p-4 GersterSchützForelBernheimKochsHirschlaffEnnemoserBergmann     
 
EMANUEL MENDEL
Der Hypnotismus
[1/3]
"Vor allem war es der hervorragende Nervenpathologe Charcot, der durch seine Untersuchungen des Hypnotismus, welche im Jahre 1878 begannen, den Grund zu weiteren Forschungen legte. Er hat das große Verdienst, zuerst wissenschaftlich jene Zustände studiert und auf die körperlichen Veränderungen dabei, welche eine objektive Untersuchung zulassen, hingewiesen zu haben."

I.

Seit vielen Tausenden von Jahren gibt es in Ägypten eine Menschenklasse, "Cheks" genannt, deren Beruf der "Mandeb" ist. Sie lassen ihre Klienten unverrückt auf einen weißen Teller sehen, in dessen Mitte sie zwei sich kreuzende Dreiecke gezeichnet haben und bringen so einen schlafartigen Zustand bei jener hervor, der bei einzelnen in einen Zustand von Somnambulismus übergeht. Einige von diesen "Cheks" bedienen sich nur einer Kristallkugel, welche sie fixieren lassen, um denselben Effekt hervorzubringen. Das Handauflegen, das Anblasen und Anhauchen, welches in den Tempeln der ISIS und des SERAPIS, im ÄSKULAP-Tempel zu Delphi, zu Kos und Knidos zu Heilzwecken benutzt wurde, hatte im wesentlichen die gleiche Bedeutung, nämlich einen hypnotischen Zustand hervorzurufen. Die Yogis in Indien, welche ihre Nasenspitze oder einen imaginäeren Punkt im Raum fixierten, die Taskodrugiten, welche stundenlang den Zeigefinger an die Nase hielten, die Omphalo-Psychiker auf dem Berg Athos, welche ihren Nabel starr ansahen, sind ebenso Beispiele dafür, daß man schon vor langer Zeit die Tatsache kannte, daß man durch starres Ansehen eines Gegenstandes mit konvergierenden Augenachsen einen schlafähnlichen Zustand hervorrufen konnte. Auch andere Methoden wurden zu dem gleichen Zweck geübt. Die Arabaer von der Sekte der Aissaoua versetzten sich in eine ekstatische Hypnose durch das einförmige Geräusch, welches sie erzeugen, indem sie im Dunkel der Nacht anhaltend und in gleichem Rhythmus auf Tambourine schlagen. Wer Konstantinopel oder Kairo besucht, kann diese Zustände, auf ähnliche Weise hervorgerufen, bei den tanzenden und heulenden Derwischen beobachten.

Die neuere Geschichte des Hypnotismus beginnt mit FRANZ ANTON MESMER (1734 - 1815). In seiner "Dissertation über den Einfluß der Planeten auf den menschlichen Körper" (1766) entwickelte er die Ideen, welche seinem Heilverfahren zugrunde liegen sollten und dann von seinen Anhängern wie eine Offenbarung nachgebetet wurden, so unverständlich und unverständig sie auch immer waren. Seinem System liegt die Annahme zugrunde, daß ein Fluidum existiert, "dessen Feinheit keinen Vergleich mit etwas anderem zuläßt, welches durch das ganze Weltalt verbreitet, keinen leeren Raum gestattet, in ewiger Bewegung ist und einen gegenseitigen Einfluß zwischen den Himmelskörpern, der Erde und den beseelten Wesen vermittelt". Im übrigen war auch diese Idee nicht einmal originell. Von HELMONT, KIRCHER und besonders PARACELSUS hatten ähnliche Ansichten lange vor MESMER ausgesprochen. PARACELSUS speziell hatte den Gestirnen einen magnetischen Einfluß auf die Menschen und ihre Krankheiten zugeschoben. MESMER nannte jene Eigenschaft des tierischen Körpers, die ihn für den Einfluß der Himmelskörper und für die Wechselwirkung der ihn umgebenden Körper aufnahmefähig macht, "tierischen Magnetismus". Die Übertragung desselben durch Anfassen, durch eine bestimmte Art des Streichens war der Zweck seiner Kuren, welche 1775 und in den folgenden Jahren in Wien große Aufregung hervorriefen. Die vielfachen Angriffe, welche er erfuhr, wobei man ihm geradezu sagte, daß er mit seinen Betrügereien endlich einmal aufhören sollte, nötigten ihn, Wien zu verlassen und im Jahre 1778 nach Paris zu gehen. Hier blühte nun der Mesmerismus in der nächsten Zeit in glänzendster Weise. MESMER wurde schnell ein reicher Mann, eine Menge Schüler schlossen sich ihm an, eine eigene Gesellschaft, "Orden der Harmonie", von der jedes Mitglied hundert Louisdor für den Unterricht zahlte und Stillschweigen geloben mußte, wurde gegründet. Die Zahl der Hilfesuchenden wurde bald so groß, daß es nicht möglich war, bei jedem Einzelnen die magnetisierenden Striche zu machen und es wuden neun große Säle eingerichtet, in denen Massen gleichzeitigt befriedigt werden konnten.

