cr-3Max Krieg - Mauthners Skepsis und MystikLandauer - Skepsis und Mystik 
 
UWE SPÖRL
Fritz Mauthner -
als Mystiker


Gustav Landauers Wege
Fritz Mauthner als Sprachkritiker
"Mystik ist Erfassen der dem Denken, dem Wort unerreichbaren Wirklichkeit mit dem Gefühl."

FRITZ MAUTHNER, der Sprachkritiker, gab nicht nur seinem Freund und Mitarbeiter LANDAUER und seinem eigenwilligen Rezensenten GROSSMANN Gelegenheit, seine Sprachskepsis in Richtung auf eine (neomystische) Einheitsanschauung auszubauen. Er tat dies auch selbst, ganz nach dem Ausspruch NIETZSCHEs "Wenn Skepsis und Sehnsucht sich begatten, entsteht die Mystik"(1), den er selbst in seinen "Beiträgen" zitiert.(2) Dabei verließ er freilich nie den Boden seiner "Kritik der Sprache", MAUTHNERs Mystik stellt sich vielmehr als ein mögliches Konzept dar, diese zu vollenden und womöglich zu überwinden. Mit GABRIEL könnte man diesen Sachverhalt auch so formulieren: War MAUTHNERs Sprach- und Erkenntnisskepsis noch "Ausdruck eines ungestillten Bedürfnisses nach Unmittelbarkeit" (3), So scheint die Mystik diese Unmittelbarkeit herstellen zu können, scheint also - im Sinne der Lebensphilosophie(4) - das Distanz schaffende Denken und Sprechen überwinden zu können. Dies möchte ich nun i.e. zeigen:

Wie bei der Besprechung der "Beiträge" festgestellt worden ist, wird die Mystik, wie sie durch einen ihrer Hauptvertreter, nämlich MEISTER ECKHART und durch eines ihrer Spezifika, die Sprachlosigkeit gegenüber dem ineffabile (des Einheitserlebnisses) charakterisiert wird, bereits als einer der Wege angesehen, die Verzweiflung, in welche die Sprachskepsis den denkenden Menschen stürzt, in Ruhe zu verwandeln, also in die traditionelle skeptische Ataraxia. Noch in den "Beiträgen" entscheidet sich MAUTHNER jedoch nicht unbedingt für diesen Weg, den er bezeichnenderweise auch nicht mit seiner eigenen Person, sondem v.a. mit der ECKHARTs verbindet, der er nicht nur positiv gegenübersteht. Diese Einstellung gegenüber dem mittelalterlichen Mystiker ändert sich allerdings in seinem "Wörterbuch der Philosophie".  Neue Beiträge zu einer Kritik der Sprache  (1910/11), zwar nicht grundsätzlich, aber doch spürbar: Aus der Haßliebe MAUTHNERs ist eine Liebe mit gewissen Vorbehalten geworden. Dementsprechend scheint ihm die Mystik, wie er sie versteht, der einzig gangbare Weg aus der (Verzweiflung der) Skepsis heraus zu sein.

Dies wurde bereits früh von der Sekundärliteratur bemerkt. MAX KRIEG ist sich sicher: "Sprachkritik ist der Weg zur Mystik." (5) Dafür sieht er zwei Gründe, die mit dem, was wir bei LANDAUER festgestellt haben, übereinstimmen. Der erste ist das Skeptiker und Mystiker gemeinsame Schweigen:
Wo der Gedanke, wo das Wort endet, wo das Schweigen beginnt, da beginnt die Mystik. Mystik ist inbrünstiges Erfassen der dem Denken, dem Wort unerreichbaren Wirklichkeit mit dem Gefühl. (6)
Der zweite Grund ist nach KRIEG das sprachlose Leben in der Wirklichkeit:

Aber wir denken nicht nur, wir leben vor allem, wir sind, und als lebende, fühlende, atmende handelnde Wesen sind wir ja mitten in der Wirklichkeit, denn nur, indem wir denken, liegt die Welt außer uns, indem "wir die Welt erleben, ist sie in uns, als Wirklichkeit."(7) Bis hierher kann man KRIEG vollkommen zustimmen, doch nun möchte er auch die Ekstase, die das Ich und die Vergänglichkeit vernichtet (8), für MAUTHNERs Mystik annehmen, wobei er sich auf den Schluß des Beitrags zur "Mystik" (9) im "Wörterbuch" bezieht. JOACHIM KÜHN widerspricht dem in seiner MAUTHNER-Monographie:

Im Wörterbuch der Philosophie gibt sich MAUTHNER selbst als Mystiker. Aber diese Mystik erscheint als theoretische Konstruktion, als bewußte Flucht vor den Konsequenzen der utopischen Sprachkritik, vor der Verzweiflung (...) Denn Neigung zur Mystik und Achtung vor der Mystik machen noch keinen MAUTHNER fehlt das Entscheidende, das mystische . Mystiker.(10)

Diese These KÜHNs entspricht der Hauptthese seines MAUTHNER-Buches, das MAUTHNER gleichsam als einen Flüchtenden darstellt, erst von poetischer Mittelmäßigkeit zur Sprachkritik und dann aus der Verzweiflung, die diese hervorruft, in eine selbst konstruierte Mystik.

