ra-1 E. HeringTh. ZiehenM. OffnerB. RawitzA. LassonH. Bergson    
 
RICHARD SEMON
Die Mneme
[als erhaltendes Prinzip im
Wechsel des organischen Geschehens]


"Ich bezeichne die Wirkung der Reize als ihre engraphische Wirkung, weil sie sich in die organische Substanz sozusagen eingräbt und einschreibt. Die so bewirkte Änderunge der organischen Substanz bezeichne ich als das Engramm des betreffenden Reizes, und die Summe der Engramme, die ein Organismus besitzt, als seinen Engrammschatz, wobei ein ererbter von einem individuell erworbenen Engrammschatz zu unterscheiden ist. Die Erscheinungen, die am Organismus aus dem Vorhandensein eines bestimmten Engramms oder einer Summe von solchen resultieren, bezeichne ich als mnemische Erscheinungen. Den Inbegriff der mnemischen Fähigkeiten eines Organismus bezeichne ich als seine Mneme."

Aus dem Vorwort
zur ersten Auflage

Der Gedanke, alle diejenigen Erscheinungen in der Welt des Organischen, bei denen es sich um Reproduktionen irgendwelcher Art handelt, unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zusammenzufassen, ist kein neuer. Es liegt so nahe, die Fähigkeit der Organismen, auf dem Weg der Keimbildung ihr körperliches Bild und ihre dynamischen Eigentümlichkeiten wieder aufleben zu lassen, mit dem Reproduktionsvermögen zu vergleichen, das wir bei Menschen und höheren Tieren als Gedächtnis bezeichnen, daß es ein Wunder wäre, wenn diese Übereinstimmung nicht Philosophen und Naturforschern wiederholt aufgefallen wäre. Sollte mir oder einem anderen der Beweis gelingen, daß mehr in diesem Gedanken steckt als ein spielender Vergleich, so werden höchstwahrscheinlich Kenner der menschlichen Geistesentwicklung nachweisen, daß vom Altertum bis in unsere Tage dieser oder jener Denker gelegentlich eine verwandte Vorstellung zum Ausdruck gebracht hat (1). Aussprüchen, daß "die Erblichkeit eine Art spezifisches Gedächtnis der Gattung sei" (2), begegnen wir durchaus nicht selten in der Literatur des vorigen Jahrhunderts.

Die erste nähere Begründung dieses Gedankens stammt meines Wissens aus dem Jahr 1870 und hat zu ihrem Verfasser keinen Geringeren als den berühmten Physiologen EWALD HERING. In einem am 30. Mai vor der Wiener Akademie gehaltenen Vortrag "Über das Gedächtnis als eine allgemeine Funktion der organischen Materie" (Wien 1870) hat HERING auf dem Raum von 20 Druckseiten mit bewunderungswürdiger Schärfe und Klarheit all das zusammengefaßt, was uns bei einer allgemein gehaltenen Betrachtungsweise an augenfälligen Übereinstimmungen zwischen dem Reproduktionsvermögen der Vererbung, dem der Gewohnheit und der Übung und dem des bewußten Gedächtnisses entgegentritt, und hat diese Zusammenstellung in künstlerischer Weise zur Schaffung eines einheitlichen Bildes verwendet. Was aber HERING in diesem meisterhaften Aufsatz nicht unternommen hat, und was offenbar außerhalb seiner Absicht lag, weil er es für genügend hielt, im allgemeinen den Weg zu zeigen, war eine analytische Durchführung des Beweises, daß es sich hier um eine Identität der verschiedenen Reproduktionsvermögen, nicht um eine bloße Analogie handelt, und eine Verfolgung dieses Ergebnisses in alle seine Konsequenzen.

HERINGs Versuch scheint seinerzeit von einem großen Teil der Naturforscher freudig begrüßt worden zu sein. Vor allem schloß sich ihm ERNST HAECKEL in seinem Vortrag über die Perigenesis der Plastidule (Jena 1875) fast unbedingt an (3).

Eine ausführliche Behandlung erfuhr unser Problem in dem 1878 erschienenen Buch von SAMUEL BUTLER "Life and Habit". In vielen Beziehungen ging BUTLER den Übereinstimmungen der verschiedenartigen organischen Reproduktionen mehr in ihre Einzelheiten nach, als es HERING getan hatte, dessen Schrift BUTLER erst nach dem Erscheinen seiner ersten Publikation kennengelernt hat (vgl. BUTLER, Unconscious Memory, 1880). Neben sehr vielem Unhaltbaren enthalten die Schriften BUTLERs manche geistreiche Gedanken, bedeuten aber im Ganzen gegen HERING viel mehr einen Rückschritt als einen Fortschritt. Einen merklichen Einfluß auf die zeitgenössische Literatur haben sie augenscheinlich nicht ausgeübt.

Überhaupt schwindet von Beginn der achtziger Jahre, also gerade von der Zeit an, in der man den Vererbungsfragen besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden begann, mehr und mehr der Einfluß der Gedanken HERINGs. Je tiefer man in die Feinheiten der Karyokinese [Teilung des Zellkerns - wp] und der morphologischen Vorgänge bei der Reifung und Befruchtung der Keimprodukte eindrang, umsomehr strebte man danach, auch die Anschauungen über Vererbung auf eine morphologische Basis zu stellen, ein ansich berechtigtes, vorläufig aber meiner Ansicht nach noch durchaus verfrühtes Bestreben. So kam es, daß, überwuchert von einem Dickicht zahlreicher morphologischer Vererbungshypothesen, der von HERING gewiesene Weg mehr und mehr in Vergessenheit geriet. In der Fachliteratur der letzten 20 Jahre über Vererbung, Entwicklungsphysiologie und Regulationsprobleme wird in der Mehrzahl der Originalaufsätze und Zusammenfassungen der Anschauung HERINGs keinerlei Erwähnung getan, nur von wenigen wird sie zitiert und dann gewöhnlich mit der Erklärung abgetan, es handle sich um nichts weiter als entfernte Analogien.

Freilich finden wir, daß die Anregung HERINGs auf die Anschauungen gerade der hervorragendsten naturwissenschaftlichen Denker unserer Zeit, wie FOREL (4), HAECKEL (5), MACH (6) und andere, einen unverkennbaren Einfluß ausgeübt hat. Aber diese Männer geben im Gegensatz zu der jetzt herrschenden Zeitströmung wohl zu erkennen, daß sie die Grundanschauung für richtig halten; sie haben es jedoch nicht als ihre Aufgabe betrachtet, die eigentliche Durcharbeitung des Problems vorzunehmen und so einen genialen Gedanken zu einer naturwissenschaftlichen Theorie umzugestalten.

Was der bisherigen Behandlung des Gegenstandes fehlt, ist der Nachweis, daß die verschiedenen Erscheinungen der mnemischen Reproduktion etwas Gemeinsames habe, das über die bloße Tatsache der Wiederholung hinausgeht. Sich wiederholenden Erscheinungen begegnen wir auch in größter Mannigfaltigkeit in der anorganischen Natur, ohne sie deshalb in die Reihe der mnemischen Phänomene aufzunehmen. Sie treten überall da auf, wo die gleichen Bedingungen in annähernder Vollständigkeit wiederkehren. Wenn wir die mnemischen Erscheinungen auf eine besondere Eigentümlichkeit der organischen Substanz zurückführen wollen, haben wir vor allen Dingen zu zeigen daß diese Wiederholungen oder Reproduktionen auch ohne vollständige Wiederkehr der gleichen Bedingungen eintreten. Diesen Nachweis aber können wir nur führen mittels einer gründlichen, auf alle Hauptzusammenhänge eingehenden Analyse der ganzen Erscheinung.

