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im Gespräch mit SENTA TRÖMEL-PLÖTZ Anders reden: aber wie? [2/2]
KRATTIGER: Und das Andersreden wäre in diesem Fall vielleicht eben das, daß wir dasselbe tun wie beim Mann, daß wir dann einfach nichts sagen, daß wir dann einfach grüezi sagen. TRÖMEL-PLÖTZ: Ja, es geht ja prima, warum braucht man bei Frauen das Fräulein? Übrigens, die Unterscheidung Fräulein - Frau macht unsere Sprache verfügbar. Es muß nicht so sein; also ich könnte mir gut eine Sprache vorstellen - und wir schaffen das ja auch ab, diese Unterscheidung -, in der diese Unterscheidung überhaupt nicht gegeben ist. KRATTIGER: Ja, du hast mal in einem Artikel geschrieben: Das Äquivalent zum Vorstellen von Fräulein Maier wäre Herr Maier, er ist nicht verheiratet, und das Äquivalent zu Frau Maier: Herr Maier, er ist verheiratet. Ja, dann wüßten wir gleichviel über die beiden Leute, nicht? TRÖMEL-PLÖTZ: Aber bei Frauen geben wir zusätzlich die Information verheiratet oder nicht verheiratet mit. Wenn wir uns mal fragen, für wen wir das eigentlich mitgeben, dann ist es sehr lustig, nicht? Die Information wird mitgegeben für die Männer, sicher nicht für die Frauen... KRATTIGER: damit die wissen, woran sie sind. TRÖMEL-PLÖTZ: Ja, also, um noch mal zu zeigen, wie wichtig Sprache ist und deshalb auch die Änderung der Sprache: In der Sprache wird ja sozialisiert, Kinder werden sozialisiert mit Hilfe der Sprache... KRATTIGER: großgezogen... TRÖMEL-PLÖTZ: es wird erzogen in der Sprache, die Lehrbücher, das Erziehen in der Schule, das geht alles über das Instrument Sprache. Also da wird in der Schule dann oder zu Hause in der Familie eine bestimmte Wirklichkeit hergestellt, nicht? Es ist deshalb ganz wichtig, was für eine Wirklichkeit hergestellt wird, also nicht eine mit dem Status quo, mit der wir uns nicht identifzieren wollen, sondern eine Wirklichkeit, die auch unsere ist. Also dieses Wirklichkeit-Herstellen ist wichtig, weil wir etwas sehr Wesentliches ändern, wenn wir die Sprache ändern, nämlich wie die nächste Generation reden wird, das ändern wir damit, wenn wir heute unsere Schulbücher ändern. KRATTIGER: Ich möchte in diesem Zusammenhang auch ein ganz, ganz kleines Beispiel erwähnen: Ich habe das dieser Tage in einer Buchhandlung gefunden und habe mich davon sehr angesprochen gefühlt als Patin von einem Mädchen und auch von einem Jungen, daß ich beispielsweise eben auch Kinderbücher schenken kann, die sprachlich andere Vorstellungen und andere Bilder mit sich bringen. Da geht es z.B. in einem ganz kleinen Bilderbuch Sichelmond und Sterne von MARIE MARCKS darum, daß zwei Buben in einem Zelt übernachten wollen, und die kleine Schwester möchte mitmachen, und sie bettelt, laßt mich doch bitte, bitte mitmachen, und die Brüder sagen, das fehlt ja noch, ein Mädchen in unserem schönen Zelt, du machst ja vor Angst ins Bett, kaum daß es dunkel ist, sagt der Bruder, und der andere Bruder sagt, ins Bett, das ging ja noch, aber ins Zelt, nein, ausgeschlossen, nein, Weiber können wir nicht gebrauchen. Und das Mädchen macht dann auf Befehl der Brüder Nachtwache vor dem Zelt, und sie denken, daß sie vor Angst wegläuft, aber das tut sie eben überhaupt nicht, sie hält Nachtwache, hat zunächst furchtbar Angst, natürlich, dann überwindet sie ihre Angst und freut sich an der schönen Nacht und weckt am Morgen ganz tapfer und glücklich ihre Brüder, die sich kaum erholen können vor Staunen über ihre Schwester. Ich glaube, so ein Kinderbüchlein, das nicht einfach die Dinge umdreht, aber ein tapferes Mädchen zeigt, das ist ein Stück, wirklich ein Stück Bewußtseinsveränderung. Dieses Kinderbüchlein ist jetzt vielleicht ein gutes Beispiel für die Frage: Wenn wir etwas anders machen wollen, wie können wir es dann anders machen? Denn hier wird gezeigt: Ein Mädchen widerspricht dem klassischen Klischee, wie Mädchen sein sollen. TRÖMEL-PLÖTZ: Frauen sichtbar machen ist sicher eine