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RAINER EISFELD
A.E. van VOGT
und die Allgemeine Semantik

- I I -

A.E. van VOGT an seine Leser
Null-Axiome
"Begriffs- und Sprachkritik, soll dem einzelnen dazu verhelfen geistige Scheuklappen und stereotype Verhaltensweisen bei sich selbst abzulegen.

"Unsere sämtlichen Lehren, Institutionen und so fort", schreibt KORZYBSKI "beruhen auf verbalen Argumenten. Werden diese Argumente in einer strukturell falschen und wahrheitswidrigen Sprache vorgetragen, dann müssen unsere Anschauungen und politisch-sozialen Einrichtungen diese sprachliche Struktur spiegeln, sich selbst von der Wirklichkeit ablösen und unweigerlich zu Katastrophen führen." Da Worte Symbole sind (ebenso wie beispielsweise Geld) und der Mensch folglich über Symbole regiert wird, versteht KORZYBSKI konsequenterweise unter politischsozialer Herrschaft die Erzeugung und Manipulierung von Symbolen, so daß "Bankiers, Geistliche, Anwälte und Politiker" für ihn zu einer herrschenden Klasse verschmelzen, mit deren "schamloser Ignoranz und entsprechend pathologischen Verhaltensweisen" er nicht scharf genug ins Gericht gehen kann. Keinen Deut weniger harsch als sein Urteil über die Regierenden fällt das Urteil des polnischen Aristokraten über die Regierten aus:
"Wir müssen die offenkundigen Tatsachen akzeptieren, infolge derer die älteren Vorstellungen über  Demokratie  oder  Sozialismus,  sich als wissenschaftlich unmöglich entpuppen. Wenn wir feststellen, daß 99% der Weltbevölkerung im Jahre 1933 infantil oder  geistig  gestört sind, wie kann man dann von der Mehrheit oder der Masse jemals angemessene Einschätzungen und nicht-pathologische emotional-verstandesmäßige Reaktionen auf die Bedeutung von Worten erwarten? Gegenwärtig belegt die Geschichte, und dieser Nachweis sollte von der wissenschaftlich aufgeklärten Öffentlichkeit nicht leicht genommen werden, daß die Mehrheit immer irrt und alles, was wir Fortschritt, Zivilisation, Wissenschaft, und so weiter nennen, von einer sehr kleinen Minderheit verwirklicht worden ist."
KORZYBSKI versteht sein A-System deshalb auch weniger als Erziehung in der (bereits existierenden) Demokratie, sondern als Erziehung zur (erst noch zu verwirklichenden) Demokratie, für die nicht Politiker, sondern Wissenschaftler die Maßstäbe zu setzen hätten.

Zu seiner schneidenden Kritik vermag KORZYBSKI nur zu gelangen, weil er erstens aus konstantem sprachlichen Fehlverhalten zunächst geistige Kurzschlüsse, letztlich aber neurophysiologische Schäden ableitet und zweitens von individueller auf soziale Pathologie schließt: Für ihn führt eine direkte Stufenfolge beim einzelnen von Identifizierungen, struktureller Unwissenheit, genereller Unfähigkeit zur angemessenen Bewertung sowohl der Wirklichkeit im allgemeinen wie der Bedeutung von Worten und Sätzen im besonderen zu submikroskopischen ("kolloidalen) Schädigungen des Gehirns; parallel dazu ein ebenso direkter Weg von der nervlichen Beeinträchtigung des einzelnen zu Störungen des Zusammenlebens auf familiärer wie gesellschaftlicher Ebene, sozialem Hader, politischen Unruhen und bewaffneten Konflikten zwischen den Staaten, die letzten Endes den einzelnen wiederum verstärkt in Mangel, Unsicherheit und Leid stürzen - womit sich der Kreis schließt.

Ich habe schon darauf hingewiesen, wie sehr diese apokalyptische Zeitdiagnose mitbedingt ist durch die wirtschaftlich-politischen Erschütterungen zwischen Weltwirtschaftskrise und Zweitem Weltkrieg (1. Aufl. von  Science and Sanity,  1933, 2. Aufl. 1941). Um vor dem Hintergrund seiner "System"beschreibung zu Grundlagen und Umsetzung einer allgemeinen Theorie der Vernunft auf erfahrungswissenschaftlicher Grundlage vorzustoßen, wie sie der Titel seines Buchs programmatisch benennt, sieht KORZYBSKI selbst, daß es der Verknüpfung anthropologischer, psychologischer, linguistischer und pädagogischer Studien mit erkenntnistheoretischer, mathematischer, physikalischer und chemischer Forschung bedarf.