Die Vornahme dieser Analyse der mnemischen Reproduktionserscheinungen auf rein physiologischer Grundlage und den damit verbundenen Ausbau eines bisher immer nur flüchtig gestreiften Kapitels der Reizphysiologie betrachte ich als die eigentliche Aufgabe des vorliegenden Buches. An sie schließt sich eine Prüfung des erklärenden Wertes dieser analytisch gewonnenen Resultate durch ihre Anwendung auf die Haupterscheinungen der Ontogenese und der Regulation. Daß ich bei dieser Arbeit jeder Auseinandersetzung mit Ansichten, die von ganz anderen Gesichtspunkten aus dieselben Erscheinungen zu deuten versuchten, unterlassen habe, ist bei der Fülle der zu behandelnden Einzelprobleme selbstverständlich. Einmal wäre sonst der Umfang dieses Buches um ein Vielfaches angeschwollen. Ferner, wenn es mir gelungen sein sollte, die Erscheinungen auf meine Weise einfacher und vollständiger zu beschreiben, als die auf einem anderen Weg bisher möglich war, würde dieser tatsächliche Erfolg sicherer als jede kritische Auseinandersetzung den Widerstreit erledigen.

Prinz-Ludwigshöhe bei München,
August 1904 Richard Semon



Erstes Kapitel
Einleitendes über Reiz und Reizwirkung

Die Aufgabe des vorliegenden Buches ist es, eine besondere Art der Reiz- oder, vielleicht noch besser ausgedrückt, der Erregungswirkung zu untersuchen. Es ist deshalb ein unumgängliches Erfordernis, auf der Grundlage einer möglichst präzisen Definition der Begriffe Reiz und Erregung zu fußen. Nun ist es eine bemerkenswerte Tatsache, daß die reizphysiologische Forschung auf dem Gebiet des Tier-, Pflanzen- und Protistenreichs ihre zahlreichen und bewunderungswürdigen Erfolge errungen hat, ohne daß es bisher zu einer schärferen Prägung und allgemein verwendbaren Fassung dieser Grundbegriffe gekommen wäre. Ich habe dieser Aufgabe deshalb in den beiden ersten Auflagen des vorliegenden Werkes den größten Teil des ersten Kapitels gewidmet. Dann aber habe ich, um dieser Frage die selbständige, von keinen anderen Rücksichten beengte Behandlung zuteil werden zu lassen, die sie verdient, und um das vorliegende Buch zu entlasten, den Gegenstand in einer selbständigen Arbeit behandelt (7). Ich darf mich deshalb jetzt hier darauf beschränken, die wesentlichen Ergebnisse jener Arbeit wiederzugeben, und kann diejenigen, die sich für die näheren Belege und die sich anknüpfenden Unterfragen interessieren, auf die Lektüre der ausführlichen Abhandlung verweisen.

Wir gehen, um einen Ausgangspunkt zu haben, von einer mit dem gewöhnlichen Sprachgebrauch übereinstimmenden und dabei so allgemein gefaßten Definition aus, daß ein Widerspruch gegen dieselbe wohl kaum denkbar ist, und sagen: Unter Reizen verstehen wir gewisse, von bestimmten Erfolgen begleitetet Einwirkungen auf lebende Organismen. Damit ist bereits ausgedrückt, daß wir den Einwirkungen auf die Organismen nur dann Reizcharakter zuschreiben, wenn sie von ganz bestimmten Erfolgen begleitet sind. Der Erfolg charakterisiert also den Reiz als solchen.

Wie beschaffen müssen nun die Erfolge von Einwirkungen auf Organismen sein, um sie im Unterschied von anderen Einwirkungen zu Reizen zu stempeln? Wir können hierbei ein negatives Kriterium in den Vordergrund stellen und sagen, der Erfolg einer Einwirkung stempelt die letztere dann zum Reiz, wenn er in einer Veränderung besteht, wie er gegeüber der entsprechenden Einwirkung bei einem anorganischen Körper oder bei dem betreffenden oder auch anderen Organismen nach Erlöschen des Lebens nicht auftreten würde. Wir pflegen derartige Veränderungen als Reaktionen des lebenden Organismus auf die Einwirkung zu bezeichnen.

Unter diesen Reaktionen können wir nun, je nach der Art, wie der Untersucher sie wahrnimmt, zwei Hauptgruppen unterscheiden.

Die eine Gruppe pflegen wir als die der Empfindungsreaktion zu bezeichnen. Sie beruhen darauf, daß der Erfolg gewisser Einwirkungen, die unseren eigenen Körper betreffen, sich uns in einer unmittelbaren Empfindung: Licht oder Ton oder Druck oder Schmerz offenbart. Diesen Erfolg kann jeder nur an sich selbst wahrnehmen, und wir bezeichnen diese Reaktionen deshalb auch als subjektive. Aus den betreffenden Empfindungen schließen wir dann aufgrund ausgedehnter physiologischer Erfahrungen und Versuche auf ganz bestimmte Erregungsvorgänge in bestimmten Teile unserer reizbaren Substanz.

Zu diesen nur subjektiv wahrnehmbaren Empfindungsreaktionen gesellen sich als zweite Hauptgruppe die objektiv wahrnehmbaren Reaktionen, die dadurch charakterisiert sind, daß ein Organismus auf eine bestimmte Einwirkung mit einer den Sinnen des Beobachters wahrnehmbar zu machenden, d. h. also physikalisch-chemisch nachweisbaren Veränderung antwortet; diese Veränderung kann eine Muskelzuckung oder ein Wachstumsprozeß oder irgendein Stoffwechselvorgang, z. B. eine Ausscheidung oder ein chemischer Umsatz sein.

Ein großer Teil dieser objektiv wahrnehmbaren Reaktionen ist dadurch ausgezeichnet, daß der Erfolg der Einwirkung nicht an derjenigen Stelle der reizbaren Substanz, an der die Einwirkung stattfindet, sondern an ganz entfernten Stellen des Organismus zur Manifestation gelangt. Das markanteste Beispiel dafür liefert dasjenige Gewebe, in dem das Vermögen der Reizbarkeit die höchste Spezialisation erlangt hat, das Nervengeweben der Tiere. Doch ließen sich auch Beispiele aus dem Pflanzenreich anführen. Was das Nervengewebe anlangt, so nimmt man bekanntlich weder am bloßgelegten Gehirn oder Rückenmark, noch an den von ihnen ausgehenden Nerven unmittelbar irgendeine Veränderung wahr, wenn man diese Teile elektrisch mechanisch, chemisch oder auf irgendeine andere Weise reizt. Dafür aber sieht man je nach der Stelle des Nervensystems, die der Einwirkung als Angriffspunkt dient, einmal diese, einmal jene Muskelgruppe zucken, die Atmung sich beschleunigen oder verlangsamen, den Herzschlag sich ändern, Speichel oder Tränendrüsen sezernieren [ein Sekret absondern - wp] usw. Wir beobachten den Erfolg der Einwirkung dann also nicht an der in erster Linie gereizten reizbaren Substanz, der Nervensubstanz, an der wir weder morphologisch noch chemisch eine Veränderung nachweisen können, sondern an entfernten "Erfolgsorganen".

Freilich schließen wir mit gutem Recht auf einen Erfolg der Einwirkung auch auf die zunächst gereizte Substanz, und man ist übereingekommen, diesen Erfolg, diese primäre Veränderung, an die sich die allein wahrnehmbare Reaktion am Erfolgsorgan nur als sekundäre Folge anschließt, als Erregung zu bezeichnen. Erst lange, nachdem man sich über diese Sachlage völlig klar geworden war, fand DUBOIS-REYMOND im elektromotorischen Verhalten der Nerven ein Mittel, den Erregungszustand der nervösen Substanz an dieser selbst nachzuweisen. Durch das veränderte elektromotorische Verhalten der Nervenströme bei der Reizung (negative Schwankung) können wir den Erfolg der Reizung auf die nervöse Substanz selbst nachweisen, und auf demselben Weg können wir den direkten Nachweis des Reizerfolgs für die reizbare Substanz der Drüsen durch die negative Schwankung des Drüsenstroms, des Reizerfolgs für die reizbare Substanz der pflanzlichen Parenchymzellen durch die Reizschwankung des pflanzlichen "Ruhestroms" erbringen.

