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"Apperzeption" Enzyklopädisches Wörterbuch der kritischen Philosophie [oder Versuch einer faßlich und vollständigen Erklärung der in Kants kritischen und dogmatischen Schriften enthaltenen Begriffe und Sätze]
Bewußtsein, Selbstbewußtsein, appercetio, conscientia, perception, conscience, sentiment, interieur (self-consciousness). Dieses Wort wird von KANT in zweierlei Bedeutung gebraucht. 1. heißt es so viel als das Bewußtsein seiner selbst, d. h. die einfache Vorstellung des Ich. Wenn ein der Vorstellungen fähiges Subjekt Vorstellungen hat, so verknüpft es stets mit diesen Vorstellungen noch die, daß es sie hat. Diese zweite Vorstellung, daß Ich, das vorstellende Subjekt, diese Vorstellungen habe, heißt das Bewußtsein meiner selbst, oder die Apperzeption. Diese Vorstellung ist einfach, oder es lassen sich in ihr keine Merkmale unterscheiden. Sie ist eine Wirkung des Verstandes, der dadurch alles Mannigfaltige einer Vorstellung in eine einzige Vorstellung verknüpft, oder nach KANTs Kunstsprache eine Synthesis hervorbringt. Wenn ich z. B. denke, ich stehe, so wird alles Mannigfaltige in der Vorstellung des Sehens, durch die einfache Vorstellung des Ich, verknüpft, und dadurch eine einzige Vorstellung, von der ich nun sage, daß sie mit Apperzeption verbunden ist. Würde das Mannigfaltige in der Vorstellung, ich sehe, durch die Vorstellung "Ich" ebenso selbsttätig in meinem Subjekt hervorgebracht, als das Mannigfaltige derselben selbsttätig verbunden wird, so würde der Verstand anschauen, und wir hätten intellektuelle Anschauungen. Allein dieses Mannigfaltige wird dadurch, daß die Sinnlichkeit affiziert wird, gegeben, denn ich kann nicht Licht und Augen und Gegenstände durch ein bloßes Denken herbeischaffen, wenn keine da sind; also schaut die Sinnlichkeit mittels der Affektionen an, und der Verstand denkt, oder vereinigt durch jene Synthesis das durch die Affektionen gegebene Mannigfaltige in einen Begriff. 2. Diese Apperzeption ist nun von zweierlei Art: a. Die empirische Apperzeption, oder das Bewußtsein, welches bloß die Vorstellungen begleitet, d. h. das einfache Ich, welches zu jeder Vorstellung unmittelbar hinzukommt, z. B. Ich sehe, Ich denke, dieser Tisch (d. h. der Tisch, den Ich anschaue), der Stuhl (nämlich derjenige, den Ich in Gedanken habe) usw. Diese empirische Apperzeption nennt man auch die Wahrnehmung. b. Die reine oder ursprüngliche Apperzeption, oder das Bewußtsein, welches selbst jene empirische Apperzeption, und dadurch, mittelbar, jede andere Vorstellung begleitet. So wie jeder Körper einen Raum, den ich wahrnehme, erfüllt, und diesem Raum, der ein Gegenstand meiner Erfahrung ist, noch ein reiner Raum zugrunde liegt, in den ich jeden empirischen oder Erfahrungsraum setze, den ich selbst nicht erfahre, sondern der eine notwendige, aus der Form meiner Sinnlichkeit entspringende Vorstellung (reine Anschauung) ist; ebenso wird jede Vorstellung in einer Apperzeption gedacht, oder von der einfachen Vorstellung Ich begleitet, welches aber bei jeer von demselben begleiteten Vorstellung verschieden sein würde, wenn nicht alle diese Ich zu einem einzigen Ich gehörten, in welchem sie alle verbunden werden, und durch welches sie als identisch, oder als dieselben Ich gedacht werden. Durch dieses reine Ich, welches, als notwendig und allgemeine, der empirischen Apperzeption (oder den Ich, die ich bei allem, was in meinem äußeren und