tb-1G. StörringL. SsalagoffF. MünchH. Rickert    
 
ARTHUR LIEBERT
Das Problem der Geltung
[3/8]

"Und wie die Wissenschaften, so ist also auch ihre philosophische Begründung und Theorie selber als Theorie an dem Systemgedanken orientiert, sie baut sich durch ihn als Wissenschaftstheorie auf und besitzt in ihm ihr logisches Rückgrat."

D a s   S y s t e m

Der Systembegriff als logischer Geltungsbegriff

Der Begriff der Erkenntnis, der Begriff der Wissenschaft ist mit dem Begriff  des Systems  unlösbar verbunden, er ist so mit ihm verbunden, daß Wissenschaft ohne Zugrundelegung des Systemgedankens nicht möglich ist. (1) "Eine jede Lehre", so lautet eine grundsätzliche Unterscheidung KANTs, "wenn sie ein System, d. i. ein nach Prinzipien geordnetes Ganze der Erkenntnis sein soll, heißt Wissenschaft." (2) Und ein anderes Mal definiert er, daß "die systematische Einheit dasjenige ist, was gemeine Erkenntnis allererst zur Wissenschaft, d. h. aus einem bloßen Aggregat derselben ein System macht." (3) Die objektive Bedeutung d. h. die wissenschaftlich-logische Bedeutung einer einzelnen Erkenntnis ist durch den Umstand bedingt, daß ein solches Erkenntnisbruchstück der systematischen Einheit der Erkenntnis zugehört. Für etwa völlig vereinzelt auftretende Stücke der Erkenntnis, für einen einzelnen Begriff oder einen einzelnen Satz ist ihre objektive wissenschaftliche Geltung niemals nachweisbar, so groß auch ihre subjektive psychologische Bedeutung als Erlebnis, als Akt, als Vorgang in dem menschlichen Bewußtsein sein mag. Denn ein solches Bruchstück ist aus dem übergreifenden Gesamtzusammenhange der Erkenntnis herausgelöst, in dem jeder Teil allererst seine erkenntnismäßige Funktion betätigen, seine erkenntnismäßige Geltung erweisen kann, in der er also allererst seinen erkenntnismäßigen Sinn gewinnt. Der  einzelne  Begriff als einzelner ist ein ganz künstliches Gebilde, dem ein theoretische Geltungscharakter, dem wissenschaftliche Valenz nicht zukommt. Seinen wissenschaftlichen Wert, seine "Wahrheit" erhält er "stets nur als Glied eines theoretischen Gesamtkomplexes". (4)

Der tiefste Grund für diese Bezogenheit jedes Begriffes auf die Systematik der Erkenntnis ruht darin, daß der einzelne Begriff eine Abbreviatur des Systemsgedankens, eine Determination dieses Gedankens in bezug auf eine bestimmte Stelle im System darstellt. Er ist der Ausdruck des logischen Gesamt-Bildungsprozesses und nur unter methodischer Zugrundelegung des Gedankens der systematischen Einheit überhaupt aufstellbar, überhaupt konzipierbar. Er ist, unter prinzipiellem Gesichtspunkt, ein logischer Spätling, ein Trieb an dem wurzelhaften Stamm der logischen Einheit überhaupt. Die in ihm vollzogene Synthese der Merkmale zu der Einheit, die er darstellt, verläuft ihrer logischen Verfassung nach unter der Leitung des Gedankens der systematischen Einheit, die damit ihren funktionalen Charakter als systematisierende Vereinheitlichung wirksam zeigt.

Das ist auch der Grund dafür, daß moderne Darstellungen der Erkenntnistheorie und Methodenlehre nicht mit der Analyse des Begriffes beginnen, und von hier aus zu der des Urteils und dann zu der des Schlusses übergehen, um endlich in einem zweiten Teile erst die Theorie der Methoden zu entwickeln. Prinzipiell gesehen gehört die Analyse des Systemgedankens an die Spitze jeder Wissenschaftstheorie, da nur im System und durch dasselbe die Grundlegung der Wissenschaft erfolgt, da der Begriff der Wissenschaft innerlichst bezogen ist auf den Begriff des Systems. (5) Das aber bedeutet im Grunde nichts anderes, als daß der Begriff der  Einheit  der Erkenntnis in seiner grundsätzlichen Bedeutung zum leitenden Ausgangspunkt jeder Theorie der Erkenntnis aufgestellt sein muß. Dabei ist es gleichgültig, ob die Theorie der Naturwissenschaften oder die Grundlegung der Geschichtswissenschaften ins Auge gefaßt wird. Der Gegensatz zwischen naturwissenschaftlicher und geschichtswissenschaftlicher Begriffsbildung, so sehr er im Einzelnen methodisch ausgebaut werden mag, ist gegenüber dem Einheitsgedanken der Erkenntnis ein logisch sekundärer. Im Begriff der systematischen Erkenntnis ist die übergreifende Einheit für den naturwissenschaftlichen wie den geschichtswissenschaftlichen Begriff gegeben. (6) Und aus systematischer Überlegung heraus ist es begründet, wenn gegenüber der "Spaltung" der wissenschaftstheoretischen Methodik z. B. in die generalisierende (naturwissenschaftliche) und in die individualisierende (geschichtswissenschaftliche), betont wird, daß dieser Unterscheidung gegenüber die Einheit des Erkenntnisbegriffes nicht in den Hintergrund treten dürfe. (7) Die Entwicklung einer einzelnen, für ein bestimmtes Wissenschaftsgebiet gültigen Methode, die Abgrenzung derselben von jeder anderen setzt logisch den Begriff und damit die Einheit der Methode überhaupt voraus. Die Einteilung oder Aufteilung des systematischen Ganzen der Erkenntnis in verschiedene Gebiete, welche Gebiete durch ihre Methoden konstituiert werden, ist nur möglich, wenn die Einheit der Erkenntnis zu Grunde gelegt, wenn die systematische Beziehung aller Glieder zum Ganzen vorausgesetzt ist. (8) Die Analyse ist ein Schritt  nach  der Synthese. Erst innerhalb des universalen theoretischen Systemgedankens differenzieren sich die Methoden der Untersuchung, deren wissenschafts-theoretischer Wert, sofern sie wissenschaftliche Untersuchungsformen sind, auch in ihrer speziellen Entwicklungslinie notwendigerweise prinzipiell unverändert bleibt. Erst innerhalb oder gleichsam erst unterhalb dieser  übergreifenden  Theorie vollziehen sich die Entwickelungen der  besonderen  Grundlegungen, der  einzelnen  Wissenschaftstheorien. (9)

