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Das Ding ansich [1/4]
Gibt es nach Kant einen von uns unabhängigen Realgrund unserer Vorstellungen? Man sollte meinen, daß die häufig wiederholten klaren und manchmal gar nicht mißzuverstehenden Äußerungen KANTs über die Existenz der Dinge-ansich, ebenso wie der geradezu affektvolle Protest gegen die Zumutung eines BERKLEY'schen Idealismus einem derartigen Streit hätte vorbeugen müssen. Es ist indessen nicht schwer einzusehen, daß mannigfache Gründe diesen Kampf heraufbeschworen haben. - Erstens sind es die nicht leicht zu lösenden Widersprüche, die dem kantischen Kritizismus aus der Annahme ansich existierender Dinge erstehen. Zweitens finden sich vielfache Äußerungen in der Kr. d. r. V., die das Ding-ansich zu negieren scheinen. Drittens ist es offenbar unmöglich - trotz scheinbarer Versuche - die Existenz dieser Dinge von den Voraussetzungen des Kritizismus aus spekulativ zu beweisen. Dazu kommt die Zweideutigkeit des kantischen Terminus Gegenstand, der bald als transzendentaler, bald als empirischer verstanden werden kann. Zu diesen sozusagen immanenten, d. h. im System selbst liegenden Gründen - die zwar zu den verschiedenen Auffassungen vom Ding-ansich nicht ermächtigen, wohl aber die auseinandergehenden Meinungen erklären - gesellt sich eine Reihe subjektiver, vom jeweiligen Standpunkt des Interpreten abhängender Gründe. Die Vertreter der zeitgenössischen Tradition, ganz blind für das eigentliche Ziel der Kritik und für die ungeheure Umwälzung, die KANTs Lehre für die Metaphysik und Wissenschaft bedeutete, fanden in der Lehre des Philosophen, die sämtliche Metaphysiken zeitgenössischer Kapazitäten als eitles Gerede brandmarkte, nur einen verschärften BERKELEYschen Idealismus. Andererseits aber hatte das Bestreben, das kantische Ding-ansich gänzlich aus dem Bereich des Seienden zu eliminieren, tiefer liegende Gründe. Wahrhaft große Geister imposanten und idealistischen Gepräges waren auf den Königsberger Meister gefolgt, und forschten, nachdem das Ding-ansich von KANT als unbekannter und unerkennbarer Grund des Seins hingestellt worden war, was dieses Ding doch sein mag. Man glaubte die Kritik in vermeintlich kantischem Sinn weiterbilden zu müssen. Die kantischen Dinge ansich wurden vorerst unifiziert; man ließ sie sich immer mehr verflüchtigen, um sie schließlich im "Ich", im "Identischen", "Absoluten", im "Willen" oder im "Unbewußten" aufgehen zu lassen. - Die kantische, nüchterne, wenn auch nur zum Teil durchgeführte Negation der dogmatischen Metaphysik, mußte eine glänzende Reaktion hervorrufen, zumal KANT selbst im praktischen Kritizismus Fingerzeige für eine solche gegeben hatte. Das Ding-ansich, für KANT das transzendentale Objekt, die andere Seite der Erscheinung, die uns unbekannt bleibt, weil wir diese und nicht eine andere Sinnlichkeit haben, wurde zum Ausgangspunkt neuer metaphysischer und religiös-mystischer Systeme. Wir wollen zunächst feststellen, daß KANT die Existenz der Dinge ansich ohne weiteres vorausgesetzt hat. Es ist überflüssig und zugleich unnütz, all die Stellen, aus der Kr. d. r. V. und den Prolegomenen, die unumwunden und unzweideutig die Existenz der Dinge ansich mit voller Schärfe hervorheben, anzuführen. Die Gegner haben sie tausendmal gehört und gelesen und werden sich auch dann, wenn sie diese Auslassungen zum tausend und ersten mal hören, von ihrer Interpretation nicht abbringen lassen. Wichtig dagegen scheint die Frage, warum KANT eigentlich so sehr an der Existenz der Dinge ansich liegt, warum er sie voraussetzt und an ihnen festhält, auch nachdem sie ihm zum Problem geworden sind, weshalb er den Einwendungen seiner Freunde und Gegner durch den Hinweis auf den Begriff der Vorstellung ausweicht.
