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FRIEDRICH GOTTL-OTTLILIENFELD
(1823-1900)
Das Wirtschaftliche
und das Gesellschaftliche


Über die Grundbegriffe
Herkömmliche Logik
Haushalten und Unternehmen
Werben und Erwerben
"Die Rechnung hinterher stimmt; aber der Ansatz vorher ist falsch - ist Willkür, und damit zieht der böseste aller Fehler ein: der Fehler im Ansatze."

An der Nationalökonomie hat sich das Schicksal erfüllt, das aus dem Wesen der schildernden Wissenschaft zu folgern ging. In diesem Sinne sind sich jene mögliche und diese gewordene Wissenschaft nahe gekommen. Was trennt sie noch?

Scheinbar nur mehr eine Frage des Umfanges. Die Nationalökonomie erscheint  zu enge,  um die schildernde Wissenschaft aufzuwiegen; sie wende sich ja nicht dem Menschheitsleben, nur der "Volkswirtschaft" zu! Auf den ersten Blick will dies allerdings nicht viel sagen. Dann wäre einfach nicht der Nationalökonomie allein, auch noch  anderen  Wissenschaften neben ihr, mit der schildernden Wissenschaft ein Spiegel der Erkenntnis vorgehalten. Leider steht es viel bedenklicher.

Solange man nur überhaupt an eine weitere Trennung glaubt, spukt der Wahn der "Gebiete". Da hat man gut für Gesichtspunkte, für die Souveränität des Denkens über das Wort, als Schlüsselwort, zu streiten. Der Wortestrug ist nur bei der einen Türe hinausgeworfen, um sich sofort durch dieses Hintertürchen einzuschleichen. Glaubt man ernstlich an ein Gebiet des "Wirtschaftlichen", dann ist wenigsten  dem Eindrücke nach  alles wieder in Frage gestellt, was im Grundsatze schon erledigt war. Warum soll dieses "Gebiet" nicht auf  seine  Facon selig werden! Warum soll nicht für das "Wirtschaftsleben" gelten, was freilich für andere "Gebiete"  nicht  gilt!

Warum soll das Menschheitsleben nicht von seiner "wirtschaftlichen Seite" her in ganz  anderer  Art erkennbar sein! Wo es hier doch zum Beispiel von Zahlen wimmelt - und in der Tat, wo immer Zahlen auftauchen, werden alle Leute geschäftig, die ebenso gute Rechner, als schlechte Mathematiker sind; die munter darauf los dividieren und integrieren, ohne sich im Geringsten zu fragen, ob man hier überhaupt rechnen kann.

Und es ist ziemlich offen, daß dort, wo alles Einheit ist im Wesen, gerade deshalb keine numerischen "Einheiten" da sind, trotz "Preis" und "Münzfuß"; womit die erste Voraussetzung für alles Rechnen mangelt. Die  Rechnung  hinterher stimmt; aber der Ansatz vorher ist falsch. Ist Willkür, und damit zieht der böseste aller Fehler ein:  der Fehler im Ansatze.

Diese "Mathematische Nationalökonomie" ist die würdige Schwester der "Systematischen". Die Zahl allein tut es nicht; man muß auch an das nennenden Wort glauben. Auf diesem Umwege vollzieht sich dann, was dem wortseligen Denken schon im Wesen steckt: eben der Fehler im Ansatze. Das wortselige Denken ist gleichsam auch nur ein Rechnen in Worten, die ohneweiteres für "Einheiten" genommen werden; obs nun stimmt oder nicht. Dann sind hinterher wieder die  Schlüsse  richtig. Aber mit dem Fehler im Ansatze ist das Ergebnis, da wie dort, schon in der Wurzel vergiftet.

Das "Wirtschaftliche" und das "Gesellschaftliche", diesen Worten ist unser Denken auf Gnade und Ungnade ergeben. Dem Glauben an den unbedingten Ernst dieser Ausdrücke, an ihren sachlichen, um nicht zu sagen stofflichen Gehalt, entsteigen Vorurteile, mit denen der Gedanke jener Unterteilung gleichsam  in unseren Anschauungen verkeilt  steckt. Diese Vorurteile muß ich soweit zu erschüttern suchen, daß im Voraus jener Gedanke  gelockert  erscheint. Sonst könnte die grundsätzliche Erwägung, die in einem Ruck mit diesem Gedanken fertig wird, kein gutgläubiges Verständnis finden. Unser Denken ist stets dazu geneigt, dem Worte mehr zu glauben, als sich selber.

