tb-3ra-3Umgang mit KindernAS und Erziehung    
 
KARIN BÜHRING
Ein Unterrichtsprogramm
der Allgemeinen Semantik


Bewertung der A.S.
"Im weiteren Stundenverlauf wird die Bedeutungsvielfalt von Wörtern problematisiert, jeder stellt sich z.B. unter Wasser, Frau, warm etwas anderes vor... "

Um genauere Vorstellungen über das methodische Vorgehen der "Allgemeinen Semantiker" zu ermöglichen, soll in diesem Abschnitt das von J.A. BLACK verwendete Unterrichtsprogramm vorgestellt werden. Das Programm umfaßt 18 Lektionen, die sich auf insgesamt 30 Schulstunden verteilen. Die Schüler werden aufgefordert, kursbegleitend ein Berichtsheft zu führen und sich mit weiterer Lektüre über A.S. vertraut zu machen.

Folgende Themen wurden behandelt:
  • Einführung
  • Die Bedeutung ("importance") der A.S.
  • Das Wort ist nicht das Ding, die Landkarte nicht das Gelände
  • Symbol- und Signalreaktionen
  • Das Prinzip der "non-allness", der Gebrauch von "etc."
  • Wie wir Einzelheiten auswählen und wahrnehmen
  • Vielfalt der Gründe und Urteilen auf Grund von Tatsachen und Schlußfolgerungen
  • Pause, Zusammenfassung, Ratschläge
  • Lernen, was innerhalb und außerhalb von uns existiert
  • Wörter haben verschiedene Bedeutungen
  • Die Abstraktionsleiter
  • Der Wert der Verwendungen von Indizes
  • Stereotype und Indizes
  • Datieren, ein Hilfsmittel, das uns daran erinnert, daß sich die Welt ständig verändert
  • Wir leben in einer "Entweder-Oder-Welt"
  • Wörter sind wie Landkarten
  • Das Ist der Identität
  • Die Kunst des Fragens
  • Zusammenfassung und Rückblick
Zum Aufbau des von ihm erstellten Kursus äußert sich J.A. BLACK sich an keiner Stelle seiner Dissertation. Anscheinend läß er sich von dem einfachen didaktischen Prinzip: vom Einfachen zum Komplizierten, vom Konkreten zum Abstrakten leiten.

In den ersten Lektionen werden jeweils neue Prinzipien der A.S. eingeführt, erläutert und trainiert, im zweiten Kursteil werden neben der Neueinführung weiterer Themen verschiedene bereits behandelte wieder aufgegriffen, vertieft und erweitert.

Zum Vergleich sei hier kurz der Aufbau eines Kursus von W. JOHNSON referiert, wie er ihn in "etc." vorstellt. Die angeführten sieben Themenkreise lassen sich drei Phasen zuordnen:
  • Einführung, Problembewußtsein wird geschaffen und die "Diagnose" wird gestellt (Vorstellung der A.S., einige grundlegende Prinzipien und deren Anwendung; Betrachten und Beschreiben von Kommunikationsprozessen);

  • Vorstellen und Begründen der "Therapie", ihre Erfolgsaussichten (wissenschaftliches Problemlöseverhalten wird vorgestellt und mit defekten Verhaltensweisen konfrontiert; Ethik des wissenschaftlichen Verhaltens, Zielvorstellungen; verschiedene Möglichkeiten sozialer und politischer Organisationen werden auf dem Hintergrund von Kommunikation problematisiert);

  • Anwendung der empfohlenen Therapie, d.h. der A.S. (im psychologischen, soziologischen und medizinischen Bereich; die aktuellen Probleme der Studenten zu Hause, im Beruf, im öffentlichen Leben werden semantisch hinterfragt).
Dieser Kursus, der hauptsächlich für Collegestudenten konzipiert ist, läßt eindeutig den höheren Schwierigkeits- und Abstraktionsgrad erkennen. Außerdem betont WENDELL JOHNSON sehr stark den neurologisch-biologischen Aspekt der A.S., was besonders in der Auswahl der empfohlenen Literatur deutlich wird.

Zurück zu J.A. BLACK. Besonders interessant für den Lehrer scheint meines Erachtens die Konzeption der einzelnen Lektionen zu sein, die sich als zielorientiert und praxisnah kennzeichnen lassen. Sie verlaufen fast immer nach folgendem Schema:

Am Stundenanfang steht die Motivation. Der Lehrer bieten den Schülern einen möglichst reizvollen Text oder provokatorische Behauptungen. Meist lassen sich die Intentionen des Lehrers bezüglich Thema und Ziel der Lektion bereits jetzt deutlich ablesen. Die aus diesem anfänglichen Gespräch oder sonstigen Aktionen gewonnene Erkenntnis wird vom Lehrer noch einmal allgemeiner und abstrakter formuliert.

