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HANS G. FURTH
Die Funktion der Sprache
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Denken und SpracheDinge zu benennen lernen, setzt ein grundsätzliches Wissen um die Dauerhaftigkeit von Dingen voraus, die wir als Objektkonstanz oder Objektenstehung bezeichnen.

In der Sprache zeigt sich die Rolle des Symbols für die menschliche Intelligenz auf besonders deutliche Weise. Sprache wird durch soziale Nachahmung erlernt und in Stadium der frühen symbolischen Manifestationen zur gleichen Zeit, wie sich die Intelligenz zu entwickeln beginnt, in das Verhaltensrepertoire des kleinen Kindes aufgenommen.

Dem Kind macht der Gebrauch der Sprache Freude, aber nicht - wie manche angenommen haben -, um seine Sprachfertigkeit zu üben, sondern zur Übung seines intellektuellen Begreifens der Wirklichkeit. Obwohl die Sprache auch zum Teil der Kommunikation dient, so liegt ihre Hauptfunktion, die sie mit dem Spiel und der Vorstellung teilt. doch im Bereich des Denkens. Dieses ist bei PIAGET die egozentrische Phase und nach WYGOTSKI der Zeitraum, in dem die innere Sprache vorherrscht.

Die langsame Entwicklung des logischen Denkens zeigt recht deutlich an, daß Sprache an die vorherrschende intellektuelle Struktur des Kindes angepaßt wird. Den meisten Dreijährigen sind Wörter wie "einige, alle, irgendwelche" ganz vertraut, und sie verstehen und verwenden sie in einfachen Situationen richtig. Aber erst in einem wesentlich späteren Alter begreifen die Kinder die Klasseninklusion und -extension wirklich richtig. Wie INHELDER und PIAGET betonen:
    "... ob ein Kind Wörter wie "alle" und "gleich" versteht oder irgendwelche anderen Wörter, die zur Bezeichnung des Begriffes der Klasseninklusion und Ähnlichkeit verwendet werden, ob es die Sprache versteht, mit der wir die asymmetrische und transitive Relation einer Reihe bezeichnen, das sind Fragen, die hauptsächlich von dem Niveau abhängen, das es in der Entwicklung seines operationalen Verhaltens erreicht hat - und diese Entwicklung ist von anderen Entwicklungen relativ unabhängig, weil sie durch ihre eigenen Gleichgewichtsgesetze gelenkt wird. Deshalb behaupten wir, daß Sprache keine hinreichende und notwendige Begründung für diesen Vorgang ist." (1)
In bezug auf Sprache wie auch geistige Vorstellungen, Wahrnehmung oder spielerische Nachahmung besteht PIAGET darauf, daß die symbolischen Ereignisse keine objektiv gegebenen Zustände sind, welche das Individuum passiv durchlebt. Es sind vor allem Manifestationen der inneren Struktur der Intelligenz; sie resultieren aus dem Denken des Kindes und dürfen keineswegs als einfaches Mittel betrachtet werden, durch welches das Denken vor sich geht.

Im Hinblick auf die Person, die die Symbole bildet, könnten sie als Endprodukt einer internalisierten Handlung betrachtet werden. Dinge zu benennen lernen, setzt ein grundsätzliches Wissen um die Dauerhaftigkeit von Dingen voraus, die wir als Objektkonstanz oder Objektenstehung beschrieben haben. Wenn das Kind erst einmal die intellektuelle Fähigkeit erworben hat, Objekte als außerhalb und nicht einfach als Gegenstände, auf die man reagieren muß, zu betrachten, kann es den Namen mit dem bekannten Objekt verbinden. Ein Name als solcher liefert niemals die erforderliche intellektuelle Struktur.

In Hinsicht auf die Person, die ein Symbol wie etwa ein Wort versteht, muß man auch eine internalisierte Handlung postulieren, durch die das Symbol mit dem entsprechenden Wissenszustand verbunden wir. Symbole wirken sich im Unterschied zu Signalen nicht automatisch aus oder lösen etwa eine Art Reflexreaktion aus. Obwohl Menschen wie auch Tiere vor einem Feuer weglaufen, unterscheiden sich ihre Handlungen doch insofern, als die Flucht des Tieres durch ein Warnsignal ausgelöst wird, während das Fliehen des Menschen normalerweise durch irgendeine Form des Denkens gesteuert wird.

