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WILLY FREYTAG
[mit NS-Vergangenheit]
Der Realismus und das
Transzendenzproblem

[Versuch einer Grundlegung der Logik]
[6/8]

"Es müßte gezeigt werden, daß es im Begriff des Inhaltes, des Etwas schon liegt, Gegenstand eines Gedankens, Objekt für ein Subjekt zu sein. Dann wäre es in der Tat unmöglich, irgendetwas zu denken, ohne es als ein Objekt für ein Subjekt zu denken."

VI. Abschnitt
Das Ding-ansich

§ 1. "Das man mit dem Gedanken und dem Wort eines außerhalb des Bewußtseins Existierenden dieses "außerhalb" eo ipso [schlechthin - wp] aufhebt, indem man dieses Ding denkt, liegt doch wohl auf der Hand."

Der Gedanke, der sich auf ein Ding richtet, macht dieses Ding zu einem gedachten; folglich ist der Gedanke eines nichtgedachten Dings ein undenkbarer Gedanke.

Diese Behauptung, dieser Schluß ist ganz allgemein gehalten, er soll von allem und jedem Gedanken gelten.

In dieser Allgemeinheit aber, mit der er ausgesprochen wird, glaube ich beweisen zu können, liegt sein Fehler. Ich ziehe zur näheren Erörterung von Gedanken nur Begriff und Urteil heran.

Da alles Denken ein begriffliches Denken ist, so würde folgen, wenn der konszientialistische Satz hinsichtlich des Begriffs gilt, daß er vom Denken überhaupt gilt.

Daher wird in den konszientialistischen Darlegungen statt vom Gedanken sehr häufig von einem Begriff gesprochen. Es ist für SCHUPPE eine Tatsache, "daß alles Sein, welches Objekt des Denkens werden kann, immer schon seinem Begriff nach Bewußtseinsinhalt ist". (Erkenntnistheoretische Logik, Seite 69)

AVENARIUS' Meinung ist dieselbe, wie auf folgender Darlegung (Weltbegriff Seite 130) leicht zu ersehen ist, obgleich er in derselben das Wort "Begriff" nicht verwendet.

Es ist ein
    "nur mit großer Vorsicht aufzunehmender Gedanke, wenn man anhand des Gegensatzes: Relativ - Absolut, durch eine spezialerkenntnistheoretische Gewohnheit verleitet, die Erkenntnis: »Etwas ist das eine für mich - ein anderes für einen anderen« alsbald ergänzt durch die auf etwas Absolutes gerichtete Frage: »Was ist dieses Etwas dann an und für sich?« Wo dann als Antwort zu erwarten ist: »Das Objekt R ist an und für sich weder rot noch schwarz« oder: »Das wissen wir nicht - können wir nicht wissen.«

    "Aber weder die erstere negative noch die zweite, skeptische Antwort ist haltbar - weil der Gedanke selbst, der in dieser allerdings naheliegenden Frage und Antwort zum Ausdruck kommt, unhaltbar ist. Denn was überhaupt soll es bedeuten, daß ein Umgebungsbestandteil im spezialerkenntnistheoretischen Sinn etwas an und für sich ist? Was heißt fragen, wie ein Umgebungsbestandteil in diesem Sinn an und für sich beschaffen ist, das nicht ein Gegenglied ist? oder, was dasselbe ist, ein Gegenglied, zu dem das Zentralglied fehlt?"
AVENARIUS also findet die negative wie die skeptische Antwort auf die Frage nach dem Ding-ansich unhaltbar, weil der bloße Gedanke des Dings ansich schon unhaltbar ist. Nicht gegen die spezielle Behauptung; Dinge ansich existieren oder "Dinge ansich sind erkennbar" richtet sich der Einwand, sondern unmittelbar gegen den allgemeinen in diesen und ähnlichen Behauptungen verwendeten Gedanken des Dings-ansich, das ist aber genauer gesagt der Begriff des Dings-ansich.

Daher hat auch die bloße Frage nach dem an und für sich keinen Sinn, die doch noch gar keine Behauptung enthält.

Vom Begriff des Dings-ansich also gilt zunächst, daß er unsinnig ist, und weil vom Begriff, dann von jedem Gedanken darüber.

Wenn nun aber die Konszientialisten nicht Recht haben, der Begriff des Dings ansich nicht unsinnig ist, folgt dann, daß überhaupt alle Gedanken, zunächst alle Urteile über das Ding-ansich, Sinn haben? Offenbar nicht. Das Urteil ist ja noch etwas mehr als ein bloßer Begriff: der Begriff des Dings ansich kann denkbar, ein Urteil über dasselbe müßte es darum noch nicht sein.

Ich meine nun zeigen zu können, daß der Begriff des Dings-ansich durchaus nicht unsinnig ist; dann erwächst für mich die weitere Aufgabe, das Urteil über das Ding-ansich auf seine Bedeutung hin noch besonders zu untersuchen.

Betrachten wir zunächst den Begriff des Dings ansich. Die Bedeutung eines Begriffs liegt im Inhalt, den er meint, in den Merkmalen, die diesen Inhalt bilden. Ein sich selbst widersprechender Begriff ist dadurch charakterisiert, daß sich in seinem Inhalt Merkmale finden, die einander widersprechen.

Welches ist nun der Inhalt des Begriffs "Ding-ansich"?

