Freudvon SteinBorkenauVeblen | |||
Über meinen Streit mit der Modephilosophie dieser Zeit [3/3]
Nachdem wir nunmehr ein sehr instruktives Exemplar von einem Modephilosophen in Betracht gezogen haben: gebührte es sich wohl, unseren Streit mit diesem Geschlecht nach allen Punkten, die er betrifft, zu beschreiben und dessen möglichen Verlauf anzugeben; wenn nur ein so unstetes und glattes Wesen, wie das, womit wir streiten, sich irgend wollte festhalten lassen. Soviel können wir indessen davon sagen: es ist ein Streit auf Leben und Tod! Denn eben das Leben des Modephilosophen ist seine Sünde. NIcht sein wirkliches Leben, - wer wollte ihm das mißgönnen? - sondern die eingebildete, anmaßliche Lebendigkeit in dem, was er sein Wissen nennt und die nichts anderes ist, als Schwäche im Denken. Der Modephilosoph erlaubt sich auf Herrn SCHELLINGs Autorität, bei jedem Einzelnen an alles zu denken, auf jedem Punkt der Peripherie zugleich im Zentrum stehen zu wollen; er spricht vom Unendlichen und Ewigen in einem Atem; ja er glaubt schon zu sterben, wenn er nicht das Endliche zugleich als unendlich und rückwärts denken soll. Ich dagegen fordere, daß jeder Gedanke seine eigene Stelle im System habe, daß man die Anfänge des Systems nicht im Unendlichen, sondern im Allbekannten suche, weil nur aus dem Bekannten das Unbekannte zu finden ist; ich behaupte, daß das Ewige, als solches, weder endlich noch unendlich sei und daß man diese drei Begriffe ebensowenig durcheinander mischen, als das organische Leben, die chemische Attraktion, die Polaritäten, aus den hintersten Gemächern der Metaphysik in die Vorhöfe bringen soll. Mit einem Wort, ich verlange, daß man im strengen Sinn ein System habe, oder wenigstens methodisch suche; und falls man sich dessen weigert, daß man auf Philosophie als Wissenschaft verzichte. Hiermit hängt wesentlich meine zweite Forderung zusammen, diese: daß man die Prinzipien der Wissenschaft nicht für unmittelbare Erkenntnisse eines Realen halte; denn das Reale ist das Strittige, das Allbekannte aber sind die Erscheinungen. Dagegen sehen wir oben, daß der Modephilosoph sogar die Logik mit dem Realen zusammenkleben wollte. Und mit der nämlichen ersten Forderung hängt auch die dritte zusammen, die dem Modephilosophen unmittelbar ans Leben geht; diese, daß man Achtung haben soll für fremde Systeme, die sich nicht untereinander mengen lassen wollen; dargestellt, daß man entweder teleologische Betrachtungen anstelle mit PLATON oder dergleichen mit SPINOZA für töricht erkläre oder daß man die Dinge an sich, samt der absoluten Substanz, als dem Träger des Natürlichen und Geistigen mit FICHTE verwerfe, usw. - oder, daß man ein eigenes System habe und dessen Unterschied von jedem fremden genau angebe, damit das geistige Eigentum anderer unberührt bleibe. - Die Modephilosophen aber können nichts, als durcheinander mengen. Die negative Seite erblicken sie an keinem der berühmten Systeme, aus denen sie ihren Schmuck holen; nur an denen, die nicht Mode sind und an denen zu meistern ihrer Eitelkeit schmeichelt. Doch werden sie diese so gut als jene in Ruhe lassen müssen, wenn einmal der Lehrer und Meister, der ihre höchste Autorität ist, das unendliche System erfindet, in welchem alle endlichen Eins sind und in dieser Einheit unzertrennlich zusammengehören. (1) Meine drei allgemeinen Hauptforderungen habe ich hiermit angegeben; daß die Modephilosophen sie mir sämtlich abschlagen werden, versteht sich von selbst. Sie werden noch mehr tun, nämlich mir die Mühe abnehmen, meine Ansprüche mehr zu detaillieren. Denn indem sie mich kritisieren, wird das Publikum, durch eine leichte Umkehrung, schließen, in welchen Punkten sie mich unbefriedigt gelassen haben. Dabei spare ich Zeit und Papier. Man wolle so gefällig sein, zu bemerken, daß mein Streit mit den Modephilosophen unfehlbar so lange dauert, als ich lebe; denn daß dieser Streit mit einem entscheidenden Sieg auf einer von beiden Seiten endigen sollte, dazu ist gar keine Hoffnung. Nun werde ich aber den Krieg nicht immer durch solche Schriften führen, wie die gegenwärtige, sondern vielleicht durch ähnliche, wie meine Einleitung, meine Hauptpunkte der Metaphysik, meine allgemeine Pädagogik und praktische Philosophie. Alsdann kann, wen es interessiert, dieser nur acht geben, was darüber in öffentlichen Blättern gesagt wird. Mit einiger Übung wird man aus den Angriffen der Rezensenten gegen mich, leicht herausfinden, in welchen Punkten jene sich von mir angegriffen fühlten. Sollte es aber zuweilen nötig scheinen, mich so direkt und deutlich auszudrücken, wie diesmal: so werde ich mir allemal erlauben, nachzuhohlen, was ich etwa in früheren Terminen meines Prozesses versäumt haben könnte. Dergleichen zu tun, bin ich jetzt im Begriff, indem ich die oben erwähnte Rezension meiner Pädagogik vornehme. Vor nunmehr neun Jahren wurde das Buch geschrieben; um Neujahr 1806 kam es