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Die Apperzeption
Kapitel I Apperzeption überhaupt. Ordnende Apperzeption. Die "Auffassungstätigkeit" Auch das diesem Tätigkeitserlebnis zugrunde liegende "reale" psychische Geschehen können wir aber wiederum nur als "Aneignung psychischer Kraft" bezeichnen. Durch dieselbe wird der Vorstellungsvorgang zum "Denkvorgang", d. h. zu einem solchen, in welchem ein Gegenstand gedacht ist oder wird er zur "Vorstellung" eines Gegenstandes. Damit ist die "Auffassungstätigkeit" der Tätigkeit der Aufmerksamkeit jener niedrigsten Stufe deutlich entgegengestellt. Zugleich erscheint sie doch im Vergleich zu der sogleich zu erwähnenden "apperzeptiven" Tätigkeit auch noch als eine niedrigere Stufe der Aufmerksamkeitstätigkeit. Im übrigen ist ein prinzipieller Gegensatz zwischen dem Begriff der Zuwendung der psychischen Kraft überhaupt, welcher Stufe auch sie angehören mag einerseits, und dem Begriff der Auffassungstätigkeit andererseits. Die psychische Kraft nämlich wird dem Vorgang "zugewendet"; aber der Vorgang ist nicht das "Aufgefaßte" und demgemäß Gedachte, sondern "aufgefaßt" wird nur der Gegenstand. Der Gegensatz beider Begriffe ist also, abgesehen davon, daß die "Auffassungstätigkeit" eine höhere Stufe der Aufmerksamkeit bezeichnet, ein Gegensatz der Betrachtungsweisen. Das heißt der Begriff der Aufmerksamkeit gehört dem Gebiet des realen psychischen Geschehens an; der der Auffassungstätigkeit dagegen bezieht sich auf die Gegenstände, deren Dasein für mich wir jene höhere Stufe der Kraftzuwendung in der kausal erklärenden Psychologie denkend zugrunde legen. Allgemeiner gesagt, jener Begriff bezieht sich auf die Seele, dieser auf das Bewußtsein, insbesondere das Bewußtsein, soweit es Denken ist. Wir sprachen bereits von der Vereinheitlichung von psychischen Vorgängen zu einem Gesamtvorgang, etwa von der Vereinheitlichung des "Erlebnisses", das, d. h. des Vorganges, der sich in mir vollzieht, indem ich in den Besitz eines Gegenstandes gelange und davon weiß, und den "Erlebnissen", d. h. Vorgängen, die sich in mir vollziehen, indem ich mehrere gleichartige Gegenstände gewinne und wiederum davon weiß. In allen diesen Vorgängen nun werden Gegenstände gedacht, nämlich eben die in meinen Besitz gelangten Gegenstände; sie sind also nicht nur "Vorstellungsvorgänge", sondern "Denkvorgänge". Und indem sich nun die Vorgänge zu einem Gesamtvorgang vereinheitlichen, vereinheitlichen sich zugleich für mein Bewußtsein die Gegenstände. Sie werden zu einem Gesamtgegenstand, den wir vielleicht als eine "Sammlung von gleichen Gegenständen" bezeichnen. Und nun kann ich einerseits sagen, jedes neue dieser "Erlebnisse" d. h. jeder neue dieser Vorgänge, verliere im Gesamterlebnis oder Gesamtvorgang einen Teil seiner psychischen Energie. Andererseits aber auch ebensowohl: In der Sammlung aus gleichen Gegenständen verliere der einzelne Gegenstand seine Fähigkeit meine Auffassungstätigkeit in Anspruch zu nehmen. Und analog verhält es sich in den übrigen Fällen. Wie man sich errinnert habe ich mich gelegentlich so ausgedrückt, daß ich statt von "Erlebnissen" oder "Vorgängen", von Gegenständen oder "Objekten" redete. Nun, diese Wendungen lagen unmittelbar nahe, da ja für das Bewußtsein unmittelbar nur die Gegenstände bestehen, der Begriff der Vorgänge oder der "Erlebnisse" - im Sinne von Erlebnissen des "realen Ich", - sich dagegen erst aus der Reflexion ergibt. So weit aber in den Vorgängen Gegenstände gedacht sind und ihre Vereinheitlichung die Vereinheitlichung von Gegenständen für das Bewußtsein in sich schließt, tritt, wie gesagt, der Begriff der Auffassungstätigkeit in sein Recht. Die Gegenstände werden "aufgefaßt" und zusammen aufgefaßt. So etwa werden die Gegenstände jener Sammlung zusammen "aufgefaßt" und gedacht. Die Vereinheitlichung von einezelnen "Vorgängen" zu einem Gesamtvorgang wird auch hier eo ipso [schlechterdings - wp] zur Vereinheitlichun des in ihnen Aufgefaßten, also zum Zusammenschluß von Gegenständen zu Gesamtgegenständen. Indem ich nun aber hier von einem Zusammenschluß von Gegenständen zu einem Gesamtgegenstand spreche, scheine ich auch über die einfache "Auffassung" von Gegenständen bereits hinausgegangen. In einem solchen Zusammenschluß von Gegenständen, so scheint es, nehme ich mit den schon gedachten, also für den "für mich" vorhandenen, kurz den "aufgefaßten", Gegenständen etwas vor: Ich fasse gewisse Gegenstände und nehme diese Gegenstände mit Ausschluß anderer innerlich zusammen. Dabei nun scheint vorausgesetzt, daß die Gegenstände bereits für mich da, oder daß sie bereits für mich Gegenstände sind. Erst diesen für mich oder im Sehfeld des geistigen Auges schon vorhanden Gegenständen kann ich mich auswählend und zusammenfassend zuwenden. Diese jenseits der geistigen Schwelle beginnende Tätigkeit aber