Ich möchte nun am Text untersuchen, wie es sich tatsächlich verhält: Das  Wörterbuch  MAUTHNERs, knapp zehn Jahre nach den  Beiträgen  veröffentlicht, ist in der Hauptsache das, was sein Untertitel verspricht: ein neuer Beitrag zur praktischen Sprachkritik, v.a. bezogen auf philosophische Begriffe und Konzeptionen, die ganz entsprechend den Maximen aus der  Kritik der Sprache  analysiert werden. (11) Seinen Mystikbegriff kann man aus dem angesprochenen Artikel "Mystik" und aus diversen anderen Äußerungen aus diesem doch recht subjektiv gestalteten  philosophischen Wörterbuch  rekonstruieren. Ich beginne mit letzterem:

Gott ist für MAUTHNER selbstverständlich nur "das oberste, das allgemeinste, das unwahrste Idol" (12) im BACONschen Sinne.  Gott  ist also ein Begriff, dem nichts in der Realität entspricht. "Die großen Mystiker", so MAUTHNER, wußten das. Sie "hatten den Sinn der Welt gefunden, in ihrem Gefühl, jeder für sich, nicht mitteilbar."(13) Mystik ist also für MAUTHNER eine individuelle  Gefühlssache,  so individuell, daß jegliche Mitteilung darüber unmöglich wird, auch wenn es der Mystiker immer wieder versucht. (14) Gott spielt bei dieser Mystik der Gefühle keine eigentliche Rolle. Die Mystiker können dabei - so MAUTHNER - durchaus pathologische Züge tragen (15), sie "wissen nichts von geistiger Demut;" aber nur "ohne Größenwahn sind sie Halbgötter, sind sie eins mit Gott." (16) Darüber hinaus spielt der Begriff des Lebens für MAUTHNER genau wie für diejenigen seiner Zeitgenossen, die man als "Lebensphilosophen" bezeichnet, eine bedeutende Rolle, weil er nicht auf andere Begriffe zu reduzieren ist:
Ich vermute, daß ich mich gerade durch diese Skepsis (gegenüber der Reduzierbarkeit des Begriffs des Lebens) prinzipiell zu der Lehre des Vitalismus bekenne.(17)
Das Leben - oder, wie MAUTHNER auch nahelegt, die  natura naturans SPINOZAs - als unhintergehbare und letzte Realität muß daher als das eigentliche Andere angesehen werden, mit dem sich der (moderne, gottlose) Mystiker vereint sehen möchte, auch wenn MAUTHNER dies nicht explizit macht. Denn  Leben  wird um 1900 üblicherweise nicht nur als unhintergehbare Realität, sondem auch als psychophysische Einheit verstanden, die alles in sich birgt, die Mitmenschen, die Natur, die Welt und das All. Die Vagheit und Universalität dieses Begriffes verbindet ihn darüberhinaus mit dem Topos der Unaussprechbarkeit, der für alle Mystik so zentral ist.

Ein weiteres zentrales Charakteristikum der (mittelalterlichen) Mystik ist die metaphorische Gleichsetzung der  unio  (mit Gott) und des Liebesaktes bzw. die Darstellung der  unio in Termini der Liebesvereinigung, wie sie paradigmatisch bei MECHTILD von MAGDEBURG (ca. 1241 - 1299) ausgeführt ist, aber auch, wenn auch weniger auf den Augenblick der Vereinigung ausgerichtet, in LANDAUERs und GROSSMANNs Einheitskonzeptionen. Dieses Charakteristikum findet sich auch in MAUTHNERs "Wörterbuch" (18) und zwar unter dem Stichwort "Liebe":
Der höchste Grad der Liebe hat wirklich etwas von einem Wunder an sich: (...) Ereignet sich der allerseltenste Fall, daß beide Geschlechtspartner den stärksten Grad der Liebe fühlen, so vollzieht sich gegen alle Naturgesetze das Wunder, daß eines das andere hebt, daß beide über der Erde schweben. Ob Glück oder Tod, die Sehnsucht der Mystik ist erfüllt. (19)
Mystik und Liebe können also in ganz seltenen Fällen das vollkommen Andere sein, das Wunder, das sogar die Naturgesetze aufzuheben imstande ist: Hier wird das mystische Erlebnis zwar nicht unbedingt als augenblickshaft dargestellt, aber doch als (seltene) Grenzerfahrung, die insofern auch dem Tod gleichen kann.

Ein Problem aber hat nach MAUTHNER die (traditionelle) Mystik: Sie basiert nämlich - er bezieht sich hier auf Meister ECKHART - auf einem Begriffsrealismus, den MAUTHNER so vehement ablehnt:(20) Wenn Mystik nämlich die Sehnsucht ist, das eigene kleine Ich mit dem Andern zu vereinigen, mit dem All oder mit der Gottheit, dann kann die Mystik erst recht nicht die ältesten wortrealistischen Vorstellungen entbehren, nach denen das Individuum nur dadurch existiert, daß es an der Realität des höhern Begriffs, an der Realität endlich der Gottheit partizipiert.(21)