Das Ding-ansich steht im Gegensatz nicht zu jedem beliebigen Ding für ein anderes Ding, sondern zum besonderen Begriff Objekt für ein Subjekt; "Ding-ansich" heißt also soviel wie "Ding, das nicht Objekt für ein Subjekt ist". Dann scheint zu folgen, daß es zum Inhalt des Begriffs Ding-ansich gehört, nicht Objekt für ein Subjekt zu sein. Da nun der Inhalt des Begriffs "Ding-ansich", um Inhalt eines Begriffs zu sein, gedacht sein muß, also tatsächlich Objekt für ein Subjekt ist, so scheint dieser unausweichlichen Notwendigkeit der Inhalt des Begriffes selbst zu widersprechen, der Begriff des "Dings-ansich" scheint vom Denken etwas Unmögliches zu fordern, scheint ein unmöglicher Begriff zu sein.

Das ist die Schwierigkeit; aber keine unübersteigliche, wie mir dünkt. Der Begriff des Dings ansich muß doch denkbar sein! Ich und die Konszientialisten mit mir haben ihn ja eben gedacht! Oder war es ein sinnloser Satz, wenn ich oben den Inhalt dieses Begriffs feststellte? Hat nicht jeder mit den Worten "Ding, das nicht Objekt für ein Subjekt ist" etwas Bestimmtes gedacht, und aufgrund des bestimmten Denken dieses Inhaltes etwas bestimmtes geschlossen?

Man nimmt wohl häufig an, daß der Begriff des Denkens in seinem allgemeinsten Sinn auch das umfaßt, was in einem beschränkteren als undenkbar bezeichnet wird? auch der Inhalt viereckiger Kreis wird so als ein denkbarer bezeichnet.

Aber diese Bezeichnungk ist doch sehr mißverständlich. Gewiß um zu behaupten, ein viereckiger Kreis ist undenkbar muß ich einen Gedanken haben, der das durch das Subjekt dieser Behauptung gemeinte irgendwie betrifft. Aber folgt aus der Wortzusammenstellung des Satzes, daß auch den Worten viereckiger Kreis wirklich ein Gedanke entspricht? Der Sachverhalt, der zu diesem Satz führt, ist doch vielmehr der folgende: Das Wort viereckig bezeichnet einen bestimmten Inhalt, einen bestimmten Begriff, ebenso das Wort Kreis, der Versuch aber, beide Inhalte zu einem Begriff zu vereinigen, wird wohl vom Denken gemacht, und insofern ist dieser Begriff ein Gegenstand des Denkens; dieses Denken aber besteht doch da, wo es keine bloße Vorbereitung zur Vereinigung der beiden Teilbegriffe ist, sondern diese Vereinigung selbst betrifft, rein und allein in der Erkenntnis, daß diese Vereinigung unmöglich ist, sich selbst widersprechend. Diese Erkenntnis kleidet sich dann in den kurzen Ausdruck: "Ein viereckiger Kreis ist unmöglich"; genauer aber müßte es heißen: "Es ist unmöglich die Merkmale viereckig und Kreis in einen Begriff zusammenzufassen."

Ist nun das Denken des "Dings-ansich" auch von der Art, daß sie nur mißbräuchlich ein Denken genannt werden kann? Schon das Gefühl, scheint uns, macht einen Unterschied zwischen dem Gedanken des "Dings-ansich" und dem Gedanken "viereckiger Kreis". Aber vielleicht täuscht das Gefühl, vielleicht ist die Erkenntnis, daß auch im Begriff des Dings-ansich widersprechende Merkmale vereinigt werden sollen, nur etwas weniger unmittelbar zu gewinnen wie die entsprechende hinsichtlich des viereckigen Kreises!

Wie kommt denn eigentlich der Widerspruch im Begriff des Dings-ansich zustande?

Im Inhalt des Begriffs selbst liegt nichts davon, daß dieser Inhalt Objekt für ein Subjekt, Gegenstand, Inhalt eines Gedankens ist, sondern gerade dies, daß in ihm von allen derartigen Beziehungen abgesehen werden soll. Es ist die weitere Erkenntnis, daß dieser Inhalt als Inhalt eines Begriffs eben tatsächlich Inhalt, Gegenstand eines Gedankens, Objekt für ein Subjekt ist, die der im Inhalt selbst gelegenen Meinung widerstreitet.

Wie ist das aber möglich? Wie kann in den in sich widerspruchslosen Inhalt eines Begriffs von außen her aus der Erkenntnis eines wirklichen Sachverhalts ein Widerspruch hineingebracht werden, so nämlich, daß nicht nur dieser Begriff als dem Sachverhalt, sondern als sich selbst widersprechend erscheint? Ein Begriff hat doch zunächst gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun: es ist eine Überlegung für sich, ob der Begriff der Wirklichkeit entspricht oder nicht; er wird je nach dem Ausfall dieser Überlegung als für die Erkenntnis der Wirklichkeit brauchbar oder nicht brauchbar charakterisiert werden können, an seiner eigenen Natur aber ändert sich dadurch nichts, er wird dadurch nicht klarer und nicht dunkler, nicht harmonischer in sich und nicht widerspruchsvoller!

Und noch ist doch die Behauptung, der Inhalt "Ding-ansich" sei Inhalt eines Begriffs, eines Gedankens, nicht aus diesem Inhalt selbst abzuleiten, sondern nur aus der Erkenntnis eines Sachverhalts der Wirklichkeit; wie kann sie den Inhalt selbst angreifen, ihn zu einem widerspruchsvollen machen?

Hier muß ein Fehler in der Argumentation liegen, ein Fehler, der uns zum Teil durch die Ungewohnheit der Behauptung, zum Teil durch eine gewisse Ungenauigkeit des Ausdrucks verursacht zu sein scheint.