Da diese enzyklopädische Perspektive weder von einem einzelnen eingelöst noch auch nur in einem, für den Laien wie den Wissenschaftler, ohne weiteres schlüssigen und deshalb "attraktiven" Entwurf zusammengefaßt werden kann, begibt KORZYBSKI sich in eine selbstgestellte Falle. Zunächst setzt er das Ziel, das angeblich jeder mit Hilfe der Allgemeinen Semantik erreichen kann, so hoch wie nur möglich an. Ich habe KORZYBSKIs eigene Vorstellungen ebenfalls bereits im Vorwort wiedergegeben und illustriere sie an dieser Stelle noch einmal durch ein Zitat:
"Ein Wissenschaftler, oder auch jemand, der mehrere Sprachen beherrscht, setzt zahlreiche Nervenzentren aufeinander abgestimmt ein. Früher war es extrem schwierig, sofern man nicht in einem derartigen Beruf tätig war, solche Nervenzentren entsprechend zu trainieren. Wir hingegen sind in der Lage, alle erforderlichen Nervenzentren einfach und verhältnismäßig schnell zu schulen und dadurch Kindern wie auch ungebildeten Erwachsenen ohne komplizierte Technik den Bildungseffekt einer langen und schwierigen Universitätsausbildung zu vermitteln."
Damit ist der Weg geebnet für die allmähliche Beseitigung der zahllosen submikroskopischen Schäden und Blockierungen des Gehirns, die durch verfehlte Bewertungen ("ldentifizierungen") und deren affektive Besetzung ausgelöst worden sind. KORZYBSKI zufolge haben sie bislang bewirkt, daß nervliche Impulse zwar den Thalamus, den Sitz der Gefühlsregungen, erreicht hätten, aber nur in abgeschwächter Form bis zum zerebralen Kortex (der Hirnrinde), dem Zentrum des Unterscheidungsvermögens und der Abstraktionsfähigkeit, vorgedrungen seien. Dagegen führe die angemessene Beherrschung nicht-aristotelischer extensionaler Techniken zur "Integration kortikal-thalamischer Funktionen", und damit wiederum zur Begünstigung reaktionsverzögerter, "vernünftigerer" (sprich: integriert emotional-rationaler) Verhaltensweisen - womit sich auch im A-System ein Kreis schließt.

Um sich diese "stummen Erfahrungsstufen" im Sinne innerer Verarbeitungsvorgänge und erster Abstraktionsebenen bewußt zu machen, die der verbalen Beschreibung als dem nächsten Abstraktionsakt vorausgehen, unterstreicht KORZYBSKI im übrigen die Wichtigkeit des Schweigens zur Förderung der erwähnten Reaktionsverzögerung. Diese Empfehlung KORZYBSKIs, vor der sprachlichen Bewertung eines Gegenstandes oder Ereignisses zunächst einmal zu schweigen, liegt der wiederkehrenden "kortikal-thalamischen Pause" zugrunde, die in van VOGTs Null-A-Zyklus eine so erhebliche Rolle spielt.

"Steck nur einen Groschen in die Musikbox" ist die bissige Devise, unter der S.I. HAYAKAWA KORZYBSKIs Nachfolger als führende Figur der Allgemeinen Semantik, die "Verbomanie" der intensionalen Einstellung abhandelt. Sicherlich kontrastiert der ironische Satz scharf mit der mahnenden Maxime: "Die Landkarte ist nicht das Gelände", dem Leumundszeugnis für extensionale Einstellung. Wer sich aber durch die Seiten der 2. Auflage von  Science and Sanity  gequält hat, der wird den fatalen Eindruck nicht gänzlich los, daß trotz allen terminologischen Aufwands auch KORZYBSKIs Anhänger letztlich nur einen Groschen in die Musikbox stecken soll, um dafür jene Vernunft zu erlangen und anzuwenden, für die ihm in der Welt von 1941 wie von 1986 doch wohl ein höherer Preis abgefordert wird.