inneren Sinn und in meinem Verstand ist, wahrnehmen kann) zugrunde liegt, kann ich z. B. sagen, Ich, der ich sehe, bin das Ich, das da denkt; das Ich, das jetzt am Schreibtisch sitzt; das Ich, das jetzt diese Gedanken niederschreibt. Diese reine Vorstellung, die von keiner anderen weiter begleitet wird (weswegen sie ursprünglich heißt), aber alle Vorstellungen begleitet, heißt die reine Apperzeption, oder weil sie auch Vorstellungen a priori möglich macht, das transzendentale Selbstbewußtsein. Das reine Ich, oder die reine Vorstellung Ich denke, (Ich bins, der diese Vorstellungen hat)' muß alle meine Vorstellungen begleiten; denn sonst würde etwas in mir vorgestellt werden können, was doch nicht gedacht werden kann, denn es wäre in keiner Verbindung mit dem vorstellenden Subjekt. Das heißt: die Vorstellung wäre nicht dieses Subjekts Vorstellung, wie das Bild im Spiegel nicht des Spiegels Vorstellung ist, sondern nur durch den Spiegel einem andern, in den Spiegel schauenden vorgestellt wird; oder die Vorstellung wäre doch für mich nichts, so wie das Bild im Spiegel für den Spiegel nichts ist. Denn wenn auch das empirische Ich mit der Vorstellung verknüpft wäre, so wäre doch aus Mangel des transzendentalen die Vorstellung weder mit dem vorhergehenden noch nachfolgenden Zustand des vorstellenden Subjekts verbunden und folglich ganz isoliert. 3. Wenn ich mir denke, Ich, der ich jetzt schreibe, bin das Ich, das jetzt an seiner Haustür klingeln hört; das Ich, das jetzt vor diesem Schreibtisch sitzt usw.; so ist diese Identität der Apperzeption, oder daß das Bewußtsein in allen dasselbe ist, eine Verknüpofung (Synthesis) von Vorstellungen, welche mir nur dadurch möglich ist, daß ich mir dieser Verknüpfung bewußt bin. In jeder einzelnen Vorstellung, z. B. der Vorstellung, ich schreibe, ich höre klingeln, ich sitze am Schreibtisch usw. ist ein empirisches Bewußtsein, oder ich nehme es wahr, daß ich schreibe, daß ich klingeln höre usw., allein jede dieser Wahrnehmungen ist ansich einzelne, nicht mit der anderen verbunden, sondern zerstreut, sie steht wohl an und für sich mit dem vorstellenden Subjekt in Verbindung, denn sonst könnte dasselbe nichts sagen, ich denke; aber ob das Objekt, das da denkt, dasselbe ist, das da klingeln hört usw. das weiß ich dadurch noch nicht, dieses weiß ich nur dadurch, daß ich alle diese Ich gleichsam an ein Ich hefte, wodurch sie alle für ein und dasselbe Ich erkannt, und so in ein Bewußtsein verbunden werden. Die Einheit, die durch die Verbindung aller Ich zu einem Ich entsteht, nennt KANT die synthetische Einheit der Apperzeption. Sie macht die Vorstellung möglich, daß alle jene Ich identisch, oder das Bewußtsein in allen einzelnen Vorstellungen dasselbe ist, welches er die analytische Einheit dder Apperzeption nennt. So wie es nun mit diesen Vorstellungen war, so ist es notwendig auch mit den einzelnen Teilen derselben, und folglich auch mit den Anschauungen und ihren einzelnen Teilen . Das Mannigfaltige einer Anschauung kommt einzeln in uns. Jedes Einzelne dieses Mannigfaltigen wird in einem empirischen Bewußtsein verbunden, und durch die Heftung des empirischen Bewußtseins in jeder Teilvorstellung der Anschauung an ein einzelnes Bewußtsein, oder an die Vorstellung Ich denke, die das Bewußtsein in allen jenen Teilvorstellungen begleitet, wird es mir möglich, das Bewußtsein in denselben immer für dasselbe zu erkennen, und so die Anschauung zu erzeugen. Dieses Bewußtsein oder