgen, dem Befinden der Menschen, gemessen werden, und es reicht deren subjektives Urteil. Theorien hingegen müssen in operationalistischer Sicht daran gemessen werden, ob sie verifizierbare Vorhersagen ermöglichen oder nicht.

Enthält die A.S. verifizierbare Aussagen? Bei genauem Durchsehen und Prüfen ihrer Postulate erweisen sich die meisten als wissenschaftlich noch ungeklärt (z.B. diejenigen, die Probleme der Perzeption betreffen) oder als widerlegt (z.B. die magische Funktion des "is of identity", oder das spezifische Verständnis des Abstraktionsprozesses als eines "Weglaßprozesses").

RAPOPORT stellt klar heraus, daß KORZYBSKIs Entwurf entgegen einenen Postulaten  kein  erfahrungswissenschaftlicher ist. Er betont aber die Ermöglichung und Vorbereitung zahlreicher wissenschaftlicher Forschungen auf der Grundlage der Analysen KORZYBSKIs.

Diese zahlreichen Zitate mögen genügen, um die Meinung von KENNETH BURKE zu widerlegen, nach der eine Beurteilung der A.S. sehr schwierig sei wegen des ambivalenten Charakters der Theorie - sie vereinige mentalistische und behavioristische Merkmale und verschmelze beide zu einem dritten, dem "mind-body" bzw. "neuro-semantical" Konzept.

Die Einschätzung der A.S. - besonders in der Interpretation von RAPOPORT - als genuin pragmatische Bewegung wird bestätigt durch einen Aufsatz von H. STACHOWIAK "Gedanken zu einer allgemeinen Theorie der Modelle". In diesem Aufsatz läßt sich eine z.T. verblüffende Affinität zu den Ideen der A.S. feststellen. Modelle werden als erfahrungswissenschaftliche Erkenntnisgebilde bezeichnet, die die Heuristik und Relativität dieser "Seinsformen des Wissens" betonen; es wird eine Theorie der semantischen Stufen entwickelt, die als  semantische Modelltheorie  die Probleme der Realitätserkenntnis, der Perzeption und des Denkens, systematisiert und die große Ähnlichkeit zu den Abstraktionsstufen Korzybskischer Prägung aufweist.

Wichtiger in diesem Zusammenhang erscheint jedoch, daß STACHOWIAK eine sich langsam ausbreitende, neopragmatische Bewegung konstatiert, die anknüpft an den Neopositivismus (Wiener Kreis), logische Sprachanalyse und Empirismus, und auf die Gedanken von PEIRCE zurückgreift, und zu der die A.S. zweifellos zu rechnen ist. Innerhalb dieser Bewegung wird die ursprüngliche Aufgabe der Wissenschaft "als eines Instruments menschlicher Daseinsbewältigung" wiederentdeckt und nicht mehr philosophisch verfremdet - der operationale Charakter der Wissenschaft tritt in den Vordergrund.

Obwohl sich im folgenden zeigt, daß sich zwischen Operationalismus und A.S. und diesem von STACHOWIAK konstatierten Pragmatismus noch Differenzen ergeben, (etwa bezüglich des Stellenwertes des Kriteriums "Brauchbarkeit" und des Stellenwertes der empirischen Verifikation nicht als Wahrheits-, sondern als Bewährungsnachweis einer Theorie), ist die A.S. zweifellos als Bestandteil dieser neopragmatischen wissenschaftlichen Strömung anzusehen - wenn man STACHOWIAK folgen will.

In der Einleitung wurde als Ziel dieser Arbeit formuliert, zu einer grundsätzlichen Einschätzung der Methoden der A.S. und ihres Stellenwertes zu gelangen. Dies ist zum größten Teil geschehen, trotzdem soll folgende Differenzierung noch einmal hervorgehoben werden:

Den praktischen Methoden der A.S. wird eine Wirksamkeit bezüglich der Befähigung der Schüler zu Sprachkritik keineswegs abgesprochen; hinsichtlich der Erreichung des umfassenden Zieles der A.S. jedoch, der "reeducation" der Menschheit, wird eine äußerst kritische Stellung eingenommen, die auf der Erfahrung beruht, daß über rein semantische, und damit im Bereich des "Überbaus" verbleibende Methoden keine tiefgreifende Veränderung des menschlichen Verhaltens zu erzielen ist. Dies führt zu einer Problematisierung der Möglichkeiten von Erziehung überhaupt.

