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JOSEF BERGMANN
Ist Hypnose ein physiologischer Zustand?

"Die Grundlage aller hypnotischen Erscheinungen ist nach Bernheim die bei jedem normalen Menschen vorhandene Suggestibilität, d. h. die Fähigkeit und Bereitwilligkeit, Vorstellungen aller Art in sich aufzunehmen und zu realisieren, in die ihnen entsprechende Empfindung, Bewegung, Bild etc. umzusetzen. Diese Eigenschaft lasse sich unter gewissen Bedingungen durch Ausschaltung ihres normalen Gegengewichts, der Gehirnkontrolle, oder, mit anderen Worten, durch Einschläferung von Willen und Urteil bis zu einem sehr hohen Grad steigern und dieser Zustand der gesteigerten Suggestibilität ist eben Hypnose."

Über den Hypnotismus sind nacheinander drei Anschauungen herrschend gewesen, welche man füglich als die mystische (MESMER), die somatisch-pathologische (BRAID-CHARCOT) und psycho-physiologische (LIÉBEAULT-BERNHEIM) bezeichnen kann.

Die Lehre MESMERs ging bekanntlich zur Erklärung des Hypnotismus oder, wie er damals genannt wurde, des tierischen Magnetismus von den Annahme eines unkörperlichen "Fluidums" aus, welches aus dem Körper des Magnetiseurs durch Berühren oder Streichen, ja sogar durch den bloßen festen Willen auf das Medium übergehe und im letzteren Schlaft, Hellsehen, Konvulsionen, Heilung von Krankheit, heilsame Krisen, kurz, die wunderbarsten Wirkungen hervorrufe.

Der englische Arzt BRAID war es, welcher nachwies, daß diese über die Grenzen unserer sinnlichen Erkenntnis hinausgehende Hypothese MESMERs zumindest überflüssig sei, da sich der von den Magnetiseuren produzierte Zustand, für welchen BRAID zuerst den Namen "Hypnose" gebrauchte, durch rein sinnliche Mittel hervorbringen und erklären lasse. BRAID erzeugte die Hypnose durch anhaltendes starres Fixieren eines glänzenden Gegenstandes und erklärte dieselbe als eine Störung des Nervensystems, hervorgerufen durch die übermäßige Anstrengung und Konzentration eines einzelnen Sinnes, besonders des Gesichtssinne. Von dieser Auffassung bis zur Lehre CHARCOTs, nach welcher die Hypnose als ein hysterischer Zustand anzusehen ist, ist nur ein Schritt. Noch weiter gehen andere Autoren, welch, wie Prof. SEMAL, MENDEL u. a. in der Hypnose nicht bloß eine nervöse Affektion, sondern eine künstlich geschaffene Psychose ansehen.

Die Wahrheit zeigt sich auch hier in der Mitte gelegen, ebenso weit entfernt von er übersinnlichen Erklärung MESMERs wie von der physisch-pathologischen Theorie BRAIDs und CHARCOTs. Diese  mediocritas aurea  [goldenen Mittelweg - wp] gefunden zu haben ist das Verdienst der Nancyer Forscher LIÉBEAULT und BERNHEIM. Die Schule von Nancy gründet ihre Erklärung der Hypnose auf den psychologischen Begriff der Suggestion. Sie erbrachte den Nachweis, daß  physische  Einwirkungen, wie Streichen, Konzentration des Gesichts oder des Gehörs und Ähnliches zur Herbeiführung des hypnotischen Zustandes durchaus nicht erforderlich seien, sondern daß hierzu die Einwirkung gewisser Vorstellungen durch verbale Suggestion vollkommen genügen. Eine,  nur auf solche Weise, an nicht hysterischen  Personen herbeigeführt Hypnose habe einen durchaus physiologischen Charakter, sei dem gewöhnlichen Schlaf ähnlich oder sogar, unter gewissen Umständen, identisch und zeige keinerlei pathologische Merkmale, welche letzteren vielmehr nur als Artefakte [künstliches Produkt - wp] ungeschickter Experimentatoren zu betrachten seien. Die Grundlage aller hypnotischen Erscheinungen ist nach BERNHEIM bekanntlich die bei jedem normalen Menschen vorhandene Suggestibilität, d. h. die Fähigkeit und Bereitwilligkeit, Vorstellungen aller Art in sich aufzunehmen und zu realisieren, in die ihnen entsprechende Empfindung, Bewegung, Bild etc. umzusetzen. Diese Eigenschaft lasse sich unter gewissen Bedingungen durch Ausschaltung ihres normalen Gegengewichts, der Gehirnkontrolle, oder, mit anderen Worten, durch Einschläferung von Willen und Urteil bis zu einem sehr hohen Grad steigern und dieser Zustand der gesteigerten Suggestibilität sei eben Hypnose. DELBOEUF hat für diese Auffassung die kurze und doch alles sagend Formel gefunden: "Il n'y a pas d'hypnotisme, ce n'est que de la suggestion" [Wo es Hypnose gibt, da ist Suggestion. - wp]