Wenn unter einem "Ding-ansich" ein Ding verstanden würde, das in keiner Weise Gegenstand des Denkens ist oder sein kann, so würde ein solches Ding, ganz abgesehen von der Frage nach der Möglichkeit des Begriffs, für die Wissenschaft, für Menschen überhaupt nicht in Betracht kommen. Es ist natürlich notwendig für jeden Gegenstand der Wissenschaft, daß er gedacht werden kann. Daraus folgt aber nicht, daß jeder Gegenstand des Denkens auch als gedachter gedacht werden muß, daß zum Inhalt jedes Gegenstands des Denkens, der Wissenschaft diese Eigenschaft, Gegenstand des Denkens, der Wissenschaft zu sein, ebenfalls gehören muß.

Jeder Gegenstand des Denkens hat neben unendlich vielen Eigenschaften auch die, Gegenstand des Denkens zu sein; wie wir aber im Begriff von jeder Eigenschaft eines Dings abstrahieren können, so können wir auch von dieser, Gegenstand des Denkens zu sein, absehen. Dann haben wir den Begriff des Dings-ansich, d. h. des Dings, wie es ist, abgesehen von der Eigenschaft, daß es Gegenstand des Denkens, Objekt für ein Subjekt ist.

Und dieser Begriff verträgt sich durchaus mit der Behauptung, daß der Inhalt "Ding-ansich", wie jeder andere Begriffsinhalt eben Inhalt, Gegenstand eines Begriffs, eines Gedankens, also tatsächlich doch Objekt für ein Subjekt ist. Der Satz: "Der Inhalt Ding-ansich, d. h. Ding wie es ist, abgesehen von der Eigenschaft Objekt für ein Subjekt zu sein, ist tatsächlich doch Objekt für ein Subjekt" - enthält durchaus keinen Widerspruch, sein Prädikat hebt das Subjekt nicht auf.

Der Satz erregt nur Anstoß infolge der Ungewöhnlichkeit seines Inhaltes. Nehmen wir daher einen Satz derselben Art, aber mit einem bekannteren, geläufigeren Inhalt, um durch den Vergleich mit der Eigenart unseres Satzes vertrauter zu werden.

Wenn ich einem andern gegenüber behaupten will, daß alle Materie schwer ist, aber im Zweifel bin, ob dieser andere das Merkmal der Schwere nicht schon definitorisch in seinem Begriff von Materie aufgenommen hat, könnte ich mich wohl zu folgender Äußerung veranlaßt sehen:
    "Nehmen Sie den Begriff der Materie, aber sehen Sie in ihm vom Merkmal der Schwere durchaus ab, dann gilt, daß diesem so gekennzeichneten Inhalt allgemeine Schwere zukommt."
Beispiele dieser Art werden, wie zu sehen, nur selten vorkommen; sie können sich finden bei vorsichtigem Denken, wenn definitorische Streitigkeiten in Bezug auf schwer definierbare Begriffe befürchtet werden. Könnte ich den Begriff der Materie einfach und zweideutig definieren, so brauchte ich keinen Umweg, um zu meiner Behauptung, alle Materie ist schwer, zu gelangen; muß ich aber mit dem bloßen Hinweis auf den Sprachgebrauch arbeiten, so wird es sich - wie gesagt nur unter besonderen Umständen - empfehlen, um der Behauptung ihren Charakter als Urteil zu wahren, vorher festzulegen, daß im Begriff des Subjekts nicht schon das Prädikat definitionsgemäß gedacht werden soll.

Jedenfalls, was auch seine praktische Bedeutung sein mag, ein derartiger Satz ist denkbar, er enthält keinen begrifflichen Widerspruch. Und darum ist auch der obige Satz, "das Ding ansich ist Gegenstand des Denkens", durchaus in Ordnung, sein Subjekt nicht in Widerspruch mit dem Prädikat.

Der Begriff will nicht die ganze Wirklichkeit erfassen, er abstrahiert von jedem beliebigen Inhalt, er verbindet beliebige Inhalte, nur von der Rücksicht geleitet, nichts Widersprechendes in sich aufzunehmen. So sieht der Begriff des "Dings-ansich" von der Eigenschaft seines Gegenstandes ab, tatsächlich Gegenstand eines Gedankens zu sein, und die Behauptung, daß dieser Gegenstand, dieser Inhalt, dieses Etwas tatsächlich Gegenstand eines Gedankens, Objekt für ein Subjekt ist, bezieht sich auf etwas, was der bloße Begriff gar nicht meinte, eben die Wirklichkeit.

Unterscheidet man also den Gegenstand des Begriffs vom Begriff selbst, gesteht man dem Begriff vollkommene Abstraktionsfähigkeit zu, so verliert die Behauptung, das begriffliche Denken eines Inhaltes versehe diesen mit dem Merkmal des Gedachten, ihre Evidenz.

Und wenn nun der Konszientialist einwenden wollte, die Abstraktion vom Subjekt, vom Gedachtsein sei nicht möglich, jeder Inhalt, den ich zum Gegenstand eines Begriffs mache, werde dadurch so untrennbar mit der Eigenschaft, Gegenstand des Denkens zu sein, behaftet, daß eine Ablösung selbst in Gedanken unmöglich wird, so ist diese weitere Behauptung durchaus nicht mehr selbstverständlich, sie müßte bewiesen werden. Es müßte gezeigt werden, daß die Verbindung von Objekt und Subjekt derartig ist, daß eine Trennung beider zur Vernichtung jedes der Teile führen würde. Und diese Vernichtung dürfte nicht nur darin bestehen, daß dem betreffenden Inhalt durch jene Trennung eben das Merkmal Objekt für ein Subjekt zu sein entzogen wird - denn das ist es ja, was in Frage steht, - sondern darin, daß der Inhalt selbst nunmehr aufhört, überhaupt irgendetwas zu sein. Kurz: es müßte gezeigt werden, daß es im Begriff des Inhaltes, des Etwas schon liegt, Gegenstand eines Gedankens, Objekt für ein Subjekt zu sein. Dann wäre es in der Tat unmöglich, irgendetwas zu denken, ohne es als ein Objekt für ein Subjekt zu denken.