diese ursprüngliche Apperzeption geht also allen meinen Anschauungen, und also all meinem bestimmten Denken a priori vorher, und ist der ursprüngliche Grund der Verknüpfung. Die Verknüpfung kommt also nicht vom Gegenstand her, und wird nicht etwa vom Verstand wahrgenommen, und dadurch erkannt; sondern umgekehrt der Gegenstand von dieser Verknüpfung durch den Verstand; denn der Verstand mach diese Verknüpfung und eben dadurch den Stoff der Anschauungen zu Anschauungen, die sich dann der Verstand unter dem Begriff Gegenstand denkt, der als sinnlicher, aber noch nicht durch Prädikate bestimmter, Gegenstand Erscheinung heißt. Der Verstand ist also ein Vermögen a priori zu verbinden, und das Mannigfaltige gegebener Vorstellungen in ein einziges Bewußtsein miteinander zu verbinden. Daher ist nun auch der oberste Grundsatz aller menschlichen Erkenntnis: alles Mannigfaltige der Anschauung steht unter dem, wodurch der Verstand Einheit, und zwar ursprüngliche synthetische Einheit der Apperzeption, hervorbringt. 4. Dieser Grundsatz, daß alles Mannigfaltige gegebener Vorstellungen unter den Bedingungen einer ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption stehen muß, ist identisch. Denn er sagt nichts weiter, als daß alle meine Vorstellungen unter den Bedingungen stehen, die sie zu meinen Vorstellungen machen. Sie sind meine Vorstellungen, heißt nämlich nichts anderes, als daß sie in meinem Bewußtsein verbunden sind, welches eben durch die Verknüpfung (Synthesis) des Verstandes geschieht. Obiger Grundsatz ist also analytisch, denn das Prädikat, unter den Bedingungen der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption stehen, steckt in dem Subjekt, gegeben Vorstellungen, weil gegebene Vorstellungen nichts anderes heißt, als solche, die durch Affizierung meiner Sinnlichkeit, und Wirkung des Verstandes, meine Vorstellungen geworden sind. Dennoch ist dieser Grundsatz nicht leer und überflüssig, sondern er erklärt die Synthesis der ursprünglichen Apperzepton für nowendig, wenn das gegebene Mannigfaltige der Anschauung nicht bloß mit Bewußtsein in uns sein soll, sondern das Bewußtsein in allen Teilvorstellungen derselben idenisch sein soll, oder als immer dasselbe gedacht werden, kurz: wenn alles, was wir anschauen, zu ein und demselben Selbst gehören soll. Obiger Grundsatz heißt der Grundsatz der synthetischen Einheit der Apperzeption, und ist der oberste Grundsatz für den Verstand, und für denselben eben das, was der Grundsatz, daß alles Mannigfaltige der Anschauungen unter den formalen Bedingungen des Raums und der Zeit steht, für die Sinnlichkeit ist. 5. Der Grundsatz der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption ist also die, den Erkenntnisquellen nach, erste reine Verstandeserkenntnis. Ich sage, den Erkenntnisquellen nach, denn es gehört der Zeit nach eine lange Kultur des philosophischen Verstandes dazu, ehe er sich bis zum deutlichen Bewußtsein dieses obersten Grundsatzes aller Verstandeserkenntnis erheben kann. Der Zeit nach kommt er also sehr spät. Aber er geht doch in der Genesis, oder Erzeugung aller Erkenntnis durch den Verstand, vor aller anderen Verstandeserkenntnis her, und macht sie erst möglich. Auch ist er von Raum und Zeit, als den Bedingungen der sinnlichen Anschauungen (aber nicht als bloße Formen, denn als solche sind sie bloß ein Mannigfaltiges, das erst durch Apperzeption zu Anschauungen verknüpft werden muß) von demselben ab. Die bloße Form der