So sehr nun auch diese Theorie imstande ist, alle Phänomene des hypnotischen Zustandes zu erklären und auf allgemeine psychologische Gesetze zurückzuführen, so findet sie dennoch in  einem  Punkt, nämlich in Bezug auf die  physiologische  Natur der Hypnose noch immer keine allgemeine Zustimmung. Gerade diese Seite der Frage ist aber für den Arzt von einschneidender Wichtigkeit; denn es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die therapeutische Verwendung der Hypnose mit ihrer  physiologische Natur  steht und fällt. Es mögen daher im Folgenden die Einwürfe, welche man in dieser Beziehung gegen die Anschauungen der Nancyer Schule geltend macht, des Näheren beleuchtet werden.

Bei oberflächlicher Betrachtung erscheint es allerdings unmöglich, in der Hypnose irgendetwas anderes zu erblicken, als einen pathologischen Zustand. Sehen wir doch, wenn wir uns das Bild einer mitteltiefen, typischen Hypnose vor Augen führen, einen Menschen, der soeben noch bei vollwachem Bewußtsein war, mit geschlossenen Augen, unfähig die Lider zu heben, ohne aktive spontane Beweglichkeit, auf leichte Hautreize, wie Nadelstiche, nicht reagierend, zu Jllusionen und Halluzinationen aller Art geneigt. Besonders dieses letzte Symptom ist es, welches der Hypnose in den Augen gewisser Autoren den Stempel des Pathologischen aufprägt. Jedoch hat bereits SCHRENCK-NOTZING in seiner Arbeit "Die Bedeutung narkotischer Mittel etc." in schlagender Weise dargetan, wie verkehrt es ist, aus einem einzelnen Symptom auf die Art und Beschaffenheit des ihm zugrunde liegenden Zustandes schließen zu wollen. Eine und dieselbe Erscheinung kann den verschiedensten pathologischen und physiologischen Zuständen angehören, wie z. B. die Anästhesie als einzelnes Sympton ebensowohl für Narkose, Ohnmacht, Psychose wie für normalen tiefen Schlaf beweisend sein kann. Wie es also nicht erlaubt ist, aus der Gemeinschaftlichkeit  eines  Symptoms auf die Identität zweier Zustände zu schließen, so ist es auch ein großber Verstoß gegen die Logik, Hypnose und Psychose, wie SEMAL tut, allein wegen des ihnen gemeinsamen Phänomens der Sinnestäuschung zu identifizieren.

Immerhin aber geben die hypnotischen Halluzinationen denjenigen einen Schein von Recht, welche behaupten, daß diese Sinnestäuschungen die Hypnose als einen, wenn auch nicht psychotischen, so doch der Geistesstörung  nahe stehenden Zustand charakterisieren; denn aus der Übereinstimmung in  einem  Symptom folge wohl nicht die Gleichheit, doch wenigstens die Ähnlichkeit zweier Zustände. Aber selbst diese Ähnlichkeit ist nur eine scheinbare; denn in Wahrheit besteht auch in punkto Halluzinationen keine Gleichheit, sondern ein gewaltiger Unterschied, eine essentielle Verschiedenheit zwischen Hypnose und Psychose, was im Folgenden bewiesen werden soll.