in den Buchhandel. Im Oktober 1811 erschien die Rezension. Sie erschien, um, wie es am Ende heißt, die Hülle, mit welcher dieses Buch bisher bedeckt schien, zu lüften und es sich in seiner wahren Gestalt vor Augen zu stellen. Das maßte sich der Rezensent an, nachdem die übrigen gelehrten Zeitungen und die Leipziger mit aller gehörigen Ausführlichkeit längst über das Buch gesprochen hatten. Der Mann wollte sich ferner der jungen Studierenden erbarmen, welche meine Vorträge über Pädagogik anhören; es ist ausdrücklich, unmittelbar vor jener Stelle, von deren gewöhnlicher Leichtgläubigkeit für die Worte ihrer Lehrer die Rede. Mit anderen Worten, die Rezension sollte nicht bloß mein Buch, sondern meine pädagogische Professur treffen. - Ich bin zu keiner schnellen Antwort genötigt worden, - jetzt aber, da ich bei Gelegenheit jenes jüngsten Ausfalls der Jenauer Zeitung gegen mich, auch diese alten Sünden aufdecken will, muß ich meine höchste Befremdung über die Redaktion derselben Zeitung ausdrücken, darüber fürs erste, daß sie ein sechs Jahre alt gewordenes Buch vor dem Publikum und unter den Zeugen der Regierung, die den Verfasser beamtete, aufs heftigste verklagen ließ, als ob während einer so langen Zeit der Autor auf demselben Fleck müssen still gestanden sein und als ob er genötigt wäre zu dulden, daß man ein so altes Produkt noch jetzt förmlich zum Maßstab seiner Fähigkeit und amtlichen Tüchtigkeit aufstelle? Wie viele Bücher mögen denn in Deutschland geschrieben werden, die sich nicht unbedingt noch nach sechs Jahren als treue Abdrücke des Geistes ihrer Verfasser bewähren? Die Frage danach sollte dem Rezensenten und der Redaktion jedesmal einfallen, so oft die letztere eine sechsjährige Versäumnis wieder gut zu machen und jener sich wider die früheren Urteile anderer Literaturzeitungen aufzulehnen gedenkt. Bei all dem hat der Rezensent die Dreistigkeit gehabt, sich öffentlich zu nennen. Und ich habe heute die Dreistigkeit, mein Buch gegen ihn zu verteidigen, obgleich es mir jetzt schwerlich begegnen würde, noch einmal so zu schreiben, wie vor neun Jahren. Damals stand ich am Ende einer ziemlich langen und für mich erfreulichen pädagogischen Tätigkeit. Ich wünschte meine Resultate aufzubewahren und meinem Publikum mitzuteilen; das war aber schwierig, weil sie sich innigst verknüpft fanden mit meinen philosophischen Überzeugungen und weil meine wissenschaftlichen Forschungen einen Weg gegangen waren, der sich von den öffentlich in Umlauf gesetzen Lehrmeinungen längst weit entfernt hatte und alle Tage mehr entfernt. Meine Pädagogik war nichts ohne meine Ansichten der Metaphysik und praktischen Philosophie; diese aber wurden damals nur noch mündlich mitgeteilt. Was war zu tun? die Pädagogik mußte jetzt niedergeschrieben werden; denn sie war bei meinen übrigen Beschäftigungen eine Nebensache und umso sicherer würde beim Aufschießen auch die Frische der Erinnerung an meine Praxis verloren gegangen sein. - Die Pädagogik sollte vor allem für meine Zuhörer sein, überhaupt aber für diejenigen, die sich um meine philosophischen Grundsätze bekümmern würden. Doch mußte auch jeder andere Leser darin etwas für sich Brauchbares finden. Also - das Buch mußte vieles enthalten, das Viele ansprechen könnte; der Plan und eigentliche Kern aber mußte in vielen Punkten ein öffentliches Geheimnis bleiben, das nur die nachfolgenden philosophischen Schriften aufklären konnten. Wäre nun vor Erscheinung der letzteren ein Rezensent gekommen, der, zuerst über den Titel, "Allgemeine Pädagogik", nach seiner Art philosophierend, sich ein Schema eines solchen Buches aussinnend und von seinem Schema beim mir nichts antreffend, für gut befunden hätte, sich in laute Klagen zu ergießen: "Es sei in dem Buch kein Prinzip aufgestellt; man vermisse die wissenschaftliche Ableitung; das Ganze sei ein Aggregat von allerlei psychologischen, anthropologischen, moralischen und pädagogischen Bemerkungen und Ratschlägen, unlogisch geordnet, ohne die nötigen Definitionen, in dunkler unverständlicher Sprache;" - hätte mir der Mann übrigens eine gute Meinung von seinen pädagogischen Einsichten beigebracht, sich in den Grenzen der Mäßigung gehalten und vor allem die Leichtgläubigkeit meiner Zuhörer aus dem Spiel gelassen, so würde ich ihm gesagt haben: Geduld, lieber Herr! Sie haben keinen Schlüssel zu diesem Buch, daher Ihre sehr natürlichen Klagen; warten Sie ein wenig, ich werden gehen und den Schlüssel hohlen. Aber mein Rezensent trat auf zu einer Zeit, wo jedermann wußte, daß, meiner öffentlichen Stellung gemäß, an mir notwendig erst die philosophische, dann die pädagogische Einsicht beurteilt werden müsse; und wo meine praktische Philosophie nebst den Hauptpunkten der Metaphysik längst in allen Buchläden zu haben waren. Es stand also dem Rezensenten frei, über den Zweck der Erziehung, aus welchem, laut Titel, meine Pädagogik abgeleitet werden sollte, das