Wir können nunmehr sagen: Wenn wir die spezifischen Erfolge der von uns als Reize bezeichneten Einwirkungen auf den Organismus als Reaktionen auf den Reiz zusammenfassen, so begreift diese Zusammenfassung sehr heterogene Dinge in sich: erstens unmittelbare Empfindungen; zweitens Beobachtungen, die wir an Erfolgsorganen oft ganz fern vom Angriffspunkt der Einwirkung machen; schließlich Beobachtungen an derjenigen reizbaren Substanz, die von der Einwirkung direkt betroffen ist. In diesem heterogenen Gemisch gibt es aber ein einigendes Moment. Es ist das, worauf wir aus allen diesen drei Arten von Reaktionen schließen: der Vorgang der Erregung in der reizbaren Substanz. Wir können demnach auf die Frage nach den charakteristischen Erfolgen einer Einwirkung, die wir als Reiz bezeichnen, die zusammenfassende Antwort geben: der Erfolg einer Reizung äußert sich in allen Fällen im Auftreten einer Erregung in der reizbaren organischen Substanz.

Erregung ist, wie wir betont haben, immer etwas Erschlossenes und zwar bewegt sich das betreffende Schlußverfahren in einer Richtung, die wir als energetische Betrachtungsweise kennzeichnen können, ganz gleich, ob der Schluß aufgrund unmittelbarer Bewußtseinsreaktionen oder aufgrund der Wahrnehmung solcher Erscheinungen, wie es die negative Schwankung der Ruheströme ist oder schließlich auf noch weiteren Umwegen aufgrund der Wahrnehmung von allerlei Bewegungen, von plastischen Reaktionen von Stoffwechseländerungen erfolgt. Was wir auf diesem Weg erschließen, ist ein energetischer Vorgang in der reizbaren Substanz und somit können wir ganz allgemein die Erregung als einen energetischen Vorgang in der reizbaren organischen Substanz bezeichnen. Über die Form oder die Formen der Energie, die den Erregungsvorgang bedingen, ist es zurzeit unmöglich, bestimmte Aussagen zu machen. Manche Autoren glauben, daß es sich dabei wesentlich um chemische Energie handelt. Andere ziehen es vor, vorläufig einen summarischen Ausdruck für diese bisher nicht mit Sicherheit bestimmte Energieform zu gebrauchen und sprechen von physiologischer Energie oder (entschieden zu eng gefaßt) von Nervenenergie, wobei sie alle allerdings die Wahrscheinlichkeit betonen, daß eine Zurückführung bzw. Zerlegung dieser Energieform in die anderen durch Physik und Chemie genauer bekannten Energien, wie mechanische, thermische, elektrische, strahlende, chemische, die ich hier als elementare Energien bezeichnen will, möglich sein wird. Wir lassen diese Frage auf sich beruhen und sprechen einfach von einem energetischen Vorgang der Erregung oder von Erregungsenergie, die je nach der Reizpforte, durch die sie im Organismus ausgelöst wird, sich außerordentlich verschiedenartig manifestieren kann. Auch hierauf gehen wir an dieser Stelle nicht näher ein.

Wenn wir nun sagen, daß eine bestimmte Einwirkung auf den Organismus sich dadurch als Reiz ausweist, daß sie gesetzmäßig vom Auftreten einer Erregung in der reizbaren Substanz gefolgt ist, so ergibt sich hieraus als eine zwar nicht notwendige aber doch sehr naheliegende Folgerung, daß der gewöhnliche Zustand der reizbaren Substanz ein Zustand der Erregungslosigkeit, der Abwesenheit von Erregung ist. In der Tat wird bei reizphysiologischen Untersuchungen fast immer stillschweigend von dieser Voraussetzung ausgegangen. Für den praktischen Gebrauch läßt sich auch in den meisten Fällen hiergegen nichts einwenden. Ansich ist aber diese Voraussetzung nicht vollkommen zutreffend, sie enthält eine willkürliche Vereinfachung, die dem tieferen Verständnis schädlich werden kann und sich dieser Schädlichkeit nur dadurch entkleiden läßt, daß man sich der vorgenommenen Schematisierung immer bewußt bleibt. Wie ich in der oben zitierten Abhandlung über den Reizbegriff näher auseinander gesetzt habe, ist die Annahme einer zeitweiligen absoluten Erregungslosigkeit der reizbaren Substanz oder einzelner Abschnitte derselben eine Fiktion, die man in erster Linie als solche anzuerkennen hat.

Es hat jedoch, dies vorausgeschickt, meiner Ansicht nach nichts Bedenkliches, bei der Untersuchung der Reizwirkungen einen zwar nicht im strengsten Wortsinn zu verstehenden, aber für den praktischen Gebrauch doch bestimmbaren Indifferenzzustand, einen Zustand zwar nicht absoluter, aber relativer Erregungslosigkeit anzunehmen. In diesem Sinne bitte ich es zu verstehen, wenn ich oben gesagt habe, die Reizwirkung charakterisiere sich als solche durch das Auftreten einer Erregung. Das Korrektere aber bleibt es immer, zu sagen, der veränderte Zustand der energetischen Situation - so bezeichne ich den Inbegriff der Faktoren und Bedingungen, die im gegebenen Augenblick für den Organismus von Bedeutung sind- bedinge einen in bestimmter Hinsicht veränderten Erregungszustand, und an diese Formulierung wollen wir auch zunächst weiter anknüpfen und sie schärfer analysieren.

Zu den Komplexen von Komponenten der gesamten energetischen Situation, die für einen Organismus jeweilig von Bedeutung ist, gehört auch sein eigener Zustand. Wenn also im obigen Satz eine Beziehung festgestellt wird zwischen energetischer Situation des Organismus und Erregungszustand des Organismus, so kann es sich bei dieser Beziehung logischerweise nur handeln um: einerseits die ganze übrige energetische Situation ausschließlich des Erregungszustandes und andererseits eben diesen Erregungszustand.

Wir können uns dieses Verhältnis durch folgende Einteilung noch klarer machen. Wir teilen die gesamte energetische Situation, die für einen Organismus jeweilig von Bedeutung ist, und in der er selbst als ein Teil figuriert, ein in:
    1. Seine äußere energetische Situation. (Die energetische Situation außerhalb der Körperoberfläche des Organismus, soweit sie für ihn von Bedeutung ist.)

    2. Seine innere energetische Situation. Diese letztere wiederum muß geteilt werden in

      a) die innere elementarenergetische Situation,
      b) die innere erregungsenergetische Situation.
Unter einer inneren elementarenergetischen Situation ist die gesamte innere energetische Situation zu verstehen, soweit ihre Komponenten nicht aus Erregungsenergie bestehen, sondern aus den elementaren Energien, die bisher ausschließlich den energetischen Studien der Physik und Chemie zum Gegenstand gedient haben. Man denke an den gegenseitigen Druck, den die Teile des sich entwickelnden wie des fertigen Organismus aufeinander ausüben, an die Wärme, die durch die Funktion der Organe (z. B. Drüsen, Muskeln) erzeugt wird und sich als solche als energetischer Faktor bemerkbar machen kann, an die chemische Wirkung eines im Organismus produzierten Enzyms, einer Säure, kurz an die unzähligen elementarenergetischen Faktoren, die im Getriebe des Stoff- und Formwechsels des Organismus frei werden und dadurch in die Lage kommen, auf die reizbare Substanz einzuwirken.