Der Unterschied dieses Satzes vom gewöhnlichen Satz des Konszientialismus ist unverkennbar. Der Konszientialist hält es für eine unwidersprechliche Tatsache, daß der Gegenstand eines Begriffs das Merkmal, Gegenstand eines Begriffs zu sein, an sich tragen muß; er fordert den Gegner zum Gegenbeweis auf, den er für unmöglich hält. Jetzt zeigt sich, daß jene Tatsache jedenfalls keine unwidersprechliche, keine evidente Tatsache ist, daß vielmehr die Hauptsache gar nicht bewiesen ist, daß nämlich ein dem begrifflichen Inhalt tatsächlich zukommendes Prädikat auch zu seinen begrifflichen Merkmalen gehören muß, daß eine solche Annahme vielmehr den sonst hinsichtlich der Begriffe geltenden Sätzen widerspricht - jetzt ist also die Reihe am Konszientialisten, den Beweis zu führen.

Obgleich ich nun meinerseits den geforderten Beweis für unmöglich halte, und abwarten könnte, bis er geliefert wird, so möchte ich doch einer prinzipiell so wichtigen Frage nichts anzugeben unterlassen, was wir zu ihrer Entscheidung beibringen können: wir wollen selbst den Gegenbeweis antreten.

Zunächst soll darauf hingewiesen werden, daß der Konszientialist selbst in der bloßen Beschreibung der Prinzipialkoordination, der Zusammenordnung von Subjekt und Objekt, die beiden durch diese Zusammenordnung verbundenen Glieder trennt, daß er sie für sich gesondert denkt. Was soll es heißen, daß in der Prinzipialkoordination Zentralglied und Gegenglied, Subjekt und Objekt zu unterscheiden sind, wenn sie nicht wirklich unterschieden, d. h. voneinander in Gedanken getrennt werden können?

Wie kann ich denn weiter überhaupt von einem Subjekt für ein Objekt reden, wenn doch alles mit dem Merkmal des Gedachtseins verbunden, alles Objekt für ein Subjekt sein soll?

Man wird sagen, auch das Subjekt in der betrachteten Prinzipialkoordination ist Objekt für ein Subjekt, freilich nicht in der betrachteten, sondern in der Prinzipialkoordination des betrachtenden, und ebenso wird wohl in der betrachteten Prinzipialkoordination Subjekt und Objekt geschieden, beide sind aber darum doch nicht aus jeder Prinzipialkoordination herausgehoben, sie stehen schon wieder in einer neuen, in welcher sich die Heraushebung vollzieht.

Aber diese Antwort genügt nicht. Entweder trägt das von mir aus der ersten Prinzipialkoordination ausgesonderte Subjekt, weil es Objekt in einer zweiten geworden ist, nun auch den Charakter des Objekts als begriffliches Merkmal in sich, dann kann aber von ihm als dem Zentralglied der ersten Prinzipialkoordination überhaupt nicht die Rede sein, es ist diesem gegenüber durch ein neues Merkmal vermehrt, das ihm als bloßem Glied der ersten Koordination gar nicht zukam, oder aber, es ist rein und allein das Zentralglied dieser ersten Koordination gemeint, dann kann in ihm seine Eigenschaft, auch Glied der zweiten Koordination zu sein, mitgedacht werden. Anders ausgedrückt, entweder verfälscht der Umstand, daß das Zentralglied der ersten Koordination Gegenglied der zweiten ist, seinen Charakter als Zentralglied der ersten, dann ist die Beschreibung einer jeden Prinzipialkoordination Unsinn, und damit auch der Konszientialismus als vernünftiger Standpunkt aufgehoben, oder aber eine solche Verfälschung findet nicht statt, der Inhalt "Zentralglied der ersten Koordination" wird nicht in sich geändert dadurch, daß er Gegenglied in einer zweiten Koordination wird, dann darf aber auch nicht behauptet werden, daß die Beziehung des Gedankens auf seinen Inhalt diesen so umfaßt hält, und in sich schließt, daß er ohne diese Beziehung aufhört, dieser Inhalt, dieses Etwas und damit überhaupt ein Inhalt, ein Etwas zu sein; und bleibt er in sich ungeändert, ob er Gegenglied in einer neuen Prinzipialkoordination wird oder nicht, so erfüllt er alle Bedingungen, die an ein Ding-ansich gestellt werden können: er wird durch den Gedanken, der sich auf ihn richtet, nicht zu einem gedankenhaften gemacht, sondern bleibt das, was er war, ehe er Gegenstand des Gedankens wurde, der Gedanke erfaßt ihn, erkennt ihn, wie er ansich ist.

Denn dies ist ja der Grund, - und das gilt allgemein - von Dingen ansich zu sprechen, daß wir zu der Überzeugung gelangen, daß ein und derselbe Inhalt in vielerlei Gedanken auftreten kann, und doch durch diese Gedanken nicht anders wird, als er außerhalt derselben ist.

Und diese allgemeine Überzeugung ist es, die unsere Frage hier nun auch allgemein entscheidet. Können wir darlegen, daß der Gedanke seinen Inhalt nicht verändert, ihn nicht um ein in diesem Inhalt begrifflich eingehendes Merkmal des gedanklichen vermehrt, dann ist ja gezeigt, daß zum bloßen Begriff des Inhalts der Begriff des gedanklichen, des Objektseins nicht gehört.