Und wie die Wissenschaften, so ist also auch ihre philosophische Begründung und Theorie selber als Theorie an dem Systemgedanken orientiert, sie baut sich durch ihn als Wissenschaftstheorie auf und besitzt in ihm ihr logisches Rückgrat. So richtig es also ist, in KANTs Kritik der reinen Vernunft die kritische Begründung der Euklidischen Mathematik und im Besonderen der mathematischen (Newtonischen) Naturwissenschaft zu erblicken, so wenig erschöpft doch diese Bestimmung den prinzipiellen Sinn der kritischen Problemstellung und die prinzipielle Tragweite derjenigen Tendenz, in der jene Problemstellung zur Behandlung und Auflösung kommt. Wenn auch die Vernunftkritik in ihren Ausführungen ausdrücklich die Begründung der Mathematik und der mathematischen Naturwissenschaften vornimmt, so ist doch der Gedanke des transzendentalen Apriori nicht minder gültig auch für das Problem der Grundlegung der Kultur- oder Geschichtswissenschaften: ist er doch gültig für das Problem der Grundlegung der Erkenntnis überhaupt. Die kritische Begründung des Begriffes der Geschichte muß sich in denselben methodischen Bahnen und unter Voraussetzung desselben Geltungswertes des Apriori bewegen, wie die Begründung des Naturbegriffes (10), oder aber es müßten zwei verschiedene Erkenntnisbegriffe, zwei heterogene Begriffe von systematischer Gesetzlichkeit gedacht und entwickelt werden, um das Recht einer solchen Dualität der Grundlegungen zu erweisen. Das aber ist logisch unmöglich, logisch undurchführbar. Also auch dem Begriff der Geschichte gegenüber, selbst wenn man diesem Problemgebiet den Begriff des "Individuellen", des "Konkreten", des "Besonderen" zuordnet, und als Geschichtswissenschaft die Erkenntnis von "Wertindividualitäten", von individuellen Wertobjekten bezeichnet, versagt nicht die begründende Kraft des Apriori als des apriorischen Geltungswertes. (11) Nur muß man von dem Begriff des Apriori die Deutung fernhalten, als sollte und könnte durch ihn nur das Abstrakt-Generelle, das Formale im Sinne des Allgemeinen an der Erkenntnis zur Auszeichnung und Begründung gelangen, während es sich doch bei jenem Begriff um die Hervorhebung des Prinzipiellen, des Allgemein gültigen,  nicht des allgemeinen Faktors der Erkenntnis handelt.

Diese auf das Prinzipielle, auf das Kategoriale der Erkenntnis bezogene Problemstellung der Transzendentalphilosophie macht die kritische Untersuchung auch unabhängig von dem Schicksal der einzelnen konkreten Wissenschaften, deren Begründung sie sich widmet. Sie ist nicht verwebt in die Entscheidung und den Ausgang des Streites, der sich in Bezug auf die wissenschaftliche Geltung der mathematischen Axiome EUKLIDs erhoben hat. Ebenso wenig ist sie durch die entwicklungsgeschichtliche Betrachtungsweise erledigt oder überwunden. Bedarf doch auch diese der kritischen Begründung. (12) Ihr Blick ist gerichtet auf das Grundgefüge der Erkenntnis, auf die Gesetzlichkeit, auf die synthetische Notwendigkeit der Erkenntnis, und nicht auf die einzelnen Erkenntnisse, wie diese im Laufe der geschichtlichen Entwickelung und unter dem Einfluß bestimmter geschichtlicher Umstände hervorwachsen und sich geschichtlich weiterentwickeln. Sie steht nicht etwa jenseits der geschichtlichen Entwickelung in einer abgezogenen metaphysischen Sphäre, sondern sie hat die denkbar innigste Beziehung zu der geschichtlichen Entwickelung, indem sie diese logisch zu begründen, indem sie diese aus den Prinzipien der wissenschaftlichen Vernunft zu rechtfertigen, und also eine "Kritiker der historischen Vernunft" zu geben unternimmt und zu geben vermag.