Unter einer inneren erregungsenergetischen Situation wollen wir, wie dies auch der von uns gewählte Name ausdrückt, denjenigen Teil der inneren energetischen Situation verstehen, der aus Erregungszuständen der reizbaren Substanz des Organismus besteht.

Wir können nun die äußere energetische Situation in ihrer Beziehung zum Organismus mit dessen innerer elementar-energetischer Situation zusammenfassen als elementarenergetische Situation schlechthin und sie der inneren erregungsenergetischen Situation, die wir dann schlechthin als erregungsenergetische bezeichnen können, gegenüberstellen.

Wir können danach den Satz, von dem wir oben ausgegangen sind, jetzt noch schärfer formulieren und sagen: Veränderte Zustände der elementarenergetischen Situation bedingen veränderte Zustände der erregungsenergetischen Situation. In dieser Fassung ist der Satz allerdings noch nicht brauchbar, da wir mit der Methode induktiver Forschung nicht die Gesamtheit der Abhängigkeiten auf einmal erfassen können, sondern zunächst die speziellen Abhängigkeiten, diejenigen eines Einzelfaktors von einem anderen Einzelfaktor, ermitteln müssen. Wir müssen dazu analysieren, müssen Trennungen vornehmen und gegebene, also natürliche Zusammenhänge lösen.

In einer von mir näher in der Abhandlung über den Reizbegriff charakterisierten Weise tun wir dies, indem wir ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis von je einer freilich nur mittels eines gewissen Willkürakts zu isolierenden Komponente der erregungsenergetischen Situation zu je einer besonderen, aus der elementarenergetischen Situation resultierenden Bedingung feststellen. Die aus der elementarenergetischen Situation resultierende Bedingung, die wir als Reiz zu bezeichnen pflegen, kann sowohl im Vorhandensein als auch in der Abwesenheit eines bestimmten elementarenergetischen Faktors bestehen und dieser Faktor kann im ersteren Fall entweder ein aktuell-energetischer oder ein potentiell-energetischer sein. Die näheren Belege hierfür wird man in der zitierten Arbeit (Seite 200-203) finden.

Das Wesen des speziellen Abhängigkeitsverhältnisses einer Komponente der erregungsenergetischen Situation von einer besonderen aus der elementarenergetischen Situation resultierenden Bedingung besteht darin, daß das Auftreten, die Dauer bzw. das Verschwinden der elementargenetischen Bedingung das Auftreten, die Dauer bzw. das Verschwinden der erregungsenergetischen Komponente nach sich zieht.

Die erste Komponente bezeichnen wir dann als Reiz, die letztere als Erregung. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis pflegen wir im Sprachgebrauch als das Verhältnis von Ursache und Wirkung zu bezeichnen. Nun hängt aber in allen Fällen, in denen wir die Kausalzusammenhänge verfolgen,
    "das als Wirkung Bezeichnete von einer Mehrheit von Bedingungen ab, so daß von einem schlichten Hervorbringen und Bewirken von Seiten eines einzigen Etwas keine Rede sein kann". (8)
Dies gilt auch, wie unsere obigen Ausführungen gezeigt haben, in besonders auffälliger Weise für die Beziehung zwischen dem einzelnen Reiz und dem, was man als seine "Wirkung" bezeichnet, der Einzelerregung. Wir haben, wenn wir diese Beziehung als die von Ursache und Wirkung bezeichnen, daher immer ausdrücklich oder stillschweigend den Zusatz zu machen: bei Erfüllung der allgemeinen Bedingungen. Reiz nennen wir somit diejenige elementarenergetische Bedingung, deren Auftreten, Dauer bzw. Verschwinden bei Erfüllung der allgemeinen Bedingungen das Auftreten, die Dauer bzw. das Verschwinden einer Einzelkomponente der erregungsenergetischen Situation, einer Einzelerregung, im Gefolge hat, oder wie wir dies zu bezeichnen pflegen, "bewirkt". Durch sie wird also jene Komponente, d. h. die einzelne Originalerregung nicht nur "ausgelöst", sondern während ihrer Dauer auch aufrecht erhalten, und zu ihren Größenverhältnissen steht die Intensität der durch sie bedingten Erregung in einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis.

Die Formulierung des Abhängigkeitsverhältnisses von Reiz und Erregung, wie sie im obigen Satz gegeben ist, rückt durchaus den zeitlichen Zusammenhang in den Vordergrund, sie beschreibt die zeitliche Abhängigkeit der Erregungskomponente von der elementarenergetischen Bedingung durch die Tatsache, daß unmittelbar nach dem Auftreten des Reizes die entsprechende Erregung auftritt, daß sie andauert, solange jener andauert und daß sie unmittelbar nach dem Verschwinden des Reizes zwar nicht immer gleich spurlos verschwindet, aber doch sofort rapide abfällt und daß nach einem kurzen Zeitraum sich auch nicht mehr Spuren von ihr nachweisen lassen.

Dieser zeitliche Zusammenhang zwischen Reiz und Erregung ist dasjenige, was uns als gesicherte eindeutige Beobachtungstatsache vorliegt und hierauf hat sich meiner Ansicht nach die nähere analytische Beschreibung der Reizwirkung in erster Linie zu stützen. Ich habe eben bereits erwähnt, daß unmittelbar nach dem Verschwinden des Reizes zwar kein völliges Verschwinden, aber in rapider Niveauabfall der Erregung stattfindet. Nur während des Vorhandenseins des Reizes, unmittelbar nach ihm auftretend und unmittelbar nach seinem Verschwinden rapide abfallend, besteht also die Erregung in ihrer vollen Ausbildung. Ich bezeichne diese Phase, in der man die Hauptphase der Reizwirkung zu erblicken hat, als die synchrone, und die durch sie bedingte Erregung als synchrone Erregung.

Nach dem Verschwinden des Reizes erfolgt der rapide Abfall der Erregung, aber es dauer wohl in allen Fällen Sekunden, zuweilen (vielleicht sogar immer?) Minuten, bis die letzten auf irgendeine Weise nachweisbaren Spuren der betreffenden Erregungen völlig abgeklungen sind, und in dieser Hinsicht derselbe Zustand der erregungsenergetischen Situation eingetreten ist, der vor dem Auftreten des Reizes bestanden hat. Ich bezeichne diese abklingende Phase der Erregung vom Verschwinden des Reizes und dem entsprechenden rapiden Niveauabfall der Erregung an bis zu deren gänzlichen Ausklingen als die akoluthe [die Spanne, bei der eine Erregung noch nicht abgeklungen ist und die neue Erregung noch gehemmt wird - wp] Phase der Erregung. Auch diese Phase kann als das Produkt der Reizwirkung aufgefaßt werden; allerdings mehr als das mittelbare Produkt, denn das unmittelbare ist die synchrone Erregung, und deren Hinterlassenschaft ist die akoluthe Erregung. Wenn wir diese letztere als mittelbares Produkt des Reizes auffassen, können wir von einer akoluthen Reizwirkung, einer "Nachwirkung" des Reizes sprechen.

Das Studium der akoluthen Erregungen ist bisher nur in äußerst sporadischer Weise betrieben worden. Auf dem Gebiet der durch Sinnesempfindungen manifestierten Erregungen haben bis jetzt nur die optischen akoluthen Empfindungen und die "Nachbilder" eine intensive Bearbeitung erfahren. In viel geringerem Maße ist dies bei den akustischen akoluthen Empfindungen der Fall gewesen, und, was die übrigen Sinnesgebiete anlangt, so bleibt für sie in dieser Beziehung noch fast alles zu tun übrig.