Dieser Nachweis aber ist leicht zu führen. Es ist eine alltägliche Erfahrung, daß ich Erkenntnis von einem Inhalt auf sehr verschiedene Arten erlangen kann, und daß, wenn all diese Arten der Erkenntnis überhaupt nur zur Erkenntnis führen, der durch sie erkannte Inhalt derselbe bleibt. Nehmen wir z. B. folgenden Fall: Ein Sachverhalt in der Natur, z. B. die Ablenkung der Magnetnadel durch einen Berg in einer wenig besuchten Gegend wird von einem erfahrenen Beobachter mit Sicherheit festgestellt; diese Feststellung wird einem anderen Gelehrten bekannt, der die Tatsache selbst nie beobachtet hat, aber nicht im Geringsten an ihr zweifelt; dieser Gelehrte berichtet daher in einem Buch davon; ein dritter entnimmt diesem Buch, und so kann die Reihe beliebig lang fortgesetzt werden; endlich kommt wieder einmal ein Reisender, der zu dieser Reihe gehört, in jene Gegend zu diesem Berg und findet nun auch die Tatsache selbst wieder vor: er findet die alte Beobachtung bestätigt.

Wie könnte die alte Beobachtung, nachdem sie durch so viele Prinzipialkoordinationen gegangen ist, bestätigt werden, das heißt, als identisch mit der zuletzt wieder unmittelbar vorgefundenen Tatsache erkannt werden, wenn beim Durchgang durch jede Koordination jedesmal von Neuem das Merkmal des Gedanklichen zugefügt wäre, den Inhalt umgestaltet hätte?

Denn jeder in der gedachten Reihe übernimmt den Inhalt "Ablenkung der Magnetnadel durch den Berg" von seinem Vorgänger, so wie er ihn bei diesem findet, also als Glied einer Prinzipialkoordination, nicht aber als "Inhalt ansich", wie er der Außenwelt angehört. Er müßte daher in der Prinzipialkoordination des letzten so viele Umgestaltungen zeigen wie die Anzahl der ihn überliefernden beträgt; wenn er trotzdem sofort bestätigt wird durch die unmittelbare Beobachtung, so beweist dies, daß ihn die Prinzipialkoordination nicht umgestaltet haben können.

Vielleicht aber stößt sich der eine oder andere an der Behauptung, die letzte Beobachtung bestätige den überlieferten Satz, indem sie den Inhalt wieder in seiner unmittelbaren Gestalt erkennen läßt. Hierin könnte schon die realistische Meinung gefunden werden, die Beobachtung gestatte uns die Dinge zu erkennen wie sie sind, und so diese zu vergleichen mit den entsprechenden Inhalten, wie sie in den Prinzipialkoordinationen auftreten. Das liefe natürlich auf einen Zirkel hinaus, ist aber hier keine notwendige Meinung: es kommt gar nicht darauf an zu beweisen, daß die erste und die letzte Beobachtung den Inhalt selbst darbieten, wie er ansich ist, sondern vielmehr, daß noch so viele Prinzipialkoordinationen hintereinander geschaltet werden können, daß das Gegenglied der ersten zum Gegenglied in einer zweiten, dieses zum Gegenglied in einer dritten und so weiter gemacht werden kann, ohne daß es in der letzten etwas anderes geworden sein muß, als es in der ersten war. - Dann ist allerdings - von der speziellen Frage der Außenwelt abgesehen - auch der weitere Schluß berechtigt, daß der Inhalt als Gegenglied in der ersten Prinzipialkoordination auch so auftritt, wie er ansich ist. Denn in den n + 1sten Koordination ist es n + 1 mal gedacht, in dern n ten Koordination, so ist er n + 2 mal und n + 1 mal gedacht, und beide Male doch derselbe; somit folgt, daß durch die Aufnahme eines Inhalts in die um 1 (oder n) erhöhte Prinzipialkoordination nichts an ihm geändert wird, und darum ist anzunehmen, daß auch seine Aufnahme in die erste ihn nicht umgestalten konnte.

So führt gerade im Gegensatz zu AVENARIUS Meinung (vgl. oben) die Vergleichung der Inhalte in verschiedenen Prinzipialkoordinationen zum Begriff des "Dings-ansich", zur Abscheidung der Beziehung auf ein denkendes Subjekt; doch will ich ausdrücklich bemerken, daß die Prinzipialkoordination des betrachtenden oder vergleichenden als n + 2 te oben nur mit in die Berechnung gezogen wurde, um zu zeigen, daß auch mit ihrer Berücksichtigung die Rechnung richtig bleibt; daß aber auch diese tatsächlich von jedem denkenden Menschen in der Abscheidung des "Dings-ansich" vom Subjekt, in der Vergleichung der vorgefundenen Gegenglieder mit berücksichtigt wurde, das meine ich nicht, schließe es vielmehr aus.

Ich habe bisher nur zu zeigen versucht, daß im Begriff eines beliebigen Inhalts abstrahiert werden kann von der Beziehung, in der dieser Inhalt als begrifflicher Inhalt zum Gedanken, zum Subjekt steht, daß im Begriff des Dings-ansich tatsächlich von dieser Beziehung abstrahiert wird; ich glaube aber noch weiter zeigen zu können, daß in keinem begrifflichen, überhaupt in keinem gedanklichen Inhalt diese Beziehung zu seinem eigenen Gedanken selbst mitgedacht werden kann; daß daher auch in der eben erwähnten Vergleichung wohl die Gegenglieder von anderen Prinzipialkoordinationen zum Gegenstand des Gedankens der Vergleichung gemacht werden können, nicht aber diese Vergleichung sich auf sich selbst richten und so diese Gegenglieder auch als Gegenglieder der vergleichenden Prinzipialkoordination selbst betrachtet werden können.