Man hat nämlich zwischen physiologischer und pathologischer Sinnestäuschung zu unterscheiden. Wenn ich im Dunkeln und aus einiger Ferne einen Baum für eine Gestalt halte, so bewegt sich diese Sinnestäuschung innerhalb der physiologischen Breite und hat mehr den Charakter eines Irrtums; denn die falsche Vorstellung wurde dadurch hervorgerufen, daß ich nur mangelhafte Gesichtseindrücke erhielt, nicht ausreichend, um in mir die Vorstellung des wirklichen Gegenstandes zu erwecken. Sehe ich aber trotz unmittelbarer Nähe, bei genügender Helligkeit und trotz Befühlens in einem Baum irgendetwas anderes, z. B. eine Gestalt, so haben wir es mit einer pathologischen Sinnestäuschung, mit einer Jllusion zu tun; denn hier werden mir die Sinneseindrücke in genügender Deutlichkeit und Menge überliefert, um die richtige Vorstellung zu bilden; diese letztere konnte aber nicht entstehen, weil die empfangenen Reizeindrücke falsch aufgefaßt und gedeutet wurden. Im ersten Falle handelt es sich um eine mangelhafte Funktion der peripheren Nerven, im zweiten aber um eine Störung des Apperzeptionsgebietes.

Zu welcher von beiden Arten der Sinnestäuschung gehört nun die hypnotische? Ein Hypnotisierter, welcher einen beliebigen Gegenstand, z. B. einen Bleistift auf meine Suggestion hin bei offenen sehenden Augen für einen Dolch hält, erweckt allerdings den Anschein, als ob es sich bei ihm um eine pathologische Sinnestäuschung der oben bezeichneten Art handle. Aber daß dies tatsächlich nicht der Fall ist, ergibt sich sofort, wenn der Hypnotisierte ohne jede Suggestion nach der Bedeutung des betreffenden Gegenstandes gefragt wird. Er bezeichnet dann nämlich trotz seines hypnotischen Zustandes eine Bleifeder ganz richtig als Bleifeder und nichts anderes. Daraus geht also unwiderleglich hervor, daß er richtige periphere Nerveneindrücke aufnimmt und zentralwärts richtig deutet. Wenn ihm nun trotzdem die betreffende Suggestion einen Bleistift in einen Dolch verwandelt, so liegt das keineswegs an einer falschen Auffassung richtiger peripherer Nerveneindrücke, wie das bei einer pathologischen Sinnestäuschun sein müpte, sondern vielmehr daran, daß infolge meiner Suggestion das Bild eines Dolches im Hirn des Hypnotisierten mit einer so greifbaren Deutlichkeit, mit einer alle anderen Vorstellungen so vollkommen ausschließenden Stärke hervorgerufen wird, daß der durch den wirklichen Gegenstand überlieferte Eindruck völlig wirkungslos und im Zentrum nicht mehr perzipiert wird. Man sieht also, daß die Hypnotische Sinnestäuschung nichts mit der pathologische  Jllusion  und Halluzination zu tun hat, sondern entschieden physiologischen Charakter aufweist.

Ist es nun hiernach also nicht möglich, gegen die hypnotischen Sinnestäuschungen den Vorwurf des Krankhaften aufrechtzuerhalten, so hat man doch gegen den Zustand, aus welchem alle Erscheinungen der Hypnose entspringen, den gleichen Vorwurf erhoben, nämlich gegen die  Suggestibilität.  Es ist jedoch hier nicht schwerer, als für die Halluzinationen der Nachweis zu führen, daß dieser Zustand ein Analogon im normalen Gehirnleben besitzt und lediglich durch physiologische Faktoren bedingt wird.

Was ist denn Suggestion? Gewöhnlich erfährt dieser Begriff eine zu weite Definition, indem man als Suggestion jede im Gehirn eines anderen erweckte Vorstellung bezeichnet. Dies kann nicht richtig sein, denn in der Tat besteht zwischen der bloßen Vorstellung und der hypnotischen Suggestion eines Gegenstandes der große Unterschied, daß der suggerierte Gegenstand im Vergleich zum bloß vorgestellten mit halluzinatorischer Deutlichkeit erblickt wird. Dieser Unterschied, so sehr er auch geeignet ist, die wache Vorstellung und die hypnotische Suggestion als zwei gesonderte Begriffe voneinander zu trennen, ist dennoch, wie gezeigt werden soll, ein bloß gradueller.