haben wir nun bereits früher mit dem besonderen Namen der "apperzeptiven" Tätigkeit bezeichnet und vom bloßen "Auffassen" und Denken unterschieden. Dazu also scheinen wir hier bereits, ohne doch besonders darauf hinzuweisen, den Übergang gemacht zu haben. Indessen man beachte wohl den Gegensatz folgender Tatsachen. Die eine ist diese: Gegenstände sind in meinem geistigen Sehfeld da und irgendwie miteinander verbudnen; oder, umgekehrt gesagt: Gegenstände bestehen für mich tatsächlich, und in ihnen könnten zugleich diese oder jene Teile unterschieden werden; sie sind also tatsächlich Gesamtgegenstände, aber ohne daß ich sie von anderen bewußt sonderte, und in ihnen die Teile bewußt unterschiede, ohne daß also die Gegenstände auch "für mich" eigene oder gesonderte wären, und zugleich für mich eine Mehrheit verschiedener Gegenstände darstellten, ohne daß mit anderen Worten die Teile auch für mich unterschiedene Teile eines in sich abgegrenzten Gesamtgegenstandes wären. Die andere Tatsache dagegen ist diese: Gegenstände sinc auch für mich als selbständige und abgegrenzte Gegenstände da, und zugleich sind diese Gegenstände auch wiederum, bewußterweise, in ein Ganzes zusammengeschlossen; oder, was dasselbe sagt, es wird ein Gesamtgegenstand als solcher, d. h. als Ganzes aus zunächst für sich gedachten Einzelgegenständen, oder als dieses bestimmte aus voneinander verschiedenen Teilen bestehende Ganze, für sich herausgehoben und für sich bewußt dahin gestellt. Die letztere Tatsache nun kommt allerdings erst durch mein apperzeptives Tun zustande. Reden wir aber genauer: Gegenstände und insbesondere Gesamtgegenstände und nicht minder ihre Teile sind für mich zunächst da im Ganzen dessen, was überhaut von mir jetzt gedacht ist, oder als unterscheidbare, aber von mir noch nicht unterschieene "Stücke" des Gesamtinhalts meines gegenwärtigen geistigen Sehfeldes. Oder: sie sind für mich zunächst implizit da oder werden in diesem geistig mit gesehen. Sollen sie aber nicht implizit, sondern explizit für mich das sein, nicht "mitgesehen, sondern für sich "gesehen" werden, so muß dieses neue "Explizieren" stattfinden: das Heraussehen der Gegenstände überhaupt, und insbesondere auch der Gesamtgegenstände und ebenso ihrer Teile aus dem unterschiedslosen Gesamtinhalt des geistigen Sehfeldes. So ist, wenn ich eine Fläche mit Figuren nicht nur mit dem sinnlichen, sondern auch mit dem geistigen Auge "sehe", d. h. auffasse, und denkend darauf bezogen bin, kurz wenn die Fläche für mich Gegenstand ist, gewiß jede der Figuren der Fläche und die Weise ihres Zusammen geistig mitgesehen. Damit aber die einzelnen Figuren als diese bestimmten, von ihrer Umgebung losgelösten, und damit weiterhin auch die Weisen, wie sie sich zu Figurenkomplexen oder Gesamtfiguren zusammenordnen, von mir herauserkannt werden, dazu bedarf es noch einer besonderen heraushebenden, zusammenfassenden, aufeinanderbeziehenden und abgrenzenden Tätigkeit. Und diese Tätigkeit nun nennen wir apperzeptive Tätigkeit oder Apperzeption. In obigem aber ist bereits an die "apperzeptive Tätigkeit" in ihrem vollen Umfang gedacht. Beginnen wir nun hier zunächst mit ihrer niedrigsten Stufe und ihrem allgemeinen Wesen. Daß ein Gegenstand "aufgefaßt" ist, also vor dem geistigen Auge steht, dies besagt noch nicht, daß ich mich mit ihm innerlich "befasse" oder "beschäftige", daß ich mit ihm geistig operiere. Dieses Sichbefassen nun ist zunächst, wie früher bereits gesagt, ein unmittelbar erlebtes bewußtes Ergreifen, Umgreifen, Umgrenzen un Heraussondern aus den mir gegenüber stehenden Gegenständen, ein bewußtes gesondertes Hineinrücken eines Gegenstandes aus dem Sehfeld des geistigen Auges in den Blickpunkt desselben, oder setzt dies voraus. Ich "befasse" mich etwa innerlich bei der Betrachtung eines Gemäldes jetzt mit dieser, dann mit jener Figur. Das heißt nicht etwa, daß das übrige in keinem Sinn "für mich" existierte, oder daß es von mir gar nicht gedacht würde; ich befasse mich doch in einem solchen Fall nicht mit einer Figur überhaupt, oder einer isolierten Figur, sondern mit einer Figur in diesem Gemälde. Die spezielle Figur aber ist herausgegriffen, oder innerlich in besonderer Weise fixiert. Oder ich sage von einem bestimmten, in einer Ecke meines Gartens stehenden Bäume und die Ecke des Gartens und die anderen Bäume. Aber ich "befasse" mich innerlich nur mit diesem einen Baum und seinem Blühen. Ihn nur und sein Blühen habe ich im Blickpunkt des geistigen Auges. Und so ist es nicht nur, sondern ich erlebe es unmittelbar, daß es so ist. Ich erlebe dies als ein eigenartiges Tun. In diesem unmittelbar erlebten Tun nun besteht zunächst alles Apperzipieren. Das heißt alles Apperzipieren hat dieses gemeinsame Wesen. Alle spezifisch geistige Tätigkeit ist zunächst ein solches Apperzipieren. Das Apperzipieren ist in jedem Fall ein "Blicken" und ein Herausblicken mit dem geistigen Auge. Die bloße Auffassungstätigkeit ist im Vergleich damit ein bloßes "Sehen". Jenes verhält sich zu diesem wie der Blickpunkt zum Sehfeld des geistigen Auges. Mit solchen Blicken und Herausblicken nun, oder mit einen Akt dieser "apperzeptiven Tätigkeit" vollziehe ich eine Scheidung in meinem Bewußtsein, so wie auch in jedem Akt der Auffassungstätigkeit sich eine solche vollzieht. Die Scheidung aber, welche die apperzeptive Tätigkeit vollbringt, ist nicht mehr die Scheidung zwischen dem, was für mich da ist, und demjenigen, was nur in mir ist, oder zwischen Gegenständen und Inhalten, sondern sie ist eine Scheidung innerhalb der Welt der Gegenstände: Ich erhebe einen der Gegenstände, die sich über der geistigen Schwelle befinden, in die apperzeptive Sphäre, d. h. eben, ich rücke ihn in den Blickpunkt des geistigen Auges. Mit diesem Begriff der Apperzeption nun hängt der Begriff der Aufmerksamkeit unmittelbar zusammen. Hier aber müssen wir, wie früher, unterscheiden: das unmittelbare Bewußtseinserlebnis und das ihm zugrunde liegende "reale" Geschehen. Das letztere aber bestimmten wir ehemals als Aneignung psychischer Kraft. Diese doppelte Betrachtungsweise nun müssen wir auch anstellen hinsichtlich der apperzeptiven Tätigkeit. Auch diese ist uns einzig gegeben als nicht näher beschreibbares Bewußtseinserlebnis. Aber auch diesem müssen wir, wenn wir es in einem individuellen Bewußtsein stattfindend denken, ein "reales" Geschehen in einem "realen Ich" oder einer einezlnen "Seele" zugrunde legen. Fragen wir aber, welches dieses reale Geschehen ist, so müssen wir uns darauf wiederum begnügen zu antworten, es bestehe in weiterer psychischer "Kraftaneignung". Ist ein Gegenstand apperzipiert, so übt die Vorstellung desselben oder der "Gedanke", in welchem der Gegenstand gedacht ist, in der Tat eine höhere Wirkung im psychischen Lebenszusammenhang; derselbe bestimmt insbesondere mein geistiges Leben. Höhere psychische Wirksamkeit aber ist höhere "psychische Kraft". Wie sich aus einer solchen höheren Kraftaneignung jenes eigengeartete Bewußtseinserlebnis ergibt oder ergeben kann dies freilich wissen wir so wenig, als wir überhaupt zu sagen vermögen, wie das Reale, "Seele" genannt, dazu kommt, Bewußtseinserlebnisse zu haben. Damit nun gewinnen wir die Vorstellung von drei Stufen, in welchen ein psychischer Vorgang die psychische Kraft oder die "Aufmerksamkeit" aneignen kann, oder die Vorstellung von einer ersten, zweiten und dritten Stufe, bis zu welcher ein Vorgang in sukzessiver Kraftaneignung sich erheben kann. Ein Vorgang gehört zunächst der Region unterhalb der Schwelle des Bewußtseins an. Dann erhebt er sich, wenn die Umstände es erlauben, d. h. wenn seine eigene Energie und die Einheitsbeziehungen zwischen ihm und anderen Vorgängen ihm die dazu erforderliche Kraftaneignun verstatten, über diese Schwelle und gelangt in die Sphäre, in der die Bewußtseinserlebnisse ins Dasein treten. Er wird zum bewußten Empfindungs- oder Vorstellungsvorgang. Dann aber überschreitet der Vorgang weiterhin, wenn die "Umstände" eine weitere Kraftanstrengung erlauben, die "geistige Schwelle" und gelangt in die Sphäre, wo nich mehr bloß Inhalte empfunden und vorgestellt, sondern Gegenstände gedacht werden. Der Vorgang ist jetzt ein Denkvorgang. Und indem er weiter fortschreitet, gelangt er endlich in die apperzeptive Sphäre, d. h. in die Sphäre, in welcher Gegenstände nicht nur im geistigen Auge, also gedacht, sondern im Blickpunkt des geistigen Auges sind. Der Vorgang wird zum apperzeptiven Vorgang d. h. er wird zu einem Vorgang der Wahrnehmung oder Vorstellung, der nicht nur einen Inhalt hat, und in dem nicht nur ein Gegenstand gedacht ist, sondern in dem eine Gegenstand in den Blickpunkt des geistigen Auges gerückt ist. Er wird zum Vorgang des Einrückens in diesen Blickpunkt. All das geschieht, d. h. der Vorgang erreicht nur eine niedrigere oder eine höhere Stufe, je nachdem ihm vergönnt ist, sich die psychische "Kraft" anzueignen. Man sieht hier von neuem, ein wie allgemeiner Begriff der Begriff der "psychischen Kraft" oder, mit Verwendung der populären Bezeichnung, der Begriff der "Aufmerksammkeit" ist. Die "psychische Kraft" ist in der Tat nach früher Gesagtem nichts anderes, als ein anderer Ausdruck für die Möglichkeit, daß psychische Vorgänge im psychischen Lebenszusammenhang zur Wirkung kommen und zwar zur Wirkung kommen auf den verschiedenen Stufen. Aber eine genauere Bestimmung dessen, was wir den genannten Bewußtseinserlebnissen "erklärend" zugrunde zu legen haben, ist eben unmöglich. In jedem Vorgang liegt aber freilich die Tendenz, zu immer höheren Stufen emporzusteigen. Nur hat er dabei jedesmals die Konkurrenz um die psychische Kraft zu bestehen. Dabei ist aber auch die "Konkurrenz um die psychische Kraft" wiederum