Doch ist dieser Beweis, daß jeder Gedanke von sich selbst absehen muß, sich selbst transzendent ist, deutlicher von der Betrachtung des Urteils aus einzusehen; so will ich erst meine Besprechung des apriorischen Immanenzbeweises beenden, indem ich seine Gültigkeit hinsichtlich des Urteils erwäge, und dann erst den allgemeinen Transzendenzbeweis gebe.

Der Begriff des Dings-ansich ist nicht widerspruchsvoll, ist nicht unsinnig; die Wissenschaft darf ihn also benutzen, benutzen natürlich vor allem im Urteil.

Er wird im allgemeinen im Urteil soweit Verwendung finden, wie jeder andere Begriff auch; er wird zu falschen Urteilen führen, ebenfalls wie jeder andere Begriff, dann, wenn der Versuch gemacht wird ihm Widersprechendes in der Weise der Aussage mit ihm zu verbinden. Gibt es nun solche Urteile über Dinge-ansich, die zu Widersprüchen führen? Sind es vielleicht Urteile prinzipieller Natur, die zu unserer allgemeinen Frage der Transzendenz und des Realismus eine Beziehung haben? Ein derartiges anscheinend widerspruchsvolles Urteil habe ich schon erklärt und gerechtfertigt, die Aussage, daß der Inhalt "Ding-ansich" tatsächlich Gegenstand des Gedankens ist in diesem Urteil und in dem darin verwendeten Begriff.

Wie steht es aber mit dem Urteil, auf das es für unsere Frage besonders ankommt, mit der Behauptung: "Es gibt Dinge ansich!"

In diesem Urteil werden die "Dinge-ansich", von denen ausgesagt wird, daß sie existieren, wirklich gedacht. Hören sie aber darum auf, Dinge ansich zu sein? Meine bisherigen Überlegungen geben die Antwort: Sofern unter Dingen ansich die abstrakten Inhalte verstanden werden, in denen von jeder Beziehung auf ein Subjekt abgesehen wird, sofern muß zugestanden werden, daß es solche gibt. Wobei "es gibt" natürlich in einem ganz allgemeinen Sinn genommen werden muß, nicht etwa bloß Existenz oder gar physische Existenz bezeichnen darf. Denn wir haben ja von diesen Inhalten, "Dingen-ansich" gesprochen, haben sie gedacht, sie waren Etwas und etwas Bestimmtes, von anderen Inhalten wohl zu Unterscheidendes.

Anders aber, wenn ich den Begriff "es gibt" im Sinne von existieren nehme, wenn ich daher von Dingen-ansich, nicht als von Abstraktionen, sondern als von realen Inhalten der wirklichen, sei es der psychischen oder der physischen Welt, rede; dann kommen diese Inhalte voll und ganz nach ihrer Existenz, nach all ihren Eigenschaften und Beziehungen in Betracht. Dann handelt es sich um eine Frage der Wirklichkeit, der Erfahrung, und ich werde nicht versäumen, zu gestehen, daß nichts existiert, das nicht irgendwann in der Beziehung gestanden hat, Gegenstand eines Gedankens zu sein.

Es ist sicherlich von irgendeinem Menschen, wahrscheinlich von uns allen schon einmal eine Behauptung über das All, die Welt, die Wirklichkeit ausgesprochen worden, dann ist das All, d. h. der Inbegriff aller Dinge, schon einmal gedacht worden; jedes Ding hat daher tatsächlich eine Beziehung zum Subjekt aufzuweisen: in diesem Sinne gibt es keine Dinge-ansich.

Das ist nun freilich eine Erkenntnis, die wenig bedeutet: ein derartiges vorübergehendes Denken, wodurch nicht jedes einzelne Ding nach seinem vollen Inhalt erkannt, sondern an alle auf einmal bloß summarisch gedacht, der Gedanke gleichsam nur hingerichtet, kaum irgendetwas aber ernsthaft erfaßt wird, ein derartiges Denken würde der Ansichheit der Dinge wohl wenig Eintrag tun, selbst wenn nicht sicher wäre, daß das Denken seinen Inhalt überhaupt nicht verändert.

Über dieses magere Zugeständnis an den Konszientialisten aber wird man nicht hinausgehen können. Das eigentliche inhaltliche Denken, durch welches ein Gegenstand nach seinen Merkmalen voll erkannt wird, kann sicherlich nicht als auf alle Dinge der Welt gerichtet angenommen werden. Die Behauptung; "ich weiß, daß es viele Dinge gibt, die ich nicht kenne", wird dem Konszientialisten zwar sehr verdächtig klingen, sie ist aber gar nicht widerspruchsvoll, nicht einmal paradox, sie ist sogar richtig. Denn unter kennen wird hier eben das inhaltliche erkennen eines Gegenstandes verstanden, während das wissen von solchen Gegenständen sich auf ein Denken der Begriff Gegenstand und existieren beschränkt. Ich weiß, daß Dinge existieren, die ich ihrem Inhalt nach, d. h. nach dem, was sie außer dem sind, daß sie als Ding existieren, nicht kenne; das ist eine einfache und verständliche Behauptung, von deren Richtigkeit sich jeder Mensch jeden Tag neu überzeugt. Und dasselbe gilt von denjenigen Inhalten, die wir zwar schon kennen gelernt haben, die aber augenblicklich nicht von uns - inhaltlich - gedacht werden; auch in Bezug auf diese muß ich sagen: es gibt Inhalte, die tatsächlich nicht Gegenstand des - inhaltlichen - Erkennens sind, es gibt "Dinge-ansich".

