ra-2 Albert SchäffleHeinrich Cohnvon EhrenfelsWertlehre bei Marx und Lassalle    
 
FRIEDRICH von WIESER
Über den Ursprung
des wirtschaftlichen Wertes

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"In einer Zeit der Hungersnot werden z. B. Dinge, die man bis dahin als nicht genießbar ansah, und selbst solche, von denen man sich mit Ekel abwandte, Gegenstände des Begehrens und der Wertschätzung, ohne daß sie doch in sich selbst irgendwie anders geworden wären und man wird wieder aufhören, an ihrem Besitz Interesse zu nehmen, also ihnen Wert beizulegen, sobald die Hungersnot vorüber ist."

"Der Wert ist uns der Güterwert, die Güter haben, gewinnen, verlieren ihn, er ist, er existiert an ihnen oder in ihnen. Wir nehmen ihn wahr, erkennen ihn an. Im Sinne der Sprache ist er das Erste, unsere Schätzung als seine Anerkennung das Zweite. Er gilt als ein den Gütern ansich eigentümlicher, vor unserer Schätzung und unabhängig von derselben objektiv gegebener Charakter. Er ist der Inhalt des Interesses, als ein Zustand der Güter gedacht."

I. Hauptstück
Begriff und Wesen des Wertes

2. Abschnitt
Die sprachüblichen Wertbegriffe

In unserer Sprache findet sich der Begriff des wirtschaftlichen Wertes in zwei Formen vor. NEUMANN in seinen scharfsinnigen Untersuchungen über die sprachliche Auslegung der Grundbegriffe der Wirtschaft nennt die eine die subjektive, die andere die objektive, man kann sie auch die persönliche und die unpersönliche nennen.

Der wirtschaftliche Wert im persönlichen Sinne fällt mit der wirtschaftlichen Wichtigkeit, mit der wirtschaftlichen Bedeutung der Güter überein. Was will es aber wieder heißen, daß ich einem Gut wirschaftliche Wichtigkeit oder Bedeutung beimesse? Es ist dies nur ein anderer Ausdruck dafür, daß ich an seinem Besitz ein wirtschaftliches Interesse begründet finde. Die eigentliche Tatsache am Wert, das Phänomen, welches in Wirklichkeit dem Namen des Wertes entspricht, ist subjektiver Art, ist ein persönliches Interesse. Der Wert ändert sich nicht nur dann, wenn das Gut selbst verändert und infolge dessen das an seinen Besitz geknüpfte Interesse gesteigert oder vermindert wird, sondern auch dann, wenn, ohne irgendeine Veränderung am Gut, die persönliche Situation des wirtschaftlichen Subjektes, dem es zugehört, ja wenn nur die Spannung, die Stimmung seiner Interessen sich ändert. So werden z. B. in einer Zeit der Hungersnot Dinge, die man bis dahin nicht als genießbar ansah, und selbst solche, von denen man sich mit Ekel abwandte, Gegenstände des Begehrens und der Wertschätzung, ohne daß sie doch in sich selbst irgendwie anders geworden wären und man wird wieder aufhören, an ihrem Besitz Interesse zu nehmen, also ihnen Wert beizulegen, sobald die Hungersnot vorüber ist. Solche Gegenstände, welche nur vorübergehenden Bedürfnisregungen dienen, haben, wenn sie dem Bedürfnis in der Zeit, da diese bestehen, wirklich genügen, ohne Zweifel vollen Wert gleich jenen Gegenständen, die durch alle Zeiten im Gebrauch sind, weil die Bedürfnisse, die durch sie befriedigt werden, sich zu allen Zeiten geltend machen. Wir schließen daraus mit Recht, daß der subjektive Ursprung des Wertes, welcher sich bei den Gütern der ersten Art deutlich offenbart, indem dieselben nur solange Wert haben, als das Bedürfnis, dem sie dienen, bekannt ist, auch hinsichtlich der Güter der zweiten Art gelten müsse, wenn wir auch hinsichtlich dieser die gleiche Probe nicht machen können.