Art und Weise, nicht wahr? Hier wird ja auch ein Mädchen sichtbar gemacht in ihrer Tapferkeit, nicht? Frauen in bestimmten Berufen, in denen sie schon sind, in denen sie etwas leisten, sichtbar zu machen, das ist sehr wichtig. Und zwar nicht nur in Lehrbüchern, sondern überall. In den Zeitungen, in Bildmaterial, wo immer: Frauen explizit zu nennen. Immer, wenn es Frauen in einem bestimmten Beruf gibt, sie auch zu nennen... KRATTIGER: darzustellen, zu zeigen, sie in Formularen aufzunehmen, also ich denke da an die vielen vorgedruckten Papiere... TRÖMEL-PLÖTZ: ja, jetzt kam gerade wieder die Steuererklärung. Da kam ich wieder überhaupt nicht vor in der Schweizer Steuererklärung, auch in der Unterschrift nicht, die Unterschrift war nur vom Ehemann, oder wie immer das heißt, vom Steuerzahlenden.. KRATTIGER: vom Unterzeichneten... TRÖMEL-PLÖTZ: verlangt, und obwohl ich auch Steuer bezahle, konnte ich gar nicht unterschreiben auf dem Formular, es war nicht vorgesehen, nicht? Also Frauen sichtbar machen, zeigen, daß sie auch arbeiten, daß sie auch Steuern zahlen, daß sie auch Leistung erbringen, das ist ganz wichtig. Sie explizit zu nennen, wenn es wirklich um Frauen geht. Es gibt die Pluralverwendung als eine Möglichkeit; also es ist weniger beleidigend und weniger ignorierend, als eben nur von der Mensch zu reden, der Bürger, wenn man von Menschen und Bürgern redet, das ist ein Zwischenschritt, um zu den Bürgerinnen und Bürgern zu kommen... KRATTIGER: die Menschen, die, und der Mensch, der ... TRÖMEL-PLÖTZ: Das Problem ist der Mensch, der, und man spricht dann weiter, er macht dies und jenes und seine Entfaltung und seine Leistung, und dabei denkt man schon immer nur wieder an Männer, nicht? Allen Menschen werden Brüder. Also: der Menschen, seine Leistung, seine Entwicklung, er, der. Das ist sehr verführerisch in unserer Sprache, daß wir eben wirklich nur an Männer dabei denken und nicht mehr an Frauen. KRATTIGER: In Gesprächen über Sprache habe ich sehr oft von Frauen und Männern, die diesen Gedanken durchaus wohlwollend gegenüberstehen, den Vorwurf gehört, aber ihr seid ja verrückt, wenn ihr solche Sachen machen wollt, das ist alles häßlich, schwerfällig, umständlich, wie soll ich das im Alltag durchhalten? Der Druck der Gewohnheit beim man sagen, beim n Bier, Fräulein! das ist alles so stark! Was ist gegen dieses Argument zu sagen: Es ist umständlich, es ist schwerfällig, es ist mühsam? TRÖMEL-PLÖTZ: Ja, es ist sicher mühsam, alles Neue ist mühsam, und wir lernen da in einem bestimmten Sinn eine neue Sprache, und unsere alte ist einfacher, weil die schon automatisch geworden ist, die können wir, und die haben wir schon jahrelang benutzt. Das ist einfach, weniger kompliziert. Es kommt uns auch dann so vor, daß Dinge, die sogar einfacher und ökonomischer sind, schwieriger ausschauen. Es ist auf jeden Fall ökonomischer, das Fräulein wegzulassen und nur die Bezeichnung Frau zu verwenden, parallel zu Herr in der Anrede, das ist ökonomischer. Also, etwas, das einfacher ist und ökonomischer, fällt uns deshalb noch nicht leichter. Was uns leichter fällt, ist das, was wir automatisch tun und immer schon getan haben und wo wir keinen Gedanken mehr darauf verschwenden müssen. Aber es ist kürzer, Thatcher zu sagen als Frau Thatcher , und es ist auch fairer, und wenn es eben fairer ist, bestimmte Formulierungen zu benutzen, die auch etwas länger sind, dann benutzt man sie eben, wenn man fair sein will. KRATTIGER: Wir haben uns bis jetzt eigentlich ausschließlich darüber unterhalten, wie Andersreden im Hinblick auf Wortwahl, Redewendungen aussehen könnte, und ich möchte doch noch gern die Frage ansprechen, wie ist es, wenn Frauen und Männer untereinander reden, wie lassen sich da Veränderungen durchführen? Wir haben gesehen, Männer reden im Schnitt häufiger und länger als Frauen, trotz des Klischees von der geschwätzigen Frau, Frauen werden häufig von Männern unterbrochen, Frauen