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Lehrbuch der Allgemeinen Psychologie [ 8/9 ]
Erster Teil Das Seelenwesen § 16. Die Wechselwirkung zwischen Seele und Dingwirklichem [Fortsetzung] Das Ergebnis der Prüfung ist dieses: Die Parallelen, welche mit Recht zwischen Gehirn und Seele gezogen werden können, beziehen sich alle darauf, daß beide Konkretes sind und daher die Bestimmungen, welche aus dem Begriff des Veränderlichen überhaupt fließen, gleicherweis auf sich anwenden lassen. Diese Parallelität aber gibt noch kein "Recht", Gehirn und Seele als die "doppelte Form, in der ein und dasselbe Prinzip seinen Ausdruck gefunden hat" (1), anzusehen und zur "Identitätshypothese" zu schwören. Dieselbe Übereinstimmung, welche Gehirn und Seele zeigen, bieten auch zwei beliebige Dinge und keinem Menschen wird es doch einfallen, sie für zwei "Formen" eines und desselben, für zwei "Seiten" eines Konkreten auszugeben, selbst wenn das eine Ding im "Innern" des anderen steckte. Diese Parallelen sind es auch gar nicht, welche den Gedanken eines dem Körper und der Seele zugrunde liegenden Identischen geweckt haben, sondern sie sind erst nachträglich, als das, was ursprünglich den Gedanken aufkommen ließ, nicht mehr für richtig Begriffenes galt, aufgesucht, um die Identitätshypothese doch noch zu retten. Ursprünglich ist der Identitätsgedanke nämlich aus der Meinung erwachsen, daß die Seele ein Bewußtseinsbild (idea) des Körpers sei und diese Meinung war aus der anderen entstanden, daß das Wissen der Dinge ein seelisches Abbild der Dinge bedeutet. Von hier entnimmt auch der moderne Spinozist das "Entsprechen" welches er von der Hirntätigkeit und Bewußtseinstätigkeit, von Hirn und Seele behauptet, nur daß ihm, der jene Meinung selber aufgegeben hat, nur schwer fallen wird, dem "Entsprechen" einen annehmbaren Gedanken einzufügen. Wohl hören wir: "für jede Erscheinung in der Welt des Bewußtseins gibt es eine entsprechende in der Welt der Materie", "die geistigen Tätigkeiten entsprechen den organischen Funktionen", "die geistige Individualität hat ihren physischen Ausdruck in der Summe der Energie, über die der Organismus im Keim und während seiner Entwicklung verfügt und in der organischen Form, unter welcher diese Energie Anwendung findet": aber wenn dieses "Entsprechen" mehr sagen soll, als daß selbst "die edelsten geistigen Lebensäußerungen an körperliche Prozesse gebunden", d. h. durch diese bedingt sind, so fehlt uns jeglicher Anhalt, dieses "mehr" zu begreifen; es läßt sich gar nicht verstehen, daß die geistige Individualität ihren "physischen Ausdruck" in der Summe von Energie, über die der Organismus verfügt, haben soll. Wir verstehen wohl, daß die rechte Seite des Körpers der linken "entspricht", d. h. eben gleiche Bestimmtheiten zeigt; aber gleiche Bestimmtheiten zeigen, ja Körper und Bewußtsein durchaus nicht. Was will dann noch die Redensart vom Entsprechen sagen, wenn eben nicht bloß das Bedingtsein des einen durch das andere dadurch ausgedrückt werden soll? All die Bilder, die uns der Spinozist vorführt, um dieses Entsprechen von Körper und Seele zu verdeutlichen, leiden an ein und demselben Fehler, daß sie den Punkt, auf den es ankommt, gar nicht treffen können, daß sie zwar wohl zeigen, wie sich zwei Sachen, die Identisches enthalten, entsprechen können, so die beiden Sprachen, so die beiden Seiten des Kreisbogens und anderes mehr, aber was wir fordern müssen, nämlich ein Beispiel dafür, daß zwei Sachen, die gar nicht Identisches enthalten, sich dennoch "entsprechen", gerade das, worauf es hier doch allein ankommen kann, zeigen die "Bilder" nicht: also ist es trügerischer Schein, in ihnen eine Erleuchtung jenes rätselhaften Wortes, das sich Hirn- und Bewußtseinstätigkeit entsprechen, gewonnen zu haben. Schon früher haben wir gefunden, daß uns das Wort von einer "der Bewußtseinstätigkeit und Hirntätigkeit zugrunde liegenden Identität" ein leeres Wort bleiben muß; es bleiben uns Reden, wie: die körperliche Wechselwirkung zwischen den Elementen, aus welchen