Der Satz, daß der Wert in Wahrheit eine subjektive Erscheinung sei, kann nicht eindringlich genug gefaßt werden. In Wahrheit ist außen an den Gütern nicht nur der Wert selbst nicht vorhanden, sondern es befindet sich an ihnen, wie man trotz dieses Zugeständnisses immer noch zu glauben geneigt bleibt, auch kein Vorbild des Wertes, keine Urerscheinung desselben, von der unsere Wahrnehmung bloß das Abbild wäre. Die menschliche Beteiligung beschränkt sich keineswegs darauf, den fertigen Wertcharakter abzulesen, ihn anzuerkennen, wie man sagt. Keine der Beschaffenheiten, die die Dinge besitzen, läßt von ihrer Größe einen unmittelbaren Schluß auf die Größe des Wertes zu. Der Inhalt und das Maß desselben ist einzig aus dem menschlichen Innern genommen; die Menschen finden gewisse ihnen eigentümliche Interessen durch die mannigfachsten Kombinationen der Umstände der Güter betroffen und erst indem sie diese Interessengefühle mit der Vorstellung der Güter assoziieren, entsteht der Wert.

Obschon der Wert immer nur ein Interesse aussagt, so kann doch nicht jedes Güterinteresse als Wert ausgesagt werden. Eine Einschränkung ist notwendig, die sich aus der Form des Wertbegriffs ergibt.

Form und Inhalt des persönlichen Wertbegriffs decken sich nicht. Während der Inhalt subjektiv ist, ist die Form objektivistisch. Der Wert ist uns der Güterwert, die Güter haben, gewinnen, verlieren ihn, er ist, er existiert an ihnen oder in ihnen. Wir nehmen ihn wahr, erkennen ihn an. Im Sinne der Sprache ist er das Erste, unsere Schätzung als seine Anerkennung das Zweite. Er gilt als ein den Gütern ansich eigentümlicher, vor unserer Schätzung und unabhängig von derselben objektiv gegebener Charakter. Er ist der Inhalt des Interesses, als ein Zustand der Güter gedacht.

Der Grund dieser Art der Aussage liegt wohl in der Art der Wahrnehmung. Die Menschen werden des Interesses, das sie an den Gütern haben, kraft eines allgemeineren Zwanges ihrer Natur, dem ihre Wahrnehmungen und Eindrücke überhaupt unterworfen scheinen, nicht an dem Ort, wo es entsteht, im Innern, sondern außen an den Objekten gewahr. Sie werden sich seiner zugleich mit dem erblickten Bild oder der ins Gedächtnis gerufenen Vorstellung der Güter bewußt. Das Interesse am Gold z. B. erscheint ihnen - als Vorstellung des Goldwertes - in Begleitung der Vorstellungen von Farbe, Glanz, Menge und Gewicht der Goldstücke. Die Verbindung ist eine so innige, daß man in der Wahrnehmung selbst die innerliche Erregung vom äußeren Bild nicht zu trennen vermag. Erst die nachfolgende Reflexion belehrt uns über unsere subjektive Mitwirkung, weil wir die Erfahrung machen, daß uns die Güter bei gleichbleibenden äußeren Umständen mit wechselnder Stärke in der charakteristischen Weise des Wertes bedeutend werden und weil wir also schließen müssen, daß die Ursache des Wechselns, die sich an den äußeren Umständen nicht befinden kann, in uns zu suchen sei.

Der Sprachgebrauch ist dem ersten und kräftigsten, dem sinnlichen Eindruck nachgebildet. Das Interesse wird, trotz unseres besseren Wissens, objektvistisch als Wert ausgesagt.