selber unterbrechen Männer selten, Frauen haben Mühe, zu Wort zu kommen und ihre Rederecht zu behalten, wenn sie es einmal haben, und Männer haben mehr Chancen, den Ablauf, die Themen eines Gesprächs zu bestimmen, während Frauen die Gesprächsarbeit leisten, den Gesprächsablauf unterstützen. Was können Frauen denn anders machen, damit sie in Gespräcen nicht diese Mühe haben, sich durchzusetzen? TRÖMEL-PLÖTZ: Also hier wird's sehr viel schwieriger, nicht? Sehr, sehr viel schwieriger. Frauen haben nicht die gleichen Rechte in Unterhaltungen und Gesprächen, in Diskussionen, in Fernsehdiskussionen z.B., sie haben nicht die gleichen Rechte wie Männer. Und das Wichtigste ist zu sehen, überhaupt zu merken, was abläuft, z.B. in einem Gespräch oder in einer Diskussion, aber auch in anderen Gesprächen, in privaten Gesprächen, muß ich zunächst einmal merken, daß ich anders behandelt werde als ein Mann, also daß ich z.B. nicht zu Wort komme, daß ich sehr viel häufiger unterbrochen werden, daß ich das Thema nicht bestimmen kann, daß mein Thema unter den Tisch fällt, mein Vorschlag unter den Tisch fällt, niemand ihn diskutiert. Dann kann ich sehen, was für Möglichkeiten ich haben in der Situation, etwas zu unternehmen, wie ich z.B. versuchen kann, zu Wort zu kommen, besser in einer Diskussion zu Wort zu kommen. Wenn ich gleichzeitig mit einem Mann einsetze, dann ist es normalerweise so, daß der Mann einfach diese Überlappung, die sich dann ergibt - zwei Leute sprechen zur gleichen Zeit -, länger aushält, ja? Nun muß ich versuchen, daß ich das länger aushalte, so daß ich zu Wort komme. Also, es gibt legitime Mittel, und es gibt weniger legitime Mittel, z.B. die Unterbrechung, daß Frauen unterbrechen. Also wenn eine Frau den Moderator unterbricht oder einen anderen Diskussionsteilnehmer oder eine Diskussionsteilnehmerin - das ist natürlich schlecht - unterbricht, dann wird das kaum sehr viel oder sehr lange geduldet werden ... KRATTIGER: während das Männer untereinander ... TRÖMEL-PLÖTZ: während Männer das ständig tun ... KRATTIGER: ständig tun: untereinander und gegenüber Frauen? TRÖMEL-PLÖTZ: Ja, ja, also da ist es sehr schwierig für Frauen, Widerstand zu leisten, vor allem in einer öffentlichen Diskussion, wo es darum geht, ums Wort zu kämpfen, und wo es darum geht, daß eine Seite gewinnt, also wo es um Macht geht, darum, wessen Wirklichkeit, wessen Bild der Wirklichkeit gewinnt. Da können sich Frauen kaum durchsetzen. KRATTIGER: Ich höre da sehr oft den Vorwurf, ihr Frauen, ihr müßt halt genauso gut sein, genauso kompetent, genauso selbstbehauptend wie Männer, ihr müßt euch gleich verhalten, dann müßt auch ihr eben durchreden und unterbrechen. Frage: Sollen Frauen das tun, sich diesem Verhalten, wie es Männer in solchen Gruppen offenbar tun, anpassen? Und zweitens: ist es nicht auch legitim, wenn Frauen irgendwo finden: Nein, wir möchten uns eigentlich gar nicht so verhalten? TRÖMEL-PLÖTZ: Also zunächst: Es geht gar nicht, daß Frauen sich so verhalten wie Männer. Es ist nicht erlaubt für eine Frau, so zu reden, wie ein Mann, z.B. so oft zu unterbrechen, sich so zu produzieren, die gleichen Techniken anzuwenden, wie Männer das tun, das wäre nicht erlaubt. Es gibt nur die Möglichkeit: entweder sich anzupassen, so zu reden, wie's von Frauen erwartet wird, dann hat frau nur sehr wenig bzw. kaum etwas zu sagen und wird massiv unterdrückt, oder sich nicht anzupassen, dann kommt frau nie mehr zu Wort. D.h., für Frauen entsteht die ganz schwierige Situation, sich zwischen diesen zwei Grenzen zu bewegen in einer Art und Weise, daß sie gerade noch akzeptiert sind als Frauen, also noch reden dürfen, auch das nächste Mal, und daß sie etwas Eigenes sagen können. KRATTIGER: Eine andere Möglichkeit wäre vielleicht, die Gruppen anders zusammenzusetzen. Verändert es die Situation, wenn wesentlich mehr Frauen dabei sind? TRÖMEL-PLÖTZ: Wenn mehr Frauen dabei sind und unterstützende Frauen, also