Es ist somit nicht zutreffend, wenn die kritische Philosophie als ein Ausdruck des naiven und dogmatischen Glaubens der Aufklärungszeit an die Absolutheit ihrer Wissenschaften bezeichnet wird. Mit lebendigem Auge sah KANT die gewaltige wissenschaftliche Entwickelung seiner Zeit. Hat er doch selber an dieser Entwickelung regsten Anteil genommen und sich um ihre Förderung denkwürdige Verdienste erworben. Nur sah er zugleich, daß alle Entwickelung Halt mache an dem Begriff der Notwendigkeit, an dem Begriff der synthetischen Gesetzlichkeit, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie selber ihrer logischen Valenz nach diesen Begriffen untersteht, weil diese Begriffe es sind, die auch "Entwickelung" allererst "möglich machen", insofern als ohne sie "Entwickelung", d. h. der Begriff der Entwickelung, nicht gedacht werden kann.

Aber ebenso unabhängig wie die Transzendentalphilosophie von der geschichtlichen Lage der Kultur und von der Gestaltung einzelner Wissenschaften ist, ebenso unabhängig ist sie, verstanden aus dem Zentrum ihres Sinnes und ihrer Problemstellung, von den einzelnen Ausführungen und Durchführungen, wie sie dann von KANT selber vorgenommen sind. Es ist kein Einwand gegen sie, wenn man etwa auf die Abwandelungsversuche der Kategorientafel oder auf die Unstimmigkeit zwischen einzelnen Definitionen und Ausführungen über einen und denselben Gegenstand hinweist. Als ob KANT, der als Mensch auch allem Menschenschicksal untertan war, nicht in sich eine Entwickelung erlebt hätte. Als ob es sich überhaupt um KANT handele, und nicht vielmehr um den Sinn der kritischen Philosophie. Und auch der Hinweis darauf, dieser oder jener Teil an der Vernunftkritik sei widerlegt und somit veraltet und überholt, bedeutet keinen Einwand gegen ihren Sinn. In dieser Beziehung hat OTTO LIEBMANN ein ausgezeichnetes instruktives Votum gefällt, wenn er sagt: "Sämtliche Einzeldoktrinen der Kritik der reinen Vernunft sind streitig, oder zweifelhaft, oder bereits widerlegt. Aber der ganze Standpunkt, der Grundgedanke des Werkes ist unveraltet und unsterblich." (13)

Aber abgesehen von KANT, so ist auch sonst die grundsätzliche und apriorisch-gesetzliche Bedeutung betont worden, die dem Systembegriff innewohnt, dessen Geschichte zu schreiben eine der wert- und reizvollsten Aufgaben wäre. Es sei hier in erster Linie auf HEGEL hingewiesen. Nach ihm ist die Realität und Geltung der Wahrheit der Kompetenz des wissenschaftlichen Systems unterstellt.  "Die wahre Gestalt, in welcher die Wahrheit existiert, kann allein das wissenschaftliche System derselben sein."  (14) Und er betont immer wieder, "daß das Wissen nur als Wissenschaft oder als System wirklich ist und dargestellt werden kann; daß ferner ein sogenannter Grundsatz (15) oder Prinzip der Philosophie, wenn er wahr ist, schon darum auch falsch ist, insofern er nur als Grundsatz oder Prinzip ist." (16) Ein Grundsatz muß sich als konstruktives Grundelement der gesetzlichen Erkenntnis erweisen, er muß sich in der gesetzlichen Entfaltung des Systems bewähren, er muß zeigen, daß er ein notwendiger Gesetzesausdruck der unendlichen Spontaneität des Verstandes ist, um als Grundsatz gelten zu können. Das ist HEGELs tiefsinnige Meinung.

Ebenso ist die Philosophie der Gegenwart erfüllt von der Einsicht in die grundlegende Bedeutung des Systembegriffes. An ihrer Spitze der NEUKANTIANISMUS. In der Betonung und in dem genaueren Nachweis jener Bedeutung geht er sicherlich auf ein der tiefsten Intentionen KANTs zurück. An dieser Stelle sei nur NATORP genannt. NATORP betont, daß der logische Ursprung, daß die logische Grundlage der Erkenntnis in dem "ursprünglichen Zusammenhang aller schöpferischen Faktoren des Denkens" (17) zu erblicken sei. In ihm komme die unzerreißbare Einheit alles Denkens unmittelbar zum Ausdruck, jene Einheit, "durch die jedes herausgehobene einzelne Element des Denkens die anderen alle zwingend herbeiführt und scheinbar aus sich heraus setzt." Näher bestimmt, bedeutet jene Einheit nur, "daß das Ganze der logischen Aufgabe damit voraus bezeichnet sei. Das ist immerhin nicht wenig, denn die Aufgabenstellung bleibt leitend für den ganzen Aufbau des logischen Systems." (18) Doch ist das System nicht etwa als Tatsache, nicht als etwas Perfektes hinzustellen, wozu wohl das Wort "System" als der "Zusammenstand" der Faktoren verleiten könnte. Es ist vielmehr "erst die letzte, ja überhaupt nicht abschließend lösbare, weil unendliche Aufgabe. Als solche sollte es eher "Systase" heißen: daß nichts isoliert bleiben, alles mit allem sich in Einheit und Zusammenhang fügen, zu ihr (eben in der Erkenntnis) "zusammentreten", daß ein durchgängiger Wechselbezug sich im Rückgang zum gemeinsamen Ursprung erst knüpfen müsse". (19) Und in gedanklich prinzipiell gleichen Ausführungen hebt ein anderer Vertreter des Kritizismus, BRUNO BAUCH, die grundlegende Tragweite des Begriffs des Systems und des Zusammenhanges hervor. "Ohne diesen Zusammenhang wäre überhaupt kein Erkennen möglich. Denn alles Erkennen ist Beziehung, Verknüpfung von Erkenntnisinhalten im Fortgange der Erkenntnis." (20) Treffend formuliert auch JONAS COHN diese grundlegende und grundbedingende Geltung des Systembegriffes mit den Worten: "Der Systematiker weiß, daß ein vereinzeltes Urteil nicht in seiner wahren Form erfaßt werden kann, daß alles auf alles angewiesen ist, er sucht daher jedes Einzelne in Beziehung zum Ganzen zu denken." (21) Für jede historische, wie für jede prinzipielle Untersuchung ist die Erfassung des systematischen Ganzen die allerwesentlichste Sache. Er dadurch wird die einzelne Erkenntnis und das einzelne Erlebnis philosophisch, "daß es den ihm innewohnenden Trieb über sich selbst hinaus verwirklicht und seine Einzelheit im Ganzen des Systems aufgibt." (22)