Die Lebhaftigkeit unserer Vorstellungen kann die verschiedensten Grade annehmen, vom leichtesten Bewußtwerden bis zu halluzinatorischer Wirklichkeit. Im letzteren Fall hat sich, wie man sagt, die Vorstellung realisiert, sie hat, je nach ihrem Inhalt, sich in Bild, Bewegung, Empfindung oder dergleichen umgesetzt. Diese Umsetzung ist abhängig von der Reizstärke, mit welcher das Vorgestellte auf uns einwirkt und erfolgt, sobald die Vorstellung eine gewissen Intensität erlangt, mit derselben Notwendigkeit und Sicherheit, mit welcher gewisse sensible Reize reflektorische Bewegungen auslösen.

Zweifellos ist man berechtigt, jede auf uns einwirkende Vorstellung als einen psychischen Reiz anzusehen, der von einem bestimmten Stärkegrad an die Schwelle überschreitet, jenseits welcher die Vorstellung ihren rein geistigen Charakter verliert und sich ganz automatisch in der ihrem Inhalt entsprechenden Weise realisiert. Die hierzu nötige Reizstärke der Vorstellung kann durch verschiedene Umstände begünstigt werden. Sie ist ganz besonders abhängig von der Art und Menge der Eindrücke, welche zu gleicher Zeit auf uns einwirken; je geringer die Zahl dieser Eindrücke ist, desto mehr erlangt die betreffende Vorstellung Herrschaft über uns und verdichtet sich sogar unter Umständen zur wahren Halluzination. Wir schließen deshalb, wenn wir uns das Bild einer abwesenden Person recht lebhaft vorstellen wollen, die Augen, um so alle mit dieser Vorstellung gleichzeitigen optischen Eindrücke auszuschließen. Im Traum sehen wir alles lebendig greifbar vor uns, eben weil unser Gehirn ruht und außer den gerade auftauchenden Vorstellungen nicht noch allerlei andere Eindrücke aus der Umgebung in sich aufzunehmen hat.

Ursache für die Realisation einer Vorstellung ist jedoch, wie noch ausdrücklich hervorgehoben sei, keineswegs der Schlaf oder irgendein anderer  spezifischer  Bewußtseinszustand, sondern vielmehr ausschließlich die  Intensität  der Vorstellungen. Es kommt daher auch im vollwachen Zustand mit Notwendigkeit zur halluzinatorischen Objektivierung einer jeden Vorstellung, sobald dieselbe durch Konzentration der Aufmerksamkeit eine gewisse Intensität erreicht hat. Ein vortreffliches Beispiel für diese Behauptung bietet sich in einer Erfahrung, welche man auf psycho-physikalischem Gebiet, bei der Messung der sogenannten Reaktionszeit, machen kann. Wenn man nämlich auf sich selbst oder eine besondere Versuchsperson einen bestimmten und sich stets gleich bleibenden Reiz öfter und in stets gleichen Zeitabschnitten einwirken läßt, so ergibt sich sehr häufig, daß der Reizeindruck als solcher empfunden wird, bevor er noch in Wirklichkeit stattgefunden hat.

Die Beispiele dafür, daß sich jede Vorstellung bei genügender Intensität realisiert, ließen sich noch sehr vermehren; doch will ich hier die aufgestellte Behauptung nur noch durch eine Beobachtung aus dem täglichen Leben illustrieren. Vor kurzem wurde meine Frau von vollständiger Heiserkeit befallen und es zeigte sich, daß, so oft sie einen von ihren Dienstboten ansprach, ihr unwillkürlich mit ebenso heiserer Flüsterstimme, wie sie selbst hatte, geantwortet wurde. Wie soll man sich das - etwaiger Mutwille ist ganz ausgeschlossen - anders erklären, als damit, daß die Vorstellung des Flüsterns beim Anhören so intensiv wurde, daß sie sich notwendig realisieren mußte. Man könnte sich ja zur Erklärung eines solchen Falles auf den sogenannten Nachahmungstrieb beziehen; aber dieser letztere beruth eben auch nur darauf, daß durch Anschauen, Anhören oder sonstige sinnliche Eindrücke eine Vorstellung diejenige Intensität erhält, vermöge deren sie sich sofort mit triebartiger Notwendigkeit realisiert.