Es wäre jedoch falsch anzunehmen, daß der Existenz der Dinge-ansich gleich zu Beginn der Darstellung KANTs in der Kr. d. r. V. diese praktische Bedeutung zugeschrieben worden sein sollte. Vielmehr verhält sich die Sache so. Die transzendentale Ästhetik hat, veranlaßt durch die Antinomien (3), die entstehen, wenn man Raum und Zeit als ansich seiend annimmt, die Dinge in Dinge-ansich und Erscheinungen geschieden. Diese Dinge ansich zu bezweifeln ist KANT damals nicht einmal "in den Sinn gekommen", denn sonst hätte die Unterscheidung ganz anders ausfallen müssen. Es wären dann nicht nur Raum und Zeit bloß subjektiv, sondern auch der gesamte spezielle Gehalt der Erscheinungen. Dieser Gehalt müßte zwar auch dann nicht a priori sein, denn alles Apriorische der Anschauung ist subjektiv, nicht aber ist umgekehrt alles Subjektive a priori, z. B. Bewegung und Veränderung. KANT hätte aber sagen müssen, Raum und Zeit allein sind subjektiv und a priori; alles andere ist zwar nicht a priori, d. h. es ermöglicht gar keine objektiv gültigen Erkenntnisse, aber ist lediglich meine Vorstellung, der nichts außer mir (transzendealiter) entspricht, oder er hätte diese Frage zumindest offen lassen müssen. KANT sagt jedoch am Schluß der Ästhetik:
2. KANT selbst läßt die Einteilung in Phänomena und Noumena gar nicht zu und nennt das Noumenon einen "problematischen Begriff" oder auch "Grenzbegriff". 3. Selbst wenn man dem zweiten Argument ausweicht, so heißt es doch ausdrücklich, daß "obwohl unser Denken von der Sinnlichkeit abstrahieren kann, so bleibt doch die Frage, ob es alsdann nicht eine bloße Form eines Begriffs ist und ob bei dieser Abtrennung überall ein Objekt übrig bleibt." (8)
KANT will also sagen: obwohl die transzendentale Ästhetik den Begriff der Erscheinung dahin eingeschränkt hat, daß die Lehre von der Sinnlichkeit zugleich die Lehre von den wirkenden Dingen-ansich bedeutet, so darf man doch daraus nicht folgern, daß diese Dinge durch irgendein Erkenntnisvermögen näher bestimmt werden können. Denn dazu wäre eine übersinnliche Anschauung notwendig, die wir jedoch nicht besitzen und von der es zweifelhaft ist, ob sie überhaupt möglich ist. Ja, es ist nicht einmal ausgemacht, ob derartige Noumena, die durch eine intellektuelle Anschauung erkennbar würden, überhaupt vorhanden sind. Etwas schwieriger zu beantworten ist der dritte Einwand. Denn der dort angeführte Satz paßt nicht minder auf das Noumenon in negativer Bedeutung, also auf die von KANT vorausgesetzten Dinge-ansich, als auf das Noumenon im positiven Sinne. Und da fragt es sich mit Recht, wie KANT noch jetzt an dieser Voraussetzung festhalten kann, nachdem er hier zeigt, daß es immer zweifelhaft bleibt, ob dem Begriff ein Objekt entspricht, da die logische Möglichkeit eines solchen noch nicht die reale beweist? - So sehr aber auch dieser Gedankengang vom kritischen Standpunkt aus berechtigt sein mag, so unmöglich ist es doch, daß KANT mit dem erwähnten Satz das Ding-ansich gemeint haben sollte. Aus dem Zusammenhang, in dem er den erwähnten Satz ausspricht ist zu ersehen, daß, wenn hier überhaupt von einem Objekt die Rede ist - was eine Randbemerkung im Handexemplar sehr zweifelhaft macht (17) - nur das Noumenon in positiver Bedeutung gemeint sein kann. Das geht sowohl aus dem vorhergehenden, wie aus den nachfolgenden Sätzen sehr deutlich hervor. Außerdem wäre es sonst unmöglich, daß gerade hier die Existenz der Dinge-ansich mit völliger Bestimmtheit betont werden könnte. So lesen wir:
Der Idealismus KANTs ist also auch in der Analytik betreffs der Existenz der Dinge-ansich nicht weiter gegangen. Die Analytik hatte nur die Aufgabe die positive und negative Grenze unserer Erkenntnis festzustellen, brauchte aber dabei die Existenz der Dinge nicht anzutasten. Daher konnte KANT an BECK schreiben, daß er seinen "kritischen Idealismus" besser das Prinzip der Idealität des Raums und der Zeit nennen könnte", (24) denn mit der konsequenten Durchführung dieses Prinzips erschöpft sich in der Tat der ganze kritische Idealismus. der Dinge ansich. Es fragt sich nun, ob man nicht noch weitergehen und sogar Beweise KANTs für die Existenz der Dinge-ansich anführen kann? Es muß nun folgendes gesagt werden. Obwohl KANT niemals, also auch nicht in der zweiten Auflage die Voraussetzung wirkender Dinge-ansich aufgegeben hat, hat er doch nirgends - zumindest nicht spekulativ - diese Existenz beweisen wollen. Der einzige, wirklich vorhandene Beweis ist in einer Nebenbemerkung enthalten, die sich weniger gegen einen Idealisten,, als gegen den dogmatischen Rationalisten richtet, nämlich gegen einen Dogmatiker, der annimmt, daß es Noumena gibt, die der pure Verstand erkennen müßte. Ich meine die in der ersten Auflage vorhandene Ableitung des Dings-ansich aus dem Begriff der Erscheinung. KANT sagt dort:
Außer dem oben erwähnten Beweis gibt es für die Existenz der Dinge-ansich keinen anderen in der Kr. d. r. V. und in den Prolegomena. Es gibt entweder Widerlegungen des Idealismus, die sich aber nicht auf die Dinge-ansich beziehen, oder aber es gibt Protest und Versicherungen KANTs, daß er die Dinge ansich nicht leugnet, sondern sie annimmt, aber keine weiteren Beweise. Wir wollen diese Behauptung durch eine Übersicht der hierfür in Betracht kommenden Stellen bestätigen. Im vierten Paralogismus wird bekanntlich der empirische, von KANT so genannte skeptische Idealismus DESCARTES' widerlegt. DESCARTES hatte nach KANTs Darstellung gelehrt, daß wir unmittelbar nur das Ich als denkendes Wesen wahrnehmen können. Die äußern Dinge können wir eigentlich gar nicht wahrnehmen, sondern müssen aus unserer inneren Wahrnehmung auf ihr Dasein schließen. Nun ist aber der Schluß von einer gegebenen Wirkung auf eine bestimmte Ursache jederzeit unsicher, demnach bleibt es zumindest nicht ausgemacht, ob die äußeren Wahrnehmungen nicht ein bloßes Spiel unseres inneren Sinnes sind. Will man trotzdem die äußeren Wahrnehmungen als Wirkungen wirklich vorhandener äußerer Dinge ansehen, so muß man zumindest eingestehen, daß das Dasein der letzten nur geschlossen und nicht so unmittelbar wahrgenommen werden kann, wie der Gegenstand des inneren Sinns: das Ich. Diesen Bedenken gegenüber zeigt KANT, daß die von DESCARTES gemachte Unterscheidung von inneren und äußeren Wahrnehmungen eine falsche ist. Wer nur die räumliche - und nicht eine transzendente - Außenwelt wahrnehmen will, braucht ebensowenig wie bei den inneren Wahrnehmungen der Lust oder des Schmerzes aus sich herauszugehen, denn räumlich ist nicht im strikten Sinne außerhalb von uns. Der Raum mit allem, was ihn ausfüllt, ist keine Sache ansich, sondern eine Anschauungsform in uns, die abgetrennt von unserer Sinnlichkeit nichts ist. Wenn wir demnach äußere Dinge wahrnehmen, so sind dies tatsächlich innere Wahrnehmungen, nur werden sie vermöge der Beschaffenheit unserer Anschauungsform nach außen verlegt. Beide Arten von Wahrnehmungen: sowohl die inneren, die nur zeitlich verlaufen, als auch diejenigen inneren, die in einem räumlichen Nebeneinander nach außen verlegt werden, sind also bloß Erscheinungen, die ansich, losgelöst von unserer Vorstellungsart, gar nicht in dieser Qualität existieren. So unmittelbar ich aufgrund der inneren Wahrnehmung sage: ich bin, ebenso unmittelbar, sage ich die äußeren Vorstellungen, d. h. die Dinge im Raum sind. "Also existieren ebensowohl äußere Dinge, wie ich selbst existiere, und zwar beide auf das unmittelbare Zeugnis meines Selbstbewußtseins." (29) Wenn wir äußere Gegenstände für Dinge-ansich gelten lassen, so ist schlechterdings unmöglich zu begreifen, wie wir zur Erkenntnis ihrer Wirklichkeit außerhalb von uns kommen sollten, indem wir uns bloß auf die Vorstellung stützen, die in uns ist. Wenn z. B. der Baum, der draußen steht, selbst ein räumliches von mir unabhängiges Ding wäre, ich aber naturgemäß nur eine Vorstellung des Baumes haben kann, so müte ich von dieser Vorstellung auf das Dasein des Baumes, als auf den Gegenstand meiner Vorstellung schließen. Sein Dasein wäre aber dann zweifelhaft. Nun sage ich aber, nur meine Vorstellung des räumlichen Baumes, die Erscheinung, ist wirklich, er selbst existiert als solcher, nämlich als räumliches Ding, nur in meiner Vorstellung. So ist seine Wirklichkeit festgestellt, ohne daß ich irgendeinen Schluß zu machen brauche, denn er ist "lediglich als ein Gedanke in uns, wiewohl dieser Gedanke durch den genannten Sinn es als außerhalb von uns befindlich vorstellt." (30) Daß diese Vorstellung des Baumes durch einen transzendentalen Gegenstand hervorgerufen worden ist, ist die immerwährende Voraussetzung KANTs, "von ihm aber ist auch nicht die Rede" (31), denn seine Wirklichkeit zu beweisen ist theoretisch unmöglich, und es "kann der strengste Idealist nicht verlangen, man solle beweisen, daß unserer Wahrnehmung der Gegenstand außerhalb von uns (in strikter Bedeutung) entspricht", (32) ebenso wie es unmöglich ist, das Dasein der empirischen Dinge zu beweisen, wenn man sie als ansich seiende ansieht. (33) Die angeführten Stellen beweisen also zur Genüge, daß hier von einem Beweis für das Dasein der Dinge-ansich nicht die Rede sein kann. Es wird vielmehr ausdrücklich betont, daß ein solcher unmöglich ist. Noch deutlicher geht dies aus einer hierher gehörigen Reflexion hervor:
"Die Wirklichkeit der Körper ist nicht die Wirklichkeit der Dinge, sondern der Erscheinungen." (35)
In den Prolegomena werden wir umsonst einen Beweis für das Dasein der Dinge-ansich suchen. Hingegen protestiert hier KANT mit voller Schärfe gegen die Zumutung eines empirischen Idealismus, indem er immer wieder hervorhebt, daß ihn von allen Idealisten das unterscheidet, daß er den Dingen-ansich ihr Dasein läßt und nur den Erscheinungen dieser Dinge-ansich ein von ihnen unabhängiges Sein abspricht. Der Idealismus, gegen den hier Front gemacht wird, ist nicht mehr der skeptische des DESCARTES, sondern der dogmatische BERKELEYs. Dieser
Dieser Hinweis auf das Praktische, das beim Ding-ansich vertreten soll, was in der Empirie die Anschauung leistet - denn sie ist es, die einem Begriff eine reale Möglichkeit verschafft - ist jetzt notwendig geworden. Denn das Dasein der Dinge ansich, die früher harmlos vorausgesetzt wurden, hat sich infolge der Kritik, die KANTs Werk erfahren hat, zum Problem ausgebildet. Und als sich herausstellte, daß die theoretischen Erkenntnismittel nicht ausreichen, um dieses Dasein zu begrüden, griff KANT zur praktischen Philosophie. Da zeigte sich, wie notwendig jene Voraussetzung war, obwohl man diese Folgen damals noch nicht übersehen konnte. Es wurde nämlich klar, daß mit dem Fallen der Dinge-ansich der Begriff der Freiheit fallen müßte. (43) Von hier aus läßt sich, wie ich glaube, die ganze Schwierigkeit, die die Stellung des Dings-ansich im kantischen System bereitet, auflösen. Die transzendentale Ästhetik, die in ihren Hauptzügen bereits im Jahre 1770 fertig war, hatte die Dinge ansich vorausgesetzt. Die transzendentale Analytik zieht ihre kritische Konsequenz so weit, daß, wo Anschauung fehlt, nicht nur keine Erkenntnis möglich ist, sondern, daß man von einem derartigen übersinnlichen Ding nicht einmal aussagen darf, daß es ist. Sie bezieht dies jedoch nur auf Noumena in positiver Bedeutung, weil sie vor allem gegen dogmatische Rationalisten zu kämpfen hat. Hierbeit übersieht KANT freilich, daß dasselbe, was sich über das Noumenon in positiver Bedeutung sagen läßt, nicht minder von demjenigen in negativer Bedeutung gilt, und übersieht dies deshalb, weil die Dinge ansich für ihn etwas so Selbstverständliches waren, daß an ihnen zu zweifeln ihm nicht in den Sinn gekommen ist. Infolge der Kritik seitens seiner Gegner wird KANT auf das Problem aufmerksam. Jetzt gibt er zu, daß theoretisch das Ding-ansich nicht zu rechtfertigen ist, deutet aber an, es seien praktische Gründe vorhanden, die anzunehmen zwingen, daß dem Sinnlichen ein Übersinnliches zugrunde liegt. Die Kritik der praktischen Vernunft führt dies nachher weiter aus. Es bleibt noch nachzuweisen, daß die Widerlegung des Idealismus in der zweiten Auflage nicht die Existenz der Dinge-ansich, sondern daß sie genau wie diejenige im 4. Paralogismus die Wirklichkeit der Erscheinung beweisen will. Diese Widerlegung gehört bekanntlich zu den umstrittensten Stellen in der kantischen Kritik, weil sie anscheinend gerade das Gegenteil von dem behauptet, was die erste Auflage in dieser Beziehung gelehrt hat. Die ganze Verwirrung scheint aber durch eine einzige unglückliche Wendung in diesem Beweis verursacht worden zu sein. Und als ob das Schicksal diese, durch KANTs unvorsichtige Ausdrucksweise verschuldete Verwirrung wieder gut machen wollte, besitzen wir jetzt gerade zu dieser Stelle die reichsten Kommentare, wie man sie sich nicht besser wünschen kann, in den REICKE'schen Losen Blättern und zum Teil in ERDMANNs Reflexionen. Durch das Vorhandensein dieser Ergänzungen sehen wir, daß hier in der Tat nicht nur keine Abweichung von der bisherigen Lehre vorhanden ist, sondern daß unser Beweis vielmehr eine Vertiefung desjenigen aus dem 4. Paralogismus bedeutet. Es soll das Dasein der Dinge im Raum bewiesen werden. Ist denn dies nicht bereits bewiesen? Warum genügt die ausführliche Widerlegung des kartesianischen Idealismus der ersten Auflage nicht mehr; warum muß sie durch eine neue die "einzig mögliche" ersetzt werden? Einige Aufzeichnungen bei REICKE geben darüber Aufschluß. Die Widerlegung des Idealismus, die Beweisart der Existenz der Dinge
Nun wird selbst von den Idealisten behauptet, daß das Bewußtsein unserer selbst ein unmittelbares ist. Dieses ist aber, wie zugegeben werden muß, ein in der Zeit bestimmtes. Diese Zeitbestimmung wiederum ist, wie gezeigt wurde, nur unter der Voraussetzung eines Beharrlichen im Raum möglich.