Weil nun der Wert das objektivierte Interesse ist, so ist er auch nur das objektivierbare. Hieraus folgt die oben erwähnte Einschränkung. Ein Güterinteresse, das aus einem subjektiven Versehen, sei es aus einem Mangel der Beobachtung oder aus einem Irrtum in der Schlußfolgerung, gefaßt wurde, so daß ein Interesse mit dem Besitz eines Gutes als verknüpft angesehen wurde, welches in der Tat nicht oder nicht im angenommenen Grad mit demselben verknüpft ist, kann, sobald das Versehen erkannt ist, nicht mehr als Zustand des Gutes ausgesagt werden. Man kann nicht sagen, das falsche Geldstück habe in der Zeit, da man es für echt gehalten hat, Wert gehabt, wenn man auch zu dieser Zeit auf seinen Besitz Wert gelegt hat. Falls man den Begriff des Wertes überhaupt nicht hätte, würde man sagen, man habe an seinem Besitz ungerechtfertigter Weise Interesse genommen; den Wertbegriff benützend, wird man hingegen sagen, es sei zwar der Glaube an den Wert, aber nicht der Wert selbst vorhanden gewesen.

Hier ist ein Beispiel, wie leicht ein Argument aus dem Sprachgebrauch zu einem Argument aus der Sache werden kann. Der Satz "Das falsche Geldstück, wenn ihm auch jemand Interesse beimessen sollte, hat in Wirklichkeit doch keinen Wert" klingt ganz wie ein Bericht über eine Tatsache der Erfahrung und scheint zu dem Schluß zu zwingen, daß man folgerichtig zwischen Wert und Interesse, zwischen dem objektiven Dasein des Wertes und seiner bloß subjektiven Annahme wesentlich unterscheiden müsse und daß der Wert seinen Ursprung nicht im Interesse haben, daß die Tatsache am Wert nicht ein Interesse sein könne. Die Wahrheit ist, daß nur ein mit Grund den Gütern zugewendetes Interesse als Wert ausgesagt werden darf.

Für die Theorie folgt hieraus die wichtige Einschränkung, daß sie, wenn sie anders innerhalb der Grenzen des Sprachgebrauches bleiben will - und ich sehe keinen Grund, hierin von denselben abzuweichen - nur von den regelrechten Bildungen des Interesses, aber nicht auch, wie das SCHÄFFLE, der sich im übrigen gerade um die Erkenntnis der subjektiven Natur des wirtschaftlichen Wertes die größten Verdienste erworben hat, aus dem Wertbegriff folgern zu müssen glaubt, von den Störungen und Mißbildungen zu handeln habe. Die Aufgabe, die "Ursachen des Wertes", wie man sprachrichtig die Motive einer gegründeten Wertschätzung nennt, anzugeben, beschränkt sich darauf, diejenigen Umstände anzugeben, die bei zutreffender Würdigung die Menschen dazu bringen, den Gütern Interesse zuzuwenden.

Der persönliche Wertbegriff ist ohne Zweifel dunkel. Er lockt die Forschung leicht auf eine falsche Fährte, auf die Untersuchung der Verhältnisse der Güter statt auf die Untersuchung der Gesetze des menschlichen Begehrens. Aber er ist nur dunkel, nicht falsch. Mit Vorsicht gedeutet, führt er auf die richtige Spur und ist er ein geeigneter Ausdruck für die Wahrheit.

Anderen Charakters sind die unpersönlichen Wertbegriffe. Sie sind ohne Zweifel fehlerhaft, aber eben durch ihre Fehler bequem und faßlich.

Der Inhalt der unpersönlichen Wertbegriffe, indem er der objektivistischen Form durchaus angepaßt ist, sagt ohne Beziehung auf ein Subjekt der Wertschätzung bloß ein Verhältnis der Güter zueinander aus. So viele Grundverhältnisse zwischen den wirtschaftlichen Gütern zu beobachten sind, so viele Wertbegriffe kommen vor.

Der Typus für alle ist der gemeine, unpersönliche Tauschwertbegriff; ich hebe ausdrücklich hervor, der gemeine, denn der wissenschaftliche ist, wenn auch auf ihm beruhend, doch in wichtigen Punkten von ihm abweichend gebildet worden und ich hebe ferner hervor, der unpersönliche, denn es ist auch ein persönlicher Tauschwertbegriff im Sinne von Tauschwichtigkeit in Übung.