nichts als die Konkurrenz um jene Möglichkeit. Immer fragt es sich, wie wir wissen, dabei, welche "Energie" der Vorgang hat, und andererseits, wie weit ihm Einheitsbeziehungen die Kraft "zufließen" lassen und ihm damit erlauben, nur eine niedrigere oder eine höhere Stufe des psychischen Daseins zu erreichen. In keinem Fall aber wissen wir, wie es zugeht, daß die höhere Stufe erreicht wird, d. h. wir wissen nicht, wie es gemacht wird, daß Inhalte da sind, dann Gegenstände gedacht werden, dann Gegenstände im Blickpunkt des geistigen Auges sind. Und schließlich müssen wir sagen: das ganze Reden von "Vorgängen" und "verschiedene Stufen" derselben ist nichts anderes als eine gedankliche Substruktion für die entsprechenden Bewußtseinserlebnisse. Es ist nur eben eine solche, die wir vollziehen müssen, wenn wir einmal alle diese verschiedenen Bewußtseinserlebnisse, Haben eines Inhaltes, Denken eines Gegenstandes, Apperzeption eines solchen, als an einer Stelle der Wirklichkeit, oder in einer "Seele vorkommende, denken. Auch der "Vorgang" schon ist ja nichts anderes als das - notwendig als "Vorgang" zu denkende - an sich unbekannte Geschehen, das dem Dasein einer Empfindung oder Vorstellung, dieser Bewußtseinserlebnisse in einem individuellen Ich, denkend zugrunde gelegt werden muß. Die apperzeptive Tätigkeit hat nun aber, wie schon gesagt, in ihrem weiteren Fortgang zwei Seiten. Sie ist auf ihrer höheren Stufe einmal, im engeren Sinne des Wortes, "ordnende" Tätigkeit, zum anderen Tätigkeit des "Befragens", oder des Denkens "über" etwas, des Nachdenkens. Die letztere kann spezielle als intellektuelle Tätigkeit bezeichnet werden. Wir sprechen aber hier zunächst vom ordnenden Apperzipieren oder vom apperzeptiven Ordnen. Wiederum interessiert uns spezielle hier eine bestimmte Seite dieses Ordnens. Wir sahen oben psychische "Vorgänge" sich besondern und sich vereinheitlichen oder zu einheitlichen Gesamtvorgängen werden. Auch dies ist ein Ordnen. Und sind in den Vorgängen Gegenstände gedacht, so sind auch diese Gegenstände, sei es qualitativ oder räumlich oder zeitlich, geordnet. Die apperzeptive Tätigkeit schafft also nicht überhaupt erst Ordnung. Aber sie schafft dieselben in bewußten Akten. Und damit wird erst aus jener zunächst nur ansich bestehenden Ordnung eine Ordnung für mich. Das apperzeptive Ordnen ist das bewußte sondernde Eingreifen und dann weiterhin Zusammengreifen und zueinander in Beziehung Setzen, das als eine spezifische und auf bestimmte Gegenstände gerichtete Tätigkeit, nämlich jenes Blickpunktes des geistigen Auges, von uns unmittelbar erlebt wird. Und daraus erst entsteht uns alles Wissen um eine Ordnung. Doch seien wir nunmehr auch hier etwas genauer. Dieses apperzeptive Ordnen ist, wie soeben schon angedeutet, zunächst Sondern und Zusammenfassen. Dies drücken wir auch so aus: Die ordnende apperzeptive Tätigkeit ist abgesehen davon, daß alle Apperzeption in einem Herausheben, einem Erfassen mit dem geistigen Blick, einem Rücken in den geistigen Blickpunkt, besteht, Einzelapperzeption oder Einheitsapperzeption oder beides zugleich. Die Einzelapperzeption für sich ist das Erfassen oder Umfassen irgendeines ansich Einfachen oder Mehrfachen mit einem einzigen und einfachen inneren Griff oder Blick des geistigen Augees. In ihr wird das Erfaßt für mich zum ungeteilten "einen" in sich abgeschlossenen Gegenstand oder gewinnt für mein Bewußtsein das Dasein für sich. Diese "Einsheit" ist ja nicht eine sinnlich wahrnehmbare Eigenschaft eines Gegenstandes, sondern sie ist eine Bestimmtheit desselben, die ihm für mein Bewußtsein in der Einzelapperzeption entsteht; eine apperzeptive Bestimmtheit, oder, unter der Voraussetzung eines weiteren Begriffs der "Form", eine apperzeptive Form oder Formung des Gegenstandes. Sie ist die Einzigkeit und Einfachheit des Blickes des geistigen Auges, den ich als auf diesen bestimmten Gegenstand bezogen, ihn umschließend und herausheben, und insofern doch wiederum als eine ihm, dem Gegenstand, eigene Bestimmtheit, unmittelbar erlebe. Im Gegensatz zur Einzelapperzeption verstehen wir weiterhin unter der Einheitsapperzeption oder der "apperzeptiven Synthese" diejenige Apperzeption, durch welche einzelne, d. h. in selbständigen oder relativ selbständigen Akten apperzipierte Gegenstände zugleich in einen einzigen Akt der Apperzeption zusammengeschlossen, also bewußt für sich oder relativ für sich gesetzte Gegenstände zugleich ebenso bewußt in einen Gesamtgegenstand innerlich zusammengenommen werden. Man denke an den bewußten Zusammenschluß von zugleich relativ für sich betrachteten oder als einzelne gefaßten Tönen zum Ganzen der Melodie; oder von Worten zum Ganzen eines Satzes. Durch solche Einheitsapperzeptionen entstehen, und entstehen erst, für mein Bewußtsein die Ganzen aus Teilen. Die Ganzheit oder das Ganze als solches