Wenn man die Anfänge der Intelligenz nicht durch Sprache erklären kann ist es dann wenigstens möglich, das höchste Niveau der formalen logischen Operationen auf Sprache zurückzuführen? Zu Anfang versuchte PIAGET formales und konkretes Denken durch eine verbale Komponente zu unterscheiden, die beim formalen Denken vorhanden sein muß. Aber er fährt fort:
    "...trotz des äußeren Anscheins und der vorherrschenden Meinung besteht das wesentliche Charakteristikum der Aussagenlogik nicht darin, daß sie eine verbale Logik ist. Zuallererst ist es eine Logik der gesamten möglichen Kombinationen, ob diese Kombinationen nun in Verbindung mit experimentellen Problemen oder verbalen Fragen auftauchen ... die wirkliche Stärke der Aussagenlogik liegt nicht in diesem (verbalen) Rückhalt, sondern im Kombinationsvermögen, durch das es möglich wird, die Wirklichkeit in eine Menge möglicher Hypothesen, die mit den Daten vereinbar sind, einzuordnen." (2)

    "... Darüber hinaus unterscheiden sich die Einzelheiten des verbalen Ausdrucks von Individuum zu Individuum und manchmal sogar von Moment zu Moment bei einer einzelnen Person." (3)
Mit anderen Worten weist PIAGET die Vorstellung zurück, daß das voll entwickelte logische Denken seine Erklärung oder seine Grundlage im verbalen Symbol finden könne. Es ist weitgehend irrelevant, ob Denken als Reaktion auf verbale Fragen oder in wirklichen Lebenssituationen stattfindet, oder ob es durch einen verbalen Ausdruck geäußert oder innerlich unterstützt wird oder nicht.

Das besondere Kennzeichen des logischen Denkens besteht in der Interaktion zwischen der denkenden Person und der Realität. Diese Interaktion wird als die Assimilation der Realität "in die Menge möglicher Hypothesen, die mit den Denkvorgängen beschäftigt sind, sollte diese Menge oder Struktur untersuchen und ihre Verhaltenscharakteristika beschreiben. Dieses Ziel läßt sich mit einer Untersuchung der verbalen Begleiterscheinungen, die nicht formal mit dem Denken in Beziehung stehen, nicht auf angemessene Weise erreichen.

In der Vergangenheit versuchte man Begriffe - so als ob sie unabhängig existierende Gegenstände des Denkens wären - durch die Vorstellung, insbesondere die visuelle Vorstellung des Individuums zu erklären. Man glaubte, daß diese Vorstellungen verwischt und ziemlich vage seien und daher eine Art allgemeinen Begriff darstellten, auf den alle möglichen Beispiele von Begriffen abgebildet werden konnten. Dieser Standpunkt, der mit aller Ernsthaftigkeit von führenden Wissenschaftlern vertreten wurde, ist inzwischen weitgehend aufgegeben worden, aber nicht wegen seiner inhärent falschen Argumentationsweise über die Natur von Begriff und Vorstellung, sondern weil es empirisch offenbar wurde, daß sich verschiedene Leute enorm in ihrer Vorstellungskraft unterscheiden.

Das Schicksal der Schule der introspektiven Psychologie und die Kontroverse über das "vorstellungslose Denken" bewiesen die Sinnlosigkeit der Ansicht, das Denken an Vorstellungen binden zu wollen. Abgsehen von der Tatsache, daß manche Menschen blind geboren werden und offensichtlich logisches Denken entwickeln, und andere, scheinbar normale Leute berichten, daß sie sich innerlich nichts bildlich vorstellen können, gibt es einfach zu viele Begriffe, bei denen eine Übersetzung in Bilder übertrieben willkürlich und völlig erzwungen wäre.

Wir behaupten, daß Vorstellungen oder Arten von Vorstellungskraft nicht besonders zum Verständnis der Funktionsweise der Intelligenz beitragen, außer vielleicht bei besonderen Fertigkeiten, die eine visuelle oder audititive Darstellung erfordern. Es ist bemerkenswert, daß sich das logische Denken bei einem blinden Kind genauso wie bei einem normal sehfähigen Kind entwickelt, bei einem bewegungsunfähigen Gelähmten genauso wie bei einem Kind, das sich normal bewegen kann. Was die intellektuelle Fähigkeit betrifft, so hat GALTON schon vor vielen Jahren festgestellt, daß kein Unterschied zwischen einem visuell begabten und einem Menschen des sogenannten kinästhetischen (unbewußt gesteuerten) Typs der Vorstellung besteht.