Auf dem Gebiet der zentrifugalen, speziell der motorischen Erregungen sind besonders die akoluten Erregungserscheinungen, die sich bei elektrischer Reizung der Muskeln und Nerven bemerkbar machen, genauer studiert worden (Öffnungszuckung, Öffnungskontraktion, Öffnungstetanus, Öffnungserregung, Öffnungshemmung). Auch sei erwähnt, daß das im nächsten Kapitel zu besprechende Phänomen der Reizsummation auf einer Summation von akoluthen und synchronen Erregungen beruth, indem neue synchrone Erregungen zu bereits vorhandenen akoluthen hinzukommen, sich zu ihnen hinzuaddieren.

Auch auf pflanzenphysiologischem Gebiet sind verschiedene Fälle von "Nachwirkungen" zur Beobachtung gelangt. Leider hat man aber auf diesem Gebiet fast durchweg nicht die akoluthe Reizwirkung von der gleich zu besprechenden engraphischen, die akoluthe Erregung von der mnemischen in ausreichender Weise unterschieden, und meines Wissens haben nur FRANCIS DARWIN und D. F. M. PERTZ (9) auf den fundamentalen Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen und auf die Unzulässigkeit, den Terminus "after effect", "Nachwirkung", unterschiedslos auf beide anzuwenden, mit der nötigen Schärfe hingewiesen.

Die akoluthe Erregung ist dadurch charakterisiert, daß sie die unmittelbare Fortsetzung der synchronen Erregung ist, der sie sich unter rapidem Niveauabfall anschließt. In manchen Fällen, vielleicht immer, besitzt sie einen oszillierenden Charakter; doch scheinen die Tiefpunkte der Oszillationen immer nur Abschwächungen, nicht Nullpunkte der betreffenden akoluten Erregungen darzustellen. Einige Sekunden, höchstens Minuten nach dem Aufhören eines Reizes ist endlich die akoluthe Erregung vollständig "ausgeklungen" und von ihr als solcher, d. h. als sich in irgendeiner Weise manifestierender Erregung ist durchaus nichts mehr nachweisbar. Die erregungsenergetische Situation befindet sich alsdann in Bezug auf die nunmehr abgelaufene besondere Erregung in demselben Zustand, in dem sie sich vor dem Auftreten des betreffenden Reizes befunden hat. Ich bezeichne den somit wieder eingetretenen Indifferenzzustand - der Ausdruck ist im oben gekennzeichneten Sinn aufzufassen - als den sekundären im Gegensatz zum primären, Indifferenzzustand, d. h. dem Zustand, der vor dem Einfall des Reizes geherrscht hat.

Es scheint fast allgemein die stillschweigende Annahme gemacht zu werden, daß primärer und sekundärer Indifferenzzustand identisch oder so gut wie identisch sind. Sie sind es ja auch in Bezug auf die gerade manifesten Reaktionen. Es wird nun unsere Aufgabe sein, zu zeigen, daß sie es nicht sind in Bezug auf die Reaktionsfähigkeit. Bei den Pflanzenphysiologen hat diese Tatsache mehr Beachtung gefunden als bei den Tierphysiologen, doch finde ich auch bei ersteren keine schärfere Formulierung und systematische Durcharbeitung dieses Problems, dessen Bedeutung für Reizphysiologie und Abstammungslehre meiner Ansicht nach grundlegend ist.


Zweites Kapitel
Engraphische Wirkung der Reize
auf das Indiviuum

In sehr vielen Fällen läßt sich nachweisen, daß die reizbare Substanz des Organismus, gehöre er nun dem Protisten-, Pflanzen- oder Tierreich an, nach Einwirkung und Wiederaufhören eines Reizes und nach Wiedereintritt in den sekundären Indifferenzzustand dauernd verändert ist. Ich bezeichne diese Wirkung der Reize als ihre engraphische Wirkung, weil sie sich in die organische Substanz sozusagen eingräbt und einschreibt. Die so bewirkte Änderung der organischen Substanz bezeichne ich als das Engramm des betreffenden Reizes, und die Summe der Engramme, die ein Organismus besitzt, als seinen Engrammschatz, wobei ein ererbter von einem individuell erworbenen Engrammschatz zu unterscheiden ist. Die Erscheinungen, die am Organismus aus dem Vorhandensein eines bestimmten Engramms oder einer Summe von solchen resultieren, bezeichne ich als mnemische Erscheinungen. Den Inbegriff der mnemischen Fähigkeiten eines Organismus bezeichne ich als seine Mneme. (10)

Wenn ich mich jetzt anschicke, einige experimentelle Beispiele von engraphischen Reizwirkungen bei höheren und niederen Organismen zu geben, so muß ich von vornherein auf einen Umstand aufmerksam machen. Die Fähigkeit, die engraphischen Reizwirkungen festzuhalten, die engraphische Empfänglichkeit, ist nicht bei allen reizbaren organischen Substanzen die gleiche, wie ja auch die Reizbarkeit in Bezug auf die synchrone Erregung bei den verschiedenen Organismen und innerhalb eines Organismus bei den verschiedenen Geweben und Zellarten sehr verschieden ist. Bei den Tieren hat sich im Laufe der Stammesgeschichte ein Organsystem sozusagen zu einem Spezialisten für Aufnahme und Fortleitung von Reizen ausgebildet. Es ist das Nervensystem. Aus dieser Spezialisation ergibt sich allerdings noch kein Monopol des Nervensystems für diese Funktion, selbst nicht bei so hoher Ausbildung desselben, wie wir sie beim Menschen finden. Ist doch, um nur ein recht deutliches Beispiel herauszugreifen, durch einwandfreie Beobachtungen und Versuche nachgewiesen, daß die Muskeln auch bei vollkommener Ausschaltung jeden Nerveneinflusses erregbar sind.

Im gleichen Maß, wie sich die synchrone Erregbarkeit des Nervensystems stammesgeschichtlich schrittweise vergrößert hat, hat auch seine engraphische Empfänglichkeit zugenommen; ebensowenig jedoch wie die Erregbarkeit durch synchrone Reize ist diese Empfänglichkeit dabei zu einem Monopol des Nervensystems geworden. Sie ist auch bei den höheren und höchsten Organismen eine Eigenschaft jeder reizbaren Substanz geblieben und scheint mir mit der Erregbarkeit als solcher untrennbar verbunden zu sein. Unsere Beobachtungen am Nervensystem führen uns also nur zu dem Schluß, daß mit der Steigerung der Erregbarkeit sich auch die engraphische Empfänglichkeit steigert. So sehen wir dann, daß Reize, die zu schwach oder zu kurz sind, um auf eine nicht nervös differenzierte organische Substanz merklich engraphisch zu wirken, in dieser Richtung auf nervöse Substanzen eine sehr starke Wirkung ausüben.

Ich habe diese Auseinandersetzung vorausgeschickt, um den Leser darauf vorzubereiten, daß der Nachweis von engraphischer Wirkung der Reize, besonders dann, wenn es sich um eine experimentelle Erzeugung einer solchen Wirkung handelt, bei nervösen Substanzen sehr viel leichter und deutlicher ist, als bei nicht nervös differenzierten. Bei letzteren müssen die Reize in der Regel sehr viel länger wirken, oder sich sehr viel häufiger wiederholen, um engraphische Wirkungen hervorzubringen, während bei nervösen Substanzen höherer Tiere häufig ein einziger kurzer Reiz genügt, um ein leicht nachweisbares, lange Zeit haftendes Engramm zu erzeugen. So wenig prinzipielle Bedeutung dieser Unterschied hat, umso fühlbarer macht er sich bei der experimentellen Behandlung und bei der Anführung von Beispielen geltend, die in dem Maß schlagender und in ihrer Darlegung auch einfacher ausfallen, je höher differenzierte nervöse Substanzen man wählt.