Ist es mithin denknotwendig, die Erkenntnis als System zu begreifen, sie von dem Gedanken des Systems aus zu ergreifen, so ist diese Bestimmung lediglich in dem Sinne eines Inbegriffs aller derjenigen Beziehungen und Synthesen zu verstehen, die den Charakter der Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit tragen, d. h. der Systemgedanke ist von jeder metaphysischen Setzung oder jedem psychologischen, zeitlich-kausal bestimmten und empirisch gültigen Vorstellungsablauf zu unterscheiden. Wie die metaphysische Ordnung in dem ontologischen Seinsbegriff, in der Hypostase [einem Gedanken gegenständliche Realität unterschieben - wp] des Geltungsbegriffes, und die psychologische Wertordnung in dem Erlebnis und in dem dieses Erlebnis begleitenden Komplex von Gefühlen gipfelt,  so ruht und gipfelt die logisch-theoretische Geltungsordnung in dem GEdanken des Systems.  In ihm sind alle besonderen logischen Bestimmungen als integrierende Geltungsbegriffe und Begriffsgeltungen methodisch einbezogen. Jede begriffliche Setzung, jede begriffliche Bestimmung und Bezeichnung, jedes Moment in der logischen Analyse, jede Synthese in der Erkenntnis, jede wissenschaftliche Aufstellung und Angabe hat eine bestimmte begriffliche Geltung innerhalb des Systems der Erkenntnis, sie hat einen bestimmten Geltungscharakter, dessen Bedeutungsfestlegung nur möglich ist durch den Hinweis auf die Funktion, die das Einzelne in dem Aufbau und für das Zustandekommen des Ganzen, eben des Systems, ausübt. Das Einzelne gilt, insofern es Glied in dem System ist, insofern es im System eine Funktion ausübt. Will man die Existenz von Werten nicht dogmatisch behaupten, so ist dieses allein dadurch möglich, daß man auf diejenige umfassende Ordnung zurückgeht, der jene als Geltungswerte zu erweisenden Bestimmungen eingegliedert sind, und für die sie die Bedeutung unentbehrlicher Komponenten und Konstituenten besitzen. Niemals ist ein Geltungswert ein factum brutum, niemals hat ein factum brutum einen Geltungswert.

Da alles Begreifen und Bestimmen von Werten nur innerhalb und auf Grund der Erkenntnisordnung möglich ist, so sind überhaupt die logischen Geltungswerte nur innerhalb der logischen Erkenntnisordnung überhaupt möglich. Da aber diese Erkenntnisordnung die logisch grundlegende und grundsätzliche Geltungsordnung überhaupt darstellt, so sind auch ihre Bestimmungen die grundlegenden und grundsätzlichen Geltungswerte der Erkenntnis. Begriff, Urteil, Schluß, Methode und System, das sind die Grundgeltungswerte der Erkenntnis überhaupt, indem sie die unentbehrlichen Bedingungen und Funktionen der Erkenntnis bilden. Auch die logischen Werte können sich als solche nur betätigen, sie können eine Wert- und Geltungswirksamkeit nur entwickeln, indem sie diesem Zusammenhang, dieser Ordnung, der Erkenntnis nämlich, angehören, indem sie immanente Bestandteile dieser Ordnung sint, und als solche für diesen Zusammenhang eine Funktion ausüben; andernfalls sind auch sie nur leere Vokabeln, bloße gedankliche Ansetzungen, denen die Möglichkeit fehlt, sich zur Wertgeltung entfalten und sich in ihrer Bedeutung erweisen zu können. Wenn man in den logischen Grundformen, etwa in den Kategorien, selbständige Grundwerte erblickt und anerkennt, so ist dies nicht etwa so zu verstehen, als ob diese Grundwerte ein isoliertes, in sich ruhendes und auf sich ruhendes Dasein führten. Ein solches Dasein ist nur ein zum Zweck begrifflicher Bestimmung hergestelltes künstliches Abstraktionsprodukt; während jeder einzelne theoretische Geltungswert ein unmittelbares und deduzierbares Verhältnis zu einem bestimmten theoretischen Zusammenhang und zu einer bestimmten logischen Sphäre besitzt, aus der heraus und in bezug auf welche seine Geltung gerechtfertigt, d. h. deduziert werden kann. Die Sicherung aller dieser Geltungsbestimmungen steht im Zusammenhang mit der Sicherheit des Systems als des obersten Geltungswertes. Und diese Sicherung erfolgt und hat zu erfolgen nach rein und ausschließlich theoretischen und logischen Gesichtspunkten. (23)