Die traditionelle abendländische Mystik (v.a. die MEISTER ECKHARTs) - denn v.a. diese wird hier charakterisiert - bewegt sich also ausschließlich in MAUTHNERs substantivischer Welt der Dinge und Individuen. Das ist ihr grundsätzlicher Fehler nach MAUTHNERs Auffassung, der auch ihre Ausrichtung auf den verfehlten Scheinbegriff  Gott  nach sich zieht. Eine solche Mystik, die Vereinigung eines persönlichen, individuellen Ich mit einem persönlichen Gott, ist für MAUTHNER ein Ding der Unmöglichkeit. Die Mystik, die MAUTHNER dagegen anvisiert, ist nominalistisch und skeptisch. Diese findet er am ehesten im chinesischen Taoismus vorgebildet, v.a. "in den Reden und Gleichnissen des TSCHUANG-TSE, die wir jetzt in der deutschen Auswahl von BUBER besitzen."(22)

Am Taoismus, wie MAUTHNER ihn aus BUBERs und anderen zeitgenössischen Auswahlen kennt, schätzt er zweierlei: zum einen die Ansicht, daß jeder ausgesprochene Name nicht der ewige Name ist (23), zum anderen die absolute Negativität und Bedeutungslosigkeit des Wortes "TAO" das aus der ewigen Sehnsucht der Mystik hervorgeht, "das Unaussprechliche mit einem Worte auszusprechen."(24) Deshalb hält MAUTHNER den Taoismus für "skeptische Mystik" (25).

Wenden wir uns nun dem 25 Seiten umfassenden  Wörterbuch -Artikel zur "Mystik" zu: MAUTHNER beginnt mit einer vorläufigen Definition, die weder sehr präzise ist noch von sonderlicher Sympathie für die Mystik zeugt:
Mystik, Mystizismus mag vorläufig einen Seelenzustand bedeuten, in welchem man sich zur geheimnisvollen Vereinigung mit dem All hingezogen fühlt und das Unwißbare zu wissen glaubt über solche Vereinigung.(26)
MAUTHNER hält also Mystik zuerst einmal für ein rein psychisches Phänomen, das durchaus auf Einbildung basieren kann. Die für die Mystik zuständige Wissenschaft ist demnach die Psychologie.

Nach dieser Definition steht die Mystik, so MAUTHNER, in einem grundsätzlichen Gegensatz zur Aufklärung, der sich MAUTHNER ja durchaus verpflichtet fühlt, so daß er von seiner "widerwilligen Liebe zu einigen großen Mystikern (es sind auch ganz ekelhafte Schwätzer und Heuchler unter ihnen)"(27) spricht. Dieser Gegensatz bewirkt das von ihm angenommene historische Gesetz, daß sich optimistische Naturen, wenn eine Phase des Wissenschaftsbankerotts eine des Wissenschaftshochmuts abgelöst hat, in die Mystik zu retten versuchen. (28) Soviel zur Phänomenologie der Mystik, deren (ihm prinzipiell unverständliche) Ablehnung seitens der offiziellen Kirchen MAUTHNER noch zu klären versucht.

Im Anschluß daran wendet sich MAUTHNER der Geschichte der religiösen Mystik in Ost und West zu, wobei er insbesondere den mystischen Keim des Buddhismus hervorzuheben sucht, der auch dessen Verwandtschaft zum seiner Ansicht nach ebenfalls wesentlich mystischen Christentum ausmacht.(29)

Die Wurzel der christlichen Mystik sieht MAUTHNER - wohl zu Recht - bei (Pseudo-)DYONISIUS AREOPAGITA und seiner  via negativa  zu Gott, der sich weigert, Gott positive Prädikate zuzuschreiben, woraus Nichtwissen und Schweigen resultiert. MAUTHNER verfolgt die Geschichte der abendländischen Mystik mit einem kleinen Umweg über die islamische Sufi-Mystik dann ganz im Stile eines Lexikon-Artikels weiter bis zu "unsere(m) edelsten Mystiker" (30), nämlich MEISTER ECKHART. Was aber macht diesen so edel in MAUTHNERs Augen? Es sind nicht seine (positiven) philosophischen oder theologischen Lehren, die v.a. in seinen lateinischen Schriften zu finden sind:

Seine sogenannten apophatischen Äußerungen über das Wesen der Erkenntnis und Gottes sind nicht zu zählen. Gott ist Unbekanntheit, Verborgenheit, Stillheit, eine Wüste; wer etwas wirklich erkennen will, muß sich ledig machen von allen Gedanken, Worten und Werken; das Mittel ist Schweigen;(31)

MAUTHNER lehnt also die Lehrmeinungen des von ihm am meisten geschätzten Mystikers ab, weil sie seiner eigenen skeptischen Mystik grundsätzlich widersprechen, indem sie positive begriffliche Aussagen über Gott beinhalten. ECKHART ist für MAUTHNER aus ganz anderen Gründen "das Genie der Mystik", nämlich weil er "zugleich Verächter des Wortes und Künstler des Wortes; niemals Diener am Wort"(32) ist. Dies zeigt sich laut MAUTHNER zum einen an seinen deutschen Predigten und zum anderen an seinen Übersetzungen griechischer und lateinischer philosophisch-theologischer Termini ins Deutsche: Diese nämlich beleben die starr gewordenen Termini wieder.(33)

