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(1814-1875) Über den Zweck dieser Zeitschrift
Was die Herausgeber zu dieser gemeinschaftlichen Unternehmung bestimmt hat, ist ihre gänzliche Übereinstimmung über die Art und Weise, in welcher die Rechtswissenschaft angesehen und behandelt werden müsse. Und von dieser gemeinsamen Überzeugung soll im gegenwärtigen Aufsatz Rechenschaft gegeben werden. Die eine dieser Schulen ist durch den Namen der geschichtlichen hinlänglich bezeichnet: für die andere dagegen ist ein positiver Name kaum zu finden möglich, indem sie in sich nur in einem Widerspruch gegen die erste eins ist, außerdem aber in den verschiedensten und widersprechendsten Formen auftritt, und sich bald als Philosophie und Naturrecht, bald als gesunden Menschenverstand ankündigt. Wir wollen sie daher in Ermangelung eines anderen Ausdrucks die ungeschichtliche Schule nennen. Allein der Gegensatz dieser Juristenschulen kann nicht gründlich verstanden werden, solange man den Blick auf diese unsere Wissenschaft beschränkt, da er vielmehr ganz allgemeiner Natur ist, und mehr oder weniger in allen menschlichen Dingen, am meisten aber in allem, was zur Verfassung und Regierung der Staaten gehört, sichtbar wird. Dies also ist die allgemeine Frage: in welchem Verhältnis steht die Vergangenheit zur Gegenwart, oder das Werden zum Sein? Und hierüber lehren die Einen, daß jedes Zeitalter sein Dasein, seine Welt, frei und willkürlich selbst hervorbringt, gut und glücklich, oder schlecht und unglücklich, je nach dem Maß seiner Einsicht und Kraft. In diesem Geschäft sei auch die Betrachtung der Vorzeit nicht zu verachten, indem von ihr gelernt werden kann, wie sie sich bei ihrem Verfahren befunden hat; die Geschichte ist also eine moralisch-politische Beispielsammlung. Aber diese Betrachtung ist dann doch nur eine von vielen Hilfskenntnissen und das Genie kann dieselbe auch wohl entbehren. Nach der Lehre der Anderen gibt es kein vollkommen einzelnes und abgesondertes menschliches Dasein: vielmehr, was als einzeln angesehen werden kann, ist, von einer anderen Seite betrachtet, Glied eines höheren Ganzen. So ist jeder einzelne Mensch notwendig zugleich zu denken als Glied einer Familie, eines Volkes, eines Staates: jedes Zeitalter eines Volkes als die Fortsetzung und Entwicklung aller vergangenen Zeiten; und eine andere als diese Ansicht ist eben deshalb einseitig, und, wenn sie sich allein geltend machen will, falsch und verderblich. Ist das aber so, so bringt nicht jedes Zeitalter für sich und willkürlich seine Welt hervor, sondern es tut dies in unauflöslicher Gemeinschaft mit der ganzen Vergangenheit. Dann also muß jedes Zeitalter etwas Gegebenes anerkennen, welches doch notwendig und frei zugleich ist; notwendig insofern es nicht von der besonderen Willkür der Gegenwart abhängig ist: frei, weil es eben so wenig von irgendeiner fremden besonderen Willkür (wie der Befehl des Herrn an seinen Sklaven) ausgegangen ist, sondern vielmehr hervorgebracht von der höheren Natur des Volkes als eines stets werdenden, sich entwickelnden Ganzen. Von diesem höheren Volk ist ja auch das gegenwärtige Zeitalter ein Glied, welches in jenem und mit jenem Ganzen will und handelt, so daß, was von jenem Ganzen gegeben ist, auch von diesem Glied frei hervorgebraht genannt werden darf. Die Geschichte ist dann nicht mehr bloß eine Beispielsammlung, sondern der einzige Weg zur wahren Erkenntnis unseres eigenen Zustandes. Wer auf diesem geschichtlichen Standpunkt steht, urteilt ferner über das entgegengesetzte Verfahren wie folgt: Es ist nicht etwa die Rede von einer Wahl zwischen Gutem und Schlechtem, so daß das Anerkennen eines Gegebenen gut, das Verwerfen desselben schlecht, aber gleichwohl möglich, wäre. Vielmehr ist dieses Verwerfen des Gegebenen der Strenge nach ganz unmöglich, es beherrscht uns unvermeidlich, und wir können uns nur darüber täuschen, nicht es ändern. Wer sich so täuscht, und seine besondere Willkür auszuüben