Die Absonderung des rein theoretischen, rein logischen Erkenntnisgehaltes von dem psychologischen Erlebnisakt, die Herausarbeitung der besonderen theoretischen Geltungssphäre als eines Gebietes von eigener, in sich gegründeter Gesetzlichkeit ist nicht, wie man annehmen könnte, auf die Logik und auf die Mathematik beschränkt. Auch die übrigen Erkenntnisgebiete stellen theoretische Geltungsordnungen von eigener Gesetzlichkeit dar. Man kann unmöglich den physikalischen Bedeutungsgehalt, der z. B. in der theoretischen Darstellung und Entwickelung der Fallgesetze GALILEIs ruht und in ihnen gedacht wird, identifizieren mit dem subjektiven und psychologisch verlaufenden Bewußtseinsvollzug, in und mit welchem jene Gesetze von irgend einem Individuum oder einer Gruppe solcher gedacht oder besser:  erlebt  werden. "Der Gedanke z. B. den wir "Gravitationsgesetz" nennen, wurde zuerst von NEWTON gedacht. Aber ist dieser Gedanke etwa nur ein Denkakt NEWTONs? Gewiß nicht. Tausende haben ihn seit NEWTON ebenfalls gedacht. Der Denkakt war bei Jedem jedesmal ein anderer und als psychisches Sein auch wohl jedesmal von jedem anderen Mal verschieden. Trotzdem war der Gedanke der Gravitation für Jeden, der ihn wirklich dachte, derselbe. Das wäre gar nicht möglich, wenn er mit dem Denkakt zusammenfiele." (24)

Jener physikalisch-theoretische Bedeutungsgehalt ist nicht nur grundsätzlich ablösbar und unterschieden von dem psychologischen Vollzug, er ist in seiner wissenschaftstheoretischen Bedeutung auch völlig unabhängig von dem empirischen Wissen, das ein Mensch von den Fallgesetzen hat, das er zu einer bestimmten Zeit und unter bestimmten Umständen erwirbt. Das läßt sich am besten durch den Hinweis auf die Ausdrückbarkeit jenes Bedeutungsgehaltes in einer mathematisch-physikalischen Formel verdeutlichen. In dieser Formel wird und zwar mittels einer nur das Prinzipielle des Einzelfalles berücksichtigenden und herausarbeitenden Analyse das zeitlich und lokal Spezifische, das Individuell-Kausale des Einzelfalles zu logischer Allgemeingültigkeit erhoben. Diese Analyse aber ist nur möglich unter Zugrundelegung einer prinzipiellen theoretischen Voraussetzung, der des Systems oder des Gesetzes, durch einen Geltungsgesichtspunkt, durch den die Analyse ihre Direktive und ihre methodische Sicherung empfängt. (25) Die ganze Feststellung physikalischer Gesetze in bestimmten Formeln und Definitionen vollzieht sich auf Grund einer Systematik, deren logischer Gesetzeszusammenhang durchaus selbständig und lückenlos geschlossen ist, und der in seiner Abfolge keine psychologisch-subjektiven, keine empirisch-kausalen Momente aufweist.

Und nicht anders liegt der Fall auf geisteswissenschaftlichem Gebiet. Ich versuche z. B. die religiösen Gebräuche eines Volksstammes zu beschreiben und zu bestimmten. Diese Bestimmung ist  erstens  ein psychologischer Vorgang in dem Bewußtsein dessen, der diese Bestimmung vollzieht. Sie spielt sich in einem empirischen Bewußtsein, in bestimmten assoziativen Formen, in einer bestimmten Zeit und unter weiteren psychologisch-subjektiven Modalitäten ab. Und dieser subjektiv-psychologische Bestimmungsvorgang bezieht sich auf einen empirischen Tatbestand oder auf einen Komplex solcher Tatbestände. Aber in diesem psychologischen Vollzug ruht nun ein wissenschaftlicher Wert, ruht eine Erkenntnis, deren Geltung nicht in jenem Vorgang beschlossen ist, die in ihm nicht aufgeht. In dem Beschreiben und Bestimmen jener religiösen Gebräuche vollzieht sich eine begriffliche Konstruktion, ausgeführt mit den logischen Hilfsmitteln und Kategorien der Anthropologie, der Ethnologie, der Geistes- und Kulturgeschichte usw. Und indem man jene Konstruktion erkenntnistheoretisch analysiert und ihren logischen Aufbau verfolgt, wird deutlich, daß in ihr ein Inbegriff theoretischer Entscheidungen, eine theoretische Wahrheit zum Ausdruck kommt, die in jenen Hilfsmitteln und Kategorien eine eigene Gesetzlichkeit, eine selbständige Wahrheitsgeltung besitzt. Diese  theoretische Wahrheitsgeltung  in der Bestimmung jener religiösen Gebräuche ist weder mit dem subjektiven Erlebnisvollzug, wie er sich etwa bei der Beobachtung jener Gebräuche in dem individuellen Bewußtsein des Anthropologen entwickelt, noch mit den anthropologischen und ethnologischen, überhaupt kausalen Bedingungen, unter denen jene Gebräuche entstehen und sich weiterbilden, identisch. Sie "gilt" auch und bewahrt ihre Erkenntnisbedeutung, wenn jener Forscher die Beobachtung nicht mehr anstellt, oder wenn er überhaupt nicht mehr lebt, oder wenn jener Volksstamm seine Gebräuche und Sitten von Grund aus geändert hat oder ausgestorben ist.