In der überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe seines Buchs  Language in Action  (1941) unter dem Titel  Language in Thought and Action  als Führer durch die Allgemeine Semantik ist HAYAKAWA denn auch 1949 von der Überschätzung der Möglichkeiten abgerückt, die dieser Ansatz zur Weltverbesserung bietet. HAYAKAWA reduziert KORZYBSKIs nicht-aristotelisches "System" auf eine begrenzte Zahl von Arbeitshypothesen zur Begriffs- und Sprachkritik, die dem einzelnen dazu verhelfen sollen, einerseits geistige Scheuklappen und stereotype Verhaltensweisen bei sich selbst abzulegen, andererseits gefärbte Medienberichterstattung zu durchschauen, schließlich sich gegen Sprachbetrug durch politische, wie wirtschaftliche Propaganda (Public Relations, Reklame) zu wehren und damit insgesamt nach wie vor durchaus einen Beitrag zur inner- wie zwischengesellschaftlichen Verständigung zu leisten.

HAYAKAWA behält einen Teil der Terminologie KORZYBSKIs bei, entfaltet die entsprechenden Überlegungen jedoch vor einem Hintergrund einsichtiger Alltagserfahrungen und mit einem hohen Maß an Anschaulichkeit. Im wesentlichen sind es drei unmittelbar einleuchtende Erwägungen, die er herausarbeitet: daß der Mensch im Gegensatz zum Tier früh mit der Informationssammlung aus zweiter Hand, d. h. mit der Orientierung aufgrund von Worten statt anhand der physischen Umwelt, beginnt; daß wir infolge dieser verhaltensprägenden Erfahrung permanent gefährdet bleiben, die verwendeten Symbole (Begriffe) schon für die symbolisierten Teile der Realität zu nehmen - eine Verwechslung, die bewirken kann, daß wir uns von Worten statt von Tatsachen leiten lassen; daß es endlich nur die Wahrnehmungsgrenzen unserer Sinne sind, die den dynamischen Prozeß der wirklichen Gegenstände und Ereignisse, wie die moderne Physik ihn aufgespürt hat, zu einer Ansammlung statischer Objekte machen und uns zur Klassifizierung, zur Abstraktion von der Totalität und damit in mehr oder minder hohem Maße zum vereinfachenden Absehen von Unterschieden zwingen.

In diesem Kontext erörtert HAYAKAWA dann die Begriffe "extensional" und "intensional" wobei auch er unter extensionaler Verhaltensweise die Orientierung an den Tatsachen der physischen Welt, unter intensionalem Verhalten die Orientierung an den Abstraktionen der Definitionsvorgänge im eigenen Gehirn versteht. Daß die Landkarte nicht das Gelände, das Wort nicht die Sache selbst ist - dabei bleibt es.

HAYAKAWA verdeutlicht die Probleme niederer und höherer Abstraktionsebenen, indem er KORZYBSKIs "Strukturdifferential", reduziert auf eine Abstraktionsleiter und vorführt, wie etwa bei der aufeinanderfolgenden Klassifizierung von Haustieren als Viehbestand, Betriebsinventar und Vermögen immer mehr Merkmale der Realität entfallen. Ein solcher Vorgang entfaltet spätestens dann seine gesellschaftliche und politische Brisanz, wenn begriffliche Abstraktionsebenen wie  Jude  oder  Kommunist  erreicht werden und sich im Bewußtsein als  Realität  verankern.

Damit ist dann auch eine Argumentationsebene erreicht, die es HAYAKAWA ermöglicht, die Alternative der zwei- bzw. mehrwertigen Einstellung zu diskutieren und die direkt damit zusammenhängenden Fragen einer offenen oder  abgeschottenen  Einstellung als Vorstufe schließlicher Humanität oder aber Unmenschlichkeit gegenüber konkreten Menschen anzusprechen. HAYAKAWA übersieht im übrigen nicht die Bedeutung eines Alltagsgebrauchs von Sprache, bei dem es dem Sprechenden um nichts anderes geht, als innere Spannungen abzubauen ("sein Herz auszuschütten") oder sich sozialer Zusammenhänge durch rituelle Sprechvorgänge (etwa die berühmt-berüchtigte Unterhaltung über das Wetter) zu versichern.