Der gemeine, unpersönliche Tauschwertbegriff ist derjenige, den man hat, wenn man vom Wert der Güter spricht und sich hierbei in Gedanken auf die Preise der Güter bezieht; wenn man also z. B. sagt, ein Haus habe einen Wert von hunderttausend Gulden, weil man weiß, daß sein Preis hunderttausend Gulden beträgt oder wenn man fragt, wie groß der Wert einer Aktie sei und damit den Preis erfahren will, der für sie gezahlt wird oder wenn man mit einer ähnlichen Wendung fragt, was eine Sache wert sei und hierauf die Angabe einer Geldsumme zur Antwort erwartet und erhält. Immer wird hier der Wert mit dem Geldpreis in Wechselwirkung gedacht, letzterer als eine äußere Tatsache, ersterer als ein entsprechender Charakter am Gut. Die Vorstellung geht ebensosehr dahin, daß dieser Preis gegeben werden, weil die Sache diesen Wert habe, als daß die Sache diesen Wert habe, weil dieser Preis gegeben wird.

Der Anlaß zur Verbindung beider Ideen ist leicht zu erkennen. Man sieht häufig dieselben Güter durch längere Zeit dieselben Preise bedingen und die Wahrnehmung des Nach- oder Miteinander verführt, nach dem allgemeinen Gesetz, zum Glauben an das Wegeneinander. Es sind dann auch bloß die Güter, die regelmäßige Preise haben und bloß die regelmäßigen Preise, in Bezug auf welche der Schluß auf den Wert gemacht wird. Je regelmäßiger die Preise, umso zwingender erscheint uns der Schluß, so daß wir, wenn einmal Ausnahmspreise vorkommen, statt hierin einfach eine Abweichung vom üblichen Maß der äußeren Tatsache des Preises zu erblicken, geneigt sind, in Abirren vom inneren Wert der Güter zu empfinden. Silber ist so lange Zeit gegen Gold im Preisverhältnis von 15½ zu 1 gestanden, daß man sagte, es werde über seinen wahren Wert bezahl, als man durch gewisse Zeit für 15½ Pfund Silber mehr als ein Pfund Gold erhielt und daß jetzt viele Leute der Meinung sind, es werde nicht mit seinem vollen Wert bezahlt, weil man für die genannte Menge Silbers kein ganzes Pfund Gold mehr erhalten kann.

Andere Formen des unpersönlichen Wertes sind der Ertragswert und der Kostenwert, in ihrem gemeinen Sinn verstanden; der Ertragswert, wo der Wert eines Produktivgutes (eines Grundstückes, einer Maschine usw.) durch die Beziehung auf die Anzahl von Einheiten der Produkte, die es hervorbringt und der Kostenwert, wo umgekehrt der Wert von Erzeugnissen durch die Beziehung auf Kostenquanta, die als Einheiten angenommen sind, festgestellt wird.

Auch bei der Schätzung der persönlichen Wichtigkeit der Güter wird je nach den Verhältnissen auf die Preise, den Ertrag, die Kosten Rücksicht genommen. Ein Kaufmann wird sich seine Waren umso höher veranschlagen, je teurer er sie, unter übrigens gleichen Umständen, zu verkaufen hoffen darf, ein Landmann wird seinen Acker, ein Unternehmer seine Fabrik umso wertvoller halten, je höher, unter übrigens gleichen Umständen, der Ertrag in Früchten, bzw. in Fabrikaten steigt und jedermann wird auf seine Güter umso sorgsamer achten, je größer, unter übrigens gleichen Umständen, der Aufwand an Kostengütern wäre, den er für ihre Wiederbeschaffung benötigte. Hier ist aber überall der Preis, der Ertrag, der Kostenaufwand nur ein Behelf, um die eigentlich entscheidende Größe, das abhängige Interesse, zu bestimmen und die Umstände können es ganz wohl mit sich bringen und bringen es in der Tat häufig mit sich, daß trotz der Zunahme des Preises, des Ertrags, der Kosten das Interesse sinkt, trotz der Abnahme das Interesse steigt.

Hingegen wird das Maß des unpersönlichen Wertes unmittelbar von den genannten Größen abgenommen. Der Wert eines Gutes, in diesem Sinne verstanden, gilt umso höher, je größer die Anzahl von Geld-, Ertrags- oder Kosteneinheiten ist, die dasselbe repräsentiert. Es wird nicht in Betracht gezogen, ob nicht auch der Wert der Geld-, Ertrags- oder Kosteneinheit sich verändert habe, sondern dieser Wert gilt selbst als Einheit, er gilt als feste, immer und überall gleiche Grundlage der Messung.