Aus Gründen, dich noch absehbar werden, ist es dem Sprachgefühle gemäß, nennt man die notbedungenen Zusammenhänge im Handeln die  "wirtschaftlichen",  und die machtbedingenden wieder die  "gesellschaftlichen."  Die Sache selbst wird nicht besser, noch schlechter dadurch; sie ist und bleibt in jener Gestalt, und von jenem Ernste, wie sie im Walten freibewegten Denkens zu entwickeln war. Weil aber auch diese zweite, gleichsam überschüssige Nennung eine so  ungesuchte  ist, ergibt sich zugleich der Sinn, wie man eindeutig und friedlich vom  "Gesellschaftlichen"  und vom  "Wirtschaftlichen"  reden kann.

Unter dem Letzteren, zum Beispiel, wird dann einfach das gemeint, worauf der Blick vor allem fällt. sobald er aus dem Gesichtspunkte der  Not  auf die Welt des Handelns trifft; sobald also in nächster Linie die notbedungenen Zusammenhänge besonders ins Licht treten, natürlich aber nur vor diesem Blicke. Im Erlebten selber bleiben die notbedungenen Zusammenhänge besonders ins Licht treten, natürlich aber nur vor diesem Blicke. Im Erlebten selber bleiben die notbedungenen mit den machtbedingenden, und auch mit den strebigen Zusammenhängen,  unlösbar verflochten;  ich komme bald darauf zurück, daß schon die Sonderung dieser dreierlei Zusammenhänge nur einer  Willkür unseres Denkens  entspringt.

Dem Erlebten selber in seinem Allzusammenhang, tut diese Sonderung schon Gewalt an. Eine Tatsache, über die uns abermals auch der Umstand beirrt, daß wir in der gleichen Art der kürzenden und klärenden Willkür  vorschauend  denken, wie wir es rückschauend tun. Dies darf man nie vergessen, wenn man sich erinnern wollte, daß wir doch im Leben oft genug etwas "Wirtschaftlichem", etwas "Gesellschaftlichem" bewußt entgegensehen. Die Zusammenhänge, die bei ihrer Verknotung unser lebendiges Denken durchziehen, sind manchmal schon dabei den Worten angekettet, deren Hilfe sich dieses lebendige Denken bedient, bei seinen Willkürakten gegen sich selber.

Nichts ist mißtrauischer, als Vorurteile, denen es an den Kragen geht. Ich muß daher erläutern, in welchem Sinne hier eine "Bestimmung des Wirtschaftlichen" erfolgt sei. Beim Ausgange vom Worte, da will man stets etwas  "bestimmen."  Zum Beispiel also das "Wirtschaftliche"; doch müßte die "Bestimmung der Wirtschaft" vorangehen, weil unter dem Zeichen des Wortes auch die Grammatik dirigiert, und nicht bloß Ordnung hält. Dieses "Bestimmen" ist hier als ein "Näher-Bestimmen" gemeint, als ein Klären.

Um zu Klären, muß aber wenigstens das Ungeklärte außer Zweifel sein. Die Bestimmtheit des Ungeklärten, des "Bestimmbaren", erachtet man nun durch das Wort für gewährleistet. Aber gerade mit dieser Bestimmtheit des "Bestimmbaren" hat es seinen Haken. Nicht bei allen Worten, und nicht bei allen Anlässen. Es sind öfters "äußere Bürgschaften" geboten; etwa der sinnfällige Aufweis. Aber daß es zum Beispiel die Nationalökonomie mit jener bösesten Sorte zu tun hat, die man als die "problematischen" bezeichnen darf, und die ich vor allem ins Auge fasse, das werden gewisse Ähnlichkeiten ergeben.