Buch aufzuschlagen, worin sie allein die ausführliche Bestimmung und Erörterung dieses Zwecks, - der, mit einem Wort, die Tugend ist, - Raum hatte finden können; nämlich die allgemeine praktische Philosophie. Diese nun konnte auf den ersten Blick zeigen, was die Worte: Wohlwollen und Vollkommenheit, die Seite 83 der Pädagogik nicht ohne Absicht groß gedruckt sind, zu bedeuten hatten. Es sind das zwei von den ursprünglichen praktischen Ideen, die zu den Grundbestimmungen der Tugen gehören. Ferner steht auf Seite 86 der Pädagogik: die sittliche Erziehung habe nicht eine gewisse Äußerlichkeit der Handlungen, sondern die Einsicht samt dem ihr angemessenen Wollen im Gemüt des Zöglings hervorzubringen. Die letzten Worte sind nichts anderes als die Realdefinition der Tugend, wie ich dieselbe auf Seite 266 der praktischen Philosophie, das heißt, an der Stelle gegeben habe, wo sie in allem Vorhergehenden ihre vollständige Entwicklung und Rechtfertigung findet. Denn ich pflege für meine Definitionen, mit denen ich überhaupt, aus wohlüberlegten Gründen, sparsame umgehe, solche Plätze zu suchen, wo deren Gültigkeit einleuchten kann und wo alle Fragen, die man darüber zu erheben hat, sich aus dem Zusammenhang von selbst beantworten. - Mit Hilfe dessen nun, was ich soeben nachgewiesen haben und was auch ohne meine Hilfe sehr leicht zu finden war, mußte sich dem Rezensenten ungefähr folgender Aufschluß über den Plan der Pädagogik ergeben: Zweck der Erziehung ist die Tugend. Tugend ist die Verbindung zwischen der Einsicht und dem ihr entsprechenden Willen. Die Einsicht umfaßt fünf, unter sich unabhängige, praktische Ideen, nebst einer unbestimmten Menge desjenigen Wissens, welches die Anwendung der Ideen auf das menschliche Leben betrifft. Der entsprechende Wille setzt sich aus einigen sehr heterogenen Bestandteilen zusammen. Ursprüngliche, unbestimmt mannigfaltige Kraft. Natürliches Wohlwollen. Aufmerksamkeit auf die Ideen und in allen nötigen Fällen angestrengtes Zurückhalten der inneren Bestrebungen, welche den Ideen zuwider wirken könnten. - Das einzige Wort Tugend also stellt der Erziehung ein höchst zusammengesetztes Ziel vor Augen; ein zusammengesetztes um so mehr, da in den Menschen keine solche einfache Grundkraft vorhanden ist, wie man wohl vorgibt, die nur nötig hätte, sich organisch zu entwickeln um die Tugend hervorzubringen. Aus der Verlegenheit, in welche die verschiedenen Merkmale des Begriffs der Tugend den Pädagogen setzen, zieht ihn zuerst der Blick auf den Zögling. Dieser, noch sehr unbestimmt in allen anderen Rücksichten, bietet sich als ein nach allen Richtungen strebendes, kräftiges Wesen dar. Dadurch fällt er, der für die übrigen praktischen Ideen noch wenig Bedeutung hat, zunächst unter die Beurteilung nach der Idee der Vollkommenheit, welche dreifach ist, indem sie die Intention, Extension und Konzentration der Kraft betrifft (vgl. Praktische Philosophie, Seite 90 und 91, sowie Pädagogik, Seite 84). Die Intension der Kraft im Zögling ist größtenteils Naturgabe; die Konzentration auf einen Hauptgegenstand ist erst im späteren Alter möglich und zweckmäßig; und es bleibt so die Extension übrig oder Ausbreitung der Kraft auf eine unbestimmte Menge von Gegenständen, - je mehr, desto besser! Dieser Begriff, der einer Menge von näheren Bestimmungen und Einschränkungen entgegen geht, indem die Idee der Vollkommenheit nicht die ganze Tugend bezeichnet, sich vielmehr die sämtlichen praktischen Ideen in allen Punkten ihrer Anwendung gegenseitig beschränken, - ist nichts destoweniger der erste, den die Erziehungslehre verfolgen muß. Von den Einschränkungen ergibt gleich der erste Blick auf den Begriff der Tugen diese, daß die Ausbreitung der Kraft in eine Mannigfaltigkeit von Strebungen nicht eine ebenso große Vielheit von Begierden und Forderungen erzeugen darf; denn der Tugendhafte darf gar kein Äußeres unbedingt begehren (Praktische Philosophie, Seite 272). Daher ist die Aufgabe so zu fassen, daß Vielseitigkeit des Interesses beabsichtigt werde. (Pädagogik, Seite 85 und 136). Und da die Ausbreitung der Kraft dadurch geschieht, daß man dem Zögling eine Menge von Gegenständen darbietet, die ihn reizen und in Bewegung setzen, so muß, um die Aufgabe zu erfüllen, etwas Drittes zwischen Erzieher und Zögling in die Mitte gestellt werden, als ein solches, womit dieser von jenem beschäftigt wird. So etwas heißt unterrichten; das Dritte ist der Gegenstand, worin unterrichtet wird; der hierher gehörige Teil der Erziehungslehre ist die Didaktik. Demgemäß wird die Didaktik vorangestellt vor den übrigen Lehren vom Benehmen des Erziehers gegen den Zögling. Hierbei kann sie unmöglich gleich in ihrer ganzen Würde erscheinen; aber es findet sich hinterher, wenn die Aufgabe, die ganze Tugend hervorzubilden, nun wieder in ihrer Größe zurückgerufen wird, daß die Hauptsachen schon durch den Unterricht, nach jener ersten