Hier ist also ein weites Feld für alle Arten von Urteilen über Dinge-ansich möglich. Gerade die Wissenschaft, die ja stets zu analysieren sucht, daher je exakter sie ist, umso weniger von den vollen Einzeldingen, diesen unendlich zusammengesetzten Komplexen, spricht, wird ganz nach Belieben mit solchen Dingen ansich umgehen können. Auch hier gilt, daß der Inhalt, der gedacht wird, nicht als ein Gedachter gedacht werden muß, daß die Beziehung auf den denkenden Gedanken als irrelevant aus dem Inhalt des Gedankens stets ausgelassen werden kann.

§ 2. Die Beziehung des Gedankens auf sich selbst kann aber nicht nur aus dem Gedanken ausgelassen werden, sondern ich meine, sie muß ausgelassen werden; kein Gedanke kann sich selbst zum Gegenstand machen, der Gegenstand des Gedankens ist dem Gedanken selbst stets transzendent.

Die Sprache benutzt freilich sehr oft Wendungen, die gegen diesen Satz zu sprechen scheinen. Wie oft sagt man "das was ich jetzt sage, bezieht sich ...", "das was ich meine, ist ...", etc., aber es ist doch nicht schwer zu sehen, daß das, was ich damit meine, nicht die Behauptung selbst: "das, was ich meine, ist ..." sein kann, daß es vielmehr eine voraufgegangene oder eine nachfolgende Behauptung sein muß. Versuche ich es einmal, einen Gedanken zu denken, der sich selbst denkt, sich selbst zum Gegenstand hat! Etwa den folgenden: "Der Gedanke, den ich jetzt denke, ist richtig." Oberflächlich betrachtet scheint alles in Ordnung, aber wenn ich genauer zusehe, in den Sinn dieser Behauptung einzudringen versuche, so strenge ich mich vergeblich an: es ist kein Sinn darin. Denn welches ist der Gedanke, den ich jetzt denke? Eben dies, daß der Gedanke, den ich jetzt denke, richtig ist. Mein Gedanke ist also genauer der: "Der Gedanke, daß der Gedanke, den ich jetzt denke, richtig ist, ist richtig." Wenn ich aber dachte, durch diese genauere Überlegung dem Sinn des Gedankens näher gekommen zu sein, so sehe ich mich enttäuscht; ich habe eine Reflexion eingeschoben, die mich vom eigentlichen Ziel nur weiter entfernt hat. Und versuche ich es noch einmal, dem Gedanken, um den es sich handelt, auf die Spur zu kommen, so bekomme ich: "Der Gedanke, daß der Gedanke, daß der Gedanke, den ich jetzt denke, richtig ist, richtig ist, ist richtig" und so fort ins Unendliche. Ich suche den Gedanken, der richtig sein soll, das Subjekt meines Gedankens, aber ich kann in alle Ewigkeit suchen, ich finde ihn nicht: der Gedanke, den ich jetzt denke, ist immer bloß der Gedanke, daß der Gedanke ... usw.

Kurz nach dem Gedanken, der sich selbst zu denken versuchte, würde das Subjekt fehlen, der Gegenstand der Aussage.

Ein Gedanke, der sich selbst denken will, muß immer zu seinem Subjekt den Gedanken von sich selbst haben, bezeichnet durch einen Hinweis; "der Gedanke, den ich jetzt denke", "das, was ich meine" und ähnliches; diese Hinweise aber erfolgen durch Beziehungsbegriffe, Begriffe, welche die Form haben: "Der Gegenstand, welcher zu einem anderen Gegenstand A in der Beziehung B steht", und sich von den gewöhnlichen Begriffen in mancherlei Hinsicht unterscheiden. Worauf es mir hier ankommt, ist dies, daß in einem solchen Beziehungsbegriff nicht der Merkmalskomplex selbst, der den Inhalt desselben ausmacht, gemeint wird, also nicht die Beziehung, sondern vielmehr der Gegenstand, der in dieser Beziehung steht oder als darin stehend gedacht wird. Wird daher von einem solchen Beziehungsbegriff gedachten Gegenstand etwas ausgesagt, so bezieht sich die Aussage nicht auf den als Inhalt des Begriffs gedachten Merkmalskomplex, sondern auf jenen durch die Beziehung festgelegten Gegenstand selbst. Fehlt nun dieser Gegenstand, so fehlt der Aussage das Subjekt, obgleich der Subjektbegriff tatsächlich vorhanden ist; denn es sollte nicht von diesem Begriff, sondern von seinem Gegenstand ausgesagt werden.

So bleibt die Merkmalsgruppe: "Der Gedanke, den ich denke" vollkommen verständlich und ohne Widerspruch, aber der Gegenstand, der ihm entsprechen sollte, fehlt, denn wenn ich ihn angeben soll, kann ich immer nur wieder mit der Formel des Beziehungsbegriffs antworten: Der Begriff ist da, aber er hat keinen Gegenstand.

Jeder ernsthafte Versuch, sich etwas bei einem solchen Satz zu denken, scheitert; der Satz ist unsinnig. Geben wir nun diesen allgemeinen und abstrakten Erörterungen eine anschaulichere Ergänzung durch die Betrachtung eines philosophisch wichtigen, oft besprochenen Einzelfalls!