Bei jenem Bestimmen muß dem Denken ein  Ausgangspunkt  geboten sein, gleichsam über dem Worte drüben. Daran, daß ihn irgendwie schon das Wort fixiert, wird blind geglaubt, wie immer trostlos die Erfahrungen lauten. Dieses Vertrauen in das Wort ist übrigens weit über die Nationalökonomie hinaus verbreitet. Man merkt nicht, daß jener Ausgangspunkt  haltlos in der Luft hängt.  Man läßt sich daran genügen, daß ja das Wort selber beharre. Aber was hilfts, es ist ja bloßer Mittler! Und Mittler nicht einfach zu "verschiedenen Bedeutungen" hin, oder "Sprachbegriffen". Bei dem wunderbar reichgestalteten Verhältnisse, das zwischen Wort und Denken besteht, ist es eine unsäglich hölzerne Auffassung, dem Worte eine endliche Zahl von "Bedeutungen" zuzusprechen.

Das besagt eine kürzende Willkür, nach der zum Beispiel die Sprachwissenschaft greifen muß; sie aus gutem Rechte, weil bei ihr das Wort selber und seine Schicksale zum Gegenstand wird. Bei einem Denken jedoch, das sich übers Wort herüber den Anlass zu seiner Bewegung sucht, das also dem Worte eine so verantwortliche Mission aufdrängt, führt dies zu hellem Selbstbetrug. Über das Mittel des Wortes können einfach  beliebig  viele Direktiven zur Gedankenbewegung erfließen, die einander nur in rohen Hauptrichtungen ähneln.

An den Letzteren darf sich die Sprachwissenschaft genügen lassen; sie fixiert sie dem Worte als dessen "Bedeutungen". Für jenes Denken aber, da wird das Wort zu einem Knopfe, an den Ungezählte die Röcke ihrer Definitionen und Theorien nähen können. Keiner mit mehr Recht als der andere, weil sie alle zusammen Willkür begehen. Da wird dann hin und her gezogen, um den Knopf von den fremden Röcken abzureissen. Das gelingt auch; aber es gelingt von seinem Standpunkte aus jedem, und somit doch wieder keinem. Deshalb kann der Wortstreit, der hier ein Bild gefunden hat, zu keinem gedeihlichen Ende führen, und auch jenes "Bestimmen" nicht.

Von einem "Bestimmen", wie es dort grundsätzlich erstrebt wird, und in Wortstreit hetzt, war hier keine Rede. Nur der tatsächliche Enderfolg ist der gleiche Im Wesen aber hat sich einfach  eine Nennung ermöglicht.  Für das so Benannte steht ein Gedankengang ein, der an keienr Stelle an der Deutung eines Wortes hängt; somit ist aller Wortstreit im Wesen ausgeschlossen. Die Nennung aber genügt offenkundig dem Sprachgefühle; Namensstreit wäre da vom Zaune gerissen. Auf solche Art erscheint gerade diese uneigentliche "Bestimmung" als eine eindeutige, eine friedliche.

Eindeutig kraft der Sache selbst, mit der alle schillernden "Bedeutungen" ihres Namens gar nichts zu tun haben. Friedlich, weil diese "Bestimmung" niemand zu Liebe, und niemand zu Leide erfolgt ist; ich habe sie nirgendshin polemisch vertreten; weder gegen die "Sprachbegriffe des Wirtschaftlichen", noch gegen eine jener "Bestimmungen". Denn ich behaupte nicht, das und das  ist  das "Wirtschaftliche", sondern poche einfach darauf, daß sich jene ganz bestimmte Sache das "Wirtschaftliche"  nennen läßt;  genauer gesagt, daß dahinzu ein Recht vorliegt, vom "Wirtschaftlichen" zu reden.

Nun könnte jemand sagen: "das ist aber gar nicht das Wirtschaftliche, wie es hier in Betracht käme; denn unter dem Wirtschaftlichen versteht -" er soll lieber nicht ausrede. Denn er widerlegt nicht mich, nur sich selber, wenn er den Boden verläßt, von dem allein eine Erwägung möglich ist, wie sie vermutlich auch ihm vorschwebt. Seine Ausführungen würden von dort ab zu einem polemischen Monolog, wie ihn jeder nach seiner Art, jeder anders halten müßte. Da würde in lauter fremden Zungen gesprochen, wie stets beim Wortstreite, an dem ja nichts verständlicher ist, als das allgemeine Mißverstehen.