wenn es zu 50 Prozent Frauen und zu 50 Prozent Männer wären, dann wäre es wahrscheinlich schon eine andere Gesprächssituation. Eine andere Möglichkeit wäre, daß Männer die eine Frau, die mitmachen darf, bei so einer Diskussion ganz bewußt unterstützen, weil sie um die Schwierigkeit wissen, die diese Frau hat, in die Diskussion hereinzukommen. Das läge z.B. hauptsächlich an den Moderatoren, unterstützendes Verhalten zu zeigen, damit die Frau nicht unterbrochen wird, damit sie zu Ende reden kann, ein eigenes Thema bringen kann, man ihre Wortmeldung überhaupt sieht, wahrnimmt und dann unterstützt, indem sie ihr das Wort geben, indem sie nicht ihre eigenen Gespräche anfangen, sondern die Frau reden lassen, ihr zuhören. Also das wäre unterstützendes Verhalten von Männern, das wir brauchen. KRATTIGER: Ist das nachgewiesen, daß Männer untereinander anders reden, oder wie läuft es da? Männer unterbrechen sich gegenseitig ja auch? TRÖMEL-PLÖTZ: Ja, es gibt jetzt schon einige Untersuchungen über das Gesprächsverhalten in männlichen Gruppen, und es stellt sich heraus, daß es ein Kampf ist, wie nicht anders zu erwarten war, Männer kämpfen ums Wort, und Männer wollen am Ende einen Sieger etablieren, es ist wie ein Duell, das Gespräch, und da haben natürlich Frauen nur sehr geringe Chancen, denn Frauen sind kooperativer, sie wollen ein faires Ergebnis, sie warten darauf, daß sie zu Wort kommen. Sie haben aber gar keine Chance, wenn um das Wort gekämpft wird; es nützt nichts, um die Redeerlaubnis zu bitten, wenn es ein Kampf ums Wort ist. KRATTIGER: Wenn Frauen Mühe haben, unter Männern zu Wort zu kommen, ist es dann so, daß Frauen untereinander leichter kommunizieren? Es ist ja heute sehr häufig, sehr üblich, daß Frauen gerne in Frauengruppen und Frauenschwatzgruppen, Frauenselbsterfahrungsgruppen oder an Frauentagungen reden, daß sie in ein Frauencafè gehen, um dort ungestört unter sich zu sein. Ist es so, daß Frauen mit diesem vielleicht eben anderen Redestil, den sie sich angeeignet haben, leichter miteinander reden können, oder kommen dieselben Duellverhaltensweisen auch bei Frauen vor? TRÖMEL-PLÖTZ: Ja, es ist verständlich, daß Frauen sich zusammentun und miteinander reden wollen. Das Reden von Frauen untereinander in Frauengruppen z.B. oder in Frauenzentren ist wirklich etwas anderes, wo sozusagen die positiven Qualitäten des Redestils von Frauen genutzt werden können, z.B. das Zuhörenkönnen. Daß die Frauen nicht nur Unterstützungsarbeit leisten müssen für den Mann, damit er sein Thema schön entwickeln kann, sondern daß sie eigene Themen bringen können, ja? Und andere Frauen hören zu, d.h. sie können jetzt sozusagen vom Verhalten von Frauen profitieren, sie können in den Genuß ihrer Fähigkeiten kommen, ihnen wird gut zugehört, man läßt sie ein Thema entwickeln... KRATTIGER: man frag nach, Frauen fragen nach... TRÖMEL-PLÖTZ: man unterstützt, vor allem, es wird zugehört, mit Verständnis zugehört, und der ganze Stil ist eben kooperativer, Frauen beziehen sich mehr auf ihre Vorrednerinnen, während Männer sich eben gar nicht so sehr beziehen auf vorhergehende Redebeiträge, nicht? KRATTIGER: Und zwar sowohl von Männern wie auch von Frauen. TRÖMEL-PLÖTZ: Ja, also frau kann sich mehr verstanden fühlen, frau kann sich mehr gehört fühlen in einer Frauengruppe. KRATTIGER: Würde das nicht für die Verbesserung der Gespräche heißen, daß Frauen ein Stück mehr Selbstbehauptung lernen und üben und an den Tag legen müßten, daß aber umgekehrt Männer sich ein Stück vom weiblichen Verhalten abschneiden müßten? TRÖMEL-PLÖTZ: Ja, ich finde, auf jeden Fall sind wir darauf angewiesen, daß Männer uns unterstützen, weil Sprechen ja kein einseitiges Tun ist. Es kommt nicht nur darauf an, wie wir uns selber einschätzen und was wir selber sagen und tun, sondern auch darauf, ob wir in unserem neuen Handeln und Sprechen von den Männern akzeptiert werden. Sprechen ist ein gegenseitiges Tun. ![]() |