Rücksicht, geleistet sind, und daß man nur noch einige Vorschriften nachzutragen hat. Hierüber ist das lange vierte Kapitel des dritten Buchs meiner Pädagogik zu vergleichen, welches der höchste Punkt ist, von wo das ganze Buch überschaut sein will, und wo der Kritiker hätte verstehen sollen, ehe er zur Rezension die Feder ansetzte. Von hieraus ist zu sehen, daß die Anordnung meines Buches die möglichst bequeme für eine allgemeine Pädagogik ist, wenn sie auch nicht von Anfang an so erscheint. Wir haben jetzt zwei Teile der Erziehungslehre unterschieden: die Didaktik, welche auf einer speziellen Aufgabe aus dem Umfang des ganzen Erziehungsproblems beruth; und die Lehre von der sittlichen Charakterbildung, welche, nachdem der schwerste und weitläufigste Teil schon fertig ist, nun noch einmal das Ganze des Problems behandelt, um der Didaktik noch die nötigen Vorschriften beizufügen, die das Vernehmen des Erziehers gegen den Zögling betreffen; welches ich Zucht genannt habe, insoweit nämlich dieses Benehmen unmittelbar durch die Forerung, den Zögling zur Tugend zu bilden, bestimmt wird. Aber in dieser Ausführung alles bisher betrachteten kann der Erzieher nicht umhin, noch in ein anderes Verhältnis mit dem Zögling zu geraten, als in das, was eigentlich aus dem Hauptproblem hervorgeht. Dieses letztere bezieht sich auf das, was der Zögling einst werden soll, ein tugendhafter Mann oder ein tugendhaftes Weib; aber schon jetzt, da er noch Knabe oder Mädchen ist, gibt es eine Menge von Dingen in seiner Hinsicht zu besorgen, die da nötig sein würden, auch wenn an keine Bildung zur Tugend gedacht würde. Diese Dinge müssen überall vorher abgemacht werden, ehe man bilden kann. Die Knaben in der Schule müssen still sitzen, ehe sie dem Lehrer zuhören; die Kinder müssen nicht über des Nachbarn Zaun klettern, denn der Nachbar will seine Blumen und sein Obst behalten; diese Betrachtung kommt erst an die Reihe, ehe an die Ausbildung des Rechtsgefühls der Kinder zu denken ist. Alle diese Dinge nun fasse ich zusammen unter dem Namen: Regierung der Kinder. Und ich finde höchst nötig, daß die Lehre hiervon abgesondert werde von den eigentlichen pädagogischen Betrachtungen, weil der Erzieher nicht weiß, was er will und sich in seinem eigenen Plan verwirrt, wenn ihm nicht klar ist, wieviel von seinem Tun auf Bildung hinwirkt, wie viele und welche Modifikationen und Zusätze in diesem nämlichen Tun dagegen durch die ersten Forderungen der Gegenwart bestimmt werden. Man frage nun nicht nach einer positiven Definition, welche den Zweck der Regierung der Kinder feststelle. Bildung und Nicht-Bildung, das ist der kontradiktorische Gegensatz, welcher die eigentliche Erzeihung von der Regierung scheidet. Und zwar ist das eine Scheidung, nicht der Maßregeln des Erziehers, sondern seiner Begriffe, durch die er sich Rechenschaft geben soll, von seinem Tun. Die Maßregeln laufen vielfältig ineinander, wie in allem menschlichen Handeln, wo mehrere Motive zugleich wirken. Regierung, Unterricht und Zucht, das sind demnach die drei Hauptbegriffe, nach welchen die ganze Erziehungslehre abzuhandeln ist. Das erste der hieraus enstehenden drei Fächer auszufüllen, ist für den, der mit Kindern umzugehen weiß, ziemlich leicht, nachdem einmal der Begriff selbst gehörig gefaßt ist; ich kann mich hier nicht dabei aufhalten. Bei weitem größere Schwierigkeiten erheben sich bei der Unterrichtslehre. Dieselbe kann nicht eingeteilt werden nach den auszubildenden Seelenvermögen, denn das sind Undinge; noch auch nach den zu lehrenden Wissenschaften, denn die sind hier nur Mittel zum Zweck, welche, wie die Nahrungsmittel, nach den Anlagen und Gelegenheiten müssen gebraucht und überall wie ein völlig geschmeidiger Stoff nach den pädagogischen Absichten gestaltet werden. Es war mein wesentlichstes Augenmerk bei meinem Buch, eine Pädagogik aufzustellen, die frei wäre von den Irrtümern der alten Psychologie und frei von den Gewöhnungen der Gelehrten, die ihr Wissen unbedingt so wiederzugeben pflegen, wie sie es sich zum gelehrten Gebrauch geordnet und geformt haben. Wäre die GRASERsche Divinitätslehre schon erschienen gewesen, so würde ich sagen können, es sei auch mein Zweck gewesen, die Pädagogik frei von den neuesten Einbildungen religiöser Anschauung darzustellen. - Das wesentliche nun, was in der Unterrichtslehre Abteilungen machen kann und muß und welches beim pädagogischen Gebrauch der Wissenschaften überall die Zweifel entscheidet, ist, zuerst einmal eine Unterscheidung der Gemütszustände, in die man durch den mannigfaltigen Unterricht den Zögling zu versetzen trachtet, oder der verschiedenen Arten des Interesses, die man ihm abgewinnen will, jene Unterscheidung des empirischen, spekulativen, ästhetischen, teilnehmenden Interesses, die ich in meiner Pädagogik weiter ausgeführt habe. Hierüber streite, wer dieselbe anfechten will; denn ich verlange vom Pädagogen