Hirn und Nervensystem bestehen, ist als eine äußere Form der inneren ideellen Einheit des Bewußtseins aufzufassen", leer, bei denen sich also schlechterdings nichts denken läßt. Was soll ferner heißen: "Gedanken, Gefühl, Entschluß haben ihre Repräsentation durch gewisse körperliche Prozesse des Gehirns?" Wenn jemand etwas repräsentiert, so merken wir es, indem wir ihn anschauen oder anhören; nun achte man auf die körperlichen Prozesse des Gehirns so genau, wie man will, von Gedanken, Gefühl, Entschluß bekommt man auch nicht das Geringste zu sehen oder zu hören. Ebenso ratlos stehen wir vor dem Satz: "die geistigen Elemente sowie deren Verbindungen haben ihren physischen Ausdruck". Denn dieses Wort soll nicht etwa nach Maßgabe von DARWINs "Ausdruck der Gemütsbewegungen" als eine Wirkung der geistigen "Elemente" verstanden werden, sondern als die, kraft der "zugrunde liegenden Identität", zugleich mitgegebene physische Seite, die der geistigen "parallel" läuft. Endlich gar die Rede von "der Bewußtseinserscheinung, von der uns bald die psychische bald die physische Seite zugänglich ist" bleibt geheimnisvol wie eine volkstümliche Zauberformel. Freilich kennen wir wahrgenommenes Dingliches als Physisches (Dingliches) und als Psychisches (Seelisches) zugleich und können es nach diesen seinen beiden "Seiten" fassen, das eine Mal als Dingwirkliches (Physisches), das andere Mal als Wahrnehmung des Bewußtseins. Aber immer ist es uns sowohl nach seiner "physischen" als auch nach seiner "psychischen" Seite zugänglich, wenn es überhaupt zugänglich d. i. Bewußtseinserscheinung ist. Was aber eine Bewußtseinserscheinung ist. Was aber eine Bewußtseinserscheinung, die bald nur von der physichen, bald nur von der psychischen Seite zugänglich sei, bedeuten kann, das ist und bleibt schlechtweg unverständlich. Alle diese Reden erwecken den begründeten Verdacht, daß sie nicht "dem Fingerzeig der Erfahrung folgend" entstanden, sondern der Ausdruck eines mitgebrachten Dogmas sind, das uns ewig unverständlich bleibt und in der Erfahrung keinen Anhalt findet, mit dem sich daher in der Wissenschaft nichts Fruchtbringendes anfangen läßt. Die Bestätigung des Letzteren liefert der Spinozismus in der Psychologie selber in den Folgerungen, welche sich aus der behaupteten Parallelität von Körperlichem und Seelischem ergeben. Die "Parallelität", welche auf einer "zugrunde liegenden Identität" ruhen soll, will nämlich nicht bloß sagen, daß das Gegebensein einer Bewußtseinstätigkeit stets eine Hirntätigkeit voraussetzt (es läge auch gar kein Grund vor, dieses Bedingungsverhältnis mit dem Namen Parallelität zu bezeichnen), sondern, daß, wann immer Hirntätigkeit gegeben ist, zugleich seelische Tätigkeit mitgegeben sein muß und zwar diese nicht etwa "gewirkt" von jener, sondern, unabhängig von ihr, angeblich aus dem "identischen Grund" mit ihr zugleich entquellend. Wenn Hirnleben und Seelenleben wirklich die zwei "Seiten" eines Konkreten sind, so muß aber die "Parallelität" zu der Folgerung führen, daß, wie das Hirnleben eine ununterbrochene Zeitreihe darstellt, so auch das Seelenleben ein ununterbrochenes ist. Der Spinozist erklärt daher auch: "Sowohl in der geistigen, als auch in der körperlichen Welt halten wir am Gesetz der Kontinuität fest". Da nun das individuelle Bewußtseins leben ein zweifellos unterbrochenes ist, dessen Unterbrechungen wir Bewußtlosigkeit (traumlosen Schlaf, Ohnmacht) zu nennen pflegen, so sieht sich der Spinozist, will er anders seiner Voraussetzung treu blieben, genötigt, in diese Unterbrechungen ein bewußtloses, ein unbewußtes [1] Seelenleben einzuschalten, einen "Zustand der Unbewußtheit, der unter der Schwelle unseres Bewußtseins überhaupt liegt, ein Unbewußtes [1], das mit dem Bewußtsein verwandt ist, so daß das anscheinende Entstehen des Bewußtseins nur einen Übergang aus einer ideellen (der unbewußten) in die andere (die bewußte) Form bedeutet." (2) Damit wäre dann der Spinozist beim leeren Wort des unbewußten [1] Seelischen (Nichtdinglichen) angelangt. Er meint