ist ja ebensowenig wie die Einsheit etwas sinnlich Wahrnehmbares. Auch die Ganzheit ist vielmehr eine apperzeptive Bestimmtheit, d. h. eine solche, die erst in der apperzeptiven Tätigkeit für mich entsteht. Sie ist der unmittelbar erlebte und auf den Gegenstand bezogene, mehrere Blicke in sich fassende oder sie umfassende Blick des geistigen Auges. Sie ist aber eben damit die Zusammengeblicktheit des Gegenstandes oder der Gegenstände selbst, insofern eine Bestimmtheit der Gegenstände. Und der Begriff des Teiles setzt den des Ganzen wie umgekehrt voraus. Teil ist das in einem Ganzen zugleich relativ für sich Betrachtete. Auch "Teile" kann ich demnach nicht sinnlich wahrnehmen. Gegenstände, die für mich zu Teilen eines Ganzen werden, ändern sich nicht für die sinnliche Wahrnehmung. Aber ich erlebe sie anders. Ich erlebe sie als Gegenstände jener von einem einzigen weiteren Blick umfaßten Blick oder erlebe an ihnen das apperzeptive Hineingenommensein in das Ganze, das sie eben zu Teilen macht. Das Bewußtsein der "Teile", d. h. die Unterscheidung der Teile im Ganzen, ist die apperzeptive Analyse, die mithin in der "apperzeptiven Synthese" schon miteingeschlossen liegt. Zugleich mit diesen Begriffen des Ganzen, des Teils usw., gewinnt aber für uns auch ein weiterer Begriff erst in diesem Zusammenhang seinen Sinn, nämlich der Begriff der Relation. Daß ein Gegenstand zum Teil eines Geanzen oder eines Gesamtgegenstandes geworden ist, dies sagt zugleich, daß er zu den übrigen Teilen des Ganzen in eine bestimmt geartete Relation getreten ist. Wie im Begriff des Ganzen der des Teils, so ist in diesen beiden Begriffen der Begriff der Relation unmittelbar mit eingeschlossen. - Damit ist schon gesagt: Auch von den Relationen gilt wiederum, daß sie von mir nicht wahrgenommen, sondern durch meine Einheitsapperzeption für mich ins Dasein gerufen werden. Das heißt alles Bewußtsein einer Relation entsteht mir im bewußten Zusammenblicken oder Zusammengreifen. Dies ist zugleich eo ipso eine bewußte Aufeinanderbeziehung, oder eine bewußte Wechselbeziehung der einzelnen Blicke oder Akte der Apperzeption, in welche die einzelnen Teilgegenstände gefaßt sind. Und im Bewußtsein davon, wie in meiner Aufeinanderbeziehung von Gegenständen die Gegenstände sich zueinander verhalten, besteht das Bewußtsein der Relation zwischen diesen Gegenständen. und Komplexion Es ist aber jetzt zunächst eine Unterscheidung von zwei Grundarten der Einheitsapperzeption notwendig. Die eine ist die numerische, die andere die komplexe Einheitsapperzeption oder die "Komplexion". In jener entstehen für mein Bewußtsein die Kollektive von Gegenständen, die Anzahlen, die Mengen, die Zweizahl, Dreizahl usw.; in dieser die komplexen Gegenstände. Ein Beispiel jener ist: "drei Bäume". Ein Beispiel dieser: "die Gruppe aus drei Bäumen"; oder auch "der Baum". In der numerischen Einheitsapperzeption sind die Teilgegenstände "vereinzelt",, d. h. durchaus für sich apperzipiert. Das numerische Element oder das Element der numerischen Einheit, das "Eins", entsteht für mein Bewußtsein, oder es entsteht mir der Begriff des Eins, in der schlechthin verselbständigenden, oder der reinen Einzelapperzeption. Und diese schlechthin verselbständigende oder reine Einzelapperzeption wird nun in der umfassenden Einheitsapperzeption, etwa "drei Bäume", oder "Dreizahl von Bäumen", nicht aufgehoben. Dieselbe "vereinheitlicht" in keiner Weise die Gegenstände; sie gibt diesen überhaupt keine Bestimmungen, wodurch irgendwie sie selbst, in ihrem "objektiven" Bestand oder Dasein, getroffen würde; kurz, sie "tut" den Gegenständen selbst "nichts an", sie nimmt schlechterdings mit ihnen nichts vor, als daß sie dieselben in den Geist hineinnimmt und darin zusammennimmt. Sie ist andererseits auch in keiner Weise durch die Bestimmtheit der Gegenstände in ihrem Stattfinden oder Ergebnis bedingt. Sie hat keinerlei Bezug dazu, was für Gegenstände sie zusammennimmt, keinerlei Bezug zur Ähnlichkeit oder Verschiedenheit der zusammengefaßten Gegenstände, zu ihrer zeitlichen oder räumlichen Nähe oder Ferne, zu ihrem objektiven Zusammenhang, etwa dazu, daß der eine Ursache, der andere Wirkung ist usw.; sie ist unabhängig, wie von jeder Qualität des Zusammengefaßten, so auch vom Ort desselben in Raum und Zeit, schließlich selbst von seiner Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit. Darum sind "drei Bäume" ebensowohl "drei" wie drei Häuser, oder wie ein Baum und ein Haus und ein Mensch usw., und ist die "Dreiheit der Bäume" gänzlich davon unabhängig, wohin in Raum und Zeit sie gehören, ob sie wirkliche oder Phantasiebäume sind usw.. Dies drücken wir kurz so aus: die numerische Zusammenfassung ist nichts als Zusammenfassung von "Einsen", d. h. von Gegenständen, die jedesmal in einen schlechthin isolierenden oder vereinzelnden Akt der