Allein, der Einwand prallt auch ohne Wortstreit ab. Wenn ich dabei bleibe, daß es hier auf  dieses  "Wirtschaftliche" ankomme, dann meine ich es natürlich nicht unter Bezug auf das  Wort.  Vom Worte her gesehen ist meine uneigentliche "Bestimmung" nicht um ein Haar besser, als jede beliebige wortgläubige. Ich habe ja vorausgeschickt, daß ich im Wettlauf um die alleinseligmachende Definition nicht mittue. Denn was geht uns denn hier das Wort als solches an! Schlimm genug, wenn man Worte selber als Natur behandelt, das will sagen, ihren Bezug auf unser  Denken  als etwas Vorgegebenes; so daß immer nur die worterklärende Definition - ob nun "Nominaldefinition" oder "Realdefinition" - zu besorgen bleibt.

Aber soll auch noch der Bezug eines Wortes zu einer  Wissenschaft  Natur sein, etwas starr Vorgegebenes! Soll man von vornherein einen Bezug zwischen dem Worte "Wirtschaftliches" und der schildernden Wissenschaft in Demut hinnehmen! Dann allerdings würde das Wort als solche, mit seiner ganzen Eigenheit als Element der Sprache, ins Gewicht fallen; dann wäre es Willkür, zu sagen, dieses "Wirtschaftliche" interessiert uns hier. Aber diese ganze leidige Erörterung wird doch aus einem klaren  Grunde  nötig: In jener Wissenschaft der Nationalökonomie, die sich in der schildernden Wissenschaft spiegeln soll, hat das Wort "Wirtschaft" die Eigenschaft eines "Fachausdruckes"; und in so bedeutsamem Sinne, daß es als Schlüsselwort behandelt wird.

Wäre dem nicht so, brauchte ich mich mit dem "Wirtschaftlichen" genaus so wenig herumzuschlagen, wie etwa mit "Papagei". Das ist also der Anlass der Eröterung. Aber selbst jene Rolle des Wortes "Wirtschaft" ist nichts Vorgegebenes; es muß aus unserer Erörterung verständlich werden, weshalb gerade das Wort "Wirtschaft" innerhalb der Nationalökonomie zu so hohen Ehren gekommen ist. Diese Erörterung selber jedoch, die kann nur damit ihren Ausgang nehmen, daß man eine Sache antrifft, die schon für ihren eigenen Teil, die also  sachlichen Bezug  zur schildernden Wissenschaft hat, zur anderen Hand aber als das "Wirtschaftliche"  nennbar  erscheint.

Nur dieser Doppelumstand erlaubt es, das Verhältnis zwischen dem "Wirtschaftlichen" und der schildernden Wissenschaft zu erörtern; sonst verbricht man jenen Widersinn, und behandelt den Bezug zwischen der letzteren Wissenschaft und dem Worte "Wirtschaftliches" als Natur. Nun wird erst noch der Einwand kommen: Wer weiß denn, wie vielerlei "Sachen" es gibt, die einerseits mit der schildernden Wissenschaft zu tun haben, andererseits als das "Wirtschaftliche" nennbar sind; weshalb nun gerade jenes "Wirtschaftliche" zum Ausgang wählen!

Den Vordersatz bestreite ich ja gar nicht; aber deshalb schießt der Nachsatz vorbei. Gewiß kann es hunderttausend "Sachen" geben, die mit der schildernden Wissenschaft zu tun haben, und sich durchaus sprachrichtig das "Wirtschaftliche" nennen lassen. Aber man sehe sich die "Bestimmung" an, von deren Boden aus ich erörtern will, ob da nicht alles Mögliche Platz fände! Auch dieser letzte Einwand verfängt nicht. Er führt nur ungewollt darauf, wie höchst  verschwommen  man das "Wirtschaftliche" auffassen muß, ehe man seinen Bezug auf die schildernde Wissenschaft ernst nehmen kann. Alle  schärfere  "Bestimmung" wäre sofort Willkür, und mit ihr der Boden verlassen, von dem aus eine Diskussion möglich ist. Solcher schärferen "Bestimmungen" würde jeder seine eigene bereithalten.