Aber diese an sich grundsätzliche und grundlegende Bedeutung des Systembegriffes als des logischen Geltungsbegriffes schlechthin fordert eine weitere Charakterisierung. Es muß noch bestimmter angegeben werden, in welcher besonderen Weise, in welcher besonderen Gestalt dem Systembegriff jener Geltungswert zukommt, von welchem besonderen Gesichtspunkt aus und mit welcher Begründung er ihm zugesprochen werden muß.

Dieser Bestimmung des Systembegriffes läßt sich weiter so vornehmen, daß man den objektiven Geltungswert des Systembegriffes noch genauer absondert von seiner psychologischen und von seiner metaphysischen Bedeutung.

Unter  psychologischem  Gesichtspunkt bedeutet System den mittels der Assoziation, die die Grundform der psychologischen Verknüpfung darstellt, hergestellten tatsächlichen Zusammenhang von Vorstellungen, Wollungen und Gefühlen, wie ein solcher Zusammenhang in dem Bewußtsein des Individuums oder einer Gruppe von Individuen auftritt und faktisch nachweisbar ist. In dem historischen Abriß über die Psychologie des Geltungsbegriffes sind Beispiele für diese Art des Systembegriffes angeführt worden; erinnert sei etwa an VAIHINGERs Philosophie des Als Ob, die eine ausgesprochen psychologische Interpretation des Systembegriffes gibt, insofern als das  Leben  ein solches System in dem Sinne eines immanent utilitarischen und pragmatischen Zusammenhanges sein soll.

Für den  psychologischen  Systembegriff ist also ein Doppeltes charakteristisch: a) die Form seiner Entstehung und Bildung; d. h. System ist hier derjenige eigentümlich lockere Zusammenhang psychischer Fakta, der durch das Bindemittel der Assoziation zustande kommt. Denn mit Hilf der Assoziation wird jene nichts weniger als strenge und eindeutige Verflechtung der Elemente hergestellt, die dem psychologischen Zusammenhang eigen ist; b) die empirische Inhaltlichkeit und Zeitlichkeit dieses Zusammenhanges. Es handelt sich hier nur um die faktisch auftretenden psychischen Erscheinungen, wie sie Gegenstand des Erlebens und Innewerdens sind, und deren Tatsächlichkeit eben durch das Erleben, also durch das Hindurchgehen durch das Medium der Werterteilung, der Geltungsintrojektion, verbürgt wird.

Der  metaphysische  Systembegriff bedeutet die Hypostasierung [Substantivierung, Vergegenständlichung - wp] des psychologischen Zusammenhanges, er bedeutet die Verdinglichung und Transzendierung der Erlebnismomente und ihrer Verbindung. Besonders charakteristisch ist bei dieser Hypostasierung, daß alle Erlebnismomente auf Ein Moment hingedrängt, in Ein Moment zusammengefaßt werden, so daß dieses im Verhältnis und im Gegensatz zu den übrigen Momenten die Bedeutung des Grundelementes, die Würde der Grundsubstanz erhält. Man denke etwa an den metaphysischen Zusammenhang, den nach SPINOZA die einzelnen "Modi" in der "Substanz" oder in "Gott" besitzen. Dieser Zusammenhang, diese Sicherung, diese Verankerung der Modi wird prinzipiell nicht als eine empirisch-kausale gedacht. Die Art dieses Zusammenhanges, der Charakter dieses Systems, die Gliederung dieser Reihe aber durch rationale Prädikate festzulegen, ist unmöglich, weil hier das Denken in die Transzendenz und Überdenklichkeit hinausschweift.

Das "System" unter dem  logischen  Gesichtspunkt bedeutet nun  erstens  formaliter nicht den empirisch-kausalen Assoziationszusammenhang, wie ein solcher de facto im Bewußtsein vorliegt. Damit aber ist nicht gesagt, daß es nun als eine transzendente Ordnung verstanden werden muß. Sonst würde man nicht den logischen Gesichtspunkt wahren und rein erhalten; in jenem Falle aber würde man das Logische zu einem nur zeitlich-kausal Giltigen, zu einem nur unter bestimmten Umständen Gültigen umbiegen, also  erstens  den Charakter der Unbedingtheit, der dem Logischen zukommt, verkennen und ihm  zweitens  damit die Geltung des Bedingenden, die für das Logische charakteristisch ist, nehmen.