Dann werden Beispiele für diese Erkenntnis aus allen Lebensbereichen gesammelt; sie wird dadurch erweitert, vertieft, Transfer auf andere Gebiete wird möglich. Gegen Schluß der Lektion faßt der Lehrer wiederum die gewonnenen Erfahrungen und Einsichten zusammen, er formuliert gleichermaßen sein Lernziel. Anschließend folgen weitere Übungen, Anwendungen, Hausaufgaben: das Gelernte soll gefestigt und vor allem in den Erfahrungsbereich des Schülers integriert werden.

Charakteristisch für das Vorgehen von "Allgemeinen Semantikern" ist die Tatsache, daß kein Schüler eine Erkenntnis unverstanden akzeptieren muß - immer wird ihm Zeit gelassen, immer wird er aufgefordert, selbst aktiv zu werden, seine Umwelt zu beobachten und nach Beispielen zu suchen. Es wird eben nicht "gelehrt", sondern Sprachverhalten wird durch Erfahrung bewußt gemacht.

Im folgenden werden die einzelnen Lektionen dieses Lehrprogramms kurz referiert und gegebenenfalls - wenn sie besonders interessant oder wichtig erscheinen - ausführlicher dargestellt und kommentiert.


Lektion 1: Einführung

Die Schüler erhalten ein Gedicht von JOHN E. DONOVAN, das den Titel "Semantics" trägt. Inhalt: Je nachdem, wie du eine Frau nennst - sie mit zärtlichen, liebevollen Ausdrücken bezeichnest und verniedlichst oder sie wahrheitsgetreu beschreibst - wird sie sich dir gegenüber verhalten.

Nach Lesen des Gedichtes werden die Schüler aufgefordert, ihre Vorstellungen über den Begriff  Semantik  zu äußern. Schließlich wird eine gemeinsam erarbeitete Definition an die Tafel geschrieben, die etwa so lauten könnte: A.S. befaßt sich mit der Dynamik von Wortbedeutungen in Relation zu menschlichem Verhalten. Sie ist eine Methode, mit Hilfe derer die Rolle, die Sprache in menschlichen Angelegenheiten spielt, festgestellt werden kann - wie Sprache Verhalten bewirken kann.

Das Gedicht wird jetzt genauer untersucht, es wird festgestellt, welches Verhalten als Relation auf welche Bezeichnungen zu erwarten ist. Die Schüler lernen: Wörter rufen bestimmtes Verhalten hervor. Dann werden sie aufgefordert, alle möglichen Konflikte aus dem Alltag aufzuzählen und herauszufinden, in wievielen Fällen Sprache eine entscheidende Rolle spielt. Abschließende Frage: Warum also sollten wir uns mit A.S. beschäftigen?

 Hausaufgabe:  Zeitungsausschnitte ausschneiden, die von durch Sprache hervorgerufenen Mißverständnissen berichten, oder selbst einen Bericht gleichen Inhalts verfassen (Aufgaben dieser Art stehen am Ende fast jeder Lektion. Die Schüler werden stets aufgefordert, in dem ihnen zugänglichen Text- und Zeitungsmaterial nach Beispielen für die Lehren und Prinzipien der A.S. zu suchen.


Lektion 2: Die Bedeutung der A.S.

 Motivation:  "Wir wollen durch einen kleinen Text herausfinden, wie Sprachgewohnheiten mit Mißverständnissen zusammenhängen." Schüler sollen den Lehrern einen einfachen Auftrag geben, etwa: ein Dreieck zu zeichnen. Bei der Ausführung dieses Auftrags macht der Lehrer so viele Fehler wie möglich - er zeichnet das Dreieck winzig klein, an die Wand, mit Bleistift usw., jeweils die Berichtigungen und Proteste der Schüler beachtend, ohne doch ein einfaches Dreieck fertigzustellen.