Die Bewegungen der persönlichen und der unpersönlichen Schätzung der Güter werden daher gewöhnlich ungleichmäßig und sie werden manchmal geradezu entgegengesetzt sein. Immer und immer, seit das Gold und Silber Amerikas nach Europa zu strömen begonnen hat, hat man von den meisten Dingen, weil sie in Geld teurer wurden, gesagt, daß ihr Wert steige und hat sich gleichzeitig in Bezug auf viele derselben doch so benommen, wie man sich nur benehmen darf, wenn die Dinge im Wert sinken. Der "objektive Tauschwert" der letzteren hat an Preiseineiten zugenommen, der Wert als Wichtigkeit, als persönliches Motiv des Wirtschaftens hat an Dringlichkeit abgenommen.

Wenn die unpersönlichen Wertbegriffe mit den bisher beschriebenen Merkmalen abgeschlossen wären, so wäre ihr Verhältnis zum persönlichen Wertbegriff für jedermann sehr durchsichtig. Jedermann müßte einsehen, daß beide von einer und derselben Erscheinung abgenommen seien und daß nur das Verfahren, womit der eine und womit die anderen gewonnen sind, verschieden sei. Der persönliche Wertbegriff ist das Ergebnis einer Beobachtung, die die ganze Werterscheinung umfaßt und das ganze Bild gleichmäßig getreu, ohne Bevorzugung eines Teils, aufnimmt; die unpersönlichen Wertbegriffe, wie sie bisher beschrieben sind, sind durch ein Verfahren gewonnen, welches zwar gewisse Details - es sind allerdings solche, die sich im Vordergrund des Bildes befinden - besonders deutlich hervortreten läßt, aber diesen Erfolg nur durch einige Unvollständigkeit im übrigen und durch eine unperspektivische Verzerrung des Ganzen erreicht.

Wie wird der Tauschwert einer Ware nach dem vollständigen Verfahren geschätzt? Der Kaufmann, der sie besitzt und zum Verkauf feilbietet, berechnet zunächst den Erlös, den er erwarten darf, also in aller Regel den Marktpreis. Ferner bringt er in Anschlag, welche Verwendung er von dem zu erwartenden Erlös zu machen habe, welcher Grad der Dringlichkeit, der Wichtigkeit den Ausgaben zukomme, zu deren Deckung er ihn benötigt. Auf den Ausgang dieser Erwägung werden, selbst im einfachsten Fall, eine große Reihe von Umständen Einfluß nehmen, die Dringlichkeit, die Wichtigkeit der Bedürfnisse, für die er zu sorgen hat, die Größe des Vermögens, das ihm zu Gebote steht, die Höhe der Preise sowohl derjenigen Güter, die er zunächst erwerben will, als auch derjenigen, die er späterhin noch bedarf, sowie überhaupt die allgemeinen Bedingungen, unter welchen er zu wirtschaften hat. Aufgrund aller dieser Umstände in Verbindung mit dem Verkaufspreis wird er beurteilen, welche Tauschwichtigkeit das zu schätzende Gut für ihn besitze oder mit anderen Worten, welches Interesse am Verkauf desselben hängt.

Welches ist das unvollständige Verfahren? Es besteht, kurz und bündig, darin, daß der Kaufmann sein Urteil mit der Feststellung des zu erwartenden Verkaufspreises abschließt. Er rechnet sich aus, daß er die Ware um hundert Gulden verkaufen kann und mißt ihr den Wert von hundert Gulden bei.

Daß ein solches Verfahren unvollständig sei, ist offenbar, da lange nicht die ganze zusammenschließende Sachlage berücksichtigt ist. Ebenso ist offenbar, daß das Urteil nach dem oben gebrauchten Ausdruck verzerrt wird, weil die Preisgröße mit ihrem äußerlichen Maß eingestellt wird, ohne Berücksichtigung des persönlichen Standpunktes der Betrachtung, infolgedessen ein und derselbe Preis bald hoch, bald niedrig erscheinen muß.