Aber nicht nur durch diese  formale  Seite bestimmt sich der Begriff des "Systems", weicht er von jenen beiden anderen Systembestimmungen ab, es tritt noch eine  zweite  prinzipielle Eigentümlichkeit unter einem anderen Gesichtspunkt auf. Wir sahen, daß der psychologische Zusammenhang stets einen mehr oder minder umfassenden Zusammenhang von  tatsächlichen  psychischen Erscheinungen darstellt, daß das psychologische System einen Zusammenhang psychischer  Realitäten  bedeutet. Und gerade das ist das logische System, ist das "System" seiner logischen Geltungsbedeutung nach in keiner Weise, wie überhaupt das Logische keine der psychischen Faktizität analoge Realität ist. Wäre das der Fall, dann müßten für das Logische diejenigen Gesetze und Bedingungen in Betracht kommen, die für die psychologische Reihe bestimmend sind, nämlich die Gesetze der empirisch-kausalen Assoziation. Daß diese aber nicht das Gesetz der logischen Reihe darstellt, braucht nicht ausgeführt zu werden.

Es ergibt sich also, daß das "System", seiner  logischen  Geltungsbedeutung nach,  nicht  der  Realzusammenhang der psychischen Fakten ist. Damit aber ist nicht behauptet, daß es eine Irrealität, eine Nicht-Realität, daß es den Mangel der Realität bedeute. Diese Folgerung wäre ebenso unzulässig und übertrieben, als wenn man im obigen Falle aus dem Umstand, daß das "System" seiner logischen Geltungsbedeutung nach nicht eine empirisch-kausale Reihe darstellt, schließen würde, es habe also transzendente Bedeutung. Gerade darin erweist sich der unvergleichliche Fortschritt, den die Entwickelung der Philosophie dem  Kritizismus  verdankt, daß es diesem gelungen ist, eine Geltungssphäre nachzuweisen und aufzudecken, die sich prinzipiell von jeder psychologischen und auch von jeder metaphysischen Ordnung unterscheidet und abhebt.

So klar auch die Erkenntnis der prinzipiellen Selbständigkeit der logischen Geltungsreihe ist, so sicher und so distinkt sich auch diese Geltungssphäre in ihrer Sonderheit von der psychologischen abheben läßt, so schwierig ist es doch, für sie einen ihre Eigenart zu unmißverständlichem Ausdruck bringenden Namen zu finden. (26)