freilich, eben die Psychologie, "welche sich an die klaren und sicheren Erscheinungen und Gesetze des Bewußtseins hält, entdeckt gerade von diesem Standpunkt aus das Unbewußte und sieht "zu ihrer Verwunderung, daß psychologische Gesetze auch über das Gebiet des Bewußtseins hinaus herrschen"; aber all die Beispiele, welche er anführt, (3) leisten nicht das, was er von ihnen erwartet. Diesen werden wir bald begegnen, hier können sie noch unberücksichtigt bleiben, da uns zunächst nur der allgemeine Begriff des Unbewußten interessiert. Wir hören, er sei und bleibe und beständig ein "negativer" Begriff, ein "Grenzbegriff" der Wissenschaft: "eine wirkliche Erweiterung unseres faktischen Erkennens ist hier unmöglich." Aber widerspricht nicht die letzte Behauptung dem Vorhergesagten, "daß wir das Unbewußte entdecken und zu unserer Verwunderung sehen, daß psychologische Gesetze auch über das Gebiet des Bewußtseins hinaus herrschen"? Sollen dieses Sätze halten, was sie sagen, so ist in ihnen "eine wirkliche Erweiterung unseres Erkennens" behauptet und ein Widerspruch liegt dann allerdings vor; was wäre die "Entdeckung" von etwas denn wohl anders als eine Erweiterung unseres Erkennens? In der Tat sieht auch der Spinozist diesen "negativen Begriff nicht als bloßen "Grenzbegriff an; wie wäre es sonst möglich, sein Verfahren mit diesem "Unbewußten" folgendermaßen zu beleuchten: "Wir machen es hier wie der Philologe, der mittels Konjekturalkritik das Fragment eines alten Verfassers suppliert (ergänzt - wp]. Die geistige Welt steht uns - im Vergleich mit der physischen Welt - als ein Fragment da; nur auf dem Weg der Hypothese gibt es eine Möglichkeit, dasselbe zu ergänuzen." Dieses Bild aber leistet das Gegenteil, was es leisten soll: der Philologe beschreibt die Lücke des Buches mit Sätzen der gleichen Sprache; die Sätze, welche er hinzuschreibt, sind ihm ebenso verständlich und klar, wie die im Fragment vorliegenden. Der Spinozist mit seinem Unbewußten macht es nicht ebenso, er "ergänzt" das erkennbare Fragment durch ihm selber angeblich Unerkennbares, Unfassbares, das kein Bewußtes [1] ist. Er hat in Wirklichkeit gar keinen Anhalt für diese seine Hypothese und kann selber nicht wissen, was denn das unserem Denken und Fühlen "Verwandte", das aber doch nicht wie unser Denken und Fühlen ist, sei. Dieser "negative" oder "Grenzbegriff" des unbewußten [1] Seelischen hat selbstverständlich nicht das Recht, sich Fleisch und Blut vom Bewußtseinsleben zu holen, denn alles, was dieses bietet, ist nur als Bestimmtheit des Bewußtseins verständlich; und da er andererseits auch nicht das Dingliche zu Hilfe holfen darf, denn er soll ja Seelisches Sein, so ist dieser "Begriff des unbewußten Seelischen" in Wahrheit ein Unbegriff, ein leeres Wort. Aber der "Parallelität zuliebe muß der Spinozist eben diesen Widerspruch aufrecht halten und er bietet uns das Schauspiel, daß ein leeres Wort, "Unbewußtes", dem anderen, "Parallelität", zu Hilfe geschickt wird. Während auf der einen Seite das Dogma von der auf einem identischen Grund ruhenden Parallelität von Hirn und Seele durch die Behauptung der Kontinuität des Seelenlebens zur Aufstellung des unbegreiflichen "unbewußten Seelischen" treibt, führt es auf der anderen Seite durch die Verneinung des Wirkens von Hirn auf Seele dahin, die Veränderung auf dem Gebiet des Seelischen zu etwas Unbegreiflichem zu machen. Schon früher erwähnten wir, daß der Spinozist, obgleich ihm eigentlich Seele und Hirn nur Abstraktes, nämlich Bestimmtheiten eines Konkreten sein dürfen, doch beide so behandelt, als ob jedes selber ein Konkretes sei: das Hirn zeigt Veränderungen und der Parallelität gemäß, die Seele ebenfalls. Sehen wir über diese Folgewidrigkeit hinweg, so verstehen wir wohl das Bemühen, die Veränderungen des materiellen Konkreten zu begreifen, nicht aber, die des seelisch Konkreten in gleicher Weise zu begreifen, mit anderen Worten, wir halten dafür, daß von diesem Standpunkt aus wohl eine Physik (im allgemeinen Sinne des Wortes), nicht aber eine