Wir setzen in das sich selbst denkende Urteil kein beliebiges Prädikat ein, sondern, was gestattet sein muß, das bestimmte Prädikat falsch. Wenn es möglich ist, über ein Urteil überhaupt zu denken, so muß es auch einmal als falsch gedacht werden können; denn jedes Urteil kann tatsächlich falsch sein.

Die absurden Folgerungen nun, zu denen ein solches Urteil: "Der Gedanke, den ich jetzt denke, das Urteil, das ich jetzt fälle, ist falsch" führt, sind bekannt; schon im Altertum waren sie im Trugschluß des Lügners zu wissenschaftlicher Berühmtheit gelangt. Das Urteil ist dann, wenn es richtig ist, falsch, und wenn es falsch ist, richtig. Und wenn der Kreter sagt, "alle Kreter lügen" oder der Lügner "alle Welt lügt" oder überhaupt jemand "ich lüge jetzt", so spricht er die Wahrheit, wenn er tatsächlich lügt und lügt, wenn er tatsächlich die Wahrheit spricht.

Man könnte versucht sein, unser Urteil von vornherein als einen Widerspruch zu bezeichnen, aus dem natürlich nur weitere Widersprüche folgen können. Jedes Urteil will seiner Natur nach wahr sein, jedes Urteil wird mit dem Bewußtsein seiner Gültigkeit gefällt; wenn ich sage: A ist B, so meine ich, A ist wirklich B, daß mein Urteil wirklich wahr ist. Im Sinne meines Urteils nun liegt die entgegengesetzte Meinung, eben dasselbe Urteil, von dem ich naturgemäß meine, daß es gültig ist, eben dasselbe bezeichne ich als ungültig. Das ist ein Widerspruch, und daraus ergeben sich weitere; aber wie kommt es, daß dieser erste Widerspruch den Schein der Denkbarkeit erhält?

Das beruth auf der konszientialistischen Annahme, daß ein Urteil sich selbst beurteilen kann. Denn danach haben wir es hier ja mit zwei dem Begriff nach verschiedenen Gedanken zu tun: einem Urteil und einer Beurteilung desselben, und wenn beide auch denselben Gegenstand haben, so kann ich doch diesen in dem einen so, im andern anders denken. Halte ich es für möglich, daß ein Urteil sich selbst denkt, so ist die subjektive Möglichkeit meines Urteils trotz des in ihm liegenden Widerspruchs gegen die fundamentale Eigenschaft des Urteils, als gültig gedacht zu werden, nicht zu bezweifeln.

Aber weiter: das Geltungsbewußtsein ist ja nur etwas subjektives. Wenn ich auch meine, daß das Urteil "Das Urteil x ist falsch", gültig ist, so könnte es doch ungültig sein; und wiederum halte ich es für möglich, ein Urteil durch sich selbst zu beurteilen, warum sollte ich in der Beurteilung diesen Zweifel nicht zum Ausdruck bringen?

Eben unter der Annahme, daß es dem Gedanken möglich ist, sich selbst zu denken, durch welche der Widerspruch auf zwei ihrem Sinn nach getrennte, aber tatsächlich in einem Gedanken gedachte Urteile verteilt wird, wird der Unsinn mit dem Schein des Sinnes umkleidet. Bestreite ich diese Annahme, dann wird sofort offenbar, daß ich im Trugschluß des Lügners das Unmögliche versuche, ein und denselben Inhalt im selben Gedanken für gültig und für nichtgültig zu halten. Das Bestehende des Schlusses liegt also in der Voraussetzung, in einem Gedanken zwei Gedanken haben zu können, einen Grundgedanken und einen auf diesen gerichteten Reflexionsgedanken.

Da es also wesentlich diese Voraussetzung ist, die zu der Absurdität des Lügners führt, so muß sie selbst als eine absurde bezeichnet werden.

Also: kein Urteils kann sich selber denken, weil es sonst auch sich selber aufzuheben imstande sein müßte.

Natürlich besteht eine solche Unmöglichkeit, sich selbst zu denken, nicht bloß für das Urteil, sondern genauso auch für den Begriff. "Der Begriff dieses Begriffs, den ich jetzt denke" ist ein Begriff ohne Inhalt, ist gar kein Begriff. Er stellt die Aufgabe etwas zu denken, aber er sagt nicht, welches nun diese Aufgabe sein soll; es bleibt bei der Aufgabe. Eine Erfüllung folgt nicht. Die Reflexion über den durch den Begriff gemeinten Inhalt würde genau wie beim entsprechenden Urteil ins Unendliche führen, sie käme nie ans Ziel, nie zum gemeinten Inhalt, eben weil in Wahrheit gar kein Inhalt gemeint, nur die Form des Meinens vorhanden ist.

Gilt es vom Begriff und Urteil, daß sie sich selbst transzendent sind, so muß es auch von der Frage gelten, die ja dieselben Begriffe verwendet, und eben denselben Sachverhalt meint wie das Urteil - es gilt allgemein von dem, was man Denken nennt: jedes Denken, das versuchen würde, sich selbst zu denken, seinen Inhalt als durch sich selbst gedacht zu denken, führt auf einen regressus in infinitum [Teufelskreis - wp]; der als gedacht gedachte Inhalt müßte, eben weil er als gedacht gedacht ist, vielmehr als gedacht gedacht gedacht werden, uns so fort ins Unendliche. Der Inhalt des Denkens kann nicht als solcher schon das Merkmal enthalten, Inhalt des Denkens zu sein, er ist in Bezug auf den ihn denkenden Gedanken stets als Ding-ansich gedacht.

LITERATUR - Willy Freytag, Der Realismus und das Transzendenzproblem, Halle a. d. Saale 1902