Doch lassen wir für diesen Augenblick diese Frage noch unentschieden, und versuchen wir jetzt erst die Bedeutung, die der Systembegriff für die Ordnung der Erkenntnis besitzt, noch weiter zu analysieren; vielleicht daß sich aus dem Fortschritt der Untersuchung die Möglichkeit ergibt, jene Frage angemessen zu beantworten.
LITERATUR, Arthur Liebert, Das Problem der Geltung, Berlin 1914
    Anmerkungen
  1. Über die immanente Beziehung zwischen dem Begriff der Wissenschaft und dem Begriff des Systems vgl. u. a. JOHANNES REHMKE, Philosophie als Grundwissenschaft, 1910, S. 11f. und RICHARD HÖNIGSWALD, Zur Wissenschaftstheorie und -systematik, Kantstudien XVII, 1912, Seite 28 ff
  2. KANT, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, Seite 467
  3. KANT, Kritik der reinen Vernunft, Seite 685
  4. CASSIRER, S. 194. Eine gute Formulierung des oben ausgeführten Gedankens von der Verflochtenheit aller Erkenntnisstücke in dem Ganzen der Erkenntnis und ihrer systematischen Abhängigkeit von diesem Ganzen bei G. UPHUES, Zur Krisis der Logik, 1903, Seite 81: "Es gibt keine Einzelwahrheit, keine getrennt für sich bestehenden Einzelwahrheiten, alle Wahrheiten hängen aufs engste untereinander zusammen und bilden sozusagen nur eine Wahrheit oder, wenn man lieber will, ein System, ein Reich von Wahrheiten. Diese eine Wahrheit oder dieses System, dieses Reich der Wahrheit ist der eigentliche Gegenstand des Erkennens". Ich finde dieses Zitat in der Studie von FRITZ MÜNCH, Erlebnis und Geltung, Kantstudien, 1913, Ergänzungsheft 30, Seite 101, in der auch wiederholt, wenngleich mehr gelegentlich, auf die zentrale Bedeutung des Systemgedankens hingewiesen wird.
  5. Vgl. RICHARD HÖNIGSWALD, Zur Wissenschaftstheorie, Seite 29, 31, 33, 47, 71 u. ö.
  6. Vgl. CASSIRER, Seite 302 u. ö.
  7. HÖNIGSWALD, Seite 47, 71, 76 u. ö.
  8. Vgl. CASSIRER, Seite 302f
  9. Die übergreifende Einheit des Begriffes der Erkenntnis ist auch betont und gut herausgearbeitet bei KURT STERNBERG, Zur Logik der Geschichtswissenschaft Seite 14f. u. a. a. O.
  10. Vgl. auch F. MÜNCH, Das Problem der Geschichtsphilosophie. Kantstudien XVII, Heft 4, 1912, S. 351 f. und KURT STERNBERG, Zur Logik der Geschichtswissenschaft.
  11. Abweichend LASK, Fichtes Idealismus und die Geschichte, 1902, Seite 7 ff. u. ö.
  12. Vgl. MENZER, Kants Lehre von der Entwickelung etc., Seite 407 ff
  13. OTTO LIEBMANN, Gedanken und Tatsachen: II, Seite 8 - Es würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen, sollte eine ausdrückliche Rechtfertigung und Verteidigung der Kantischen, der kritischen Erkenntnistheorie Einwänden und Ablehnungen gegenüber versucht werden, die nicht diese oder jene Einzelheit, sondern die das Ganze jener Theorie, die ihre logische Möglichkeit und Haltbarkeit betreffen. Von solchen Einwänden und Ablehnungen nenne ich als die immerhin beachtenswertesten: EDUARD von HARTMANN, Kritische Grundlegung des transzendentalen Realismus. Eine Sichtung und Fortbildung der erkenntnistheoretischen Prinzipien Kants, 1. Aufl. 1871; derselbe, Das Grundproblem der Erkenntnistheorie, 1. Aufl. 1889. JOHANNES REHMER, Die Welt als Wahrnehmung und Begriff. Eine Erkenntnistheorie, 1880. Von dem Standpunkt der "Grundwissenschaft" aus fortgeführt ist die Polemik dieser Schrift in  desselben Verfassers  "Philosophie als Grundwissenschaft", Seite 438 ff. Endlich nenne ich LEONHARD NELSON, Über das sogenannte Erkenntnisproblem, 1908. - Eine Rechtfertigung der allgemeinen Erkenntnistheorie läßt sich im gewissen Sinne dadurch leisten, daß man tatsächlich Untersuchungen erkenntnistheoretischer Natur vornimmt und auf den KANTIANISMUS und NEUKANTIANISMUS als Belege für diese Untersuchung hinweist.
  14. HEGEL, Phaenomenologie des Geistes, Vorrede S. 5, herausg. von GEORG LASSON, Philosophische Bibliothek, Bd. 114. Stelle auch im Original gesperrt. - Seite 14: "Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwickelung sich vollendende Wesen."
  15. Wie ihn etwa FICHTE aufgestellt hat, gegen den sich HEGEL offenbar ebenso wendet wie gegen SCHELLING.
  16. HEGEL, ebenda Seite 16
  17. NATORP, Die logischen Grundlagen der exakten Wissenschaften, 1910, S. 23
  18. NATORP, Seite 23
  19. NATORP, Seite 24
  20. BRUNO BAUCH, Studien, Seite 65 u. a. a. O.
  21. JONAS COHN, Der Fortschritt in der Philosophie, Logos IV, 1913, Heft 1, Seite 55.
  22. ebenda Seite 61
  23. So vermag ich auch der Deutung ED. von HARTMANN nicht zuzustimmen, der für die Kategorien, wie schon einmal erwähnt, einen doppelten Ursprung ansetzt, nämlich aus dem Logischen und aus dem Unbewußten. "Nur der erstere weist ihnen den kategorialen Charakter an; aber der letztere gibt ihnen erst den terminus ad quem, ohne den es zu keiner Beziehung, also auch zu keiner Kategorie käme. Deshalb darf auch der letztere nicht völlig ausgeschieden werden, wenn man nicht überhaupt auf Kategorien verzichten und sich auf das Logische in seiner nackten Leerheit reduzieren will." Kategorienlehre, S. 543f. Die "nackte Leerheit" des Logischen ist aber der ergiebige Boden auf dem allererst der Begriff der Kategorie möglich ist, aber der ergiebige Boden auf dem allererst der Begriff der Kategorie möglich ist, auf dem er einen bestimmten Sinn hat, und auf dem die Funktion der Kategorie als kategoriale Funktion überhaupt Geltung hat. Die wissenschaftliche Philosophie kann und darf das "Unbewußte" als Prinzip, als Ursprung, als Moment der Begründung nicht anerkennen, da sie damit bewußt in das Gebiet des Nicht-Wissens hinabsteigt. Wir wissen zwar Vieles nicht: aber daß wir Vieles nicht wissen, wissen wir auf Grund des Wissens.
  24. H. RICKERT, Zwei Wege der Erkenntnistheorie, Kantstudien XIV, Heft 2-3 (1909) S. 196. Überzeugend hat R. denselben Gedanken auch in seiner jüngsten, dem Gegenstand gewidmeten Studie formuliert: "Über logische und ethische Geltung". Kantstudien XIX, Heft 1-2, 1914, Seite 185 ff
  25. A. RIEHL, Logik und Erkenntnistheorie, in "Kultur der Gegenwart", Teil I, Abt. VI: Systematische Philosophie, 1907, Seite 85
  26. Es ist bezeichnend und lehrreich, daß sich LOTZE, dessen "Logik" eines der wenigen klassischen Dokumente einer reinen, psychologiefremden Logik der nachhegelschen Zeit darstellt, scheute, seinem Werk den von ZELLER für Untersuchungen dieser Art vorgeschlagenen Namen: "Erkenntnistheorie" zu geben, offenbar weil ihm diese Bezeichnung, wie BAUCH wohl mit Recht glaubt, das neue Gebiet nicht scharf genug von der Psychologie des Erkennens unterschied. Vgl. zur Geschichte der Terminus "Erkenntnistheorie" B. ERDMANN, Logik I, Seite 19f