Zu dem recht eigenwilligen Schluß seines  Wörterbuch -Artikels zur Mystik, über den sich KRIEG und KÜHN so uneins sind, kommt MAUTHNER, indem er von der sich aufdrängenden Frage ausgeht, wie es komme, daß "Atheisten des 20. Jahrhunderts den frömmsten Christen aus dem 14. Jahrhundert zu ihrem Lehrer wählen"(34) und obendrein dessen unio mit Gott und dessen Gottesliebe bereitwillig akzeptieren. Der erste Teil des Antwortversuchs auf diese Frage ist recht traditionell:
  1. Man kann sich in jede Zeit versetzen.
  2. "Die Freude an der Kunstform wirkt mit."(35)
  3. Auch wenn es das Abstraktum  Dreieckigkeit  gemäß seiner nominalistischen Position nicht gibt, so gibt es doch Dreiecke. Und wenn es  Bosheit  nicht gibt, so gibt es doch böse Menschen. Und ganz analog dazu:
Es gibt keinen Gott, aber es gibt gute, gottvolle, göttliche Mystiker.(36)
Denn, so darf ich an MAUTHNERs anfängliche Definition von Mystik erinnernd hinzufügen, Mystik ist vor allem anderen ein psychischer Zustand, der offenbar unabhängig von der Existenz seines (intentionalen) Gegenstands ist. Der zweite Teil der Antwort wird als Versuch angekündigt, "das Unsagbare zu sagen"(37), d.h. hier: Aussagen zu einer nominalistischen und skeptischen Mystik zu machen. MAUTHNER gibt diese Antwort unter Zuhilfenahme mystischer Termini (ECKHARTs) und paradoxer Wendungen, die den Rahmen üblicher Semantik ebenso sprengen wie manche Satzkonstruktionen, die er verwendet, den einer üblichen Syntax.

Er adaptiert(38) also in einer Art  parodia serena  ECKHARTs Sprache bzw. die mystischer Predigttexte des Mittelalters, um das auszudrücken, was er sagen will. So kann er auf die Entwicklung einer eigenen Sprache zum Aussprechen des Unsagbaren verzichten. Er verwendet diese Mittel mystischer Sprachverwendung des Mittelalters jedoch nur in beschränktem Maße, punktuell, behält also auch vieles der üblichen essayistischen Bildungssprache des beginnenden 20.Jahrhunderts bei, so daß nicht von einer Kontrafaktur im eigentlichen Sinne gesprochen werden kann.

Was aber ist der Inhalt dieser letzten vier Seiten des Artikels, die der Darstellung der skeptischen Mystik dienen? MAUTHNER beginnt mit der (pantheistischen) Behauptung der Immanenz Gottes: Gott und die Welt sind identisch.(39) Da zudem "das Ichgefühl (...) eine Täuschung" ist, alle Individuen also nur scheinbar feste Einheiten für sich sind, unterscheiden sich die anderen Individuen "nicht von mir, ich bin Eins mit ihnen, sie und ich binnen Eins."(40) Nur das subjektive Erlebnis ist für MAUTHNER - wie für LANDAUER wirklich und real:
Und ich kann es erleben, für kurze Stunden, daß ich nichts mehr weiß vom  principium individuationis,  daß der Unterscheid aufhört zwischen der Welt und mir.  Daß ich Gott geworden  bin. (41)
Ein solches Erlebnis des Fehlens jeglichen  Unterscheids  (MEISTER ECKHART) nennt MAUTHNER "Ekstase"(42). Man ist dabei völlig passiv. Und dies ist allem, was leiden kann, gemein: Alles "miterleidet"(43) die eine Welt:
Hast du solche Stunden der Ekstase niemals gehabt? Ärmster! Dann hast du die Freude nicht gekannt.(44)
So fragt MAUTHNER den Leser rhetorisch und suggeriert mit dieser Frage die eigene Kenntnis solcher Ekstase. Doch nimmt er i.f. nicht auf ein konkretes Erlebnis Bezug, sondern vielmehr auf eine bewußt unkonkret - eben unterscheidslos - beschriebene Situation:
Du liegst an einem stillen Sommertag im hohen Grase. Tief unten fließt der Ganges oder der Rhein. Neben dir noch dein Hund, dem du den Kopf kraust, der dir die Hand leckt. Spielst du mit ihm? Spielt er mit dir? Der Unterscheid ist aufgehoben. Und alle andern Unterscheide.(45)
Womit MAUTHNER endgültig beim zentralen Punkt der skeptischen Mystik angekommen ist: Mystik ist "das Aufhören alles Unterscheids"(46): Es gibt keine Geschlechtsunterschiede und kein Alter mehr, kein Eigentum und keine Individualität, weder Schmerz noch Liebe. In solch einer "heiligen kurzen Stunde" (47) erfährt man aber nicht nur die Auflösung von Individualität und aller Grenzen, sondern auch das Ende der beiden großen Bedürfnisse des Menschen, von "Wissensdurst" und "Ruhebedürfnis":
Sie schweigen beide. Sie werden geschweigt.(48)
Diese Ekstase, die MAUTHNER hier beschreibt, ist ein todesgleicher Zustand vollkommener Ruhe, Unbewegtheit und Willenlosigkeit, die vollendete  ataraxia  des antiken Skeptikers:
Du tust nach deiner Erkenntnis. Du atmest nicht einmal mehr. Und du bist endlich eins geworden mit der Welt, welche einst Gott genannt worden ist, eins geworden mit dem Bruder Sol, der einst ein Gott genannt worden ist. Schön ist's. Tausend Farben, tausend Töne. Harmonie. Himmlische Heerscharen. Auch die Heiligen, die du für ein Märchen hieltest, fehlen nicht. Sie sammeln sich um dich und flüstern dir stumme Worte zu. An ihren geschwiegenen und schweigenden Worten errätst du, wie sie einst hießen im Scheine des Lebens. CAKHIA MUNI, der BUDDHA, flüstert mit dir, und FRANZISKUS und GOETHE und der NOVALIS und MEISTER ECKHART und ein Bauer lacht dazu und schreit: Es kann dir nix g'schehn! ( ... ) Du g'hörst zu dem all'n, und dös all g'hört zu dir! Es kann dir nix g'schehn!'