Wir sehen also, KANT betont auch hier, genau wie in der ersten Auflage (58), daß er das Dasein der Dinge-ansich nicht beweisen will, weil dies immer ein unsicherer Schluß von der Wirkung auf die bestimmte Ursache sein müßte. Die Möglichkeit der Bestimmung unseres Daseins in der Zeit zwingt uns zu der Annahme, daß die äußeren Wahrnehmungen von einem äußeren Sinn und nicht von der Einbildungskraft herrühren, weil die Einbildungskraft das zu diesem Zweck notwendige Beharrliche nicht liefern kann. Woher aber der Sinn diese Wahrnehmungen hat, das bleibt nach wie vor unbestimmt. Die spekulative Vernunft kann darüber nichts aussagen; nach ihr kann diese Ursache ein Ding-ansich außerhalb von uns sein, sie kann aber auch eine Kraft in uns sein, die dies alles aus sich heraus produziert. (59) Nach dem Vorausgeschickten können wir zur Widerlegung des Idealismus selbst zurückkehren, die wir jetzt in einem anderen Licht sehen werden. Das richtige Prinzip, nämlich der Ausgang von der Zeitbestimmung war ja bereits entdeckt; jedoch hatten hier die Gedanken noch nicht ihren klarsten Ausdruck gefunden. Der springende Punkt, die Unterscheidung von Sinn und Einbildung, wiewohl in der Einleitung zum Beweis ausdrücklich betont, wurde nachher nicht deutlich genug hervorgehoben, und dieser Mangel an Klarheit wird es wohl gewesen sein, der KANT genötigt hat, diese Widerlegung in den Losen Blättern immer wieder vorzunehmen. (60) Dort ist zwar im Prinzip nichts Neues hinzugekommen, die Gedanken sind jedoch immer präziser geworden, so daß nicht mehr gezweifelt werden kann, daß lediglich die Realität der äußeren Erscheinung und ihre Verschiedenheit von den Ausgeburten der Phantasie bewiesen werden sollte. Damit sind aber auch alle Schwierigkeiten, die in unserem Beweis vorkamen, beseitigt. Unser Beweis lautet:
Man sah sich daher gezwungen, durch verschiedene Interpretationskünste diese Schwierigkeit zu beseitigen. Was man aber auch unter "Ding außerhalb von mir" verstand und wie man auch dem Widerspruch auszuweichen suchte - KANT zog dabei immer den kürzeren: Verstand man unter "Ding" das transzendentale Objekt, so mußte man KANT vorwerfen, er begehe einen Fehlschluß, nämlich von der Wirkung auf die Ursache. Denn der Grund der beharrlichen Erscheinung kann ebensowohl im transzendentalen Subjekt, wie auch anderswo liegen. (64) Bezog man hingegen "Ding" auf die Erscheinung, so war es womöglich noch schlimmer. Denn man glaubte konstatieren zu müssen, daß der Urheber der Unterscheidung von Ding-ansich und Erscheinung selbst diese beiden Begriffe in unheilvollster Weise verwirrt hat. Andere wiederum kamen zu der Überzeugung, daß KANT von seiner ursprünglichen Lehre der transzendentalen Ästhetik abging und jetzt oder vielleicht auch schon früher - eine doppelte Affektion lehrt, nämlich die Affektion durch das Ding-ansich und die Affektion durch die Erscheinung. Das Ding-ansich affiziert das transzendentale Subjekt, dieses macht aus dem intelligiblen Grund eine empirische Erscheinung, diese Erscheinung steht also dem empirischen Subjekt selbständig gegenüber und ruft in ihm Vorstellungen hervor. Diese Lehre von der doppelten Affektion - wird ferner behauptet - steht zwar nicht im äußeren Widerspruch mit dem kantischen System, zerstört es aber von innen heraus (65). Die unheilvolle Verwirrung, die durch diese Skizze der Kontroverse noch lange nicht erschöpft ist, wurde, wie gesagt, durch den Satz hervorgerufen:
"Dieses Beharrliche ... d. h. der Raum kann nicht wiederum Vorstellung der bloßen Einbildungskraft, sondern muß Vorstellung des Sinnes sein." (71) Schließlich sagt KANT in den Reflexionen: "... Allein wir können unsere eigene Existenz nur erfahren, sofern wir sie in der Zeit bestimmen, wozu das Beharrliche gehört, (da wirkliche) Vorstellung in uns keinen Gegenstand hat. Auf der bloßen Einbildung eines Beharrlichen außer uns kann sich diese Vorstellung [Ich] auch nicht gründen. ... Unsere Vorstellung, sofern sie zum Bewußtsein unser selbst gehört, hat keinen dergleichen Gegenstand." (72) Aufgrund des herangezogenen Materials scheint uns also folgendes festzustehen:
2. Dieser Beweis bedeutet eine notwendige Vertiefung der enstprechenden Erörterungen in der ersten Auflage, da dort das unmittelbare Bewußtsein von Dingen vorausgesetzt und sein Zeugnis in Anspruch genommen worden ist; hier hingegen wird dieses unmittelbare Bewußtsein durch einen gültigen Schluß - also mittelbar - bewiesen. 3. KANT begeht in dieser Widerlegung weder einen Fehlschluß, noch gibt er von seiner bisherigen Lehre etwas auf. Nun werden wir auch folgenden Satz besser verstehen. Im vierten Paralogismus heißt es:
Ich finde, daß der angegriffene Satz gerade sehr lehrreich und ein Beleg dafür ist, was KANT meint, wenn er sagt, daß der Anschauung etwas Wirkliches korrespondiert. Nämlich: obwohl man im Gegensatz zu den Vorstellungen der Einbildungskraft von den Anschauungen der Wirklichkeit sagen muß, daß ihnen etwas im Raum (im Sinn) korrespondiert, so bekommen doch diese korrespondierenden Erscheinungen keine selbständige Existenz, sondern sie sind mit den äußeren Wahrnehmungen identisch, weil der Raum selbst in uns ist. Das Wirkliche im Raum korrespondiert den Vorstellungen, den Gedanken, die in uns infolge der von den Sinnen gelieferten Anschauungen entstehen. Dem Gedanken Baum korrespondiert, wie erwähnt, die sinnliche Wahrnehmung Baum, die für uns das Letzte ist und den Gegenstand repräsentiert. Der Vorstellung "Pegasus" oder der soeben geplatzten Seifenblase nicht, weil sie als Gegenstand der Sinne nicht mehr gegenwärtig ist. Nur einen solchen - historisch vielleicht gar nicht vorhandenen, von KANT aber dem DESCARTES unterschobenen - Idealismus, denjenigen nämlich, der die Unterscheidung von Sinn und Einbildung nicht anerkennt, oder als ununterscheidbar hinstellt, wollte KANT an den genannten Stellen bekämpfen. (82) Anders verhält es sich mit der Stellung zum BERKELEY'schen Idealismus. Hier hätte die Widerlegung ganz anders ausgeführt werden müssen. KANT trennt deshalb wiederholt sehr deutlich den Idealismus des DESCARTES von dem BERKELEYs. Bei der Widerlegung des letzten konnte es sich nicht mehr um die Feststellung der Existenz der Erscheinung handeln; denn diese hat BERKELEY in Wirklichkeit gar nicht geleugnet. (83) Wenn BERKELEY demnach widerlegt werden sollte, so mußten ganz andere Momente in Betracht gezogen werden. Erstens mußte der vermeintliche Grund, der nach KANTs Meinung diesen Idealismus hervorgerufen hat, beseitigt werden, und zweitens mußte die Existenz der Dinge-ansich betont werden. Das erste konnte KANT leicht gelingen. Indem er glaubte, BERKELEYs Idealismus sei lediglich durch die Widersprüche, die ihm der Raumbegriff verursacht hat, hervorgerufen worden, (84) brauchte er nur auf die transzendentale Ästhetik oder auf die Auflösung der ersten beiden Antinomien hinzuweisen. Nach KANTs Andeutungen im 4. Paralogismus ist dies allein auch das Prinzip, das BERKELEYs Lehren widerlegen soll. (85) Im Anhang zu den Prolegomena wird noch besonders diese Widerlegung als Abwehr gegen die Göttingische Rezension ausgeführt. Dieses ist aber nur der erkenntnistheoretische, nicht der metaphysische Unterschied der beiden Lehren. Der vermeintliche Grund dieses Idealismus ist zwar mit der kantischen Lehre von Raum und Zeit gehoben. Der Idealismus selbst brauchte aber trotzdem nicht aufgegeben zu werden. Zwar haben Raum und Zeit neben ihrer Subjektivität noch das Merkmal des Apriori. Deshalb braucht aber nicht das, was diese Formen füllt, von einem Ding-ansich herzurühren, sondern auch weiterhin könnte Gott dafür in Anspruch genommen werden, ohne daß dieses Material der empirischen Anschauung seien aposteriorischen Charakter verlieren würde. Die Dinge-ansich würden auch jetzt noch in Frage stehen, wenn auch das esse = percipi [Sein ist Wahrnehmen. - wp] durch ein esse = intelligi [Sein ist Verstand. - wp] ersetzt werden müßte, falls man das Resultat der Analytik auch noch in Bezug auf die Erscheinungen anerkennen wollte. Zur ersten, negativen Widerlegung, nämlich zur Beseitigung des Grundes von BERKELEYs Idealismus, hätte noch eine zweite, positive, hinzukommen