vor allen Dingen, daß er sich in dieser Unterscheidung aufs sorgfältigste orientiere und sich übe, darauf alles Lehren und Lernen zu beziehen. Wer das nicht tut, der mag ein trefflicher Empiriker sein, ein Theoretiker ist er in meinen Augen nicht; und das Maß des Gebrauchs jeder Wissenschaft, die Anordnung des Unterrichts in Gymnasien und in Bürgerschulen, bei verschiedenem Umfang der Hilfsmittel, zu einerlei Zweck, - desgleichen die rechte Auswahl des Unterrichts bei sehr vorzüglichen und bei schwachen oder vernachlässigten Subjekten, - dies und noch manches andere, wird der Empiriker schwerlich zu treffen wissen. Es hängt alles davon ab, daß man stets das nämliche Gleichmaß in den verschiedenen Arten des Interesses zu erreichen suche, bei aller Verschiedenheit der Umstände und des danach eingerichteten Verfahrens. Diese Regel ist so allgemein, daß sie die Bildung des weiblichen wie des männlichen Geschlechts umfaßt, obgleich die Gegenstände, wodurch man jedes der genannten Interessen aufregen soll, z. B. beim spekulativen Interesse, sehr verschieden ausfallen. Alle diese Interessen sollen ferner beim Menschen so viel als möglich stets im Gleichgewicht sein; daher taugt die gemachte Abteilung zwar für das Mannigfaltige, was in jedem lehrfähigen Alter des Zöglings neben einander muß befragt werden; aber es ist damit noch gar nichts festgesetzt für das Sukzessive, für die Fortschreitung des Unterrichts. Dazu gehört eine ganz andere Art von Abteilung, welche zu finden man sich in die Weise hineinversetzen muß, wie das menschliche Gemüth in seinen Zuständen wechselt und einen aus den andern entwickelt. Die allgemeinen Bestimmungen hierüber sind für jede Art des Interesses die nämlichen; hat man also die jetzt gesuchte Art der Abteilung (wohin der Unterschied der Vertiefung und Besinnung gehört) aufgefunden, so wird diese und jene Teilung eine die andere durchkreuzen, die Teilungen werden sich untereinander verflechten, indem auf jedes Teilungsglied der einen Art, alle Glieder der anderen Art müssen bezogen werden. Daraus kann man nun sehen, daß der Plan einer allgemeinen Pädagogik einer Tafel mit mehreren Eingängen, wie das Mathematiker sagen, gleichen müsse; und daß hier mit der gewöhnlichen Tabellenform wonach A in a, b, c und diese wieder in α, β, γ zerfallen, ohne näheren Zusammenhang der Glieder von A mit denen von B, hier nichts würde auszurichten sein. Dies umso weniger, da noch eine dritte Art von Einteilung, nämlich die nach den eigentlichen Lehrformen, (bloß darstellende, analytische, synthetische Lehrform,) sich mit der vorigen durchkreuzen muß; daher denn der Plan der Didaktik kein anderer als dieser werden kann:
2) logisch kombinatorische Verbindung aller Einteilungen untereinander; nach der Methode, die ich am Ende des ersten Kapitels meiner Logik (im Lehrbuch zur Einleitung in die Philosophie und in der Beilage zu den Hauptpunkten der Metaphysik) angegeben habe. Und nun urteile man, wieviel von dem ganzen Buch derjenige begriffen haben möge, der dasselbe als ein Aggregat von allerlei Bemerkungen und Ratschlägen, unlogisch (das heißt, nicht nach A und a und α) geordnet, ankündigte. Weder mir noch den Lesern will ich Pein antun, das langweilige Gerede dieses Mannes, das sich durch vier Stücke der Jenaischen Zeitung fortschleppt, - und nun größtenteils vergessen ist, - so zu zergliedern, wie vorhin jene neuerliche Rezension, die noch geistreich ist im Vergleich mit jenem! Das Dozieren, man weiß nicht für welche Schüler, haben beide miteinander gemein. Nur ein Beispiel: "Wir sind der Meinung, daß sich ohne Philosophie von der allgemeinen Pädagogik gar nicht sprechen lasse und halten dieselbe in ihren Prinzipien selbst für Philosophie." Jawohl! und deshalb eben sollte der Rezensent nicht seine Philosophie, sondern die meinige, als die Quelle meiner Pädagogik aufgesucht und sich die letztere daraus erklärt haben "Warum", heißt es weiter, "machte sich der Verfasser nicht zuvor an diese Psychologie, da er ihre Möglichkeit und Schwierigkeit kennt, welches ja schon die halbe Arbeit ist?" - Die halbe Arbeit! O Modephilosoph! ist Deine Psychologie so leicht! "Der Verfasser benimmt den Erziehern alle Lust, Erfahrungen anzustellen." Behüter der Himmel! Ich will nur, daß man wirklich die Erfahrungen anstelle, wovon, wie es zu machen sei, die Pädagogik redet; nicht aber, daß man nach einigen Jahren unüberlegter pädagogischer Geschäftigkeit seine Routine für Erfahrung ausgebe. "Zu bedauern ist nur, daß der Verfasser nicht das richtige Verhältnis der Erziehung zum Unterricht feststellte. Die Abgrenzung dieser Begriffe findet sich weder hier (in der Einleitung) noch anders wo." Und Ich bedaure, daß der Rezensent den Wald vor den Bäumen nicht sah. NIchts anderes ist so sorgfältig und ausführlich als eben das von mir nachgewiesen, das ganze Buch handelt davon und man könnte fast sagen, nur davon. Konzentriert