Ausgehend von der Aufgabenbeschreibung, daß "... Sinn und Funktion der Pädagogik ... die Rationalisierung der Erziehung" ist, d.h. in der Verwissenschaftlichung schon immer ausgeübter, erzieherischer Praktiken besteht, sowie in der Aufstellung neuer Wege und Ziele, macht S. BERNFELD deutlich, daß diese pädagogische Rationalisierung sich in zwei Schritten vollzieht.

Der erste ist die "Idee", das neue, unkonventionelle Denken eines Mannes - dieser entwickelt eine pädagogische Theorie, die, da sie gegen das Übliche, Herkömmliche gerichtet ist, oft revolutionären Gehalts ist. Der zweite ist die wirklich erfolgende Veränderung bisherigen erzieherischen Verhaltens, die Verwirklichung der Idee, die gesellschaftliche Umsetzung der Theorie in die Praxis - die neuen Ideen müssen sich als zweckmäßig und erfolgreich erweisen. Die A.S. befindet sich im zweiten Stadium - sie kämpft um allgemeine gesellschaftliche und wissenschaftliche Anerkennung und bemüht sich um den Nachweis ihres Erfolges.

BERNFELD geht aber tiefer, er problematisiert den Anspruch der "Pädagogiker" (gemeint sind etwa ROUSSEAU, COMENIUS, FICHTE, HERBART, PESTALOZZI u.a.), ihr Menschheitsziel als Erziehungsziel hinzustellen:
"Wäre das Menschheitsziel Erziehungsziel, dann wäre Erziehung eine hochwichtige Angelegenheit". Und weiter: "Nicht also der Vorwurf, daß die Pädagogiker große und edle Ziele haben, sondern daß sie die Erziehung - ungeprüft - zur Vollstreckerin dieser Ziele machen. Daß sie nicht fragen: ist dieses ewige Menschheitsideal erreichbar? Uns erreichbar? Durch Erziehung erreichbar? Erst nach Bejahung dieser drei Fragen wäre die vierte zu stellen: Durch das von mir erfundene Mittel?
Angewendet auf die A.S. hieße das: Die Semantiker haben sich diese oder gleichrangige Fragen wohl gestellt, beantworten sie aber vorschnell positiv, ohne nachweisen zu können, daß die Menschheit ihrem Ideal durch ihre Mittel einen Schritt näher gekommen ist. Diese Überlegungen führen bei BERNFELD nicht zu einer Verurteilung der bisherigen Pädagogik und ihrer Verfechter, sondern sie ermöglichen eine Einschätzung und Relativierung ihres Stellenwertes.

Erziehung und Pädagogik haben innerhalb der Gesellschaft eine Funktion zu erfüllen, die gerade an jene Eigenschaften gebunden ist, die ihr vorgeworfen werden: "Die Pädagogik, wie sie ist (in den dreissiger Jahren) entspringt einer Reihe von psychischen und sozialen Bedingungen, die in unserer Zeit der unwissenschaftlichen Pädagogik, gegeben sind, sie ist ein Instrument gewisser sozialer und psychischer Tendenzen unserer Gesellschaft und der in ihr lebenden Menschen. Sie ist ein taugliches Instrument, gerade durch ihre Mängel."

Abschließend sei noch einmal KORZYBSKI zitiert, der seiner Bibliographie folgendes voranstellt:
"The statement  that everything has already been said  is, unfortunately, largely true ... If we even grant that  everything was said,  I must add,  but not so ...", 
eine Formulierung, die m.E. auch geeignet ist, die mit dieser Arbeit verfolgte Absicht zu kennzeichnen: nicht unbedingt Neues herauszufinden, aber doch verschiedene Aspekte des untersuchten Gegenstandsbereiches und dessen Kritik zusammenzufassen und systematisch darzustellen.
LITERATUR, Karin Bühring, Allgemeine Semantik - Sprachkritik und Pädagogik, Düsseldorf 1973