müssen, die das Sein der Dinge-ansich dartum müßte. Eine Betonung der Dinge ansich ist nun, wie wir wissen, in den Prolegomena in dem bekannten Protest vorhanden. Dieser kann aber nicht gut Widerlegung genannt werden. KANT sträubt sich hier gegen BERKELEYs Idealismus, indem er zeigt, daß ihn von BERKELEY die Annahme wirkender Dinge ansich unterscheidet. Es fehlt jedoch jede Spur von einem Beweis für diese Existenz, weil diese noch damals für ihn so selbstverständlich war, daß sie bewiesen zu werden brauchte. Der Beweis konnte aber auch spekulativ von KANTs Voraussetzungen aus gar nicht geführt werden ohne daß man einen Fehlschluß begeht, und insofern ist KANT tatsächlich in der theoretischen Philosophie dem BERKELEY die Antwort schuldig geblieben. ![]()
1) Vorrede 2 zur Kr. d. r. V., Seite XL, Anm. Ich zitiere im allgemeinen Kants Werke nach der Akademie-Ausgabe. Die Kr. d. r. V. jedoch nach der Originalpaginierung der 2. Auflage (Ausgaben B. ERDMANN). Bei Zitaten aus der 1. Auflage füge im immer A hinzu. 2) Lose Blätter aus Kants Nachlaß, mitgeteilt von RUDOLF REICKE, Bd. 1, Seite 102 3) Wenn ich nicht irre, war LOTZE der erste, der die Bedeutung der Antinomien für die transzendentale Ästhetik gesehen hat, er sagt: "Die Beweggründe zu einer solche Umgestaltung der gewöhnlichen Ansicht lagen für KANT nicht in der Natur des Raums selbst, sondern in den Widersprüchen, in welche sein vorausgesetztes Verhalten zum Wirklichen zu führen schien ... Erst die Antinomien, in welche wir uns verwickeln, wenn wir mit dieser Voraussetzung eines wirklichen Raums unsere Vorstellungen vom Ganzen der Welt oder von ihren letzten Bestandteilen zu vereinigen suchen, entschieden bei KANT für die Annahme, die Anschauung des Raums sei nur eine subjektive Form, mit welcher die Natur des vorauszusetzenden Realen nichts gemein hat." (Metaphysik, 2. Auflage, Seite 201f) - Unabhängig hiervor bemerkt RIEHL: "Die Antinomie trieb zur Unterscheidung der phänomenalen und intelligiblen Welt; um aber diese Unterscheidung zu machen, mußte ihr jene zwischen den sinnlichen Elementarbegriffen und Denkbegriffen vorausgegangen sein. Also war es ein metaphysisches Interesse, welches KANT auf die Bahn der kritischen Philosophie brachte." (Der philosophische Kritizismus I, Seite 273). Man vgl. auch Seite 249f und 2. Auflage, Bd. 1, Seite 343. Diese Vermutung RIEHLs fand dann eine glänzende Bestätigung in dem von ERDMANN herausgegeben neuen Material aus KANTs Nachlaß. Man vergleiche besonders Reflexion Nr. 4, wie auch den Brief an GARVE vom 21. September 1798. B. ERDMANN hat dann in einer erschöpfenden Abhandlung auf die ungemeine entwicklungsgeschichtliche Bedeutung der Antinomien für KANTs Kritizismus hingewiesen. Mit Hilfe des von ihm entdeckten neuen Beweismaterials hat er überraschend gezeigt, daß die Umwälzung im kantischen Denken keinem anderen Einfluß (also auch nicht dem HUMEs) in dem Maße wie den Antinomien zuzuschreiben ist. Man vergleiche: Die Entwicklungsperioden von Kants theoretischer Philosophie, Vorbericht zum zweiten Band der Reflexionen Kants, Seite XXVIf, sowie Prolegomena, Einleitung, Seite LXXXV. 4) Kr. d. r. V., Seite 59. Beiläufig sei bemerkt, daß diese letzte Behauptung KANTs, die doch im Grunde nur ein Analogieschluß ist, etwas zu apodiktisch [logisch zwingend, demonstrierbar - wp] ausgedrückt ist. 5) Man vgl. Vorrede 2, Seite XXVI, Zeile 12 6) Kants WW, Bd. 5, Seite 5f. Man vgl. auch Lose Blätter, Seite 217: "Die Endabsicht aller Metaphysik ist von der Erkenntnis des Sinnlichen zum Übersinnlichen aufzusteigen." 7) Kr. d. r. V., Seite 300 8) Kr. d. r. V., A - Seite 252f 9) Man vgl. auch RIEHL, Kritizismus I, zweite Auflage, § 573. 10) Kr. d. r. V., A - Seite 253. Man vgl. auch die Definition des Noumenon, A - Seite 248 und 307. 