Die Wissenschaftler, die versuchten, das Denken im Sinne von Vorstellungen zu erklären, hatten genau ausgearbeitet, wie sich die Denkvorgänge im Gehirn abspielten. Es gab Rezeptoren, die uns Empfindungen vermitteln, und diese Empfindungen wurden zu Wahrnehmungen zusammengefaßt. Die Wahrnehmungen wurden auf die Nervenstruktur des Gehirns abgebildet und blieben dort als bildliche Vorstellungen bestehen, die das Individuum "betrachten" konnte, ähnlich wie man ein Photoalbum betrachtet.

Wenn man z.B. eine Menge verschiedener Hunde gesehen hatte, so bildete sich allmählich ein inneres Bild des "allgemeinen" Hundes heraus, und dieses Bild "betrachtete" das Individuum, wenn es an den Begriff Hund dachte. In dieses Schema paßte auch das Erlernen der Sprache recht gut. Die Lautfolge "Hund" generierte (hervorbringen) die auditive (das Hören betreffend) Vorstellung dieses Wortes. Diese Lautfolge brauchte nur mit dem visuellen, am besten dem allgemeinen visuellen Bild verbunden zu werden, und so hatte das Kind die Bedeutung des Wortes "Hund" gelernt.

Heute würde kein Wissenschaftler eine derartig vereinfachte "Bild"-Theorie mehr aufrechterhalten. Aber es besteht die Gefahr, daß Sprache oder das sprachliche Symbol mehr und mehr so begriffen wird, daß sie die Rolle übernehmen die die bildliche Vorstellung vorher spielte. Auf den ersten Blick hat Sprache gegenüber subjektiven bildlichen Vorstellungen viele Vorteile; sie ist - außer bei Gehörlosen - allgemein seit der frühen Kindheit vorhanden; sie ist in dem Sinne objektiv, als das Sprechen beobachtet und schriftlich festgehalten werden kann; sie ist außerdem insofern objektiv, als sie für lokalisierbar in bestimten Bereichen des Gehirns gehalten wird; und schließlich ist ein Name per definitionem ein verallgemeinerter Begriff, so daß man nicht auf das künstliche Produkt eines "allgemeinen" Bildes zurückgreifen braucht.

Aber wenn man eine Beschreibung der Aneignung logischer Begriffe liest, wie sie von modernen Psychologen, die sich auf verbale Erklärungen verlassen dargestellt wird, so erkennt man, daß eine falsch konzipierte Theorie dadurch nicht besser wird, daß sie plausibler wird. PIAGET hat vor der Faszination des Gedankens gewarnt, daß sich das Bewußtsein aus der Leichtigkeit verbalen Denkens ableite:
    "Die größte Schwierigkeit besteht für die Introspektion (Selbstbeobachtung) darin, daß sie mit ihren eigenen Methoden feststellen muß, daß sie selbst ein Teil des Verhaltens ist; verbales Verhalten ist eine Handlung, ohne Zweifel eine verkleinerte Handlung, die auf das Innere beschränkt bleibt, ein grober Entwurf für eine Handlung, der ständig Gefahr läuft, nichts mehr als nur ein Plan zu sein; aber es ist trotzdem eine Handlung, die einfach Dinge durch Zeichen ersetzt und Bewegungen durch ihr Hervorrufen, und die fortfährt, in den Gedanken mit Hilfe dieser Stellvertreter zu operieren. Aber die Introspektion, die diesen aktiven Aspekt verbalen Denkens außer acht läßt, sieht darin nur Reflektion, Sprechen und begriffliche Darstellung, wodurch sich der irrtümlich Glaube der introspektiven Psychologen erklärt, daß Intelligenz auf diese bevorrechtigten Endzustände zurückführbar sei, und ebenso die Täuschung der Logiker darüber, daß das adäquateste logische Muster unbedingt eine Theorie der "Propositionen" sein müsse. Es ist daher wichtig, um die wirkliche Funktionsweise der Intelligenz zu erklären, diese natürliche Bewegungsrichtung des Geistes umzukehren und Denken im Sinne von Handlung selbst zu betrachten; nur auf diese Weise wird die Rolle der inneren Handlung, der Operation, klar werden können; und eben diese Tatsache zwingt uns zur Anerkennung der Kontinuität, welche die Operation mit echter Handlung, dem Ursprung und Medium der Intelligenz, verbindet." (4)
Wenn wir uns reflektierend selbst beobachten und uns während einer Phase des Problemlösens einer privaten inneren Sprache bewußt werden, sind wir - wie PIAGET sagt - leicht versucht, das Denken begrifflich als das Betrachten einer inneren Leinwand aufzufassen oder als das, was der Philosoph PRICE (1953) als "Inspektion" bezeichnet. Durch die augenscheinliche innere Gewißheit getäuscht, halten wir die innere Sprache für den Gegenstand dieser Inspektion und identifizieren das verbale Symbol mit dem Denkprozeß selbst.