Dieses Spiel wird so lange fortgesetzt bis die Schüler erkennen, wie schwierig es ist, einen einfachen und doch einseitigen Auftrag zu erteilen. Die Erkenntnis aus diesem Spiel: die Menschen vergessen meist, daß ein "Wort viele Bedeutungen hat.(1)

Im weiteren Stundenverlauf wird die Bedeutungsvielfalt von Wörtern problematisiert, jeder stellt sich z.B. unter Wasser, Frau, warm etwas anderes vor, während der Wissenschaftler hierfür eindeutige Bezeichnungen bereithält; H2O, O+, +25°. ALFRED KORZYBSKI wird als der Mann eingeführt, der als erster feststellte, daß die Sprache der Wissenschaftler an den großartigen Errungenschaften maßgeblich beteiligt ist, während die Umgangssprache Mißverständnisse, Konflikt und Krieg hervorruft.

Weitere Beispiele für durch Sprache bedingtes Verhalten werden gesammelt; Zusammenfassung: Wir erfahren mehr über unser Denken und Handeln, wenn wir unser Sprachverhalten erforschen. Hausaufgabe (u.a.): Die Wirkung von Spitznamen und Schimpfwörtern soll erprobt werden. Text: "Everything has a name", von HELEN KELLER.

Lektion 3: Das Wort ist nicht das Ding,
die Landkarte nicht das Gelände


 Motivation:  Ein Tourist möchte ein Foto von New York nach Hause schicken, mit der Unterschrift: "Dies ist New York." Was soll er fotografieren? Die Schüler diskutieren dieses Problem, sie erkennen: selbst wenn der Tourist 1000 Fotos macht, er wird nie abbilden können, was New York ist, muß New York erlebt werden.

 Transfer:  Wir handeln oft so, als wären Wörter wirklich die Gegenstände, für die sie stehen. Wir verwechseln Wort und Ding, Landkarte und Gelände.

Für diesen Satz werden Beispiele angeführt, etwa: gleiche Dinge haben in verschiedenen Sprachen ganz verschiedene Bezeichnungen. Die Macht von Symbolen, bzw. Wörtern wird verdeutlicht: Würdest du auf einem Stück Papier herumtrampeln, auf dem das Wort "Mutter" geschrieben steht?.

Symbole wie Hakenkreuz, Judenstern, Nationalitätszeichen werden problematisiert, ebenso wie das Verhalten, das im Zeichen dieser Symbole erfolgt (z.B. wurden amerikanische Studenten verprügelt, weil sie ihre Fahne verbrannten). Schlußfolgerung: Wir müssen zwischen Symbolen und den von ihnen bezeichneten Inhalten unterscheiden.

 Anwendung (u.a.):  Welchen Namen würdest du deinem Kind nicht geben, weil du unangenehme Assoziationen damit verknüpfst?

 Texte:  Des Kaisers neue Kleider, von H.C. ANDERSEN und ein Bericht aus dem Schulleben, wonach die Schüler eher bereit waren, Ordnungsaufgaben zu übernehmen, wenn sie Abzeichen und Namen dafür erhielten.


Lektion 4: Symbol- und Signalreaktionen

 Motivation:  Durch ein kleines Experiment wird den Schülern verdeutlicht, wie sicher sie auf Namen reagieren, ohne genau zu wissen, welche Inhalte dahinterstehen. (Geschlechtsspezifische Buchauswahl auf die Frage: Wer erklärt sich bereit, dieses Buch eines netten Jungen/Mädchens zu referieren?)

Die Termini Symbol- und Signalreaktion werden umschrieben und definiert, es wird diskutiert, welche Verhaltensweisen "reifer" ( more mature)  sind.

 Beispiele:  Stellt euch vor, was alles geschehen würde, wenn
    a) jemand "Feuer" ruft
    b) jemand von einem saftigen Steak redet und du Hunger hast.
Signalreaktionen werden mit Reflexen, mit tierischen Verhaltensweisen, verglichen; PAWLOWs "Experimente werden berichtet. (2)

 Übung:  Erstelle eine Liste von Wörtern, die normalerweise Signalreaktionen hervorrufen, erkläre dieses Verhalten und konfrontiere es mit den angemessenen Symbolreaktionen (z.B. Wörter wie "Krebs", "Nigger" usw.).

 Schlußfolgerung:  Welches Verhalten ist also wünschenswert? Wie können wir unser Verhalten so beeinflußen, daß wir Symbolreaktionen fördern? (Abwarten; erst Denken, dann Sprechen; zu sich selbst sagen: Das Wort ist nicht das Ding.)

 Material:  Ein Text, der voreiliges Handeln thematisiert.

Lektion 5: Das Prinzip der "non-allness"
und der Gebrauch von "etc."