Andererseits ist nicht zu leugnen, daß der durch ein solches Verfahren gewonnene Begriff eigentümliche Vorzüge hat; daß er, wenn auch logisch minder vollkommen, da er nur auf einen Teil der ganzen untrennbaren Erscheinung gegründet ist und da die Umstände, auf die er gegründet ist, nicht in gerechter Weise gewürdigt sind, dennoch eben durch die Einfachheit seiner Beziehungen und weil er die auffälligsten Tatsachen berücksichtigt, faßlicher und bestimmter ist; und daß er unter günstigen Umständen, wo seine Mängel nicht von Bedeutung sind, seine Vorzüge voll zur Geltung bringen kann. Wenn der persönliche Wertbegriff eher der wissenschaftliche ist, ist der unpersönliche der für den Verkehr bestimmte, weil den Bedürfnissen desselben angepaßte Begriff.

Aber das Verhältnis liegt nicht so einfach; die gemeine Vorstellung vom Wesen der unpersönlichen Wertbegriffe bleibt bei der bisher beschriebenen Meinung nicht stehen.

Dem persönlichen Wertbegriff ist die Beziehung auf ein bestimmtes Subjekt, entweder auf eine einzelne Person oder auf eine Mehrheit von Personen, notwendig; er ist Wert für mich, für dich, für irgendjemand Bestimmten. Dem unpersönlichen Wertbegriff ist, nach seiner ersten Anlage, die persönliche Beziehung fremd; er drückt bloß ein Verhältnis zwischen den Gütern aus, die Stellung der Güter zu den Menschen wird überhaupt nicht berücksichtigt und es wird daher auch die Beziehung auf ein bestimmtes Subjekt nicht gefordert; er ist nach seiner ersten Anlage Wert für niemand.

Die gemeine Vorstellung legt ihn aber so aus: Weil er von niemandes eigenartigen Verhältnissen hergenommen ist, so muß er auf die Verhältnisse aller passen. Wenn ich sage, eine Aktie, deren Marktpreis tausend Gulden beträgt, ist tausend Gulden wert, so ist sie nicht bloß für mich oder für dich, sondern überhaupt tausend Gulden wert und daher überhaupt zehnmal so viel wert, als eine andere, die nur hundert Gulden kostet. Dieser Wert muß, so gut wie die Tatsache des Preises, von jedermann, wer er auch sei, als Tatsache anerkannt werden. So wird der unpersönliche Wert zum Wert für alle, zum "objektiven" Wert.

Bis zur letzten Konsequenz verfolgt, liegt in dieser Vorstellungsweise die Meinung, daß dem unpersönlichen Wertbegriff genau in demselben Sinn eine Tatsache entspricht, wie dem persönlichen. Im Gegensatz zu der von uns oben ausgesprochenen Behauptung, daß die beiden Begriffe gewonnen worden sind, indem eine einzige Erscheinung mittels zweier verschiedenartiger, eines vollständigen und eines unvollständigen Verfahrens beobachtet wurde, muß man im Sinne der gemeinen Vorstellung behaupten, daß zwei verschiedene Erscheinungen genau demselben stets vollkommenen Verfahren unterworfen worden sind.

Derjenige Begriff, der uns durch das richtigere Verfahren gewonnen schien, muß in der gemeinen Meinung zurückstehen, da er dieser von derjenigen Tatsache abgenommen scheint, die, alle Voraussetzungen zugegeben, die minder wichtige ist. Wenn der persönliche Wert der Wert für eine bestimmte Person, der objektive Wert der Wert für alle ist, so ist der erstere die nebensächliche, weil eine individuelle, der letztere die hauptsächliche, weil eine allgemeine Tatsache.

Der gemeinen Vorstellung wird der persönliche Wert zum Ausfluß der durch ausnahmsweise Verhältnisse oder durch unberechenbare Laune eines Einzelnen erzeugten aparten Schätzung der Güter, der "objektive Wert" zum Ausfluß ihrer gerechten, sachgemäßen Würdigung. Der "objektive" Wert wird der Wert schlechthin.