Hätte er doch nicht so laut geschrien. Seine Menschenstimme legt sich wie ein Alp auf deine Brust. Luft! Du willst nicht, aber du mußt. Nur einen Atemzug. Mörder!

Unsinn. Das ist ja das Leben. Nehmen, was man braucht. Leben wollen. Vorüber ist die kurze Stunde heiliger Mystik. Du bist zurückgekehrt zum Scheine des Lebens, zu seinen Motiven, zu seinem Wissen.

Armesle. (49)
Mit diesem doch recht gekünstelt wirkenden Ausruf des Bedauerns "Armesle", den MAUTHNER in diesem Artikel immer dann einsetzt, wenn der Mensch, der ohne die Einsichten des skeptischen Mystikers ist, bedauert werden soll, endet dieser doch recht eigenwillige - weil persönlich-subjektive und damit den Normen der Textsorte "Wörterbuchartikel" diametral entgegengesetzte Artikel. Das in ihm entwickelte Konzept der skeptischen Mystik ist, v.a. wenn es in Zusammenhang mit den anderen Äußerungen MAUTHNERs zur Mystik gebracht wird, recht differenziert. An zentraler Stelle dieser skeptischen Mystik MAUTHNERs steht die Erfahrung völliger und genereller Unterschiedslosigkeit, die Erfahrung der Aufhebung aller Grenzen, die als ekstatisches und zeitlich begrenztes Glücks- und Harmoniegefühl beschrieben wird.

Diese Erfahrung ist eine Grenzerfahrung, die im Leben nie vollkommen sein kann. Erst der Tod wäre ihre Vollendung. Die Basis dieser Erfahrung, die völlige Aufgabe aller Unterscheidung, mit der alle Individualität und Konkretheit zerstört wird, ist dabei eine direkte, rein theoretisch zu vollziehende Folgerung aus der nominalistischen Sprachskepsis MAUTHNERs, die alle begrifflichen Grenzziehungen und das Subjekt-Objekt-Verhältnis von Mensch und Welt ablehnt und statt dessen die Einheit aller Momente der Welt bzw. des Lebens betont. Diesbezüglich ist also KÜHN rechtzugeben, wenn er diese Mystik als "theoretische Konstruktion"(50) bezeichnet, welche die aus der Sprachkritik resultierende Verzweiflung beseitigen hilft: Der ekstatische Zustand der skeptischen Mystik, der den menschlichen Erkenntnistrieb ausschaltet, verheißt ja gerade dadurch ein unendliches Glück.

Will der Mensch jedoch innerhalb dieser unterschiedslosen Welt erkennen und diese Erkenntnisse mitteilen, so muß er genau daran verzweifeln. Daß MAUTHNER solche ekstatischen Erlebnisse selbst hatte, kann freilich weder mit Sicherheit angenommen werden, wie KRIEG es mit seiner oben zitierten Äußerung nahelegt(51), noch, wie KÜHN es tut, mit Sicherheit geleugnet werden. Ich neige zu der Auffassung, daß MAUTHNER tatsächlich versuchte, solche Zustände, die er ja theoretisch aus seiner Sprachkritik folgern konnte, durch Ansätze, das eigene Erkenntnisinteresse zumindest kurzfristig auszuschalten, herbeizuführen.

Ob ihm dies gelang, ist wohl nicht endgültig zu klären, zumal ja gerade in diesem Bereich psychischer Grenzerfahrungen eine Trennung zwischen Einbildung und Faktum kaum möglich ist.(52)

Diese herbeigesehnte skeptische Mystik gestaltet MAUTHNER gleich im Anschluß an das "Wörterbuch" literarisch und zwar in Gestalt eines skeptischen Mystikers: GAUTAMA BUDDHA. MAUTHNER nimmt dabei mit seinem 1912 erschienenen Buch "Der letzte Tod des Buddhas" eine zeitgenössische Mode auf: Um und nach 1900 erschienen nämlich in Deutschland wohl auch im Anschluß an SCHOPENHAUERs Begeisterung für die buddhistischen Lehren einige Bücher über den indischen Religionsstifter sowie Übertragungen seiner Reden ins Deutsche, v.a. von KARL EUGEN NEUMANN. Dessen Übersetzung einiger SIDDHARTA GAUTAMA zugeschriebener Texte, unter dem Titel "Die letzten Tage des Gotamo Buddhos" 1911 veröffentlicht, diente MAUTHNER ganz offensichtlich als sprachlich-stilistisches Vorbild für seinen Buddha.(53) Auch der Inhalt ist natürlich teilweise der Vorlage entlehnt, schließlich behandelt MAUTHNERs Text die letzten Tage BUDDHAs vor seinem Tod, wobei er sich auf dessen Reden und Gedanken konzentriert.