Apperzeption oder Blick des geistigen Auges gefaßt sind, und sofern und lediglich sofern sie in einen solchen gefaßt sein, gleichgültig, was in den Akten gefaßt ist, oder seinen Inhalt ausmacht. Gewiß sind "drei Bäume" drei Bäume und nicht drei Häuser. Aber das Bewußtsein, daß die drei "Etwase" Bäume seien, steht neben dem Bewußtsein ihrer Dreiheit. Das letztere ist nichts als das Bewußtseinserlebnis, daß "Eins" und "Eins" und "Eins" zugleich von einem einzigen Apperzeptionsakt, der doch den Inhalt der einzelnen Akte und ihre Selbständigkeit nicht berührt, umspannt sind. Dagegen ist die Apperzeption der Elemente der komplexen Einheit immer eine solche, welche die einzelnen Akte nur relativ in ihrer Selbständigkeit beläßt. Der umfassende Akt umspannt hier nicht einfach die verselbständigenden oder vereinzelnende Akte, sonder er enthält sie in sich. Diese sind jedem nicht bloß unter geordnet, sondern zugleich eingeordnet. Er läßt sie und ihre Inhalte nicht einfach bestehen, sondern fügt zu ihren Inhalten etwas hinzu oder macht aus ihnen etwas relativ Neues. Und während bei den Kollektiva zu den einzelnen isolierten und isolierenden Akten ein neuer Akt, nämlich der "umspannende", ohne die Isolierung durch jene Akte aufzuheben, einfach hinzutritt, ist bei der komplexen Apperzeption der eine umfassende Akt durch die einzelnen Akte in sich selbst geteilt oder gegliedert. Will man ein Bild, so denke man sich das eine Mal mehrere durch Zwischenräume getrennte, also durchweg für sich stehende, Kreisbogen von einem neuen weiteren Kreisbogen umfaßt; ein anderes Mal dagegen mehrere Kreisbogen durch verbindende Stege in einen einzigen Linienzug verwandetl oder die mehreren Kreisbogen in Form eines größeren Kreisbogens aneinandergefügt, so daß sie zusammen einen einzigen Bogen, aber mit bogenförmigen Ausbauchungen, bilden, oder man denke sich mehrere Wellen zu einer Gesamtwelle vereinigt, die in sich mehrere, mehr oder minder heraustretenden, Wellengipfel zeigt. Jenes ist das Bild der numerischen, dies ist das Bild der komplexen Einheitsapperzeption. Zugleich versinnlicht das Aneinander der Bogen einerseits, die Gesamtwelle andererseits, den Gegensatz der beiden Arten der komplexen Einheitsapperzeption, die alsbald zu unterscheiden sein werden, der Verknüpfung und der Verwebung. Aus dem Gesagten ergibt sich von selbst, daß die durch die numerische Einheitsapperzeption oder numerische "Zusammenfassung" geschaffene Einheit immer eine Einheit derselben Art und immer die gleiche gradlose Einheit ist. Dagegen können komplexe Einheitsapperzeptionen oder "Komplexionen" unendlich viele Weisen und Grade der Vereinheitlichung und Grade der Selbständigkeit der Teile in sich schließen. Eine numerische Einheit kann ja gewiß andere, und auch mehr oder weniger Gegenstände umfassen, aber sie kann sie nicht anders, oder mehr oder weniger umfassen; sie kann nicht eine anders beschaffene und nicht eine innigere Einheit sein, als eine andere. Die Einheit eines Akkordes dagegen oder einer Melodie, in einem anderen Sinn auch die eines räumlichen Ganzen, eines Sternbildes etwa, in dem viele Sterne räumlich zusammengeordnet sind, kann eine anders beschaffene und auch eine innigere und minder innige, geschlossenere oder weniger geschlossene sein. Und darin liegt im Grunde schon, daß Kollektive, Anzahlen, Mengen, "drei Bäume" etwa, nicht Eigenschaften oder Merkmale haben können, die nicht auch den einzelnen Gegenständen - den einzelnen Bäumen für sich - zukommen. Dagegen haben komplexe Gegenstände jederzeit ihre eigenen "Gesamt"- oder "Komplexqualitäten": Der Akkord etwa ist harmonisch oder disharmonisch, und er ist das eine oder das andere als ein Ganzes und nur als ein Ganzes. Und auch das Sternbild hat eine "Gesamtform", die nicht die Form der einzelnen Sterne ist, usw. Und endlich drittens: Die numerische Zusammenfassung ist, da sie ansich mit irgendeiner Bestimmtheit der numerisch zusammengefaßten Gegenstände nichts zu tun hat, von der Natur der Gegenstände absolut unabhängig. Alle Gegenstände erlauben in gleicher Weise jede beliebige numerische Zusammenfassung. Dagegen ist die komplexe Einheitsapperzeption, oder die Einheitsapperzeption, in welcher die komplexen Gegenstände entstehen, jederzeit irgendwie durch die vereinheitlichten Gegenstände bedingt oder mitbedingt. So ergeben andere Töne eine andere Melodie; und Farben überhaupt keine Melodien. Und es ist die räumliche Zusammenfassung von beliebigen Sternen zu einem Sternenbild - freilich in gewisser Weise willkürlich, sofern ich eben beliebige Sterne zusammenfasse. Aber sie ist doch zugleich von ihren räumlichen Bestimmungen abhängig. Wir müssen aber jetzt ausdrücklich die oben bereits angedeutete Unterscheidung zweier Möglichkeiten der Komplexion vollziehen; nämlich die Unterscheidung zwischen "Verknüpfung" und "Verwebung". Als Beispiel