Psychologie berechtigt erscheinen kann. Die Physik als die Wissenschaft des veränderlichen "Dings", findet auch bei diesem "Spinozismus" das Nötige, nämlich die verschiedenen Dingkonkreten, welche aufeinander wirken, als einander Bedingung ihrer Veränderungen sein können, vor, im Besonderen hier den Leib und die ihn umgebende Dingwirklichkeit. Die Psychologie aber erscheint vom spinozistischen Standpunkt aus als eine Wissenschaft des Veränderlichen "Seele" schlechtweg unmöglich und zwar aus dem einfachen Grunde, weil er die notwendigen Bedingungen für die Möglichkeit seelischer Veränderung zur Verfügung stellt. Wir haben gesehen, daß das Eintreten der Veränderung eines Konkreten überhaupt nur denkbar ist, wenn ein anderes Konkretes als Bedingung dieser Veränderung unmittelbar vorher mit gegeben ist. Das Beharrungsgesetz gilt nicht nur für das Ding-Konkrete, sondern für alles Konkrete überhaupt und ist ja im Grunde nur ein eigenartiger Ausdruck des Gesetzes von der Veränderung überhaupt. Jenes "andere" nun findet die "spionzistische" Physik für die Veränderung des einen Dings im anderen "berührenden Ding vor. Der Psychologie aber wird vom Spinozismus, welcher das Wirken vom Ding auf die Seele für unmöglich erklärt, verwehrt, die seelische Veränderung durch Wirken des Dingkonkreten zu begründen, wie es die "gemeine Erfahrung" ja zuzulassen scheint. Es bliebe also nur übrig, nach Maßgabe der durch das andere Ding bedingten Dingveränderung, die seelische Veränderung durch das Wirken einer anderen Seele zu begründen. Jedoch so einen "mystischen" Schritt zu tun werden uns die Spinozisten vor allem ablehnen. Ein drittes "anderes", als Ding und Seele, auf das sie als die notwendige andere Bedingung verweisen könnten, die allein erst die Tatsache der seelischen Veränderung begreiflich machen kann, steht aber auch den Spinozisten nicht zur Verfügung. Und so können wir sie zu dem Eingeständnis zwingen, daß nach ihnen Psychologie als Wissenschaft völlig unmöglich sein muß, soweit die Psychologie die Wissenschaft von den Gesetzen seelischer Veränderung bezeichnet, denn der Begriff der Kausalität findet eben, auf dem spinozistischen Standpunkt, in Ansehung seelischer Veränderung keinen Anknüpfungspunkt. Die sogenannte Psychologie des Spinozismus müßte sich damit begnügen, die in der Erfahrung vorliegenden seelischen "Veränderungen" in ihrer jedesmaligen tatsächlichen Reihenfolge einfach zu beschreiben; seine Psychologie bestände als nur darin, die Augenblickseinheiten des Seelenlebens der Reihe nach zu schildern, als wäre sie nichts als eine, das bloße Tatsächliche der Augenblicke aufzählende, Darstellung. Jeder Anlauf, zu Gesetzen des Seelenlebens sich zu versteigen, muß vom Spinozismus für Verstiegenheit erklärt werden. Denn, wenngleich wir von unserer Annahme, daß das Ding auf die Seele wirken kann, aus, in der, einer seelischen Veränderung unmittelbar voraufgehenden, Augenblickseinheit der Seele ein Wirkendes, d. h. eine Bedingungn für jene "Veränderung" finden; so ist dieselbe doch eben nur Bedingung zu nennen, insofern sie mit anderem, nämlich mit dem wirkenden Ding als der notwendigen anderen Bedingung zusammen die Ursache jener Veränderung bildet. Wird diese andere Bedingung jedoch als mögliche überhaupt gestrichen, wie es der Spinozismus tut, so hat es keinen Sinn, das im voraufgehenden Augenblick als Seelisches Gegebene "Bedingung" zu nennen; denn es hat dann in der Tat keinen Anspruch mehr auf einen solchen Titel und zwar deshalb nicht, weil darin eine Auffassung des Gegebenen zutage tritt, die dem allgemeinen Gesetz der Beharrung widerspricht. Dieses Gesetz heißt: Im Gegebenen überhaupt verschwindet nichts, es sei denn ein anderes mit dem, welches verschwinden soll, zugleich, aber selber in einer anderen konkreten Einheit gegeben als die notwendige Bedingung. Dieses Gesetz fällt mit dem allgemeinen Gesetz der Veränderung zusammen: jede auftretende Veränderung im Gegebenen überhaupt, die ja nur als Veränderung eines Konkreten denkbar ist, hat wenigstens zwei