Eine wichtige Abweichung gibt es jedoch. Sie entspricht MAUTHNERs Konzeption der skeptischen Mystik: MAUTHNERs Buddha, wie seine 33 vom Lebenskreislauf erlösten Vorgänger mit der Möglichkeit ausgestattet, zur Gottheit zu werden, verzichtet darauf, weil er eingesehen hat, daß auch "Gottheit nur ein bloßes Wort ist"(54) und insofern nichts "als die letzte Versuchung des fahlen (Erdgeistes) Mara" (55). Deshalb war - so resümiert der Erzähler am Schluß - "Gautama, der Buddha, der erste echte Buddha"(56) und er erlosch in seligem Nichtsein. Wie ein weißes Wölkchen in der Mittagsonne zergeht. Wie der heilige Strom sich in das Weltmeer ergießt seinen Namen verliert und seine Gestalt. (...) All-Einheit hatte er gelehrt, Einheit mit dem All der Tierlein, der Blumen und der Steinbröckchen; jetzt war er die Einheit mit allem und wußte es nicht. Und war die Einheit ganz, weil er es gar nicht wußte."(57)

Auch in seinem letzten großen Werk, der vierbändigen Abhandlung über den "Atheismus und seine Geschichte im Abendlande" von 1922/23, das ganz im Sinne der praktischen Sprachkritik versucht, anhand einer kritischen Geschichte von Religion und Atheismus die Historizität und Relativität religiöser Dogmen nachzuweisen, wendet sich MAUTHNER wieder seinem eigenen Credo, der gottlosen Mystik, zu: Das vierte Buch des Mammutunternehmens trägt den Titel "Die letzten hundert Jahre - Reaktion - Materialismus - Gottlose Mystik", arbeitet zuerst die geistesgeschichtliche Entwicklung des 19. Jahrhunderts in England, Frankreich und Deutschland bis hin zu NIETZSCHE (58) auf, um sich dann dem  Frieden in gottloser Mystik  zuzuwenden: Diese gottlose und skeptische Mystik sieht MAUTHNER u.a. bei GOETHE und seinen pantheistischen Vorstellungen und in HAUPTMANNs  Hannele  und  Quint  verwirklicht.

Der Kampf um diese Mystik als neuer "Heimstätte für die Religion"(59) hat dabei zwei Gegner, die beide eigentlich schon tot und damit geschlagen sind: den Glauben der Kirchen und den mechanistischen Materialismus des 19.Jahrhunderts. Der HAECKELsche Monismus, der dogmatisch an seiner Wissenschaftsgläubigkeit festhält, ist für MAUTHNER keine echte Alternative dazu, auch wenn er mit der echten, im Sinne der Mystiker ECKHART und SILESIUS verstandenen pantheistisch-gottlosen Mystik die "Sehnsucht nach Einigung, nach Einswerdung" des "eigenen Ich" mit "dem Nicht-Ich"(60) gemein hat.

Die echte, die skeptische Mystik aber gesteht sich das Nichtwissen (der Wissenschaften) ein. Dies ist, so MAUTHNER, ganz neu für die abendländische Tradition, die er ja gerade auf ca. 2000 Seiten behandelt hat, nicht aber für die östliche Weisheitstradition, insbesondere für den bereits im "Wörterbuch" angesprochenen chinesischen Taoismus in dem MAUTHNER die Sprachkritik in beiderlei Hinsicht, rückwärts gewandt als zerstörende Skepsis und vorwärts gewandt als Sehnsucht nach Einheit, also nach Mystik, ansatzweise verwirklicht sieht.