meint, wo nur jene höhere gemeinsame Freiheit möglich ist, gibt seine edelsten Ansprüche selbst auf: ein Knecht, der sich für einen König hält, wenn er ein freier Mann sein könnte. Es war eine Zeit, wo die Absonderung des Einzelnen vom Ganzen streng und mit großem Selbstvertrauen durchgeführt wurde, nicht bloß die Absonderung der Gegenwart von der gering geschätzten Vorzeit, sondern auch die des einzelnen Bürgers vom Staat. Diese letzte ist durch schwere Erfahrungen für verkehrt und heillos erkannt worden, und so Viele sie auch noch jetzt in ihren Herzen hegen und praktisch üben mögen, so wird sie doch in der Theorie nicht mehr leicht gewagt. Ganz anders mit jener Absonderung der Gegenwart von der Vergangenheit, die noch jetzt überall laute und fröhliche Bekenner findet, obgleich es inkonsequent ist, die eine zu verwerfen, während man die andere bekennt. Der Grund, warum sich dieser geschichtliche Egoismus (wie man jene erste Absonderung nennen könnte) so viel länger als der andere erhalten hat, liegt wohl darin, daß so Viele, freilich ohne es selbst zu wissen, ihre eigene, persönliche Betrachtung des Weltlaufs mit dem Weltlauf selbst verwechseln, und so zu dem täuschenden Gefühl gelangen, als habe mit ihnen und ihren Gedanken die Welt angefangen. Es versteht sich, daß bei Keinem dieses im Allgemeinen zu Bewußtsein kommt, sondern daß es in einem dunklen Gefühl bleibt, und nur in ganz einzelnen Anwendungen zutage kommt: aber daß es so ist, könnte durch mehr als eine literarische Erscheinung bewiesen werden. Wenden wir diese allgemeine Darstellung des Gegensatzes zwischen geschichtlicher und ungeschichtlicher Ansicht auf die Rechtswissenschaft an, so wird es nicht schwer sein, den Charakter der zwei oben erwähnten Schulen zu bestimmen. Die geschichtliche Schule nimmt an, der Stoff des Rechts ist durch die gesamte Vergangenheit der Nation gegeben, doch nicht durch Willkür, so daß er zufällig dieser oder ein anderer sein könnte, sondern aus dem innersten Wesen der Nation selbst und ihrer Geschichte hervorgegangen. Die besondere Tätigkeit jedes Zeitalters aber muß darauf gerichtet werden, diesen mit innerer Notwendigkeit gegebenen Stoff zu durchschauen, zu verjüngen, und frisch zu erhalten. - Die ungeschichtliche Schule dagegen nimmt an, das Recht werde in jedem Augenblick durch die mit der gesetzgebenden Gewalt versehenen Personen mit Willkür hervorgebracht, ganz unabhängig vom Recht der vorhergehenden Zeit, und nur nach bester Überzeugung, wie sie der gegenwärtige Augenblick gerade so mit sich bringt. Daß also in irgendeinem Augenblick nicht das ganze Recht neu und vom vorigen völlig verschieden eingerichtet wird, kann diese Schule nur daraus erklären, daß der Gesetzgeber zur rechten Ausübung seines Amtes zu träge war und hat rein zufälligerweise die Rechtsgedanken des vorigen Augenblicks auch noch jetzt für wahr gehalten. - Wie durchgreifend der Widerstreit dieser Schulen ist, wird Jeder inne werden, wenn er die Anwendung dieser Grundsätze auf das Einzelne versuchen will. Das Geschäft der gesetzgebenden Gewalt, das des Richters, besonders die wissenschaftliche Behandlung des Rechts - alles wird von Grund auf anders, je nach der einen oder der anderen Ansicht. In der Wirklichkeit finden sich so einschneidende Gegensätze in der Ausführung nicht, vielmehr sehen einander die Erzeugnisse beider Schulen oft noch ganz leidlich ähnlich; das kommt aber daher, weil in der Wirklickeit oft nur nach einem unmittelbaren Gefühl gehandelt, der Grundsatz aber und die Konsequenz vergessen wird. Die Herausgeber dieser Zeitschrift, welche mit voller Überzeugung der geschichtlichen Schule zugetan sind, wünschen durch ihre gemeinschaftliche Unternehmung die Entwicklung und Anwendung der Ansichten dieser Schule zu befördern: teils durch eigene Arbeiten, teils indem sie gleichgesinnten Freunden einen Punkt der Vereinigung darbieten. Eine solche Unternehmung darf gerade jetzt, da durch die edelsten Kräfte die höchsten Güter der Nationi