aber und mit möglichstem Nachdruck vorgetragen ist dieser Gegenstand im erwähnten vierten Kapitel des dritten Buches. Namentlich gehört ganz unmittelbar der zweite Paragraph hierher, überschrieben: Einfluß des Gedankenkreises auf den Charakter, - wobei der Rezensent, um zu wissen, daß hier vom Verhältnis des Unterrichts und der Erziehung die Rede ist, beliebe hinzu zu denken, daß der Unterricht zunächst den Gedankenkreis, die Erziehung den Charakter bilden will. Das letzte ist nichts ohne das erste - darin besteht die Hauptsumme meiner Pädagogik. "Welche Sprache in einer Pädagogik!" deklamiert der Rezensent, wo ich von Leuten rede, die sich verurteilt sehen, mit Kindern zu leben. Und welcher Verstand eines Kritikers, rufe ich dagegen, der nicht begreift, daß hier jene unpädagogischen Söldlinge bezeichnet werden, die das edelste Geschäft für eine leidige Notwendigkeit halten. Das ganze Folgende ist ein Muster von Verdrehung aus Einfalt, die zu jedem Buch einen Kommentar nötig hat, der sie Ernst und Ironie unterscheiden lehre. Und diese Art von Einfalt - einen gelinderen Namen weiß ich dafür nicht - ist mir schon mehr als einmal in den Weg getreten, zum Teil mit groben Anschuldigungen. "Der Erzieher wird nie Polizeidiener." Diese Bemerkung könnte vielleicht hie und da nützlich sein, wo man das Erziehungsgeschäft unter einer Masse von polizeilichen Formen zu Boden drückt, die in der Kinderwelt einen sehr beschränkten Nutzen haben. Gegen mich ist dieselbe Bemerkung gerichtet, weil der Rezensent nicht zusammenreimen kann, wie die Motive des Regierers und die Motive des Erziehers sich zu einer pädagogischen Tätigkeit verbinden lassen, sondern sich in den Kopf setzt, "es solle eine Regierungs- und eine Erziehungshälfte" geben. Dieser Unsinn ist aus meinem, sondern jedem Pädagogen bekannten geworden (wenn auch der Ausdruck fremd klingen sollte): daß in früheren Jahren die Regierung, in den späteren jene feinere Behandlung, die ich Zucht nenne, das Übergewicht habe. Der Verfasser hat gar keinen festen Punkt, von dem er ausgeht." Ich beziehe mich auf die vorangeschickte Rechenschaft über den Plan meines Buches. "Wie kann der Erzieher, ohne allwissend zu sein, wissen, welche Zwecke der Zögling sich als Mann künftig setzen wird?" - Und wie populär ist die Weisheit, womit der Rezensent seinen Autor zu Boden schlagen will! Übrigens kann dieser Rezensent nicht besser lesen, als jener des Lehrbuchs zur Einleitung in die Philosophie. Sonst hätte er Seite 83 meines Buches gelesen, daß ich dort eine Frage, die jene schon stillschweigend voraussetzt, aufwerfe und beantworte. Das Objektive dieser Zwecke, so lautet die Antwort, als Sache der bloßen Willkür, hat für den Erzieher gar kein Interesse. Das Wollen selbst, die Aktivität, kommt in Betracht, - und die pünktliche Auflösung der Frage gibt die Lehre von der Idee der Vollkommenheit, in der praktischen Philosophie. Es kann keinen unglücklicheren Gedanken geben, als diesen, " - den der Rezensent nicht versteht, indem ihm nicht einfällt, daß es ein Gedanke sei, dem nähere Bestimmungen noch den übrigen praktischen Ideen vorbehalten sind. "Wir hören, im gerade Widerspruch mit dem Vorigen daß das Objektive dieser Zwecke für den Erzieher kein Interesse habe." - O Wunder ! der Rezensent hat wirklich gelesen, und doch seinen vorigen grundlosen Tadel nicht wieder ausgestrichen? ? Wohlan! so bleibt auch meine Gegenbemerkung stehn! Im übrigen gebe ich hiermit die authentische Erklärung über mein Buch, daß ich die Idee der Vollkommenheit niemals anders, als auf die angegebene Weise gedacht und auf die Pädagogik bezogen habe. "Hätte der Verfasser den alleinigen Zweck ins Auge gefaßt und daraus die ganze Erziehungslehre entwickelt: so würde Anlage und Ausführung ganz anders ausgefallen sein." Umgekehrt! der Verfasser hatte den alleinigen Zweck, die Tugend, sehr sorgfältig ins Auge gefaßt; und gerade darum, nämlich weil er diesen einen Zweck äußerst vielteilig und vielbefassend fand, wurde Anlange und Ausführung so, wie sie ist. Mit der Rezension bin ich nun über die Hälfte derselben gekommen; diese aber ist mit dem Buch noch nicht über die vorbereitenden Betrachtungen hinaus. Zwei volle Stücke der Jenaer Zeitung sind angefüllt mit einem klaren Nichts. Die erste Seite des dritten Stücks sagt auch Nichts, als daß der Rezensent nichts verstanden hat. Warum rezensierte denn der Mann? Ohne Zweifel, weil sein Verstehen der Maßstab der Dinge ist! Übrigens, sollte ich denken, wäre ohne Mühe zu verstehen, daß, wo Vielseitigkeit sein soll, da ein vielfältiges Übergehen von Gegenstand zu Gegenstand, ein vielfältiges Wechseln der Gemütslage vorkommen muß; daß aber dieser Wechsel, um nicht Zerstreuung zu werden, zur Sammlung des Geistes, - daß die Vertiefungen in vieles Verschiedene, zur Besinnung an alles miteinander zurückkehren sollen; - daß also die verlangte Vielseitigkeit des Interesses sowohl