MAUTHNER greift demnach zur Verdeutlichung seiner nur schwer zu vermittelnden Konzeption der skeptischen Mystik neben der abendländischen mystischen Tradition in persona ECKHARTs auch immer wieder auf mystische Lehren aus Asien zurück. Dabei dienen ihm die Predigten ECKHARTs im Mystik-Artikel des "Wörterbuches" und die Buddha-Reden im BUDDHA nicht nur als inhaltliche Vorbilder, sondern auch als Prätexte in Bezug auf die sprachliche, syntaktische, semantische und stilistische Gestaltung seiner eigenen Texte. Der im Tao-Artikel des "Wörterbuchs" und am Ende des "Atheismus"-Buches angeführte Taoismus wird dagegen nur inhaltlich als Vorbild für die von MAUTHNER herbeigesehnte und herbeigeredete gottlose Mystik verwendet.
LITERATUR - Uwe Spörl, Gottlose Mystik in der deutschen Literatur der Jahrhundertwende, Paderborn-München -Wien-Zürich 1997
    Anmerkungen
    1) FRIEDRICH NIETZSCHE, Kritische Studienausgabe, Hrsg. Colli/Montinari, Berlin/New York 1967ff, Bd. VII 1, Seite 86. Dieser Satz ist Nr.3/1, 274 der nachgelassenen Fragmente Juli 1882 - Winter 1883/84. Es wurde im Sommer oder Herbst 1882 niedergeschrieben.
    2) MAUTHNER, "Beiträge zu einer Kritik der Sprache", 1901f. Bd. I. Seite 331.
    3) GOTTFRIED GABRIEL, "Philosophie und Poesie", Kritische Bemerkungen zu Fritz Mauthners "Dekonstruktion" des Erkenntnisbegriffs, in LEINFELLNER / SCHLEICHERT 1995, Seite 39
    4) vgl. GOTTFRIED GABRIEL, "Philosophie und Poesie", Kritische Bemerkungen zu Fritz Mauthners "Dekonstruktion" des Erkenntnisbegriffs, in LEINFELLNER / SCHLEICHERT 1995, Seite 39
    5) MAX KRIEG, Fritz Mauthners Kritik der Sprache. Eine Revolution der Philosophie 1914, Seite 185
    6) MAX KRIEG, Fritz Mauthners Kritik der Sprache. Eine Revolution der Philosophie 1914, Seite 178
    7) MAX KRIEG, Fritz Mauthners Kritik der Sprache. Eine Revolution der Philosophie 1914, Seite 179
    8) Vgl. MAX KRIEG, Fritz Mauthners Kritik der Sprache. Eine Revolution der Philosophie 1914, Seite 179f
    9) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd. II, Seite 362-387
    10) JOACHIM KÜHN "Gescheiterte Sprachkritik". Fritz Mauthners Leben und Werk, Berlin / New York 1975, Seite 251
    11) Einige Beispiele für das, was MAUTHNER im "Wörterbuch" kritisiert, sind: BERGSONs Lebensphilosophie, die Abstraktion, der Begriff der Willensfreiheit, der Gottesbegriff, der HAECKELsche Monismus, den MAUTHNER für eine bloße Mode hält, die Theosophie u.v.m. Doch auch Lob und Zustimmung verteilt MAUTHNER im "Wörterbuch", z.B. für BACON und seine 'idola'-Lehre, für VAIHINGERs "Philosophie des Als-ob" wie überhaupt für pragmatistische Ansätze.
    12) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 18
    13) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 15
    14) MAUTHNER bestimmt bei der Behandlung des Stichworts "Nichts" sogar die "Mystik" als "ewige Sehnsucht der redenden Menschen, das Unaussprechliche auszusprechen" (MAUTHNER 1923, Bd.II, Seite 414)
    15) Das hier Gesagte entspricht weitgehend dem Begriff von Gott, Religion und Mystik aus WILLIAM JAMES Buch "The Varieties of Religious Experience".
    16) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 134
    17) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd. II, Seite 284, MAUTHNER bezieht sich hier allerdings v.a. auf den fachwissenschaftlichen Lebensbegriff innerhalb der Physiologie, wie er etwa von JOHANNES MÜLLER vertreten worden ist. Die Verweigerung einer reduktionistischen Auffassung des Lebens zeichnet jedoch auch die eigentlichen Lebensphilosophen der Jahrhundertwende (NIETZSCHE, DILTHEY, BERGSON, SIMMEL aus, insbesondere dann, wenn der Begriff des Lebens wie bei HANS DRIESCH von der Biologie aus entwickelt wird.
    18) MAUTHNER verweist sogar explizit auf diese topische Gleichsetzung von 'unio' und Liebe: Die Mystik sieht traditionell "ihre Vereinigung mit Gott wie den brünstigen und geistigen Liebesgenuß" (Mauthner 1923, Bd.II, Seite 297) an.
    19) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 297
    20) Dies wurde ja bereits festgestellt: Die begriffsrealistische, 'substantivische' (Auffassung der) Welt hält MAUTHNER für die mystische.
    21) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 419
    22) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.III, Seite 267. Das angesprochene Buch erschien übrigens 1910 in Leipzig.
    23) vgl. MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.III, Seite 267
    24) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.III, Seite 268
    25) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.III, Seite 267
    26) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 362. Auch diese Definition entspricht JAMES freilich weitaus differenzierterer Auffassung von Religion und Mystik in "The Varieties of Religious Experience". Dieses Buch, das 1902 in englischer Sprache und 1907 in deutscher Übersetzung erschienen war, konnte MAUTHNER 1910 durchaus kennen, zumal er ja dem amerikanischen Pragmatismus gerade zu dieser Zeit so große Hochachtung zollte. Einen Beleg für diese Kenntnis habe ich allerdings nicht.
    27) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 363
    28) vgl. MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd. II, Seite 363