Man mag darüber streiten, wie weit solche Erörterung im großen und ganzen auf der eher bescheidenen Ebene guter Ratschläge (wenn man will, einer Art verständiger  Sprachhygiene)  verbleibt, ohne wissenschaftlichen Charakter beanspruchen zu können. Jedenfalls aber wird sich kaum leugnen lassen, daß Sprachsensibilität systematische Förderung verdient in einer politisch-sozialen Umwelt, in der Skepsis angebracht ist gegenüber Begriffen wie  Gast arbeiter,  Sozial partner, Arbeit nehmer,  bzw. -, geber,  (wer gibt, wer nimmt die Arbeitskraft?),  Nach rüstung oder Vorwärts verteidigung. 

Im übrigen gereicht es der  International Society for General Semantics  zur Ehre, daß sie sogleich bei ihrem ersten Kongreß im Jahre 1951 - das heißt auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges - eine Friedensresolution verabschiedet hat, in der sie unter Hinweis auf die Blockierung der Verständigungsmöglichkeiten zwischen Ost und West sich zu "äußersten Anstrengungen" verpflichtet, um beizutragen nicht nur zur Beseitigung dieser Sperre, sondern auch zur Auflockerung jener zweiwertigen Einstellung, die nur zu unterscheiden weiß zwischen "uns" und "den anderen".

Die Lösung sozialer und politischer Probleme in der Null-A-Trilogie erfolgt letztlich eindimensional: Es existiert ein Weg die nicht-aristotelische Philosophie -, über den eine einzige soziale Gruppe, die der entsprechend Geschulten, verfügt. Solche Eindimensionalität gerät selbst in ausgeprägte Nähe eines Schwarz-Weiß-Denkens, bei dem die "Auserwählten" sich von der "Masse" abheben - am deutlichsten natürlich dort, wo das Motiv der "kosmischen Spieler" die beiden ersten Bände durchzieht: Die Spieler bleiben bis zum Schluß undurchschaut, die entscheidenden Schachzüge erfolgen aus dem Hintergrund. Die Eindimensionalität bei van VOGT entspricht im Kern dem ideologischen Determinismus des Ansatzes der Allgemeinen Semantik selbst: Die geschichtliche Möglichkeit zur Beseitigung von individuellem und kollektivem Leid, von nationalen Konflikten und internationalen Aggressionen wird einzig und allein abgeleitet aus dem Wesen des geistig-ideologischen Systems, das KORZYBSKI entwirft.

Im Laufe der umfassenden Erschütterung nach 1929, auf die ich im Vorwort verwiesen habe, gerieten Wirtschaftsordnung und politische Institutionen zahlreicher Länder in tiefgreifende Krisen oder brachen zusammen; und während der Bankrott der Geistes- und Sozialwissenschaften vielen offenkundig schien, schritten die Naturwissenschaften (am sichtbarsten mit der Quantenund der Relativitätstheorie) von Triumph zu Triumph.

Mit ihrer Kritik am liberal-parlamentarischen System, ihrer Forderung, wonach Politiker durch Wissenschaftler wenn nicht zu ersetzen, so doch zu ergänzen seien, mit ihrer Überzeugung von der menschheitserlösenden Aufgabe und Möglichkeit der (Natur-) Wissenschaft gehört die Allgemeine Semantik in den Umkreis jener "technokratischen" Heilslehren, die als unmittelbare Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise in den USA aus dem Boden sprossen. Weil sie die Überwindung der Not durch eine neue Führungselite - die Techniker, im weiteren Sinne die Wissenschaftler - verhießen, errangen sie für kurze Zeit Popularität.

In ihrer ursprünglichen Fassung durch KORZYBSKI ist die Allgemeine Semantik also ein Kriegsbewältigungsdogma -und als solches bewährt sie sich bei van VOGT zur Abwehr eines interstellaren Überfalls. In ihrer durch HAYAKAWA und andere entschärften Spielart dagegen gewinnt sie in den Vereinigten Staaten Popularität und selbst ein gewisses akademisches Renommee während der 50er Jahre - in der Ära des Kalten Krieges also, der Wirtschaftsprosperität und der Propagierung der Mittelstandsgesellschaft. Ganz überwiegend kümmert man sich an den nordamerikanischen Universitäten zu dieser Zeit weniger um die Analyse der sozialen Unterschiede aufgrund von Besitz bzw. Bildung und der damit einhergehenden Unterschiede im Sprachverhalten, als um den Umgang mit Sprache per se. Vom Psychotherapeuten bis zum Businessman, vom Lehrer bis zum Mediziner etc.", heißt es 1962, entwickle sich im "Kreis der amerikanischen Semantiker eine pädagogisch-praktische Einstellung, die auf Vervollkommnung der gesellschaftlichen Kommunikation gerichtet ist; ändern sollte sich ansonsten an der Gesellschaft gar nichts.