zugleich gegebene besondere Konkrete zur Voraussetzung, welche die Ursache der Veränderung enthalten, so, daß das eine das veränderliche (zu verändernde), das andere das verändernde Konkrete als Ursachsmoment genannt werden kann. Beide müssen gegeben sein, wenn die Veränderung soll begriffen werden können. Die Spinozisten aber haben bei ihrer "Seelenveränderung" nur das "veränderliche" Konkrete, nicht aber das zweite, das "verändernde", zur Verfügung und sind daher nicht berechtigt, den voraufgehenden Seelenaugenblick die "Bedingung" des folgenden zu nennen; ebensowenig ist es berechtigt, als von den wechselnden aufeinander folgenden Schattenbildern das vorhergehende Schattenbild die Bedingung des folgenden zu nennen. Auf Psychologie als Fachwissenschaft muß also der folgerichtige Spinozist rundweg verzichten; dies ist eine unvermeidliche Folge des Dogmas von der Parallelität des auf identischem Grund ruhenden, nicht aufeinander wirkenden Seelischen und Körperlichen. In etwas besserer Lage befinden sich die, welche Halbspinozisten oder spinozistische Materialisten genannt werden können: sie sehen das Seelenleben für ein "abhängiges Variables" an, abhängig vom veränderlichen Leibesleben, insbesondere Gehirnleben, allein, so daß Leib oder Gehirn als Schöpfer des Seelenlebens dasteht, weil von einer Abhängigkeit wiederum des Leibeslebens vom Seelischen nicht geredet werden soll. Gegen unsere Behauptung, daß Wirken des Körpers auf die Seele und der Seele auf den Körper, weil sie ben zwei zugleich gegebene, geschiedene Konkrete sind, möglich sei, wendet nun seinerseits der Spinozist ein:
Wir geben ferner bereitwillig zu, daß, wie der Einwand mit großer Betonung sagt, "ein Kausalverhältnis zwischen Hirn und Bewußtsein zu entdecken unmöglich sei, wenn der Hirnzustand nicht selber Gegenstand des Bewußtseins wird" - wir geben das durchaus zu, wenn Letzteres heißen soll: weiß ich vom Hirnzustand überhaupt nichts, so kann ich auch nicht zwischen Bewußtsein und Hirn Wechselwirkung denken. Indessen wird der Spinozist ein solches Nichtwissen nicht meinen können. Der Sinn seines Satzes soll vielmehr dieser sein: der Hirnzustand, welcher meine "Empfindung" bewirken und ebenso derjenige, welcher von meinem "Entschluß" bewirkt werden soll nach der gemeinen Meinung, ist niemals mir selber ein unmittelbar Gegebenes, niemals meine Wahrnehmung. Darin hat er nun sicherlich Recht, nicht aber darin, daß nur dasjenige auf Wechselwirkung hin untersucht werden kann, was in diesem Verhältnis beidseitig unmittelbar Gegebenes ist. Wie schlimm stände es dann um die Hirnphysiologie, die doch von der Wechselwirkung des Hirns und seiner "Umgebung" handeln will, da sie ja zugestehen muß, daß die Zellenerregung des Hirns ihr nicht unmittelbar Gegebenes, nicht Wahrnehmung, sondern mittelbar Gegebenes, d. i. Vorstellung sei. Und doch, obwohl ihr "der Hirnzustand nicht selber Gegenstand des Bewußtseins wird", arbeitet sie mit ihm, arbeitet mit dem erschlossenen vorgestellten und spricht mit wissenschaftlichem Recht von der Wechselwirkung zwischen diesem mittelbar gegebenen Wirklichen und seiner unmittelbar gegebenen Umgebung. Was der Hirnphysiologie recht ist, muß der Psychologie billig sein: beide haben es mit demselben Gegebenen zu tun und ihre Aufgabe ist es nur, darauf zu sehen, daß sie dieses Gegebene richtig begriffen verwenden. Bedient sich nun der Physiologie des bloß mittelbar gegebenen Gehirnzustandes mit vollem Recht als eines Wirklichen, so kann auch dem Psychologen, wenn seine Untersuchung ihn eben auf dieses mittelbar Gegebene führt, nicht verwehrt werden, es gleichfalls als Wirkliches zu verwenden. Ein weiteres Zugeständnis wollen wir an dieser Stelle gar nicht fordern als dieses: wenn sich zeigen sollte, daß eine Erklärung tatsächlich unmittelbar gegebener seelischer Veränderungen gar nicht möglich ist ohne Hereinnahme tatsächlicher mittelbar gegebener Hirnerregungen als ihrer Bedingung, indem nur diese sich als das nötig "Andere" für jene Veränderung in unserer gesamten Wirklichkeit