Sieht er nun diese in Bezug zur schildernden Wissenschaft, dann hat er von seinem Standpunkte aus Recht; jedoch nicht mehr, als es von dem anderen Standpunkte aus wieder der Andere "hat". In solcher Art ist eben aller Wortstreit bloße Rechthaberei. Aber dort liegt unmöglich das Richtige, wo jeder in ganz anderer Weise, aus ganz anderen Gründen, und jeder nur von seinem Standpunkte aus Recht hat.

Darüber muß man sich klar bleiben. Ein Bezug zwischen der schildernden Wissenschaft rechts, und dem "Wirtschaftlichen" links, ist buchstäblich nur so vorhanden, daß man nach jener so verschwommenen "Bestimmung" zurückflüchtet. Und so fällt wahrhaftig  dieses  "Wirtschaftliche" allein in Betracht: Alles das, was vor unserem Blicke mehr ans Licht tritt, sobald dieser Blick von dem Gesichtspunkte der Not her auf die Welt des Handelns trifft.

Sofort wird nun klar, unter welchen Verhältnissen, es so recht erst praktisch wird, in der Welt des Handelns das "Wirtschaftliche" zu erblicken: Beim Nachdichten des gewissen Flechtwerkes, im Durchdenken des gewissen Wechselbezuges. Man faßt dann von Haus aus jene Gegenstände ins Auge, deren Bezug zu den notbedungenen Zusammenhängen schon vom Boden der gemeinen Erfahrung aus offen liegt: "Wirtschaft", "Tausch", "Arbeit", "Vermögen", "Kapital", "Preis", "Geld", "Lohn", und so weiter.

Es ist durchaus nicht gesagt, daß sich unter diesen Worten stets nur etwas denken läßt, was ausschließlich mit den notbedungenen Zusammenhängen in Beziehung steht. Allein, unbewußt  stellt man sich so,  vom Worte daraufhin belastet, als ob nur die "wirtschaftlichen" Zusammenhänge in Frage kämen. Und so spinnt man auch  diese allein  aus den Gegenständen heraus, wenn man auf der Spur ihres Wechselbezuges von dem einen zum anderen hindenkt. Auf solche Weise wäre sogar klarbewußt zu erreichen, was hier wortgläubig unbewußt resultieren muß: gleichsam  Reinkulturen des "Wirtschaftlichen";  nichts als Dinge, die man bei der Beschauung aus dem Gesichtspunkte der Not vor sich sieht.

Diese einseitige Nachdichtung wird immer noch dem Flechtwerk ähnlich sein; aber schon mehr im Sinne einer Karikatur. Das bemerkt man freilich nur, sobald man klaren Auges den Schlichen unseres bequemen Denkens nachgefolgt war; denn nichts als Bequemlichkeit ist es ja, das Flechtwerk so ins Einfachste zu karikieren. Im anderen Falle jedoch, wenn man dem Worte auf den Leim gegangen ist, sieht man in dieser fertigen Dichtung mit dem Kehrreim der Not durchaus keine Karikatur, sondern nur das treffende Abbild eines "Gebietes"; man sieht das  "Wirtschaftsleben"  vor sich ausgebreitet!

Die Anschauungen, die sich im urwüchsigen Denken über seinem Dienste im Handeln niederschlagen, drängen stets an Worte heran. So lehnen sich zum Beispiel an das Wort  "Wirtschaften"  sämtliche Anschauungen an, die ihren Ersatz durch die Formeln  Werten  und  Werben  finden. In allen diesen Richtungen dient das nämliche Wort "Wirtschaften" der Bewegung des urwüchsigen Denkens, und tut es aufs Beste. Bei dieser Sachlage kommt es schon äußerlich nicht zu einer Unterscheidung zwischen den verschiedenen Hergängen; genaus so wenig zu einer Scheidung zwischen Hergang und Gebaren; und erst recht nicht zu einer Trennung zwischen dem Fließenden und dem Zuständlichen im Handeln.