Mit anderen Worten: Widersprüchliche soziale Interessen sowie damit zusammenhängende politische Einstellungen werden von der Allgemeinen Semantik gerade nicht untersucht. Wenn van VOGT am Schluß seiner Einleitung HAYAKAWA als jemanden herausstellt, der anläßlich der Unruhen am San Francisco State College 1968/69 in semantisch vorbildlicher Weise die Kommunikation mit der Gegenseite gesucht, begründete Beschwerden "übererfüllt" und auf diese Weise die "Verschwörer" unter den Studenten isoliert habe, so kann davon in Wirklichkeit kaum die Rede sein. Zum Interimspräsidenten des College ernannt, nachdem das (teilweise vom damaligen kalifornischen Gouverneur RONALD REAGAN eingesetzte) konservative Hochschulkuratorium seine beiden Vorgänger wegen ihrer liberalen Haltung praktisch zum Rücktritt gezwungen hatte, stilisierte HAYAKAWA sich (nach Auskunft auch der  British Encyclopedia,  werbewirksam angetan mit "tam o'shanter" (einer flachen, barettähnlichen Wollmütze mit Troddel) und - so wiederum die Encyclopedia -"forschem Grinsen" zum "Symbol des energischen Konservativen", der nationale Popularität "als Gegner der linken Studentenbewegung" errang.

Der Konflikt am San Francisco State College hatte sich um einen Studiengang für afroamerikanische Geschichte und Kultur ("Black Studies") und die damit zusammenhängende Frage schwarzen Lehrpersonals entzündet. Den Hintergrund bildete die Entwicklung vom zivilen Ungehorsam der Bürgerrechtsbewegung in den USA zu einer wachsenden Militanz, die sich nicht nur 1965 bei den Gettoaufständen von Harlem und Watts Bahn brach, sondern auch in der Radikalisierung schwarzer Gruppen im ganzen Land, einschließlich Gruppen von Studenten, ihren Ausdruck fand. Diese Entwicklung läßt sich nur verstehen, wenn man berücksichtigt, daß soziale wie politische Forderungen der schwarzen Bevölkerung in dem Maße enttäuscht wurden, in dem der Vietnamkrieg vor allem finanziell auf die Innenpolitik zurückwirkte.

HAYAKAWAs erster Amtstag begann damit, daß er mitsamt Troddelmütze von zahlreichen Fernsehkameras einen studentischen Lautsprecherwagen enterte, um die Mikrophondrähte herauszureißen, und endete mit Schlagstockeinsätzen der von HAYAKAWA angeforderten Polizei auf dem Campus, die wochenlang andauerten, zu zahlreichen Verletzten und über 500 Verhaftungen führten. Die Studentenunruhen zogen sich - mehrere Wochen lang von einem Teil der Dozenten durch einen Streik unterstützt - fast fünf Monate lang hin.

HAYAKAWA sprach später von Studenten, die - "abgesehen von den üblichen neurotischen Beweggründen, - der Kultur ihres Landes durch jene "halbgaren Tröpfe" entfremdet worden seien, "die wie PLATO am liebsten Philosophenkönige wären" und als Professoren in den Geisteswissenschaften lehrten. HAYAKAWAs Popularität als Collegepräsident, der den "radikalen" Studenten nicht nachgegeben hatte, trug politische Früchte: Er wurde für die Legislaturperiode 1977-1983 als Kandidat der Republikanischen Partei REAGANs zu einem der beiden kalifornischen Mitglieder des Senats in Washington gewählt.
LITERATUR: Rainer Eisfeld, Vor- und Nachwort zu A. E. van Vogt, Welt der Null-A, München 1986