darbieten, so liegt kein Grund vor, zwischen Hirn und Seele die Wechselwirkung dennoch zu leugnen und am allerwenigsten ist ein solcher Grund darin zu finden, daß die als Bedingung oder andererseits als Wirkung behauptete Hirnerregung nicht, wie das Bewußtseinsglied dieser Wechselwirkung, uns unmittelbar, sondern nur mittelbar gegeben ist, denn deren Wirklichkeit spielt eben doch keine Rolle. Der Einwand des Spinozisten ist also gegenstandslos; es erübrigt nun doch, einen anderen zu prüfen, der sich mehr noch, als gegen das Wirken des Dings auf das Bewußtsein, gegen das Wirken des Bewußtseins auf das Ding richtet. Was das erstere angeht, so liegt, wie wir eben gesehen haben, im Gegebenen selber kein Hindernis, anzunehmen, daß die Hirnerregung Bedingung eines "Bewußtseinszustandes" sei; freilich müssen wir uns dabei verwahren, dieses Bedingungsein als "Übertragung" oder "Umsetzung" oder "Übergang" von Dinglichem (Bewegung) in Seelisches (Bewußtseinsbestimmtheit) zu fassen, denn an der Summe der Hirnbewegung soll durch ihr Bedingungsein für das Seelische nicht abgezogen werden und mag die Hirnerregung auch ungeschmälert bleiben, so liegt darin kein Grund, sie nicht als Bedingung eines Seelischen zu fassen. Wie schon früher betont ist: nur diejenigen werden daran Anstoß nehmen, welche den Begriff des Wirkens überhaupt nach Maßgabe des Dingwirkens fassen und demnach das Bedingungsein überhaupt nur verstehen können als ein "Abgeben" und "Übertragen" vom Eigenen an ein anderes, als ein "Ausgehen" einer "Kraft" vom Wirkenden (Bedingenden) auf das zu Verändernde. Mit diesem für das Wirken innerhalb des rein Dinglichen allein freilich maßgebenden Begriff des Wirkens oder Bedingungseins muß in dem Sinne gebrochen werden, als ob er da, wo immer ein Wirken das Dingliche, sei es als veränderndes, sei es als zu veränderndes Glied des ursächlichen Zusammenhanges, aufweist, einzig und allein zu Recht bestehen könnte. Wir können das Auftreten der neuen Bestimmtheit eines Konkreten überhaupt widerspruchslos gewirkt oder bedingt denken durch ein Konkretes, ohne daß wir dabei immer mitdenken müssen, dieses wirkende Konkrete habe sich infolge seines Wirkens d. h. in Folge der als seine Wirkung am anderen Konkreten auftretenden neuen Bestimmtheit "entsprechend" verändert. Und stellt sich auch heraus, daß dieses freilich tatsächlich der Fall sei, wann sowohl das verändernde als auch das zu verändernde Glied des ursächlichen Zusammenhangs, aufweist, einzig und allein zu Recht bestehen könnte. Wir können das Auftreten der neuen Bestimmtheit eines Konkreten überhaupt widerspruchslos gewirkt oder bedingt denken durch ein Konkretes, ohne daß wir dabei immer mitdenken müssen, dieses wirkende Konkrete habe sich infolge seines Wirkens, d. h. in Folge der als seine Wirkung am anderen Konkreten auftretenden neuen Bestimmheit "entsprechend" verändert. Und stellt sich auch heraus, daß dieses freilich tatsächlich der Fall sei, wann sowohl das verändernde als auch das zu verändernde Glied des ursächlichen Zusammenhangs Ding ist - das Gesetz von der Erhaltung der Energie ist der Ausdruck dafür -, so bleibt doch der widerspruchslose Gedanke, es gebe ein Wirken des Dinges auf das Bewußtsein, ohne daß sich das Ding infolge seines Wirkens verändere. Damit würden wir aber schon zu einem Teil dem Einwand gegen die Wechselwirkung von Seele und Leib, welchen wir noch besprechen wollen, begegnet sein. Der Einwand fußt auf der Meinung, daß alles Wirken, welches Dingkonkretes entweder als veränderndes oder als zu veränderndes Glied oder als beide Glieder des ursächlichen Zusammenhangs habe, eine Bewegungsveränderung dieses Dingkonkreten in sich schließe; und er behauptet daher, das Gesetz von der Erhaltung der Energie lasse das Wirken vom Leib auf die Seele und von der Seele auf den Leib nicht zu; könne man an jenem Gesetz nicht zweifeln, so sei dieses Wirken damit unmöglich gemacht. Wendet sich nun der Einwand auch gegen beiderlei Wirken, so richtet man ihn doch besonders gegen das Wirken der Seele auf den