Darüber läßt man sich im urwüchsigen Denken überhaupt keine grauen Haare wachsen. Kommt es gelegentlich auch auf derlei Feinheit an, verläßt man sich auf den ganzen Zusammenhang, von dem das Wort emporgetragen wird. Der Zusammenhang, und das Zusammenspiel aller begleitenden Umstände, besorgt dies auch getreulich, und läßt uns selbst ein so vielgeschäftiges Wort stets wieder richtig verstehen. Im einzelnen Falle tritt ein anderes Wort zur schärferen Prägung des Gedankens hinzu, und umgekehrt gibt das überbotene Worte wieder nach anderen Richtungen hin Gastrollen.

Es ist wirklich so: Wir denken zwar vornehmlich  mit  Worten, aber nicht  in  Worten, sondern gleichsam  an  Worten; ich meine natürlich dort, wo es uns auf richtiges Denken ankommt, und nicht bloß auf den Schein. Wo unser Handeln auf dem Spiele steht, da nehmen wir im Allgemeinen die Sache ernst; Mundspitzen hilft da nicht, da muß gepfiffen sein. Im Theoretischen bietet sich dann eher Gelegenheit zur Erholung.

Nun wäre es schon irrig, die aufgezählten Formel als die verschiedenen  "Bedeutungen"  des Wortes "Wirtschaften" anzusehen; oder es müßte unter Vorbehalten geschehen, die von der gemeinten Sache kaum etwas übrig lassen.  Grundsätzlich  ist das Wort nicht wegen jener Anschauungen da, und die letzteren noch viel weniger nur des Wortes halber; man lügt hier dem Worte in den Sack, was ruhender Besitz unseres Denkens ist. Zweitens sind die Scheidungen, die sich mit den Formeln ausprägen, nicht schon für jene Anschauungen gültig; da fließt vielmehr eines ins andere.

Man hätte auch im Hinblick auf den Umfang gefehlt. Das Wort "Wirtschaften" ist durchaus nicht an den Hintergrund jener Anschauungen angenagelt. Zum Beispiel kommt es gleich nur auf den Zusammenhang an, und der "Sinn" des Wortes neigt zu  Helfen  und  Herrschen  hin; wenn sich der Hintergrund dabei auch nicht vertauscht, so schieben sich doch andere Kulissen ein. Am verkehrtesten aber wäre es, mit dem Worte "Wirtschaften" jenen  "Allgemeinbegriff"  vorhanden zu sehen, dem unsere Formel die "Teilbegriffe" bedeuten.

Wie es schon ausgeschlossen ist, daß man den Inhalt dieser Formeln aus dem Worte "herausklaubt", so stellen diese Formeln noch weniger eine "Differenzierung" des "Begriffes Wirtschaften" vor. Jene ungeklärte Anschauungen sind als ein  ungeklärtes Ganzes  an dieses Wort angelehnt; nebenbei auch andere. Es ist da gleichsam nur ein Urschleim der Gedanken vorhanden, die nun, im Wege des Problemes, zur Gestaltung gekommen sind. Der Bezug zum  Worte  "Wirtschaften" ist selbst noch in seiner Verschwommenheit kein anderer, als ein zufälliger. Man übersehe doch nicht, daß solche Wortschlacken des urwüchsigen Denkens für das freibewegte nur eine lästige Beigabe sind; nicht aber Stützpunkte seiner Bewegung, wie es jener Vorstellung eines "Differenzierens" entspräche.

Nie wirkt die Macht des Wortes so heimtückisch auf uns, wie dort, wo unsere grundsätzlichen Anschauungen sich in Worte kleiden. Das  Wort  ist es stets, das die Menschen verhetzt, weit über den Zwiespalt in der Sache hinaus. Wer den Frieden will, muß diesem Aufreizer den Krieg erklären.
LITERATUR - Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld, Die Herrschaft des Wortes, Untersuchungen zur Kritik des nationalökonomischen Denkens, Jena 1901