 Motivation:  Die Schüler werden aufgefordert, alles zu berichten, was sie über einen Gegenstand herausfinden können (z.B. "Bleistift"). Nach einiger Zeit glauben die Schüler, die Aufgabe erfüllt zu haben, aber der Lehrer macht ihnen klar, welche Menge von Einzelheiten sie noch nicht entdeckt haben. Dann wird der Terminus "non-allness" eingeführt und diskutiert. Kontrollfrage: Warum also können wir nie  alles  über einen Gegenstand aussagen? Wir können nicht alles  sagen,  weil wir nicht alles  sehen;  immer werden einige Merkmale von uns vernachlässigt, andere werden hervorgehoben. Außerdem  sehen  mehrere Menschen nie wirklich den gleichen Gegenstand, auch wenn sie ihn gemeinsam ansehen.

 Übungen:  Die Schüler werden aufgefordert, mit geschlossenen Augen Gegenstände und Personen aus dem Klassenraum zu beschreiben, die verschiedenen Beschreibungen werden verglichen. Es wird deutlich, daß die Schüler tatsächlich in unterschiedlicher Weise  gesehen  haben, und daß diese Unterschiede auf ganz bestimmte Faktoren, z.B. auf das Geschlecht, zurückgeführt werden können.

 Schlußfolgerung:  Wie können wir Sprache so verwenden, daß wir an dieses semantische Prinzip erinnert werden? Das "etc." wird eingeführt und angewendet.

 Anwendungen: 
  • Diskutiere die Behauptung "Das ist ein blöder Lehrer!"
  • Wenn du dich vor einer ganz bestimmten Situation fürchtest, von der du annimmst, alles zu wissen, dann brauchst du nicht zu verzweifeln. Besprich diese Situation mit guten Freunden, und du wirst sehen, wie viele Lösungsmöglichkeiten es gibt.
  • Ist das Zensurensystem fair?
  • Wann ist man fertig mit seiner Erziehung?
 Material:  Gedicht von J.G. Saxe: "The Blind Men and the Elephant


Lektion 6: Wie wir Einzelheiten auswählen und wahrnehmen

 Motivation:  Die Charakteristik eines Mannes namens Bill wird an die Tafel geschrieben. Sie umfaßt zwölf Sätze, von denenje zwei widersprüchliche Assoziationen hervorrufen, etwa "Bill hat weiße Zähne" und "Bills Zähne sind unregelmäßig". Alle Sätze werden als wahr und nachprüfbar hingestellt. Bill kandidiert für ein öffentliches Amt. Die Klasse wird in zwei Gruppen eingeteilt, eine unterstützt Bill, die andere ist gegen ihn. Jede der Gruppen soll sechs Sätze heraussuchen, die ihren Kandidaten bzw. Gegner besonders gut beschreiben. Die Ergebnisse werden verglichen und diskutiert.

 Schlußfolgerung:  Die von jeder Gruppe getroffene Auswahl entspricht ihren jeweiligen Zielen und Absichten. Also geschieht unbewußt folgendes: Wir sehen nicht mit den Augen, sondern mit unserem Geist ("mind"). (Diese Erkenntnis ist eine notwendige Ergänzung zu dem in Lektion 5 berichteten Beispiel; sie thematisiert den im engeren Sinn pragmatischen Aspekt, nämlich die Strategien, die ein Mensch beim Auslesen und Wahrnehmen von Eindrücken befolgt.)

 Übungen: 
  • Ist ein zu 50% gefülltes Glas halb leer oder halb voll?
  • Dein Parteiergreifen für oder gegen ein sportliches Team bestimmt auch deine Meinung über dieses Team. Diskutiere diese Behauptung.
  • Welche Automarken oder Autotypen nehmen wir im Straßenverkehr wirklich wahr? Doch hauptsächlich diejenigen, die wir besonders gut kennen, weil ein Freund, Verwandter oder wir selber sie besitzen. Prüfe diese Behauptung nach.
  • Was jemand sagt, ist also aus einer großen Menge von Wörtern und Kombinationsmöglichkeiten ausgewählt. Diese Auswahl gibt uns Auskunft über den Sprecher selber. Vergleiche z.B. folgende Sätze:

    Gib es John.
    Gib es dem alten Knaben.
    Gib es dem Kerl da.
    Gib es dem dreckigen Nigger.
 Schlußfolgerung:  MARK TWAIN sagte einmal: "Derjenige ist wirklich dumm, der sagt  Ich habe keine Vorurteile;  ein Weiser ist der, der seine Vorurteile kennt". Manche Leute sagen, "Sehen ist Glauben". Aufgrund unserer Aussage in "Glauben ist Sehen" umformen: Wir sehen nur, was wir bereits glauben.