äußeren sinnlichen Anschauungen ist z. B. das Mannigfaltige, das hernach zu einer Anschauung verknüpft ist, die Raum heißt. Solange es noch Form des Gemüts ist, solange gibt es noch keine Vorstellung, solange ist es nur noch ein Mannigfaltiges a priori, woraus eine Anschauung werden kann. Will ich nun etwas im Raum, z. B. eine Linie, erkennen, so muß ich sie in Gedanken ziehen. Dadurch verbinde ich das Mannigfaltige, das mein Gemüt gibt, auf eine bestimmte Weise in eine Apperzeption. Durch diese Handlung entsteht nun die Einheit einer bestimmten Anschauung (der Linie), die Einheit des Bewußtseins eines Objekts, das ich anschaue, oder auf das ich meine Anschauung durch den Verstand beziehen und es demnach durch nähere Bestimmung, mittels der Prädikate, erkennen kann. 6. Soll also ein Gegenstand für mich entstehen, so muß durch den Aktus des Verstandes, Ich denke, jedes Mannigfaltige der Anschauung in ein transzendentales Selbstbewußtsein verknüpft werden; und so bedürfen wir dieser transzendentalen Apperzeption nicht etwa bloß, um Gegenstände zu erkennen, sondern zu erzeugen. Noch ist zu merken, daß dieser Grundsatz der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption, obwohl er objektiv, das ist, für jeden Verstand, der durch Begriffe erkennt, gültig ist, dennoch nicht für jeden möglichen Verstand überhaupt gilt. Brächte der Verstand durch sein Selbstbewußtsein, oder seine Vorstellung, Ich denke, das, was er denkt, oder das Mannigfaltige der Anschauung selbst hervor, so wäre es schon in diesem erzeugenden Selbstbewußtsein verbunden, und bedürfte keiner weiteren Verknüpfung (Synthesis). Aber für den menschlichen Verstand ist er doch unvermeidlich der erste Grundsatz. Und eben daher rührt es auch, daß wir uns von einem anderen Verstand, der selbst anschaut, oder doch auf eine andere Art der Sinnlichkeit, als die unsrige ist, angewendet würde, eigentlich keinen Begriff machen können. Das übrige, was zur Erörterung der Apperzeption gehört siehe unter den Artikeln Bewußtsein, Selbstbewußtsein, Urteil. 7. KANT versteht aber Apperzeption auch das Vermögen des Bewußtseins, oder das Vermögen, die Vorstellungen mit der Vorstellung des Ich zu begleiten, und dieses ist hiernach ebenfalls wieder a. die empirische Apperzeption, oder das Vermögen, welches da macht, daß ich mir meiner Vorstellungen bewußt bin; und heißt auch der innere Sinn. Es ist das Vermögen, sich seines jedesmaligen Zustandes, seiner Wahrnehmungen, bewußt zu werden; und b. die reine, ursprüngliche oder transzendentale Apperzeption, oder das Vermögen, durch welches ich mir der Identität des empirischen Bewußtseins in allen meinen Vorstellungen bewußt werden, oder daß es immer dasselbe Ich ist, das sie alle begleitet. Dieses Apperzeptionsvermögen ist ganz intellektuell und der Verstand selbst. 8. Wir sind uns aber entweder der Gegenstände bewußt, mit welchen wir uns beschäftigen, dieses ist das empirische Bewußtsein derselben, oder wir machen uns selbst zum Gegenstand unserer Beobachtung oder unseres Nachdenkens, und spekulieren über unser eigenes Ich; dann haben wir das empirische Bewußtsein unserer selbst. Darum heißt nun auch die ursprüngliche Apperzeption das ursprüngliche Selbstbewußtsein, weil wir uns durch dasselbe der Identität unseres Ichs bewußt sind. Aus all dem sehen wir nun, warum KANT (in einer pragmatischen Anthropologie, welche bloß im Manuskript vorhanden ist) sagt:
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