der Vertiefungen als der Besinnung bedarf. Und das ist es, was der Rezensent nicht begreift, obgleich es in meinem Buch deutlicher entwickelt ist, als hier in der Kürze geschehen kann. Das Nichts und wieder Nichts verlängert sich in der Rezension dermaßen, daß ich mich wohl an den alten Spruch erinnern muß: Aus Nichts wird Nichts; und ich könnte mich hiermit in der Tat verabschieden, wenn sich nicht für die absolute Nichtigkeit dieser Rezension noch ein schöner Beweis in folgender Stelle fände: "Die Resultate werden auf folgende Art angegeben: "Allgemein soll der Unterricht zeigen, verknüpfen, lehren, philosophieren. In Sachen der Teilnahme sei er anschaulich, kontinuierlich, erhebend, in die Wirklichkeit eingreifend." "Warum er so und nicht anders und nicht weniger oder mehr tun und sein soll, wird wieder nicht bewiesen, sondern es wird bloß gesagt, daß man diese Worte leicht deuten werde. Heißt das aber einen Gegenstand wissenschaftlich behandeln?" Diese Probe von Rezension steht für alle anderen. Die Worte: zeigen, verknüpfen, lehren, philosophieren beziehen sich auf: Klarheit, Assoziation, System, Methode, welche im ersten Kapitel entwickelt waren. Die Worte: anschaulich, kontinuierlich, erhebend und in die Wirklichkeit eingreifend, sind hier Zeichen der vier Begriffe: Merken, Erwarten, Fordern, Handeln, welche im zweiten Kapitel ihre Stelle gefunden hatten. Daß sie hier als Zeichen von denselben sollen gebraucht werden, ist aus Seite 176 zu sehen, wo gesagt ist, daß bei der Bildung der Teilnahme auch die höheren Stufen, zu welchen sich eine menschliche Regung erheben kann, nämlich Fordern und Handeln, in Betracht kommen; während für andere Teile der Bildung es beim Merken und Erwarten sein Bewenden hat. Nun sind die angegebenen Worte die ganz notwendigen Zeichen der Verknüpfung dessen, was in den Tabellen von Seite 232 bis Seite 261 vorkommt, wo alles vorhergehende unter sich kombinatorisch verarbeitet wird, - mit den ersten beiden Kapiteln, welche die allgemeinsten formalen Bestimmungen des Unterrichts enthalten. So steht zum Beispiel Seite 232: das Zeigen der Dinge geht allem voran. Hier soll bei dem Wort zeigen alles hinzugedacht werden, was im ersten Kapitel über Klarheit der Auffassungen, in welche der Zögling sich vertiefen soll, ist gesagt worden. Wer also diese Worte nicht zu deuten weiß, - das heißt, wer so nachlässig gewesen ist, sich um den Plan des Buches gar nicht zu bekümmern, sondern schlechthein zu entscheiden: wo sich meinen blöden Augen nicht gleich ein Plan aufdrängt, gestaltet nach meinen alten Angewöhnungen, da ist auch kein Plan; - wer sage ich, diese Brücke nicht zu betreten weiß, welche das nötige Kommunikationsmittel aller Teile untereinander darbietet; der hat hiermit als Rezensent sein eigenes Urteil gesprochen! Wenn es nötig wäre, diesem Urteil noch etwas hinzuzusetzen, so würde sich dazu der Umstand darbieten, daß jenes oben erwähnte vierte Kapitel des dritten Buches, dasjenige, welches ganz gelegentlich dazu bestimmt ist, Licht auf das Ganze zu werfen, - von diesem Rezensenten, der alle die vorbereitenden Betrachtungen im ersten Buch aufs gewaltsamste auseinander zerrt, um plaudern zu können, - bloß den Rubriken nach, ist angeführt worden; mit der einzigen Bemerkung, die das Ganze krönt: es seien das Begriffe, die der Psychologie und Moralphilosophie anzugehören schienen und welche hier größtenteils in gar keine Beziehung auf Pädagogik aufgestellt seien. Und nun frage ich noch einmal: wie hat die Redaktion der Jenaischen Literaturzeitung eine Rezension abdrucken lassen können, aus der von allen Seiten nur der eine, einzige, durchdringende Laut in die Ohren tönt; ich verstehe den Verfasser nicht !!! Doch, mit der Redaktion habe ich bei dieser Gelegenheit noch ein Wörtchen zu reden, das nicht nur mich, sondern auch meinen wackeren, ehemaligen Universitätsgenossen KÖPPEN in Landshut, und, wenn man will, sämtliche Professoren der Philosophie auf allen Deutschen Universitäten betrifft. - Aus dem Schluß der Rezension habe ich oben schon angeführt, daß in denselben von Vorträgen auf öffentlichen Lehrstühlen die Rede ist und von der Nachbeterei der jungen Studierenden, und von Abwendung jedes nachteiligen Einflusses, der eine so wichtige Wissenschaft, wie die Pädagogik, treffen könnte. Dies, sollte man denken, sei das Höchste in seiner Art. Nein! die Jenaische Literaturzeitung schreitet fort, sie übertrifft sich selbst. Man sehe den Mai 1814, Nr. 83. Da ist die Rede von einem Herrn FRIEDRICH SCHAFBERGER, welcher die "höchst nachteiligen Folgen der KÖPPENschen Lehre" soll auseinandergesetzt haben. Der Rezensent fährt fort: "Sie sind eben so traurig, als wahr; und wenn man bedenkt, welchen wichtigen Einfluß die öffentlichen Lehrer der Philosophie auf die ganze künftige Denk- und Handlungsweise ihrer Zöglinge ausüben: so kann man nicht umhin, von Herzen zu wünschen, daß bei der