    29) V.a. den Antimaterialismus der buddhistischen und christlichen Mystik schätzt MAUTHNER in seinem "Wörterbuch"-Artikel, in den er immer wieder Wertungen und persönliche Auffassungen miteinbringt. Sobald, so MAUTHNER, sich die Mystik mit materialistischen Auffassungen verbindet, wie etwa im Spiritismus, wird sie untragbar. Spiritismus hält er für die "cloaca maxima von Dummheit, Narrheit und Betrügerei" (MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 369) und er weist deutlich darauf hin, daß sein Mystik-Begriff überhaupt nichts mit dem zu tun hat, der von den Spiritisten und Okkultisten seiner Zeit verwendet wird. Tatsächlich bezeichneten diese die sie interessierenden Phänomene und psychischen Zustände oft als "mystische Phänomene", mystische Tatsachen" o.ä. (vgl. z.B. DU PREL 1885 u. PERTY 1872).
    30) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 375
    31) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 376
    32) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd. II, Seite 378
    33) MAUTHNER gibt dafür auf den Seiten 378 - 381 ausreichend Beispiele, darunter die Wiedergabe des griechischen Wortes "orexis" durch "gerunge" oder die des lateinischen "substantia" durch Worte wie "fürwurf", "understoz" u.e.m. Auch die auf diesen neu eingeführten deutschen Worten beruhenden Wortneubildungen des Sprachschöpfers ECKHART hebt MAUTHNER lobend hervor.
    34) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 382
    35) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 383
    36) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 383
    37) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 383
    38) An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, daß MAUTHNER in den späten 70er Jahren gerade durch Stiladaptionen und Parodien zeitgenössischer Schriftsteller zu einiger Berühmtheit gelangt war.
    39) Auf den üblichen Namen für diese Ansicht, "Pantheismus", möchte MAUTHNER allerdings verzichten: "Es sind ja nur Worte." (MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 384).
    40) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 384
    41) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 384. Der Terminus "principium individuationis" stammt aus SCHOPENHAUER "Die Welt als Wille und Vorstellung" und wurde von NIETZSCHE in seine berühmte Abhandlung von der 'Geburt der Tragödie' übernommen. Beide Texte spielen im Hinblick auf die Neomystik um 1900 eine gewisse Rolle, beide insofern, als in ihnen eine Überwindung dieses Prinzips der Individuation anvisiert ist.
    42) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 384
    43) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 385
    44) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd, II, Seite 385
    45) MAUTHNER 1923, Bd, II, Seite 385
    46) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd, II, Seite 385
    47) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd, II, Seite 385
    48) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd, II, Seite 386
    49) MAUTHNER, "Wörterbuch der Philosophie" 1923, Bd.II, Seite 387. Das "Es kann dir nix g'schehn" stammt übrigens aus ANZENGRUBERs "Die Kreuzelschreiber", wie GABRIEL erkannt hat (vgl. GABRIEL 1995, Seite 29 - Fußnote 6).
    50) JOACHIM KÜHN "Gescheiterte Sprachkritik". Fritz Mauthners Leben und Werk, Berlin / New York 1975, Seite 251
    51) MAX KRIEG, "Fritz Mauthners Kritik der Sprache. Eine Revolution der Philosophie" beschreibt zwar den ekstatischen Zustand der skeptischen Mystik MAUTHNERs ganz korrekt, suggeriert aber dadurch, daß er die letzten Seiten des "Wörterbuch"-Artikels gleich im Anschluß an die zitierte Äußerung wiedergibt, daß diese als ein authentischer Beleg dafür anzusehen sind, daß MAUTHNER derartige mystische Glückszustände kannte.
    52) WILLIAM JAMES der sich auch mit dieser Frage beschäftigt, kommt übrigens zu dem Schluß, daß eine Trennung von eingebildeter und tatsächlicher mystisch-religiöser Erfahrung ebensowenig nötig wie möglich sei: Allein das Vorhandensein solcher Erfahrung ist es, was zählt (vgl. WILLIAM JAMES, Die religiöse Erfahrung in ihrer Mannigfaltigkeit 1912, Seite 58).
    53) Hierauf weist v.a. JOACHIM KÜHN, ("Gescheiterte Sprachkritik". Fritz Mauthners Leben und Werk, Berlin / New York 1975) hin, der davon überzeugt ist, daß MAUTHNER nicht nur die "feierliche Erhabenheit und Formelhaftigkeit des Originals" übernimmt, sondern daß die Figur Buddha auch als Maske für MAUTHNER selbst fungiert: "Die fremde Sprache, die fremde Form, ja selbst die fremden Gedanken werden zum Medium des eigenen Denkens, die vorgeformte Darstellung wird nur vorsichtig verändert zur Darstellung des Eigenen." (KÜHN 1975, Seite 254). Dem ist zuzustimmen, wenn man betont, daß die angesprochene Identifikation MAUTHNERs mit dem Inder von ersterem bewußt eingesetzt wird und sich weniger auf die reale Person FRITZ MAUTHNER bezieht, sondern vielmehr auf ein utopisch-idealisiertes Ich, auf einen perfekten Repräsentanten der von MAUTHNER (auch für sich selbst) so herbeigewünschten skeptischen Mystik.
    MAUTHNER gibt übrigens die Übernahmen aus NEUMANNs Übersetzung im Anhang freimütig zu: "Ich habe manchen Ausdruck dieser feinhörigen Übersetzung entlehnt." (MAUTHNER 1919, S.101).
    54) MAUTHNER 1919, Seite 96
    55) MAUTHNER 1919, Seite 96
    56) MAUTHNER 1919, Seite 97
    57) MAUTHNER 1919, Seite 97
    58) NIETZSCHE wird hier wie in den "Beiträgen" als einer der Vorläufer der Sprachkritik gewürdigt und zugleich kritisiert, weil er diese nicht konsequent umsetzt und wieder bei Gott, auch wenn er ihn haßt und leugnet, ankommt und damit bei metaphysischen Vorstellungen. Das besondere Verhängnis Nietzsches sieht Mauthner dann darin, daß er zum (mißverstandenen) Modeautor geworden ist.
    59) MAUTHNER 1922f, Bd.IV, Seite 417
    60) MAUTHNER 1922f, Bd.IV, Seite 427