Eine solche Vorstellung, welche die psychische Reizschwelle überschritten hat, nennt man Suggestion und den Zustand, in welchem die Vorstellungen gewöhnlich die hierzu erforderliche Reizstärke annehmen, bezeichnet man als Suggestibilität. Diese letztere zeigt sich entweder als bloße Begleiterscheinung, z. B. im leichten Schlaft, in oberflächlicher Narkose, bei gewissen Intoxikationen, bei Hysterie oder sie bildet das Primäre und Essentielle und zwar dieses nur in  einem  Falle, nämlich in der Hypnose.

Bei einer solchen Auffassung der Suggestibilität als eines  Zustandes von gesteigerter Intensität der Vorstellungen  erscheint es nicht notwendig, mit BERNHEIM zur Erklärung der hypnotischen Phänomene eine Ausschaltung der Gehirnkontrolle, eine Art Lähmung von Urteil und Willkür anzunehmen, eine Annahme, welche gewiß nicht sehr geeignet ist, die Hypnose ihren Gegnern in physiologischem Licht erscheinen zu lassen.

Die Entstehung der Hypnose läßt sich vielmehr nach den obigen Ausführungen in folgender Weise erklären: Das Bewußtsein wird zunächst, auf methodischem Weg, mit der Vorstellung von Ruhe und Schlafbedürfnis so vollständig erfüllt, daß diese Vorstellung die psychische Reizschwelle überschreitet und sich realisiert, d. h. es tritt wirklich Ruhe, Schläfrigkeit, ein dem Schlaf ähnlicher Zustand ein. In einem solchen Zustand aber ist, wie wir oben gezeigt haben, notwendigerweise die Intensität der ins Gehirn eintretenden Vorstellungen eine so große, daß sie sich ohne weiteres realisieren, oder, anders ausgedrückt, das Gehirn produziert nicht mehr Vorstellungen, sondern, ganz entsprechend seinem durch Realisierung gewonnenen Ruhezustand, Suggestionen und diese letzteren bilden erst das Mittel, um die erlangte Passivität des Gehirns bis zu jedem beliebigen Grad, sogar bis zum Anschein gänzlichen Verschwindens von Urteil und Willkür zu entwickeln.

Auch das körperliche Verhalten in der Hypnose zeigt sich, wenn keine gegenteilige suggestive Beeinflussung vorgenommen wird, als ein ganz normales; besonders sind die Puls-, Atmungs- und Perspirations-Kurven nach den Untersuchungen FRANCKEs ganz denen des Schlafes analog.

Legen wir uns nun die Frage vor, ob die Hypnose als physiologisch zu betrachten sei, so müssen wir das unbedingt  bejahen.  Denn die Wesenheit der Hypnose mit allen ihren Phänomenen, sogar Halluzinationen und Jllusionen, besteht ja, wie wir wissen, in der Suggestibilität und diese letztere ist keineswegs eine spezifische, der Hypnose allein angehörende Erscheinung, sondern kommt in den verschiedensten Zuständen vor und beruth auf der fundamentalen Eigenschaft des menschlichen Geistes, Vorstellungen von genügender Intensität unwillkürlich zu objektivieren. Die Hypnose ist, mit einem Wort, nichts anderes, als ein  passiver  Ruhe-Zustand des Gehirns und wenn der Arzt einen solchen mittels der allein zulässigen Methode der Verbal-Suggestion herbeiführt, so geschieht  im Prinzip  mit dem Gehirn des Patienten nichts anderes, als wenn irgendein anderes Organ, z. B. das verbundene Auge oder das verstopfte Ohr vorübergehend seine Funktion einstellt oder als wenn eine Extremität in passive Ruhestellung gebracht wird.

LITERATUR - Josef Bergmann, Ist Hypnose ein physiologischer Zustand?, Zeitschrift für Hypnose, Berlin 1895