Der grundlegende Fehler jeder Theorie, die das Denken durch verbale oder andere symbolische Einheiten zu erklären versucht, liegt in drei falschen Hypothesen. Das erste ist die Annahme, daß Begriffe wirkliche Einheiten des Denkens sind, das zweite, daß Begriff und Symbol, besonders verbales Symbol, identisch sind und als drittes ist die Hypothese falsch, daß Symbole übertragen werden und wie Signale funktionieren oder Stimuli ersetzen.

Anstatt die symbolische Darstellung der Denktätigkeit in Betracht zu ziehen, folgen diese Theorien unserer trügerischen Introspektion und erachten diese symbolisierten Halteplätze irgendwie für wirklich und vorhanden. Wenn man sich damit zufriedengibt, daß Symbole objektiv und wirklich sind und nicht erklärt zu werden brauchen, ist die Versuchung, in dieser Richtung fortzufahren und anzunehmen, daß die symbolischen Einheiten die Bedeutung der Begriffe in sich tragen oder erklären, zu groß. So schreibt man Begriffen einen Wirklichkeitsgrad zu, der bei Symbolen festzustellen ist.

Um das Denken studieren zu können, muß man - wie PIAGET sagt - diese natürliche Bewegungsrichtung des Geistes umkehren. Handlung ist der Ursprung und das Medium der Intelligenz, und die Wirklichkeit von Begriffen muß in der Denkhandlung gesucht werden, die in einem symbolischen Medium verkörpert werden kann. Aber die menschliche Intelligenz ist weder an eine bestimmte Art von inneren Bildern noch an eine bestimmte Art von Symbolen gebunden. Wenn sich die Notwendigkeit ergibt, werden zu unserem Wortschatz neue Wörter hinzugefügt. Der menschliche Geist ist erfinderisch genug, um die Symbole zu schaffen, die der Intelligenz und der menschlichen Kommunikation dienlich sein können.

Das Phänomen der gehörlosen Kinder und Jugendlichen, die über keine verbale Sprache verfügen, sollte eine Quelle ständigen Erstaunens über die Erfindungskraft des menschlichen Intellekts sein. Wir normal Hörfähigen sind der verbalen Sprache unserer Gesellschaft ausgesetzt gewesen und können glücklich geschätzt werden, daß uns so einfach fertige Symbole geliefert werden. Diese Symbole erleichtern die soziale Kommunikation und ermöglichten ungezählte Gelegenheiten, sich zu informieren und das Wissen zu erweitern. Man ist in einer solchen Situation sehr leicht der Meinung, hier Unterstützung für die oben erwähnte Theorie zu suchen, die der Sprache die Grundlage für die intellektuelle Entwicklung zuschreibt.

Die gewöhnliche Reaktion auf die Tatsache, daß die sprachlich behinderten Gehörlosen eine normale intellektuelle Entwicklung durchlaufen, ist die Frage: "Wenn sie wirklich denken, worin denken sie dann?" Diese Frage verrät die theoretische Auffassung des Fragenden von Denken und Sprache sehr deutlich. Die Intelligenz Gehörloser kann offenbar nicht als eine Folge der Sprache erklärt werden, aber, wie wir auch einsehen, kann Sprache ebensowenig das intelligente Verhalten normal Hörender erklären.

Wenn man diese Frage neu faßt und fragt, welche Arten von Symbolen die Gehörlosen für sich neu schaffen, müssen wir uns über visuelle, kinästhetische und gestikulierende Symbole Gedanken machen. Gleichzeitig erkennen wir, daß ein großer Teil der intellektuellen Entwicklung hörfähiger Kinder sich deutlicher durch nichtverbalen als durch verbalen Symbolismus aufzeigen läßt.