jener könnte nun zunächst die "Verknüpfung" des Rot mit der Rose zum Gesamtgegenstand "rote Rose" angeführt werden. Ich meine hier die Verknüpfung des Rot mit seinem Substrat, dem Ding, als die "Verknüpfung", die darin besteht, daß das Rot als "Eigenschaft" eines Dings gedacht, oder daß ihm ein Ding, dem es "inhäriert" denkend "zugrunde" gelegt wird. Doch dieses zugrunde Legen, das völlig eigener Art ist, ist hier nicht speziell mit der Verknüpfung gemeint. Dagegen fällt unter diesen Begriff die Verknüpfung verschiedener Eigenschaften eines Dinges durch die Einheit des Dinges, etwa die Verknüpfung der Farbe und des Geruchs ein und derselben Rose in der Einheit dieser Rose. Dieser "dinglichen" Verknüpfung - wie wir eine solche Verknüpfung in einem einzigen Ding kurz nennen wollen - steht dann weiter am nächsten die "inhaltliche" Verknüpfung, d. h. die Verknüpfung von Merkmalen in einem in jedem Merkmal selbst mitgegebenen, ihren "Inhalt" mitkonstituierenden Moment als ihrem Einheispunkt, oder die Verknüpfung verschiedener Merkmale in einem einzigen "Träger" derselben, z. B. die Verknüpfung einer Tonhöhe und einer Tonfärbung in einem einzigen "Ton", als verschiedene "Merkmale" desselben. Endlich aber und vor allem gehört hierin die räumliche oder zeitliche Verknüpfung oder Zusammenordnung, z. B. die zeitliche Zusammenfügung beliebiger Töne zum Ganzen einer Tonreihe, oder die räumliche Zusammenordnung irgendwelcher Sterne zum Ganzen eines Sternbildes. Von allen diesen Arten der Verknüpfung ist nun die Verwebung grundsätzlich verschieden. Wir bezeichnen den Unterschied am einfachsten dadurch, daß wir sie als "qualitative", wir könnten auch sagen: als "innere" Vereinheitlichung der räumlichen, zeitlichen usw., kurz, der "äußeren" Zusammenfügung entgegenstellen. Ein Beispiel einer Verwebung ist etwa die Vereinheitlichung von Tönen - nicht "zu" einer Tonreihe, sondern der Töne der Tonreihe, oder innerhalb der Tonreihe, zum Ganzen einer Melodie, oder die Vereinheitlichung gleichzeitiger Töne zum Ganzen eines Akkordes oder aller möglichen Farben überhaupt zur Einheit des Farbenkontinuums. Die Melodie aus 10 Tönen etwa ist nicht die 10 Töne, noch die zeitliche Folge der 10 Töne, sondern sie ist das völlig Neue und Eigenartige aus den einander folgenden Tönen, das Ergebnis der völlig neuen Stufe oder Art der Verbindung, die wie eben "Verwebung" oder "qualitative Vereinheitlichung" nennen. Im übrigen diene der Unterscheidung der jetzt unterschiedenen drei Arten der apperzeptiven Verbindung oder "apperzeptiven Synthese" folgendes Allgemeine: Jede Zusammenfassung oder Verbindung überhaupt setzt ein Medium oder einen Boden voraus, in, bzw. auf welchem sich die verbundenen Gegenstände treffen und sich miteinander verbinden. Dieser Boden nun ist bei der numerischen Zusammenfassung lediglich das zusammenfassende Ich, also das Bewußtsein. Dagegen ist die Verknüpfung jederzeit zugleich Verknüpfung in einem vom Verknüpften verschiedenen gegenständlichen Medium. Die Verknüpfung ist insofern Ordnung in der gegenständlichen Welt. Die verknüpften Elemente oder Teilgegenstände werden als in diesem Etwas zusammen seiend gedacht. Bei der Verwebung endlich ist das Medium oder der Boden, in oder auf welchem die Elemente zusammentreffen und sich vereinheitlichen, wiederum einzig der Geist oder das Ich. Die Verwebung ist Ordnung im Geiste. Andererseits aber ist für die Verwebung ein Moment charakteristisch, wodurch sie sowohl der numerischen Zusammenfassung als auch der Verknüpfung entgegentritt. Jene ist, wie gesagt, von der Beschaffenheit der numerisch zusammengefaßten Gegenstände unabhängig. Ich kann numerisch zusammenfassen, kann "zusammenzählten", was und wie es mir beliebt. Und die Verknüpfung, etwa zu einem räumlichen Ganzen, z. B. beliebiger Sterne zu einem Sternbild, ist zwar, wie gesagt, insofern durch die Beschaffenheit der verknüpften Gegenstände bestimmt, als sie einer solchen Art der Verknüpfung, in unserem Fall der bestimmten räumlichen Verknüpfung, ihrer Natur nach zugänglich sein müssen; die Verknüpfung ist aber davon, wie beschaffen die verknüpften Gegenstände in sich selbst sind, gleichfalls unabhängig: Ich kann die am Himmel vorhandenen Sterne, welcher Art sie auch sind, welche Größe etwa oder Farbe sie auch haben mögen, beliebig zu diesen oder jenen Sternbildern vereinigen. Im Gegensatz dazu ist, wie wir sahen, die Verwebung - man nehme als Beispiel etwa wiederum die Verwebung von Tönen zu einer Melodie - ganz und gar durch die Beschaffenheit ihrer Elemente, in unserem Fall durch die Qualität insbesondere die Höhe, der aufeinanderfolgenden Töne, bedingt. Damit ist freilich nicht ausgeschlossen, daß bekanntlich, wenn nicht in jeder Hinsicht "dieselbe", so doch eine gleichartige Melodie aus ganz anderen Tönen gebildet oder "gewoben" werden kann. Ich brauche