Aus diesem Grund bringe ich als erstes Beispiel einer engraphischen Reizwirkung eine solche auf die nervöse Substanz, und zwar die nervöse Substanz eines höheren Tieres. Die Annahme, daß man die physiologischen Eigenschaften und Fähigkeiten der organischen Substanzen am besten bei den einzelligen Lebewesen studieren kann, ist ein Trugschluß, freilich ein neuerdings oft proklamierter. Wo die Arbeitsteilung unter den Zellen und Geweben weit fortgeschritten ist, wo ein Organsystem eine besondere Funktion als Spezialität ausübt, ist das Studium dieser Funktion gewöhnlich einfacher, die Antwort, die uns das Experiment auf unsere Fragen gibt, unzweideutiger als da, wo sich die betreffende Funktion weniger vorherrschend und weniger sauber herausgearbeitet findet, mehr mit anderen Funktionen vergesellschaftet ist.

Obwohl wir natürlich beim Studium der engraphischen Reizwirkungen die nicht nervösen organischen Substanzen genauso berücksichtigen müssen wie die nervösen, erscheint mir also als Einführung in das speziellere Studium der Weg vom Differenzierteren zum weniger Differenzierten zweckmäßiger als der umgekehrte.

Wir betrachten also zunächst folgenden Fall. Ein junger Hund, der bis dahin noch keine üblen Erfahrungen mit dem Herrn der Schöpfung gemacht hat, wird auf einem unbeaufsichtigten Spaziergang von Knaben mit Steinen beworfen. Zwei Gruppen von Reizen wirken auf ihn: die optischen Reize der sich nach den Steinen bückenden und dieselben werfenden Menschen (Reizgruppe a) und dies sensiblen, mit Schmerz verbundenen Hautreize, die die ihn treffenden Steine verursachen (Reizgruppe b). Beide Reizgruppen wirken engraphisch; denn nach dem Aufhören der synchronen sowie auch der akoluthen Reizwirkungen zeigt sich der Organismus von nun an in Bezug auf gewisse Reize dauernd verändert. Während zuvor der optische Reiz eines sich rasch bückenden Menschen von keiner besonderen und vor allem von keiner konstanten Reaktion begleitet war, wirkt dieser Reiz jetzt regelmäßig - meist bis an das Lebensende des Tieres - wie ein schmerzerregender Reiz. Das Tier klemmt den Schwanz zwischen die Beine und flieht, oft unter lauten Schmerzgeheul. Wir können dies so ausdrücken, daß die zur Reizgruppe b gehörigen Reaktionen von jetzt an nicht nur durch diese Reize selbst, sondern auch durch die Reizgruppe a ausgelöst werden.

Hier erhalten wir von einer Seite aus einen weiteren Einblick in das Wesen der engraphischen Reizwirkungen. Dasselbe beruth auf einer bleibenden Veränderung der organischen Substanz von der Beschaffenheit, daß der zu Reiz b gehörige synchrone Erregungszustand nicht nur, wie im primären Indifferenzzustand, durch den Eintritt von Reiz b, sondern auch durch andere Einflüsse, in unserem Fall durch Reiz a, neu hervorgerufen, wieder erweckt werden kann. Ich bezeichne die Einflüsse, die das vermögen, als ekphorische Einflüsse, und, wenn sie Reizcharakter tragen, als ekphorische Reize. Nicht alle ekphorischen Einflüsse kann man ohne weiteres als Reize bezeichnen, wie wir im weiteren Verlauf unserer Betrachtungen noch erkennen werden.

Nach Ablauf der unmittelbaren Wirkungen, d. h. der synchronen und akoluthen Wirkungen eines Reizes, und nach Eintritt des sekundären Indifferenzzustandes können wir nur auf folgende Weise erkennen, ob der Reiz eine engraphische Veränderung hinterlassen hat: wir müssen herausfinden, ob der jenem Reiz zugehörige Erregungszustand, der für uns durch bestimmte Reaktionen manifest wird, nunmehr auch durch Einflüsse hervorgerufen werden kann, die quantitativ und qualitativ von einem engraphischen wirksamen Reiz verschieden sind. Einen Reiz, der, zum ersten Mal auftretend, engraphisch wirkt, bezeichne ich als Originalreiz, die ihn begleitende synchrone Erregung zusammen mit ihrer akoluthen Nachfolgerin nenne ich in Bezug auf diesen Reiz und seine weiteren Folgen Originalerregung.

Daß der Reiz selbst bei jeder Einwirkung den ihm zugehörigen synchronen Erregungszustand hervorruft, ist ja selbstverständlich, und deshalb unbeweisend für den Nachweis einer vorhergegangenen engraphischen Veränderung. Ein Reiz muß deshalb quantitativ oder qualitativ vom Originalreiz verschieden sein, wenn von ihm aufgrund einer objektiven Untersuchung behauptet werden soll, daß er ekphorisch wirkt, d. h. daß der von ihm hervorgerufene Erregungszustand Produkt der Ekphorie eines Engramms, nicht einfach ein synchroner Erregungszustand ist. Um diesen Beweis voll zu erbringen, ist es sogar notwendig, durch den Versuch zu zeigen, daß dieser ekphorische Einfluß ansich quantitativ oder qualitativ nicht ausreichend ist, ohne vorhergegangene Einwirkung des Originalreizes die letzterem zugehörige Reaktion auszulösen. Im vorliegenden Fall hat man es leicht, diesen Beweis zu erbringen, indem man das Verhalten des Tieres vor der schmerzhaften Erfahrung mit dem nach derselben vergleicht.

Die Quintessenz des angeführten Beispiels, dem sich noch hundert andere von Säugetieren, Vögeln, Reptilien, gewissen Insekten und Cephalopoden anreihen ließen, läßt sich in folgenden Sätzen ausdrücken:
    1. Reiz a löst als Originalreiz nur Erregung α aus.
    2. Reiz b löst als Originalreiz nur Erregung β aus.
    3. Erregung + β) wird als Orininalerregung nur durch Reiz (a + b) ausgelöst.

              Dagegen kann
    4. Erregung + β) als mnemische Erregung, d. h. nach früherer Einwirkung von Reiz (a + b) und Erzeugung des Engramms (A + B), schon allein durch Reiz a als ekphorischem Reiz ausgelöst werden.
Bei niederen Tieren, Pflanzen und Protisten ist es in der Regel nicht möglich, durch die Einwirkung eines einmaligen, kürzer andauernden Reizes eine engraphische Wirkung zu erzielen. Es bedarf dort einer längeren, bzw. häufiger wiederholten Reizung. Doch hat sich meine schon in der ersten Auflage des vorliegenden Werkes (Seite 26) geäußerte Ansicht vollständig bestätigt, daß es durch ein weiteres Studium gelingen wird, sprechende experimentelle Beispiele von engraphischer Reizwirkung jeder Art bei niederen Formen ans Licht zu ziehen. So haben die im letzten Jahrzehnt angestellten Beobachtungen von BOHN, JENNINGS, van der GHINST u. a. bei niederen wirbellosen Tieren (niederen Mollusken, Echinodermen, Coelenteraten - von den höher organisierten Krebstieren ganz zu schweigen -) den Nachweis deutlich zutage tretender und lange Zeit haftender engraphischer Reizwirkung geführt (11). Bei Infusorien (Vorticella) wurde solche Wirkungen, deren Spuren sich immerhin mehrere Stunden erhalten, schon im Jahr 1895 von HODGE und AIKINS (12) nachgewiesen.