Trotzdem ist die Tatsache bemerkenswert, daß die meisten gehörlosen Kinder ohne ein gebrauchsfertiges Symbolsystem für die Kommunikation aufwachsen und daher auch ohne das abstrakte System von Symbolen, mit dem wir uns auf Begriffe beziehen. Sie sind sich bei der Kommunikation mit anderen und beim inneren Denken zum großen Teil selbst überlassen. Es ist der Beweis erbracht worden, daß die sprachlich behinderten Gehörlosen begrifflich denken können, und daraus kann man unmittelbar folgern, daß sich das Denken durch den lebendigen Kontakt mit der Umgebung entwickelt, und zwar ungeachtet der Tatsache, ob ein gebrauchsfertiges sprachliches Symbolsystem zur Verfügung steht oder nicht.

Es ist eine umstrittene Frage, ob das Denken der sprachlich behinderten Gehörlosen jemals das Niveau an intellektueller und schöpferischer Leistung erreicht hat, das an unserer Kultur so bewundert wird. Außergewöhnliche Leistungen setzen sicherlich neben Sprachkompetenz - wenn diese dafüt überhaupt notwendig ist - noch viele weitere Faktoren voraus, und die Gehörlosen haben nicht so vielfältige Gelegenheiten zur intellektuellen Entwicklung wie norma Hörfähige.

Außerdem beherrschen die wenigen Menschen, die taub geboren wurden und ungewöhnliche intellektuelle Kompetenz erwarben, normalerweise die Sprache ihrer Gesellschaft. Bevor man ungerechtfertigterweise folgert, daß die Sprache diese Gehörlosen zu der ungewöhnlichen Leistung befähigte, sollte man die Abermillionen von Menschen betrachten, die trotz ihrer Sprachkompetenz "gewöhnliche" Leute bleiben. Darüber hinaus sollte man individuelle Unterschiede ("Talent") akzeptieren oder die familiäre und schulische Situation bei diesen wenigen außergewöhnlichen Menschen untersuchen.

Diese Umweltbedingungen können für die allgemeine intellektuelle, einschließlich der sprachlichen Entwicklung besonders günstig gewesen sein. Keine größere Untersuchung von normalen Gehörlosen und normalen Hörfähigen hat jemals eine substantielle Beziehung zwischen Intelligenzgrad und sprachlichen Messungen zutage fördern können.

Man hat die Sprache zutreffenderweise als die beste Vorstellung bezeichnet, die der Mensch geben kann, und sie ist fraglos eine der höchsten Errungenschaften auf der Evolutionsskala. Wissenschaftler, die versuchen das Geheimnis der Sprachkompetenz und des Sprachgebrauchs zu ergründen, stellen fest, daß für ihre Aufgabe das Verständnis der psychologischen Funktionsweise des menschlichen Organismus erforderlich ist. In diesem Sinne ist ein voll entwickelter Gebrauch der Sprache die Bekrönung des Bauwerks, nicht sein Fundament. Aus diesem Grunde kann Sprache nicht das Mittel zur Erklärung von Fertigkeiten sein, die Voraussetzungen für Sprachkompetenz und Sprachgebrauch sind.

Sprache als Symbol erklärt nichts; nur ein Signal kann für sich genommen eine Handlung erklären und bestimmen. Ein Symbol als solches erklärt oder bestimmt niemals; es stellt einen Zustand des Wissens dar und kann durch dieses Wissen erklärt werden. Signale können konditioniert und direkt übertragen werden. Symbole dagegen sind Stellvertreter eines inneren Wissens, und sie hervorzubringen und zu verstehen, hängt von dieser Wissens- oder Denktätigkeit ab. Um ein Signal zu verstehen, müssen wir die Reaktion des Organismus beobachten; um ein Symbol zu verstehen, müssen wir die innere Denktätigkeit verstehen, durch die das Symbol produziert und verstanden wird.
LITERATUR - Hans Cornelius, Zur Kritik der wissenschaftlichen Grundbegriffe, in Rudolf Carnap / Hans Reichenbach (hrsg), Erkenntnis 2/1931, Amsterdam 1967
    Anmerkungen
  1. Inhelder, Bärbel und Piaget, Jean, The growth of logical thinking from childhood to adholescence, New York 1958, Seite 293
  2. Inhelder, Bärbel und Piaget, Jean, The growth of logical thinking from childhood to adholescence, New York 1958, Seite 253
  3. Inhelder, Bärbel und Piaget, Jean, The growth of logical thinking from childhood to adholescence, New York 1958, Seite 279
  4. Jean Piaget, Psychologie der Intelligenz, Zürich 1946, Seite 32