Leib. Daß wir aber dieses gleicherweise, wie das Wirken des Leibes auf die Seele, für möglich und widerspruchslos denkbar halten, versteht sich nach dem Vorhergesagten von selbst. Wir können auch nicht verstehen, wie der gemachte Einwand unsere Stellung erschüttern sollte. Das Gesetz von der Erhaltung der Energie, mögen gegen dieses auch Bedenken erhoben werden können, bleibt dabei von uns ganz unangetastet; die Bewegungssumme des Dingwirklichen sei als ewig dieselbe anerkannt. Geschieht das, meint aber der Gegner von jenem seinem Begriff des Wirkens aus, so kann ein Wirken des Bewußtseins auf den Leibt nicht behauptet werden, da die "Wirkung" ja eine Vermehrung der Energie des Dinwirklichen sein muß;
Dem durch das Gegebene tatsächlich nicht unmöglich gemachten, ja sogar geforderten Gedanken des Wirkens von der Seele auf den Leib, wie auch des Wirkens vom Leib auf die Seele versperrt man sich gegnerischerseits durch zwei dogmatische Voraussetzungen, die wir als nicht zu rechtfertigende Vorurteile abweisen müssen. Die erste ist die, daß, "wenn der Kausalbegriff benützt werden soll, die beiden Glieder ein gemeinsames Maß haben müssen", daß also in unserem Fall "ein dem Geistigen und dem Körperlichen gemeinsamer Maßstabe" bestehen muß; "welcher Nenner", fragt daher der Gegner, "ist nun einem Gedanken und einer körperlichen Bewegung gemeinschaftlich, welche gemeinsame Form gilt für beide? Bis eine solche gemeinsame Form nachgewiesen wird, ist alles Reden von einer Wechselwirkung zwischen dem Geistigen und dem Körperlichen wissenschaftlich besehen unberechtigt." (6) Wir halten diesen "gemeinsamen Maßstab" keineswegs für geeignet, um den "Kausalbegriff wissenschaftlich berechtigter erscheinen zu lassen, denn in diesem Begriff liegt gar nichts, was auf ein "gemeinsames Maß der beiden Glieder" als notwendige Voraussetzung hindeutete. Der "Kausalbegriff" sagt ein notwendiges Zusammen "beider Glieder" im Nacheinander, eine notwendige Folge des einen "Gliedes", wenn das andere vorangeht, aus; ob diese "Glieder" etwas Gemeinsames haben oder nicht, mach den im Kausalbegriff liegenden Gedanken selber nicht klarer und nicht dunkler, so daß in der Tatsache der völligen Verschiedenheit von Seele und Leib kein Hindernis gefunden werden darf, eine Wechselwirkung zwischen diesen anzunehmen. Wenn HÖFFDING diese Annahme für wissenschaftlich unberechtigt hält und meint, "so lange wir innerhalb des Körperlichen wandern, gehen wir sicher und so lange wir innerhalb des Körperlichen wandern, gehen wir sicher und so lange wir innerhalb des Geistigen wandern, gehen wir sicher": so halten wir dafür, daß er sich durch die Naturwissenschaft hat verleiten lassen, den "Kausalbegriff" oder den Begriff des Wirkens in zu eingeschränktem Sinne zu fassen, indem er etwas diesem Begriff als solchem dort "zufällig" Anhangendes demselben als notwendiges Merkmal beilegte. In der Naturwissenschaft haben wir allerdings einen "gemeinsamen Maßstab", nämlich die Bewegung bei der Wechselwirkung der Dinge. Aber HÖFFDING hatte schon, wenn er das "Geistige" betrachtet, in dem er angeblich auch "sicher geht", weil auch hier ein "gemeinsamer Maßstabe" des verschiedenen Geistigen sich bietet, - er hätte hier schon stutzig werden sollen: das Gemeinsame ist hier doch nur das "Geistigsein". Während nun der Begriff der "Bewegung" auf dem Gebiet des Dinglichen dazu dient, das mannigfaltige Wirken als das mannigfaltige besondere Auftreten des "Kausalbegriffs" besser zusammenzufassen und einfacher zu begreifen, so daß hier der Irrtum aufkommen konnte, daß das, was der "gemeinsame Maßstab Bewegung" für die einfachere und klarere Erkenntnis der Mannigfaltigkeit des Wirkens tatsächlich leistet, der Klarheit des allgemeinen Begriffes "Wirken" ("Kausalbegriff") geleistet werde -, so ist doch die allem Geistigen gemeinsame "Form", das "Geistigsein", keineswegs geartet, die Mannigfaltigkeit des hier sich zeigenden Wirkens auf eine einfachere Form zu bringen. Es nützt dieses "Gemeinsame" für das Verständnis der Mannigfaltigkeit