gerettet sind, mit frischer Hoffnung begonnen werden. Denn alle geschichtliche Untersuchung, zumal die vaterländische, mußte in den letzten traurigen Jahren ein zerreißendes Gefühl geben, wie sie jetzt einen neuen frischen Reiz erhalten hat. Und so würden sich die Herausgeber besonders freuen, wenn es ihnen gelingen sollte, der geschichtlichen Ergründung des vaterländischen Rechts eine neue Anregung zu geben. Gerade hier liegen noch reiche Schätze verborgen, und so unerkannt, daß die Gegner der geschichtlichen Schule gewöhnlich alle ihre Feindschaft allein gegen die eifrige Bearbeitung der römischen Rechtsgeschichte richten, die deutsche aber, als ob sie nicht vorhanden wäre, ganz mit Stillschweigen übergehen, obgleich dieselbe, wenn ihr Dasein vermutet würde, ihnen ebenso verhaßt ist wie die römische, ja noch verhaßter sein müßte. Durch diese Betrachtungen indessen konnte wohl eine schriftstellerische Tätigkeit überhaupt erst veranlaßt werden: warum aber gerade die Form einer Zeitschrift gewählt wurde, dies bedarf noch einer besonderen Erklärung. Solche vergängliche, vorübergehende Formen der Literatur, scheinen nämlich in Deutschland nicht mehr die außerordentliche Zuneigung zu genießen, deren sie sich vor nicht langer Zeit zu erfreuen hatten. Und unstreitig ist eine Literatur, welche hauptsächlich auf ihnen beruth, nicht wohl beraten. Denn das eigentlich Wünschenswerte ist die Verarbeitung der Gedanken zu einem größeren Zusammenhang in festeren Formen, welche man Bücher zu nennen pflegt. Geben nun Zeitschriften die häufige Gelegenheit, auch unverarbeitete und abgerissene Gedanken, welches immer bequemer sein wird, mitzuteilen, so wird dadurch die Entstehung guter Bücher verhindert, so daß man sie selbst wohl Bücherableiter nennen könnte. Allein recht gebraucht können sie gerade auf die entgegengesetzte Weise, also wohltätig, wirken. Denn der Übergang der einzelnen Gedanken zu ganzen und guten Büchern ist ein allmählicher und meist sehr langsamer. Wenn nun eine Zeitschrift diesen Übergang zu vermitteln und zu befördern strebt, so wird ihre Wirkung sehr heilsam sein können, so daß es also auch hierin bloß auf den Sinn ankommen wir, welcher die Herausgeber und Mitarbeiter leitet. Aber auch im Verhältnis zu den Lesern kann gerade die besondere Form einer Zeitschrift sehr verdienstlich sein. Daß nämlich die Literatur eines Volkes weder unbeweglich ruhend, noch in einzelnen Büchern und Gelehrten teilweise und ausschließend vorhanden ist, daß sie vielmehr von der Gesamtheit der Gelehrten in Gemeinschaft und Wechselwirkung mit dem Publikum stets neu hervorgebracht und bewegt wird, soll eigentlich Jeder glauben, und ein literarisch geübtes Auge wird es auch wohl sehen, selbst da wo es am schwersten ist, nämlich im gegenwärtigen Zeitalter des eigenen Volkes. Allein für weniger scharfe Augen ist irgendeine sichtbare Vermittlung jenes Glaubens sehr wünschenswert. Eine solche Vermittlung nun kann eben durch eine Zeitschrift gegeben werden, indem diese durch die sichtbare Gemeinschaft der Herausgeber und Mitarbeiter, und durch die öftere stückweise Erscheinung, einen lebendigeren Eindruck als einzelne, abgeschlossene Bücher, hervorzubringen imstande ist. Besonders für das studierende Publikum scheint daher eine Zeitschrift, wenn der oben bemerkte Mißbrauch vermieden wird, gute Dienste tun zu können, weshalb auch die Herausgeher in ihrem Lehrerberuf eine besondere Aufforderung zu diesem Unternehmen gefunden haben. Doppelt wichtigt aber bei einer Unternehmung, die schon nach ihrem Namen mehr als andere der Zeit angehört, ist die richtige Würdigung der gegenwärtigen Zeit und ihres Verhältnisses zu früheren Zeitaltern derselben Literatur. Daß die Herausgeber sehr entfernt sind von der Ansicht, als sei in der Rechtswissenschaft soeben der Tag im Begriff die jetzt herrschende finstere Nacht zu vertreiben, wird man ihnen wohl zutrauen: dagegen schützt sie der geschichtliche Sinn derjenigen Schule, zu welcher sie sich