Seit dem Erscheinen der ersten Auflage der Mneme hat FRANCIS DARWIN in Verfolgung der dort eingeschlagenen Gedankengänge verschiedene Beispiele von vereinigten (assoziierten) Engrammen auf pflanzenphysiologischen Gebiet beigebracht (13). Schon früher (14) war es demselben Forscher zusammen mit DOROTHEA PERTZ gelungen, bei Pflanzen zwei verschiedenartige Engramme, nämlich photische bzw. geotropische mit Stoffwechselengrammen (Zeitengrammen) zu assoziieren.

Eine engraphische Wirkung läßt sich übrigens experimentell schon bei der Anwendung von einer Reizqualität allein nachweisen, und zwar dadurch, daß man zeigt, daß nach wiederholter oder längerer Einwirkung eines Reizes und nach Rückkehr des Organismus in den sekundären Indifferenzzustand eine quantitativ kleinere energetische Einwirkung derselben Art genügt, um denselben Erregungszustand bzw. dieselben Reaktionen hervorzurufen, die vorher als Originalerregungen nur auf einen stärkeren Reiz hin auftraten. Solche Wirkungen treten bei Tieren mit mäßig hoch differenziertem Nervensystem schon auf wenige, kurze Reize hin auf. So fanden DAVENPORT und CANNON (15) bei ihren auf andere Fragen gerichteten Experimenten mit Daphnien ganz beiläufig, daß sich die Reaktion ihrer Objekte auf den Lichtreiz, auf den sie positiv heliotropisch reagieren, nach wenigen kurzen Reizen merklich ändert. Es bedurfte, um dieselbe oder selbst eine stärkere Reaktion auszulösen, alsdann nur eines Viertels des Lichtreizes, der am Anfang der Versuche für dieselbe Reaktion erforderlich war. Das Resultat war ein konstantes. Ganz ähnlich zu beurteilen sind gewisse von Botanikern und Protistenforschern häufig gemachte Beobachtungen über die Änderung der sogenannten "Lichtstimmung" (16) unter dem Einfluß photischer Reize. Die Reaktionen, durch die diese den Eintritt des sekundären Indifferenzzustandes überdauernden Veränderungen manifest werden, können sowohl motorische wie Wachstumsreaktionen sein. In Bezug auf letztere fand z. B. OLTMANNs (17) folgendes bei Pilzen, die 10 Stunden lang einer äußerst intensiven Beleuchtung durch ein elektrisches Bogenlicht ausgesetzt worden waren, dann 15 Stunden verdunkelt und darauf wieder intensiv beleuchtet wurde. Unter dem Einfluß dieser erneuten Beleuchtung machten die Fruchtkörper
    "anfänglich starke negative Krümmungen, dann aber wurden dieselben bald ausgeglichen, und in relativ kurzer Zeit setzten positive Bewegungen ein, die nun mit viel größerer Energie dauernder anhielten als am Tag zuvor und auch schärfere Krümmungen herbeiführten. Daß diese letzteren durch die vorangehende intensive Beleuchtung bedingt waren, d. h. daß infolge gesteigerter Lichtstimmung die Bewegungen energischer ausfielen, ist einigermaßen klar."
Drücken wir das Wesentliche dieser und der vorher angeführten Beobachtung in Sätzen aus, die denen entsprechen, welche das Resultat unseres ersten Beispiels zogen, so ergibt sich folgendes:
    1. Reiz a/2 löst als Originalreiz nur Erregung a/2 aus.

    2. Reiz a löst als Originalreiz nur Erregung α aus, oder anders ausgedrückt:

    3. Erregung α wird als Originalerregung nur durch Reiz a ausgelöst.

              Dagegen kann
    4. Erregung α als mnemische Erregung, d. h. nach früherer Einwirkung von Reiz a und Erzeugung eines Engramms A, schon allein durch Reiz a/2 als ekphorischem Reiz ausgelöst werden.
Weitere Beispiele für die engraphische Wirksamkeit der Reize bzw. Erregungen sowohl im Individuum selbst als in seiner Deszendenz werden im Laufe dieser Untersuchung noch in größerer Zahl vorgeführt werden. Im gegenwärtigen Augenblick halte ich es, statt weitere Beispiele zu bringen, für angemessener, in die genauere Analyse der engraphischen Reizwirkung und ihrer Manifestationen einzutreten, eine Analyse, die in diesem einführenden Teil unserer Arbei freilich nur einen provisorischen Charakter tragen wird, und die erst im zweiten Teil ihren Abschluß finden kann.

Bei unserer jetzigen Untersuchung gehen wir aus von einem Zustand des Organismus, den ich oben als primären Indifferenzzustand bezeichnet habe.

Primärer Indifferenzzustand: unter dieser Bezeichnung haben wir einfach den Zustand des betreffenden Organismus bei Beginn unserer jeweiligen Beobachtungen und Versuche zu verstehen. Diese Definition hat den Vorzug, durchaus klar und unzweideutig zu sein. Wir sehen uns aber durch sie selbstverständlich vor die Aufgabe gestellt, jedesmal den Zustand des Objekts bei Beginn der Beobachtungen oder Versuche möglichst genau zu erforschen. Große Schwierigkeiten erwachsen dieser Erforschung nach zwei Richtungen. Einmal besitzen die Objekte, die wir zur Untersuchung heranziehen, wenn sie nicht gerade soeben von den elterlichen Organismen losgelöste Keime sind, schon eine Summe von individuell erworbenen Engrammen, und zwar von Engrammen, die sich vielleicht mit denen, deren Entstehung wir beobachten oder die wir künstlich erzeugen wollen, nahe berühren. Nehmen wir z. B. ein einjähriges Individuum der Sinnpflanze, Mimosa pudica, und suchen es engraphisch durch Lichtreize zu beeinflussen, so genügt es durchaus nicht, seine Lichtreaktionen in den letzten 24 Stunden vor Anfgang der Versuche zu konstatieren. Diese Reaktionen können Ende September in Christiana bei einer dort gezogenen und bei einer direkt vom Äquator importierten einjährigen Pflanze fast identisch sein. Man hat aber die Möglichkeit im Auge zu behalten, daß vielleicht wenige Monate später Verschiedenheiten manifest werden können, die ohne Berücksichtigung der Engramme, die beide Pflanzen auf ihren verschiedenen Standorten erwarben, die ganz unerklärlich sein würden. Der beste Ausweg dürfte es da sein, die Versuchsobjekte, wenn irgend möglich, direkt aus Samen und Eiern zu ziehen und unter Bedingungen zu halten, bei denen wir die betreffenden Reize, deren engraphische Wirkung studiert werden soll, einigermaßen kontrollieren können. Eine Mimosa, die das Jahr über täglich genau 12 Stunden in einem künstlich erhellten und 12 Stunden in einem künstlich verdunkelten, gleich temperierten Raum verbracht hat, ist ein besser überschaubaures Objekt als eine, die der natürlichen Beleuchtung ausgesetzt war. Am besten aber, man nimmt Objekte, auf die in ihrem individuellen Leben noch keine oder doch verhältnismäßig nur sehr wenige Reize eingewirkt haben, die Keimpflanze im Moment, wo sie, sich aus dem Boden erhebend das Licht des Tages erblickt, das junge Hühnchen, wenn es die Eierschale verläßt, oder man sucht doch, wenn dies nicht angeht, möglichst Individuen aus, die wenigstens demjenigen Reiz, dessen engraphische Wirkung man studieren will, bisher entzogen gewesen waren.

Unsere bisherige Methode, engraphische Veränderungen durch objektive Beobachtung, also ohn Anwendung von Introspektion festzustellen, war die, die Veränderung der Reaktionsfähigkeit zwischen primären und sekundären Indifferenzzustand nachzuweisen. Je weniger individuell erworbene Engramme im Primärzustand vorhanden sind, um so unkomplizierter die Aufgabe.