Zeitgenossen beschreiben die Art und Weise, wie es dort zuging, in folgender Weise:

In einem von allen Seiten mit hohen Spiegeln verzierten Saal, der feenhaft ausgeschmückt und bis zum Dämmerlicht verdunkelt war, wurden die Kuren vorgenommen. Die tiefe, geheimnisvolle Stille wurde nur von Zeit zu Zeit durch die Zaubertöne einer Glockenharmonie unterbrochen, welche MESMER selbst hinreißend spielte oder auch durch die leisen Akkorde eines Pianos. In der Mitte des Saales befand sich eine bedeckte Wanne, welche Baquet genannt wurde. Darin waren Eisen- und Glasstückchen und dazwischen Flaschen mit magnetisiertem Wasser. Von jener Wanne aus leiteten gekrümmte eiserne Stäbe die unsichtbaren magnetischen Ausflüsse zu den in einem weiten Kreis umhersitzenden Kranken, welche mittels eines stählernen, am Ende jedes Stabes befestigten Ringes mit der Wanne in Verbindung standen, indem sie denselben entweder mit den Händen faßten oder an irgendeinem Teil ihres Körpers befestigten. Oft bedurfte es dieser Vorrichtungen nicht, die Kranken bildeten selbst eine Kette, indem sie sich wechselseitig mit Daumen und Zeigefinger berühren mußten. Zuweilen genügte ein einziger, den Kranken fixierender Blick, welchen der in blauem Seidenkleid mit seinen Gehilfen durch den Saal wandelnde MESMER auf ihn richtete, um ihn in den eigentümlichen hypnotischen Zustand zu versetzen. Eine nicht kleine Zahl der Kranken bekam während der Prozedur Anfälle von Krämpfen, welche MESMER Krisen nannte und wurde dann in einen nebenan befindlichen gepolsterten Saal, die sogenannte "Krampfhölle", gebracht. Als endlich auch die genannten Baquets nicht mehr ausreichten, magnetisierte MESMER Bäume in Passy bei Paris, welche dann dieselben Dienste tun sollten und taten, wie jene.

Unter den Schülern MESMERs ist besonders der Marquis von PUYSEGUR zu nennen, welcher 1784 den künstlichen Somnambulismus hervorbrachte, auf dessen Beschreibung ich weiter unten eingehen werde. Als die auf Befehl des Königs seitens der Akademie der Wissenschaften und der medizinischen Fakultät vorgenommenen Untersuchungen des tierischen Magnetismus (1784) sehr ungünstig für MESMER ausgefallen waren (unter den Kommissionsmitgliedern befanden sie unter anderem BENJAMIN FRANKLIN und LAVOISIER) und MESMER 1785 Paris verlassen hatte, feierte PUYSEGUR seine Triumphe, der ebenfalls, um die Zahl der Klienten zu befriedigen, eine alte Ulme auf seinem Gut Bucanzy, die von Zeit zu Zeit frisch "geladen" wurde, magnetisierte. Auch er verstand bereits, den Magnetisierten allerhand Dinge einzureden, um ihren Zustand zu verändern (Suggestion), konnte die Stimmung der Schlafenden ändern, sie in die verschiedensten Lagen bringen, usw.

Die Revolution und das erste Kaiserreich unterbrachen das schwindelhafte Treiben. Und den Bourbons blühte es wieder auf. Hier war es besonder ein ABBÉ de FARIA (1819), wie er angab, eine Brahmine, welcher übrigens den tierischen Magnetismus selbst für Unsinn erklärte und meinte, daß man einen hellsehenden Schlaf nicht hervorbringen kann, der vorher nicht schon im Keim vorhanden gewesen wäre; man deckt ihn nur auf.

Er wandte bereits die Suggestion zum Einschlafen, ein "Dormez" brachte seine "Epopten" (so nannte er die Somnambulen) in den hypnotischen Zustand.

Ebenso führte er bereits in ähnlicher Weise, wie später die Nancyer Schule Suggestionen im hypnotischen Zustand aus.

