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Folgenschwere Irrtümer aus falschen Prinzipien
GEORGE BERKELEY

CXXXIII. Aus dem Gesagten geht klar hervor, daß sehr zahlreiche und folgenschwere Irrtümer aus jenen falschen Prinzipien hervorgegangen sind, die wir in den vorstehenden Teilen dieser Abhandlung bekämpft haben. Zugleich erweisen sich die denselben entgegengesetzten Annahmen als die fruchtreichsten Prinzipien, aus welchen unzählige Konsequenzen hervorgehen, die der wahren Philosophie ebensowohl, wie der Religion höchst vorteilhaft sind. Insbesondere ist gezeigt worden, daß die Materie oder die absolute Existenz körperlicher Objekte dasjenige ist, worin die erklärtesten und verderblichsten Feinde aller menschlichen und göttlichen Erkenntnis immer ihre Hauptstütze gesucht und worauf sie ihr Vertrauen gesetzt haben. Und fürwahr, wenn durch Unterscheidung der wirklichen Existenz nicht denkender Dinge von ihrem Erkanntwerden und durch die Annahme, daß sie eine Subsistenz [unabhängiges Dasein - wp] ansich selbst außerhalb der Seelen oder Geister haben, kein einziges Ding in der Natur erklärt wird, sondern im Gegenteil eine große Zahl unlösbarer Schwierigkeiten entsteht; wenn die Voraussetzung, daß es Materie gibt, bloße eine prekäre [gefährdet - wp] ist, da sich sich nicht auf einen einzigen Grund stützt; wenn ihre Konseqenzen nicht das Licht der Prüfung und freien Forschung ertragen, sondern sich durch die dunkle und unbestimmte Behauptung der Unbegreiflichkeit des Unendlichen decken; wenn zugleich die Beseitigung dieser Materie nicht geringste üble Folge nach sich zieht, wenn dieselbe nicht einmal in der Welt vermißt wird, sondern jegliches Ding ebenso leicht, ja leichter ohne sie sich begreifen läßt; wenn schließlich sowohl Skeptiker, wie auch Atheisten durch die Voraussetzung, daß es nur Geister und Ideen gibt, für immer zum Schweigen gebracht werden, und diese Ansicht sowohl der Vernunft, als auch der Religion gemäß ist: dann, denke ich, sollte man erwarten, daß dieselbe gebilligt und entschieden festgehalten wird, möchte ie auch nur als eine Hypothese aufgestellt und die Existenz der Materie als möglich zugegeben worden sein, während ich doch, wie ich glaube, deutlich gezeigt zu haben, daß dieselbe nicht möglich ist.

LITERATUR, George Berkeley, Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis, Berlin 1869