oben bekannt haben. Aber es gibt auf der anderen Seite eine blinde Überschätzung der Vergangenheit, welche fast noch gefährlicher ist, als jener eitle Dünkel, indem sie die Kräfte der Gegenwart völlig lähmt: und auch dagegen muß der geschichtliche Sinn schützen, wenn er in der Tat geübt und nicht bloß im Mund geführt wird. So ist neuerlich behauptet worden, im römischen Recht sei schon längst das Meiste und Wichtigste entdeckt, und das Verdienst der Neueren bestehe meist in der Auswahl aus schon vorrätigen Meinungen und Theorien, höchstens mit einigen neuen Gründen unterstützt, die ihnen jedoch selbst wieder meistens von den Älteren an die Hand gegeben würden. Wenn dem so wäre, so möchte die Beschäftigung mit irgendeinem Handwerk, worin es gewiß an Gelegenheit zu eigenen und neuen Bildungen niemals fehlen wird, eines geistreichen Menschen würdiger sein, als unsere Wissenschaft. Glücklicherweise aber ist dem nicht so. Zwar ist die Größe der Zivilisten des sechzehnten Jahrhunderts, auf welche in jener Stelle angespielt wird, unverkennbar, und vielleicht wird sich in dieser Zeitschrift auch manche Gelegenheit finden, den Ruhm jener großen Zeit zu verkünden. Damals war die Anwendung von Geschichte und Philologie auf unsere Wissenschaft neu, mit dem Schritt wurden neue Quellen entdeckt, und wohin man sich auch wenden mochte, konnte mit Hilfe der neuen Kenntnis ein neuer, niemals geahnter Zusammenhang nachgewiesen werden. Daraus entsprang ein jugendkräftiges Selbstgefühlt, befestigt und erhöht durch den täuschenden, aber sehr natürlichen Gedanken, daß die Erforschung in demselben Maß und ins grenzenlose fortgehen könnte und wird: so hatte man neben den großen wirklich gefundenen Schätzen auch noch das Gefühl eine künftigen ungemessenen Reichtums, so wie ihn etwa der Besitz eines Zauberstabes geben möchte. In diesem Gefühl kann es jener Zeit die unsrige ebensowenig in umfassender Gelehrsamkeit gleich tun, und man kann darum gerne zugeben, daß unter uns die einzelnen Juristen den persönlichen Glanz jener großen Männer nie erreichen werden. Allein die Zeit hat deshalb nicht still gestanden, und durch diese Wirkung, welche die Zeit im Großen und Ganzen ausübt, sind jetzt auch in unserer Wissenschaft Dinge möglich, woran das sechzehnte Jahrhundert nicht denken konnte. Überhaupt scheint das Verhältnis eines literarischen Zeitalters zur Vergangenheit demjenigen ähnlich, worin sich jeder wohlgesinnte Mensch zu seinen Zeitgenossen fühlen soll: jeden fremden Wert willig anerkennend, mit offenem Sinn und freudiger Bewunderung für jede Größe, aber mit einem sicheren, ruhigen Gefühl des eigentümlichen Berufs. Auch von ganzen Zeitaltern ist es wahr, was PARACELSUS sehr schön vom Verhältnis des Schüler zum Lehrer sagt:
II. Quellen des Rechts. Unter dieser Rubrik sollen Rechtsquellen mitgeteilt werden, welche
2) in zwei oder drei Stücken, ohne den übrigen Inhalt zu sehr zu beengen, abgedruckt werden können, 3) ein unmittelbar wissenschaftliches Interesse haben. Quellen dieser Art werden stets mit einer Einleitung begleitet werden, welche ihre geschichtlichen und wissenschaftlichen Beziehungen erörtert, und wo es nötig scheint, auch mit einer Übersetzung und erläuternden Anmerkungen. III. Miscellen. Unter dieser Rubrik werden geliefert:
2) Beiträge zur juristischen Biographie und zur Geschichte der Lehranstalten. 3) Kritische Bemerkungen über einzelne Stellen wichtiger Rechtsquellen, desgleichen Erklärungen schwieriger Stellen dieser Art. 4) Kürzere Aufsätze, die den Zweck haben, Untersuchungen über gewisse Gegenstände zu veranlassen. IV. Rezensionen, jedoch nur mit strenger Auswahl. Die Abhandlungen machen, wie bilig, den Hauptgegenstand der ganzen Unternehmung aus. Ihr Zweck ist lediglich auf die wissenschaftliche und insbesondere die geschichtliche Seite des Rechts gerichtet, wobei bald die Methode, bald die wirkliche Erforschung von Tatsachen überwiegend sein kann. Was daher auf den sogenannten praktischen Zweck, d. h. auf