nur eine Melodie in eine höhere oder tiefere, kurz eine neue Tonlage, zu übertragen. Aber dabei steht doch jedesmal, wenn ein einziger der neuen Töne hinsichtlich seiner Höhe bestimmt ist, auch die Höhe der sämtlichen übrigen Töne ohne weiteres fest. Und zwar ist eben der Umstand, daß die Melodie aus diesen neuen Tönen, wiederum "dieselbe" Melodie sein soll, dasjenige, was diesen übrigen Tönen ihre bestimmte Höhe anweist. Es bleibt also doch dabei, daß bei der Verwebung die Beschaffenheit der Elemente die Weise der Verwebung bestimmt, also ganz und gar entscheidet, was für ein Ganzes durch die Verwebung zustande kommt. Dies ist es dann auch, was wir ausdrücklich anerkennen, wenn wir die Verwebung als qualitative, d. h. eben als auf der Qualität ihrer Elemente beruhende Vereinheitlichung bezeichnen. Indem aber irgendwelche Gegenstände, etwa aufeinanderfolgende Töne, qualitativ vereinheitlicht oder verwoben werden, entsteht nicht nur das neue Ganze mit einer Eigenart, die nicht Eigenart der Elemente ist, in unserem Fall die bestimmt geartete Melodie, sondern es wird auch das einzelne Element in gewisser Weise zu einem neuen Gegenstand, es gewinnt eine andere psychische Daseinsweise, die Elemente durchdringen sich in gewisser Weise qualitativ, erscheinen jedes im Licht oder unter dem Gesichtspunkt aller übrigen, ihre eigene Farbe wird sozusagen durch die gemeinsame Färbung, den "Ton" des Ganzen beherrscht oder darauf gestimmt. So sind die Töne einer Melodie innerhalb der Melodie nicht blo diese bestimmten Töne, sondern sie sind Tonika, Dominante, Durchgangston, Schlußton und dgl., jedesmal mit eigentümlichem Charakter oder eigentümlicher psychischer Daseins- und Wirkungsweise. Und sie werden dies durch die Melodie. Und auch dies wiederum unterscheidet sie von den bloß verknüpften, etwa räumlich oder zeitlich verknüpften Gegenständen. Auch diese freilich erscheinen innerhalb der Verknüpfung in einem neuen Licht, aber nur im Licht dieses oder jenes räumlichen oder zeitlichen, kurz gegendständlichen Geordnetseins, nicht in einem neuen qualitativen Licht, im Licht dieses oder jenes Aufeinanderbezogenseins durch ein ihnen selbst fremdes Medium, etwa den Raum, hindurch, aber nicht im Licht einer durch sie selbst hindurchgehenden Färbung. Das heißt jedoch nicht: Die Töne, diese von meinem Bewußtsein unabhängigen Gegenstände, sind ansich oder "objektiv" durch die Einfügung in die Melodie andere geworden, so daß sie nun auch abgesehen von meiner Weise sie zusammen zu apperzipieren, andere wären, sondern sie sind andere nur in mir, sie haben in mir uns sonst nirgends eine eigende Daseinsweise gewonnen. Meine apperzeptive Vereinheitlichung der Töne ist eine relative Aufhebung der Daseinsweise, die sie außerhalb der Melodie haben, oder die ich ihnen durch die vereinzelnde Apperzeption zuteil werden ließe. Sofern nun aber die Akte der Apperzeption der einzelnen Töne meine Akte sind und die apperzeptive Vereinheitlichung eine Daseins- oder Betätigungsweise meiner selbst ist, ist jenes Neue, die Melodie, und ist die Veränderung, welche die Töne in ihr erfahren, etwas Neues bzw. eine Veränderung im Ich. Es ist eine neue oder andere Weise, wie ich mich erlebe. Ich erlebe mich als einen Neuen, in einer neuen Daseinsweise. Nichts anderes als diese neue Daseinsweise meiner selbst, diese eigene Weise in den Tönen mich zu betätigen ist die "Melodie", und ist jenes Neue an den Tönen, sofern sie in die Einheit der Melodie aufgenommen sind. Ihre Einheit insbesondere ist die Einheit des apperzipierenden Ich. Zugleich aber erlebe ich doch auch wiederum meine ganze Verhaltensweise, erlebe also mich, in den Tönen; ich erlebe in der Einheitsapperzeption der Töne die Töne selbst als vereinheitlicht oder als dies, durch meine vereinheitlichende Apperzeption zum Ganzen Gewordene. Und ich erlebe die einzelnen Töne als verändert, nämlich als in die Einheitsapperzeption aufgenomene und in ihr verwobene, erlebe, wie schon gesagt, diese neue Daseinsweise der Töne. Damit ist der Sinn des "Neuen", das die Melodie im Gegensatz zu den einzelnen Tönen in sich birgt, und es ist zugleich der Sinn der Veränderung, welche die einzelnen Töne in der Melodie erfahren, bezeichnet. Das Neue und die Veränderung besteht, kurz gesagt, im Durchdrungen sein der Gegenstände von der Einheit des Ich und seiner vereinheitlichenden Tätigkeit, in diesem "Geordnetsein im Geiste". In dieser Durchdringung, oder der Verwebung, gewinnen die Töne, als solche, das Besondere, nicht mehr bloß diese Töne, sondern eben vom vereinheitlichenden Ich durchdrungen, zur "Melodie" in meinem Geist verwoben zu sein; sie gewinnen den "Aspekt", den eben ein Ton dadurch gewinnt, daß er in eine bestimmte Melodie und an eine bestimmte Stelle derselben eingefügt, d. h. in einer bestimmten Weise im Geist mit anderen Tönen verwoben ist. ![]() |