Nun ist aber das Individuum, das sich im einzelligen Stadium als Ei soeben vom elterlichen Organismus abgelöst hat, zwar in Bezug auf seine individuelle Mneme noch jungfräulicher Boden. Wie wir aber später ausführlich erörtern werden, besitzt auch dieses schon ererbte Engramme, und zwar einen ungeheuren Reichtum von solchen. Im Hinblick darauf ist heutzutage, wo frisch durch Überzeugung geschaffenes organisches Material auf unserem Planeten nicht mehr erhältlich ist, kein einziger Organismus, ob Ei, ob ausgewachsenes Geschöpf, den wir der Beobachtung unterwerfen, mnemisch als ein unbeschriebenes Blatt zu betrachten. Die Keimzelle, die eben noch ein Teil der Mutter war und an deren Mneme teilhatte, schafft, wie a priori anzunehmen wäre und wie sich durch beliebig viele Tatsachen erweisen läßt, durch den Akt der Ablösung von der Mutter und den Eintritt in eine neue Individualitätsphase in Bezug auf ihre Mneme nicht tabula rasa. Es wird später unsere Aufgabe sein, zu untersuchen, inwieweit die Keimzellen an den individuellen und an den ererbten Engrammen des Gesamtorganismus teilhaben, und inwieweit sie ihren Anteil nach ihrer Ablösung bewahren.

Engraphisch wirkender Reiz: energetische Einflüsse aus all den Energiegruppen, von denen wir wissen, daß sie bei Organismen synchrone Erregungen auslösen, können eben durch Vermittlung dieser Erregungen engraphisch wirken, also: mechanische, geotropische, akustische, photische, thermische, elektrische und chemische Einflüsse. Magnetische Einflüsse scheinen überhaupt unvermögend zu sein, bei Organismen als Reize zu wirken; ist diese Annahme richtig, so können solche Einflüsse natürlich auch nicht engraphisch wirken. Außerdem ist es wohl möglich, daß Energien, die sich bisher unserer Kenntnis entzogen haben, bei den Organismen synchrone Erregungen auslösen und dadurch auch engraphisch wirken können. Erst kürzlich ist ja eine bis dahin unbekannte Art von strahlender Energie, die sogenannten X-Strahlen, entdeckt und bald darauf auch ihre Fähigkeit, organische Körper als Reiz zu beeinflussen, erkannt worden. Dasselbe gilt von der Radiumstrahlung (18). Obwohl ich deshalb die Liste der Energien, die als Originalreize und in zweiter Linie als engraphische Reize wirken, durch obenstehende Aufzählung keineswegs erschöpft zu haben glaubt, gibt sie uns in der gegenwärtigen Phase unserer Untersuchung eine ausreichende Orientierung.
LITERATUR - Richard Semon, Die Mneme als erhaltendes Prinzip im Wechsel des organischen Geschehens, Leipzig 1920
    Anmerkungen
    1) Vgl. zum Beispiel Abschnitt 39 in ERASMUS DARWIN, Zoonomia or the laws of organic life, London 1894-1798.
    2) THEODULE RIBOT, Die Erblichkeit (übersetzt von OTTO HOTZEN), Leipzig 1876
    3) Wie ich neuerdings in Erfahrung gebracht habe, hat zwei Jahre nach HERING und unabhängig von ihm der Kliniker THOMAS LAYCOCK ähnliche Gedankengänge verfolgt und sie später in seinem interessanten Aufsatz "A Chapter on some Organic Laws of Personal and Ancestral Memory", Journal of Mental Science, Vol. XXI, 1875 zum Ausdruck gebracht. Eben möchte ich hier HENRY B. ORR anführen, der denselben Grundgedanken, zu dem er ebenfalls ganz selbständig gelangt ist, in seinem Buch "A Theory of Development and Heredity", New York 1893, vertreten hat. Auf die historische Seite des Gegenstandes einzugehen wird erst dann an der Zeit sein, wenn es gelungen ist der Grundanschauung diejenige Geltung in der biologischen Wissenschaft zu verschaffen, die ihr meiner Ansicht nach zukommt (Anmerkung zur dritten Auflage).
    4) AUGUST FOREL, Das Gedächtnis und seine Abnormitäten, Zürich 1885, Seite 12-14.
    5) ERNST HAECKEL, Die Perigenesis der Plastidule, Jena 1875; ders. Die Lebenswunder, Stuttgart 1904, Seite 481.
    6) ERNST MACH, Analyse der Empfindungen, dritte Auflage, Jena 1902, Seite 58.
    7) RICHARD SEMON, Der Reizbegriff, Biologisches Zentralblatt, Bd. 30, Nr. 5 und 6, März 1910
    8) vgl. WILHELM SCHUPPE, Grundriß der Erkenntnistheorie und Logik, Berlin 1864, Seite 61.
    9) FRANCIS DARWIN and D. F. M. PERTZ, On the artificial Production of Rhythm in Plants, Annals of Botany, Vol. XVII, 1903, Seite 104.
    10) Ich wähle für die so von mir definierten Begriffe eigene Ausdrücke. Zahlreiche Gründe bestimmen mich, von den guten deutschen Worten Gedächtnis und Erinnerungsbild keinen Gebrauch zu machen. Zu den hauptsächlichsten dieser Gründe gehört in erster Linie der, daß ich für meine Zwecke die vorhandenen deutschen Worte in einem viel weiteren Sinn fassen müßte, als sie gewöhnlich gebraucht werden, und dadurch zahllosen Mißverständnissen und zwecklosen Polemiken Tür und Tor öffnen würde. Es wäre auch sachlich ein Fehler, den weiteren Begriff mit einer Bezeichnung zu belegen, die für gewöhnlich in einem engeren Sinn gebraucht oder gar, wie die Bezeichnung Erinnerungsbild, fast immer mit Bewußtseinsphänomenen gedacht wird.
    11) Vgl. die Zusammenstellungen bei GEORGES BOHN, La Naissance de l'Intelligence, Paris 1909, dt. Übersetzung von ROSE THESING unter dem Titel: Die Entstehung des Denkvermögens, Leipzig 1910. Ferner H. S. JENNINGS, Das Verhalten der niederen Organismen, Leipzig und Berlin 1910.
    12) C. F. HODGE und H. A. AIKINS, The daily Life of a Protozoon, American Journal of Psychology, Vol. VI, 1895.
    13) FRANCIS DARWIN, Lectures on the physiology of movement in plants, 1. Associated stimuli, The New Phytologist, Vol. V, Nr. 9, 1906
    14) FRANCIS DARWIN and DOROTHEA PERTZ, On the artificial production of rhythm in plants, Annals of Botany, Vol. VI, 1892 und Vol. XVII, 1903.
    15) C. B. DAVENPORT and W. B. CANNON, On the determination of the direction and rate of movement of organisms by ligt, Journal of Physiology, Vol. XXI, 1897, Seite 32.
    16) Der Ausdruck "Stimmung" wird außerdem noch bei vielen anderen Gruppen von Erscheinungen angewendet, bei denen es sich nicht um mnemische Phänomene handelt. Ich vermeide ihn deshalb ganz, ebenso wie den Ausdruck "Nachwirkung", der von den Physiologen in der Regel unterschiedslos für akoluthe und engraphische Reizwirkungen gebraucht wird (vgl. oben).
    17) FRIEDRICH OLTMANNs, Über positiven und negativen Heliotropismus, Flora oder Allgemeine Botanische Zeitung, Bd. 83, 1897
    18) OSCAR HERTWIG, Neue Untersuchungen über die Wirkung der Radiumstrahlung auf die Entwicklung tierischer Eier, Sitzungsbericht der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 39, 1910.