die unmittelbare und mechanische Erleichterung der Rechtspflege, des Richteramtes oder des Advokatengeschäfts, berechnet ist, liegt außerhalb des Plans dieser Zeitschrift. Die Herausgeber aber würden sehr falsch verstanden werden, wenn man dies so deuten wollte, als gehörten bloß solche Arbeiten zu ihrem Plan, welche nach der angenommenen Einteilung der Lehrgegenstände der eigentlichen Rechtsgeschichte anheim fallen, vielmehr ist auch Dogmatik und Interpretation hierher gehörig, sobald sie in einem geschichtlichen Sinn behandelt werden, so daß also überhaupt nicht aus dem Gegenstand, sondern lediglich aus der Ansicht und Behandlung desselben erkannt werden kann, ob eine Arbeit dem Zweck der Zeitschrift entspricht oder fremd ist. Ebenso sind die Herausgeber sehr weit entfernt, jede praktische Ansicht überhaupt von ihren Arbeiten auszuschließen, gleich als wären der Beruf des praktischen Juristen und der gelehrte Beruf nach ihrem inneren Geist einander entgegengesetzt. So ist es nicht: nur zwischen dem geschichtlichen und ungeschichtlichen waltet ein absoluter Gegensatz, das praktische Geschäft hingegen kann mit dem feinsten wissenschaftlichen Sinn betrieben werden, wie dann in den Responsen der altrömischen Juristen der praktische und geschichtliche Blick gleich bewunderungswürdig erscheint. Es ist der Triumpf der historischen Forschung, wenn es gelingt, das Erforschte, wie etwas Miterlebtes, zu einfach unmittelbarer Anschauung zu bringen: und gerade dann haben sich beide Ansichten, die geschichtliche und die praktische, völlig durchdrungen. Aber es gelingt nicht immer, der Geschichte diesen ihren eigentümlichen Geist abzufragen, und der Vorsatz, um keinen geringeren als um diesen Preis arbeiten zu wollen, führt unvermeidlich zu einer ganz oberflächlichen Behandlung, die bei einem leeren Anspruch auf Geist in der Tat fruchtloser ist, als das entgegengesetzte ganz materielle Bestreben. "Ich habe überhaupt", sagt GOETHE, "keine schlimmere Anmaßung gefunden, als wenn jemand Ansprüche an Geist macht, solange ihm der Buchstabe noch nicht deutlich und geläufig ist." Wie auf der einen Seite ein Ernst, der auf den Grund zu dringen strebt, so ist auf der anderen jedem Forscher vor allem eine wahrheitsliebende Genügsamkeit zu wünschen. Ungedruckte Quellen mitzuteilen, ist, wie jeder zugeben wird, das erste unter den Verdiensten, die um ein geschichtliches Fach erworben werden können. Gerade dieses Verdienst aber hängt von seltenen und glücklichen Zufällen ab. Deshalb werden alle Freunde unserer Wissenschaft hierdurch eingeladen, was ihnen von solchen Quellen das Glück zuführen möchte, auch ohne besondere, persönliche Aufforderung den Herausgebern einzusenden. Besonders bei Urkunden könnte dies der Fall sein, wenn dieselben für die Geschichte des vaterländischen Rechts lehrreich sein sollten. Was schließlich Rezensionen betrifft, so ist es am wenigsten darauf abgesehen, eine vollständige Rechenschaft von der gesamten juristischen Literatur, wie sie die Zeit mit sich bringt, abzulegen. Nur einzelne Werke sollen beurteilt werden, so wie sie den Herausgebern gerade Gelegenheit darbieten, etwas Eigentümliches und der Wissenschaft Ersprießliches zu sagen. Aber auch in einer solchen Beschränkung dürfte dieser Teil der Unternehmung nicht ganz ohne Nutzen sein. Denn wenn auch noch so gute und gründliche Rezensionen juristischer Werke hie und da erscheinen, so gleicht doch im Ganzen die juristische Kritik nur zu sehr dem Glück, welches nach des Dichters Ausdruck
Faßt bald des Knaben Lockige Unschuld, Bald auch den kahlen Schuldigen Scheitel, Die Herausgeber können und wollen nicht versprechen, wie oft diese Zeitschrift erscheinen, und wie lange sie dauern wird. Nur dies versprechen sie, nicht öfter und nicht länger damit aufzutreten, als es mit wahrer Lust und Liebe zur Sache geschehen kann. Mag diese Unternehmung dann kurz oder lange gedauert haben, so wird der Zweck derselben in keinem Fall verfehlt genannt werden können. |