Der Abbé fiel einem Schauspieler zum Opfer, der ihn täuschte, indem er sich als hypnotisiert ausgab, allerlei Experimente mit sich ausführen ließ, dann aber den Experimentator den Witzen der Menge preisgab, als er erklärte, daß all jene Ergebnisse de FARIAs auf dessen Einbildung beruhten.

Die nachfolgenden Magnetisieure von Paris, wie de POTAT (1821), Dr. FOISSAC (1825) und andere haben es dann auch nicht zu einer großen Berühmtheit bringen können und der tierische Magnetismus erhielt, wie es schien, einen vernichtenden Schlag dadurch, daß das Mitglieder der Akademie Burdin einen Preis von 3000 Francs für den aussetzte, der die Fähigkeit besitzen würde, ohne Vermittlung der Augen und ohne Licht zu lesen.

Den Preis konnte keiner trotz vielfacher Bewerber bekommen und die Akademit nahm den Vorschlag DOABLÉS an, sich in Zukunft jeder Verhandlung über den Magnetismus zu enthalten. "Es existiert ja auch noch die Frage des perpetuum mobile und der Quadratur des Kreises, auch mit diesen soll sich grundsätzlich die Akademie nicht mehr beschäftigen."

Hatten, wie oben gezeigt, in Paris die Tage der Revolution den magnetischen Kuren ein vorläufiges Ende gebracht, so breitete sich dafür in jener Zeit der Mesmerismus in Deutschland, von wo er ausgegangen war, wieder aus. Er war hierher ganz besonders von dem sehr besuchten "Orden der Harmonie" in Straßburg aus verpflanzt worden und fand in den beiden Tübinger Professoren BÖCKMANN und GMELIN eifrige Anhänger, in dem bekannten Physiognomiker LAVATER einen feurigen Apostel. Die pietistische Richtung, welche sich nach dem Tod Friedrichs des Großen mehr und mehr ausbreitete, kam dem Glauben an die geheimnisvollen Zustände des magnetischen Schlafe zu Hilfe. Der krasseste Unsinn, die GASSNERschen Teufelsbeschwörungen, die Hellseherinnen, die Prophezeiungen fanden ihre zahlreichen Gläubigen und nicht bloß unter den Ungebildeten, sondern auch unter zahlreichen Gebildeten, Ärzten, Universitätsprofessoren und anderen. Das neue Jahrhundert brachte keine Besserung; nach den Befreiungskriegen sehen wir die Universitätsprofessoren KIESER in Jena, NEES von ESENBECK u. a. an der Spitze des tierischen Magnetismus. Besonders war es KIESER, der mit den "geistreichsten" Theorien jedes Wunder, jede Unmöglichkeit zu beweisen sucht. Die Sterne mußten dabei herhalten; den von ihnen ausgehenden Magnetismus bezeichnete er mit Siderismus. In dem von ihm herausgegebenen Archiv der "Sphinx" (1817-1821), erzählt er, wie verschlossene Briefe im somnambulen Zustand gelesen werden können und ruft aus: "Wenn ihr zugebt, daß es möglich sei, daß ein Somnambule sein Inneres durchschaue, daß er mit der Nase, mit den Fingerspitzen sehe und lese, daß er meilenweit sehe, so müßt ihr auch jenes zugeben. " NEES von ESENBECK gehörte zu dem mystisch-religiösen Schwärmern, welche, wenn ihnen im Mesmerismus etwas unklar war, an den Glauben, an das Christentum appellierten. Wie es im Kopf des ausgezeichneten Botanikers aussah, wenn er als enthusiastischer Magnetiseur sich mit den Erscheinungen des Mesmerismus beschäftigte, mögen folgende Zeilen lehren: "Die allzu positive Haut setzt das Gehirn in Bezug auf den Leib positiv. Die Funktion des Leibes ist dadurch plastisch, also Hypochondrie. Der Schlaft, im Gleichsetzen der indifferenten Pole, nimmt das Plus des Gehirns in seine Kulmination auf, daher: alltägliches Träumen. Aber das Gehirn, als Grenzfunktion, wird die Grenze inne, nimmt sie an sich wahr, daher Betäubung. Das Elektrum der Luft ändert sich zur Wasserbildung und die indifferente, innere Funktion der Haut tritt gleichzeitig mit dem wieder erweckten Gegensatz ein, steigt aber und kulminiert mit der fortgehenden Gewitterspannung in ihrem Gegenteil, daher: Schweiß. Die negative Haut hört auf, vollendete Grenze des Leibes gegen die Weltfaktoren zu sein, d. h. der Schlafende wird magnetisiert. Das Hirn wird negativ, d. h. Traumorgan. Der Traum gestaltet sich in der Differenz der Bauchorgane unter der Form der negierten Differenz oder der Sekretion, also: Wasser, Perspiration. Die Organe der Sekretion im träumenden Hintergrund sind Mund und Ohr."