des Wirkens gar nichts und kann daher auch nicht einmal den Irrtum, daß der "gemeinsame Maßstab" auch den allgemeinen Kausalbegriff selber klarer mache, weiter nähren. Sollte aber hinter der von HÖFFDING geforderten "gemeinsamen Form" sich nur der Gedanke verstecken, daß, wie auch besonders LOTZE betont, nur innerhalb dessen, was "gleichen Wesens" sei, eine Wechselnwirkung bestehen könne, so können wir nur entgegnen, daß er dann eben vorausnimmt, was er beweisen will. Wo steht es denn geschrieben, daß nur Gleichartiges aueinander wirken könne? Ist es daraus zu schließen, weil tatsächlich auch Gleichartiges (die Dinge) aufeinander wirkt? Diesen Schluß wird doch niemand für wissenschaftlich berechtigt ausgeben. Aber dieser Schluß wird von den Gegnern dennoch gezogen; indem sie die zweite dogmatische Voraussetzung zugrunde legen, daß nämlich alles Wirken einen "Übergang" biete; wirke Körper auf Geist oder umgekehrt, so bedeutet das ein "Übergehen" oder "Umsetzen von körperlicher "Tätigkeit" in geistige "Tätigkeit" oder umgekehrt. "Sobald aber verlangt wird", heißt es dann, "daß wir uns einen Übergang von physischen Gesetzen zu psychologischen Gesetzen oder umgekehrt vorstellen sollen, so stehen wir dem Unbegreiflichen gegenüber". Diese Auffassung des Wirkens überhaupt ist schon an und für sich eine recht rohe; aber die Wechselwirkung von Seele und Leib verlangt gar nicht ein solches "Umsetzen von körperlichem Nervenprozeß in seelische Tätigkeit und umgekehrt"; der Gehirnprozeß wird, wenn er seelische Wirkung ausübt, in seiner "physischen Energie" gar nicht berührt, wird auch selber nicht etwa "durch einen psychologischen Prozeß unterbrochen", sondern kann sogar zu gleicher Zeit "psychisch" wirken und Energie "abgeben" an anderes Dingkonkretes; diese Doppelwirkung ist gleichermaßen vom Seelischen auszusagen: ein fröhlicher Gedanke wirkt ein lachendes Gesicht und zugleich das Auftreten einer neuen Vorstellung. Indessen ist von einem Übergehen und Umsetzen körperlicher Energie in "Bewußtseinsenergie" und umgekehrt zu reden, wenn jene Wechselwirkung ausgesprochen wird; die körperliche Energie des wirkenden Dingkonkreten bleibt, wenn seine Wirkung Seelisches ist, ganz dieselbe und sie bleibt ebenfalls dieselbe, wenn das Dingkonkrete eine Wirkung des Seelischen erfährt. Überhaupt aber ist es mißlich, von "Bewußtseinsenergie" zu reden, weil das Wort "Energie" hier gar zu leicht das Bewußtsein wieder als ein dem Dingwirklichen mit seiner Energie Vergleichbares ansehen läßt, also dasselbe materialisiert. Bewußtsein und Ding müssen in ihrer völligen Verschiedenheit streng festgehalten werden; doch das hindert nicht, sie auf einander wirkend zu denken. Nur diejenigen, welche in beschränkter, irriger Weise das Wirken eines Konkreten als ein "Übergehen" von etwas auf ein anderes auffassen, welche das Bedingungsein des "Wirkenden" nur als ein "Abgeben" von etwas Eigenem an ein anderes begreifen wollen, werden sich am Begriff einer Wechselwirkung von Seele und Leib stoßen. Aber Wirken kann ja in seinem allgemeinen Sinn nichts anderes in sich schließen, als die notwendige Folge zweier Erscheinungen; die Notwendigkeit der Folge wird jedoch in Nichts geklärt oder leichter an die Hand gegeben aus dem Grunde, weil die Erscheinungen beide "Dingliches" oder beide Seelisches sind, als "Gleichartigkeit" vorliegt. Die Tatsachen selber haben zu entscheiden, welchem der beiden Gebiete des Seienden, dem Dinglichen und dem Seelischen, je das eine und das andere "Glied" angehört. Es ist interessant zu beobachten, daß vielfach Psychologen, welche "eigentlich" von einer Wechselwirkung der Seele und des Leibes nichts wissen wollen, doch, ohne sich daran zu stoßen, die Wirkung des Leibes auf das Seelische hinnehmen, von den Reizen sprechen, durch welche Empfindungen und anderes hervorgerufen werden; erst wenn das Kapitel von der Wirkung der Seele auf den Leib an die Reihe kommt, tauchen wieder die schwierigen Gedanken, welche ihnen die Wechselwirkung von Seele und Leib verursacht, auf. ![]() |