Damit ist das wahre Verhältnis geradezu umgekehrt. Der Grundbegriff ist vom abgeleiteten überwuchert und verdeckt.

Der unpersönliche Wert als Wert für niemand ist ein willkommener Denkbehelf; wir bedienen uns seiner mit Vorteil dann, wenn uns die Beziehung der Güter auf bestimmte Personen gleichgültig ist oder wenn wir allein von jener, der persönlichen Würdigung vorausgehenden Feststellung der äußeren Güterverhältnisse sprechen wollen, worin mehrere oder alle Angehörigen der Gesellschaft übereinstimmen. Der "objektive" Wert als Wert für alle ist ein Irrtum. In beiden Bedeutungen wird ein Begriff gedacht, mit dem sich keine Tatsache deckt - während sich mit dem Begriff des persönlichen Wertes eine Tatsache, eine gewisse Interessenerregung vollkommen genau deckt - aber bei der ersteren, der unpersönlichen Anwendung ist man sich der Vernachlässigung eines Teils der zum vollen Tatbestand erforderlichen Merkmale bewußt und ist daher im Recht, bei der letzteren, der objektivierenden, vermeint man, ja stellt man es als wesentlich vor, einer Tatsache getreuen Ausdruck gegeben zu haben und ist daher im Unrecht. In beiden Bedeutungen wird ein unvollständiger Begriff gedacht, weil beide Male die Beziehung auf das persönliche Interesse, durch welches der Wertbegriff seinen charakteristischen Inhalt empfängt, hinweggelassen wird, aber bei der ersteren Anwendung weiß man dies und bedient sich nur, um kurz zu sein, wo man kurz sein darf, einer wohlverstandenen und wohltätigen Ellipse, bei der letzteren leugnet man es und der Begriff wird daher sinnlos.

Die Gründe für dieses daher lassen sich mit wenigen Worten auseinanderlegen. Der "objektive" Wertbegriff - den man deswegen auch den relativen nennen kann - sagt eine Relation zweier Güter, entweder der Ware und des Preisgutes oder des Produktivgutes und des Produktes und zwar eine reine Größenrelation aus, indem er die Menge der Verkehrseinheiten des einen angibt, die der Einheit des anderen wirtschaftlich gleichzuschätzen sind; er ist also materiell inhaltslos. Er enthält ferner keinen Anhalt, um erkennen zu lassen, worin die beiden zu vergleichenden Güter, die häufig in allen äußeren Beschaffenheiten völlig ungleichartig sind, mit einander verglichen werden können. Endlich wenn selbst zugegeben werde, daß ihm Realität zukomme, so ist er, da er als subjektive Erscheinung nicht Realität haben soll und doch als Naturerscheinung nicht Realität haben kann, im Widerspruch mit all dem, was wir über die Dinge zwischen Himmel und Erde zu denken gewohnt sind.

Ein einziger Ausweg scheint noch offen zu stehen: daß der objektive Wert das Werturteil der ganzen verbundenen wirtschaftlichen "Gesellschaft" in demselben Sinn zum Ausdruck bringt, in welchem der persönliche Wert das eines einzelnen Gesellschaftsmitgliedes zum Ausdruck bringt.

Es wird genügen, diesen Gedanken hinsichtlich des wichtigsten der unpersönlichen Wertbegriffe, hinsichtliche des gemeinen Tauschwertbegriffes zu untersuchen. Wenn auch das letzte Wort über die Idee des "gesellschaftlichen Werturteiles" erst aufgrund einer abschließenden Erkenntnis über die Erscheinungen des Wertes und Preises gesprochen werden kann, so wird doch auch aus einer vorläufigen Untersuchung klar werden, daß der gemeine Tauschwertbegriff seiner Anlage nach nicht geeignet und auch nicht bestimmt ist, das gesellschaftliche Werturteil aufzunehmen.
LITERATUR - Friedrich von Wieser, Über den Ursprung und die Hauptgesetze des wirtschaftlichen Wertes, Wien 1884