Ich habe mich absichtlich etwas länger bei diesen Männern aufgehalten, um ganz besonders mit Rücksicht auf die Erfahrungen der allerneuesten Zeit zu zeigen, zu welchen Absurditäten Männer, deren Namen in der Wissenschaft einen guten Klang hatten, auf dem Gebiet des Hypnotismus sich haben hinreißen lassen. Im übrigen zeigt die Geschichte des tierischen Magnetismus im zweiten und dritten Dezennium unseres Jahrhunderts in Deutschland, daß derselbe sich im wesentlichen mit einem religiösen Mystizismus verband. So bei dem berühmten Magnetiseur ENNEMOSER, dessen Buch über den Magnetismus (1819) vorzugsweise mit Bibelversen ausgestattet ist, bei FRANZ XAVER von BAADER, bei dem berühmten Tondichter SCHUBERT u. a. m. Die Od-Theorie des Herrn von REICHENBACH, welche derselbe in seinen odisch-magnetischen Briefen 1852 entwickelte, brachte zwar für das Fluidum MESMERs einen neuen Namen "Od", konnte sich aber sonst eines weitergehenden praktischen Erfolges nicht rühmen. Wohl aber begann zu jener Zeit die Epoche des Tischrückens, welches in einer geschichtlichen Darstellung der Entwicklung des Hypnotismus als eine der so ungemein zahlreichen Verirrungen des menschlichen Geistes auf diesem Gebiet nicht unerwähnt bleiben darf. Wir haben die Zeiten noch mit durchgemacht, in der die Tische sich nicht nur bewegten, sondern in der sie auch klopften und wahrsagten usw. Daß Doktor SCHAUMBURG in Bonn, HOFFMANN von FALLERSLEBEN, SIMROCK die von Amerika hereingebrochenen neuen Geistererscheinungen bestätigten, mag beiläufig erwähnt werden. Die beste Kritik jener angeblichen magnetischen Erscheinungen hat wohl ALEXANDER von HUMBOLDT gegeben, der einem Herrn, welcher ihn durchaus überzeugen wollte, daß sich der Tisch aus eigenem Antrieb bewege, sagte: "Nun ja, der Klügere gibt nach."

Der Mesmerismus schien im übrigen in den fünfziger Jahren in Deutschland ziemlich verschwunden zu sein, wenigstens mußte ein Berliner Arzt, Dr. GUSTAV SIEGMUND-STRASSER, die Mesmeristen und Magnetiseure im Jahre 1855 in fremden Ländern aufsuchen, um sie kennen zu lernen. Seine Erlebnisse, die im ersten Band der Deutschen Jahrbücher für Politik und Literatur niedergelegt sind, geben eine ungemein anziehende Darstellung dessen, was er in der Schweiz und in Edinburg erlebt hat. All das, was von mancher Seite jetzt als neu geschildert wird, findet sich dort sehr gut beschrieben. Die Prophezeiung, welche er in Edinburgh hörte, daß der Mesmerismus nicht nur Kur, sondern auch Vorbeugung der meisten Krankheiten sei und daß die Krankheiten zum größten Teil schwinden würden, wenn erst der Mesmerismus verallgemeinert sei, ist leider noch nicht eingetroffen. GUSTAV SIEGMUND-STRASSER knüpft an seine Beobachtungen eine sehr lesenswerte vorurteilslose Kritik, welche auch den heutigen Hypnotiseuren gegenüber noch vollständig am Platze ist.