Diese Tatsache verleitet viele Menschen dazu, in Stereotypen zu denken. Stereotype sind Meinungen, die ohne Nachprüfung für wahr gehalten werden. Die meisten Stereotype sind falsch, aber die Menschen sehen ja nur das, was sie in ihren vorgefaßten Meinungen bestärkt. Alles, was nicht zu ihren Vorstellungen paßt, wird als Ausnahme von der Regel, dem für sie Normalen gewertet. Dabei sollen sie besonders diejenigen heraussuchen, die auf ethnischen Vorurteilen beruhen, etwa "Neger sind faul", "Iren sind Alkoholiker", usw.

Eine langfristige Aufgabe wird angekündigt: Jeder Schüler notiert sich in sein Berichtsheft ein Stereotyp, das er für richtig hält. Für die restliche Zeit des Kursus erhält er den Auftrag, besonders auf Ausnahmen für dieses Stereotyp zu achten. Texte, Erlebnisse, Beobachtungen, die sein Stereotyp zu widerlegen scheinen, werden mit Datum und Fundort ins Berichtsheft aufgenommen. Am Ende des Kursus soll ein Erfahrungsbericht an die Klasse gegeben werden.


Lektion 7: Die Vielfalt der Gründe und Urteilen aufgrund
von Tatsachen und Schlußfolgerungen


 Motivation:  Die Schüler sollen sich zu der Behauptung äußern: "Der Grund für ihre Unbeliebtheit war ihr schlechter Mundgeruch." Die Schüler werden vermutlich gegen diese Aussage opponieren, sie finden schließlich heraus, daß es sich um eine Schlußfolgerung, nicht um eine Tatsache handelt. Der zwischen beiden bestehende Unterschied wird herausgestellt, zur Verdeutlichung wird ein Ereignis in mehreren Aussageweisen (alle in Form von Aussagesätzen) dargestellt:
  • John kommt zu spät. -Tatsache-
  • Er hat verschlafen. -Vermutung-
  • Er glaubt wohl, er kann sich alles leisten. -Wertung-
  • Er wird auf dem Schulweg von einem Auto verletzt. -Ursache-
 Anwendungen:  Die Schüler sollen bei mehreren Aussagen feststellen, was
  • daran verkehrt ist,
  • wozu sie führen können
  • wie sie korrigiert werden müssen Beispielsatz: "Ich habe den Job nicht bekommen, weil ich Neger bin."
 Material:  Eine Story, in der von einem Mann berichtet wird, der sich um einen Job als Diskjockey bewirbt. Er bekommt diesen Job nicht und führt seine Ablehnung darauf zurück, daß er Jude ist. Dieser Mann war ein Stotterer.


Lektion 8: Pause, Zusammenfassung, Ratschläge

Das bisher Gelernte wird wiederholt und weitere Beispiele für die Prinzipien der Allgemeinen Semantik werden gefunden. Die Schüler sollten jetzt in der Lage sien, einige Texte der Fernsehreklame zu analysieren. Die Schüler werden aufgefordert, ihre Meinung zu dem bisherigen Verlauf des Kursus zu äußern. Sie legen ihre Berichtshefte vor und erzählen über ihre Erfahrungen mit der Langzeitaufgabe (vgl. Lektion 6). An dieser Stelle werden die Schüler ermahnt, vorsichtig zu sein, wenn sie ihre Kollegen aus den anderen Kursen über die Allgemeine Semantik belehren. Statt die oft falschen Äußerungen der anderen zu verbessern, sollten sie lieber deren Meinungen genau hinterfragen. Fragen sei die wirkungsvollste Methode, die niemanden verletzt.
LITERATUR - Karin Bühring, Allgemeine Semantik - Sprachkritik und Pädagogik, Düsseldorf 1973
    Anmerkungen
    1) Dieser Schluß folgt nicht eindeutig aus dem Experiment. Das Mißverständnis erfolgte hier nicht aus der Formulierung des Auftrages oder der Bedeutungsvielfalt von "Dreieck zeichnen", sondern aus der bewußten Mißachtung des pragmatischen und situativen Kontextes von Seiten des Lehrers: In dieser schulischen Situation impliziert "Dreieck zeichnen" automatisch die Bedeutung: an die Tafel, mit Kreide, deutlich sichtbar. 2) In dieser Art der Fragestellung wird der positive Wert von Signalreaktionen einfach unterschlagen: Was würde passieren, wenn bei Feueralarm sich erst jeder davon überzeugt, ob es auch wirklich brennt?