Auswahl derselben nur allein die durch Wissenschaft und Charakter bestimmte Würdigkeit entscheide, und jeder untüchtig Befundene abgewiesen oder schleunigst wieder entfernt werde." Man sieht, es handelt sich hier um Amt und Brot! Es ist Zeit, daß die Professoren der Philosophie, wenn sie des Verhältnisses mit ihren Oberen nicht recht sicher sein sollten, sich bei ihren Rechtskonsulenten erkundigen, unter welchen Umständen und in welchen Formen sie nötigenfalls den Herrn Redakteur der Jenaischen Literaturzeitung mit einer Diffamierungsklage oder etwas ähnlichem, belangen könnten. Was mich anlangt, so mag immerhin nächstens ein Rezensent in jenem Blatt mit unverblümten, dürren Worten meine Absetzung aus dem Amt beantragen; ich werde den Herrn geheimen Hofrat EICHSTÄDT darum doch nicht mit einem gerichtlichen Handel beschweren. Des Schutzes meiner hohen, erleuchteten Oberen halte ich mich versichert; und der eben genannte Herr, dem das Urteil des Publikums ohne Zweifel auch etwas gilt, wird nun wohl im Stillen etwas behutsamer darauf achten, daß nicht seine Beurteilung des literarisch Schicklichen durch den Eifer der Rezensenten in ein zweifelhaftes Licht gestellt werde. Nur darum möchte ich denselben ergebenst bitten, künftig etwas feinere Künste gegen mich spielen zu lassen, damit der Federkrieg, zu dem man mich nötigt, mir statt der Langeweile doch etwas Unterhaltung gewähre. Geistreiche Rezensionen werde ich allemal verdanken und bittere Kritiker niemals fürchten; denn alle Welt weiß, daß dieselben von Männern herrühren, die ihr eigenes System lieb haben und sich gegen ein neues so lange sträuben wie sie können. Herr Regierungsrat JACHMANN zu Gumbinnen zu Jenkau bei Danzig, der ein großes und leeres Gefäß öffentlich hingestellt hat, welches der Aufschrift gemäß eine Rezension meiner Pädagogik enthalten soll, wird nun vermutlich, nachdem die nötigen Ausschlüsse ihm dargeboten worden sind, das Gefäß auszufüllen versuchen, - mit anderen Worten, er wird mein Buch zum zweitenmal rezensieren. Das ist in der Tat sehr wohl tunlich, aus zwei Gründen: Erstens, ich erkläre hiermit, - was man vorauszusetzen nicht berechtigt war, - daß ich meine Pädagogik, in Hinsicht ihres wesentlichen Inhalts, völlig wie ein nur eben jetzt erst aus meiner Feder gekommenes Buch zu betrachten bitte und daß mich der Tadel, welcher die Diktion und Darstellung in manchen Punkten treffen kann, nicht im Geringsten verdrießen soll. Zweitens, der Herr Regierungsrat wird hierin die beste Gelegenheit finden, jene Unbehutsamkeit zu verbessern, die im Selbstvertrauen lag, als werde die Beurteilung meines Buches ihm zu eben der Zeit gelingen, da er noch die Empfindlichkeit über die Herausgabe eines Teils der KRAUSschen Manuskripte im Herzen trug. Zwar, derselbe hat nicht im geringsten Ursache, mir darüber zu zürnen, indem ich nichts erbeten hatte, sondern bloß einem höheren Wink erfurchtsvoll gehorchte. Allein der Herr Regierungsrat weiß sehr wohl, daß ihm hieraus der Verdacht der Parteilichkeit erwachsen ist; und der Verdacht war ebenso natürlich, wie die Sache selbst; denn es kann auch dem soliden Mann begegnen, unter solchen Umständen nur eine windige und aufgeblasene Rezension zustande zu bringen. Der Modephilosophie im Allgemeinen wünsche ich noch mit ein paar Worten zu zeigen, wie wenig ich geneigt bin, ihr Unrecht zu tun. Sie ist eine natürliche menschliche Schwäche und gutartig in ihrem Ursprung. Dem Total-Eindruck der gangbaren Systeme gibt der, welcher vor allem mit seinem Zeitalter fortzugehen wünscht, ebenso nach, wie wir im täglichen Leben den sinnlichen Eindrücken nachgeben. Und wenn sich derselbe aus der modernen Literatur mit Vorliebe gerade die philosophischen Schriften auswählt, so liegt dabei ohne Zweifel eine, wenn auch noch so dunkle Ahnung von der Würde der Wissenschaft zugrunde. Demnach ist das Philosophieren nach der Mode immer noch besser, als der leidige Empirismus, der sich um das Übersinnliche gar nicht kümmert und als die entschiedene Schwärmerei, die sich von allem Nachdenken lossagt. Das Publikum endlich bitte ich diese kleine Streitschrift nicht mit gar zu günstigem Auge zu betrachten. Jede Lebensart hat ihr Ungemacht; die meinige setzt mich unaufhörlichen Anfechtungen aus, bei denen ich nicht ganz müssig bleiben kann. Die Wahrheit zeigt sich überall begleitet von Mißverständnissen und wir können den Kern der Weisheit nicht erlangen, wenn sich unsere gar zu zarten Ohren vor dem Geräusch fürchten, was das Aufbrechen der Schalen unvermeidlich verursacht.
1) Indem ich mein Geschriebenes wieder durchsehe, fällt mir ein, daß manche Leute Ernst und Scherz nicht unterscheiden können. Es mag also noch bemerkt werden, daß das unendliche System dann erfunden werden wird, wenn das Lamm den Wolf frißt und die Flüsse aus dem Meer in die Quellen zurückfließen. Aber in der Einbildung wird dasselbe vielleicht früher passieren. |