Unterdessen hatte sich von Manchester aus eine neue Lehre Bahn gebrochen. JAMES BRAID hatte hier im Jahre 1841 nachgewiesen, daß es kein magnetisches Fluidum gibt, keine Kraft, welche vom Hypnotisierenden auf den Hypnotisierten ausfließt, daß ein Hypnotiseur gar nicht notwendig sei, um die eigentümlichen Erscheinungen des sogenannten magnetischen Schlafes hervorzubringen. Sein Verfahren bestand darin, daß er seine Patienten mit beiden Augen auf einen unmittelbar vor ihnen befindlichen glänzenden Gegenstand hinblicken ließ, bis sie ermüdet einschliefen. Die Gesamtheit der durch dieses Verfahren hervorgerufenen Erscheinungen bezeichnete er mit dem Namen  Hypnotismus  (von griech. hypnos = der Schlaf). Seine Lehre wurde in England wenig beachtet, dagegen sehr bald in Amerika zu gewinnsüchtigen Zwecken ausgenutzt. Hier war es GRIEMS (1848), später DODS (1850), welche herumzogen und Kranke mit ihrer Methode behandelten und angeblich heilten. Der Letztere ließ seine Kranken eine runde Zinkplatte, in deren Mitte ein kleines Stück Kupfer angebracht war, in die Hand nehmen und anhaltend starr anblicken. Das nannte er "Elektrobiologie". Er experimentierte in öffentlichen Vorträgen und benutzte zu diesen Experimenten freiwillig hervortretende Zuhörer. Die Hypnotisierten mußten allerhand Bewegungen auf Befehl ausführen oder er sagte zu ihnen: "Sie können sich nicht rühren" und lähmte sie damit. Er verwandelte den Einen in einen Rohrstock, den Anderen in eine Schlange oder auch in eine andere  menschliche  Person, ließ ihnen Verstorbene erscheinen usw. Ganz dieselben Experimente wiederholte der in Deutschland herumziehende Däne HANSEN im Jahre 1879 in öffentlichen Schaustellungen, welche später mit Recht verboten wurden. In Frankreich konnte sich der Braidismus wohl wegen der im Jahre 1840 durch die Akademie erfolgten Verurteilung des Mesmerismus schwer Eingang verschaffen. Erst im Jahre 1858 sehen wir einen Arzt in Bordeaux, Doktor AZAM, die Braidschen Versuche wiederholen und deren Ergebnisse bestätigen. Obwohl Männer wie VELPEAU, BROCA, VERNEUIL sich dafür interessierten, konnte der Braidismus doch nicht recht an Ausdehnung gewinnen und erst im Jahre 1875 wurde durch eine Arbeit RICHETs über den "Somnambulisme provoqué" die allgemeine Aufmerksamkeit wieder diesem Gegenstand zugewandt.

Die Worte RICHETs: "Es gehört ein großer Mut dazu, das Wort Somnambulismus auszusprechen; die stumpfsinnige Leichtgläubigkeit der großen Masse und der Betrug einiger Scharlatane haben einen so häßlichen Beiklang in dieses Wort und in die Sache gelegt, daß es unter den wissenschaftlich Gebildeten wenige gibt, die nicht widerwillig an eine Behandlung dieses Gegenstandes herantreten," bezeichnen den damaligen Stand der Dinge in Frankreich.

Vor allem war es aber der hervorragende Nervenpathologe CHARCOT, der durch seine Untersuchungen des Hypnotismus, welche im Jahre 1878 begannen, den Grund zu weiteren Forschungen im letzten Dezennium legte. Er hat das große Verdienst, zuerst wissenschaftlich jene Zustände studiert und auf die körperlichen Veränderungen dabei, welche eine objektive Untersuchung zulassen, hingewiesen zu haben. Ihm reihen sich dann seine Schüler, besonders BOURNEVILLE, REGUARD, GILLES de la TOURETTE und andere an. In Deutschland waren die CHARCOTschen Untersuchung die Veranlassung, daß sich zuerst besonders in Breslau (hier wohl auch angeregt durch die HANSENschen Vorstellungen) Männer der Wissenschaft, wie HEIDENHAIN, GRÜTZNER oder O. BERGER mit dem Hypnotismus beschäftigten. Gegen die wissenschaftliche Pariser Schule erhob sich die Nancyer, welche weniger in wissenschaftlicher Untersuchung, als in der Erzielung der wunderbarsten Heilungen und der Erzeugung und Mitteilung von Zuständen, welche zum Teil allen naturwissenschaftlichen Gesetzen widersprachen, ihr Heil suchte. Begründet wurde dieselbe durch LIÉBEAULT, der bereits im Jahre 1866 die Suggestionstheorie, welche später in BERNHEIM (1884), BEAUNIS und anderen ihre lebhaften Verteidiger fand, ausführlich entwickelt hatte. Zu erwähnen ist hier noch Dr. LIÉGEOIS, welcher die Beziehungen der hypnotischen Suggestion zum Zivil- und Kriminalrecht bearbeitete. Die Nancyer Heilerfolge gaben weitere Veranlassung, daß auch in anderen Ländern, speziell auch in Deutschland, den skandinavischen Ländern, der Schweiz, neue zahlreiche Versuche mit dem Hypnotismus als Heilmittel angestellt wurden und jeder einzelne glückliche Erfolg verursachte dann eine besondere Publikation. Dadurch ist die Literatur der letzten Jahre über den Hypnotismus ungemein angeschwollen. Es wird sich bei der weiteren Besprechung Gelegenheit finden, auf einzelne dieser Arbeiten zurückzukommen.

LITERATUR - Emanuel Mendel, Der Hypnotismus, Hamburg 1889