11) Man vgl. B. ERDMANN, Nachträge zu Kants Kr. d. r. V. 12) Kr. d. r. V., Seite 303 13) ERDMANN, a. a. O. Seite 41 14) Kr. d. r. V., Seite 311 15) Kr. d. r. V., Seite 315 16) ERDMANN, a. a. O. Seite 44 17) Im Handexemplar wird die fragliche Stelle folgendermaßen verbessert: "Ob es alsdann nicht eine bloße Form eines Begriffs ist oder ob bei dieser Abtrennung überall noch eine mögliche Anschauung übrig bleibt." Dazu soll folgende Begründung hinzukommen: "Denn die Möglichkeit einer intellektuellen Anschauung kann niemand dartun, und es könnte also leicht möglich sein, daß gar keine solche Erkenntnisart stattfindet, in Anbetracht deren wir etwas als Gegenstand betrachten würden. Also behauptet der positive Begriff eines Noumenon etwas, dessen Möglichkeit er nicht beweisen kann." - ERDMANN, a. a. O., Seite 44. 18) Kr. d. r. V., Seite 308f 19) Kr. d. r. V., A - Seite 251f 20) Prolegomena, Werke Bd. IV, Seite 293. 21) Vgl. Kr. d. r. V., Seite 300 22) Kr. d. r. V., Seite 422 Anm. 23) Zu den vom kritischen Standpunkt nicht beanstandeten, weil nur negatien Sätzen gehört auch das Urteil: Die Dauer der Dinge-ansich ist keine Zeit. Siehe Kr. d. r. V., Seite 149. 24) Brief an BECK vom 4. Dezember 1792. Vgl. auch RIEHL, Kritizismus I, zweite Auflage, Seite 403 25) Kr. d. r. V., A - Seite 251. Von der ähnlichen Bemerkung in der zweiten Vorrede sehe ich zunächst noch ab. 26) KANT spricht in den Prolegomenen, Werke IV, Seite 377, Zeile 29 von seinem Begriff der Erscheinungen, indem er sich auf das Resultat der transzendentalen Ästhetik bezieht. 27) vgl. den oben erwähnten Brief an BECK. 28) Lose Blätter Seite 162. Dieser Satz ist noch in anderer Beziehung von Wichtigkeit. KANT nennt hier das transzendentale Objekt nur einen Begriff und im selben Atemzug lehrt er, daß der Erscheinung etwas korrespondieren muß. Es geht daraus hervor, wie verfehlt es ist, aus der Tatsache, daß KANT das Ding-ansich lediglich als Begriff gelten lassen will, zu folgern, daß er damit zugleich dieses als Realität leugnet. Mit unseren Erkenntnismitteln, meint KANT, können wir von einem Ding überhaupt nur einen Begriff haben, dieses hört aber deshalb nicht auf als Objekt zu existieren. 29) Kr. d. r. V., A - Seite 370f 30) Kr. d. r. V., A - Seite 385 31) Kr. d. r. V., A - Seite 373 32) Kr. d. r. V., A - Seite 375f 33) Kr. d. r. V., A - Seite 372 34) ERDMANN, Reflexion Nr. 1191. 35) ERDMANN, Reflexion Nr. 1193. 36) ERDMANN, Reflexion Nr. 1193. 37) Prolegomena, Werke IV, Seite 228f. In der Tat, es ist unverständlich, wie diese und ähnliche so deutliche Stellen mißverstanden werden können, so daß das Ding-ansich aus der Kritik eliminiert wird. Aber nicht minder erstaunlich ist es, daß manche Ausleger KANTs, die das Ding ansich sonst gelten lassen, hier in den Prolegomena alle Äußerungen über die Wirklichkeit auf die Erscheinung und nicht auf die Dinge-ansich beziehen wollen, allerdings, wie von ihnen selbst zugestanden wird, nicht ohne "heroische" Interpretationskünste. So BUSSE, Zu Kants Lehre vom Ding ansich, Fichtes Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. 102b. 38) BENNO ERDMANN, Kants Kritizismus, Seite 94 39) Man vgl. dagegen ERDMANN, ebd., Seite 201 40) Man vgl. ERDMANN, Einleitung zur Kr. d. r. V. in der Akademie-Ausgabe III, Seite 558. 41) Vorrede 2, Seite XXVI. 42) ebd. Anm. 43) siehe weiter oben 44) Lose Blätter, Seite 229 45) Lose Blätter, Seite 210. 46) Lose Blätter, Seite 232. 47) In den einleitenden Worten zu seiner Widerlegung sagt KANT: "Einen mächtigen Einwurf aber wider diese Regelns, das Dasein mittelbar zu beweisen, macht der Idealismus." (Kr. d. r. V., Seite 274. Nun hat man den Ausdruck "mittelbar" als einen Druckfehler anstatt un mittelbar hinstellen wollen. Aber abgesehen davon, daß sowohl der Zusammenhang, wie der Beweis selbst dies verbieten, geht aus den hier angeführten Stellen ganz deutlich hervor, was KANT wollte; er ist nämlich bestrebt, durch einen richtigen Schluß, also mittelbar die Unmittelbarkeit der äußeren Wahrnehmung zu beweisen. 48) Kr. d. r. V., A- Seite 370f 49) Kr. d. r. V., Seite 275 50) Lose Bätter, Seite 101 51) Lose Blätter, Seite 202 52) Lose Blätter, Seite 104 53) Lose Blätter, Seite 212 54) Lose Blätter, Seite 204 55) Lose Blätter, Seite 189 56) Lose Blätter, Seite 204 57) Man vgl. die ganz ähnliche Erörterung in der Kr. d. r. V., A - Seite 372 und in den Prolegomena, § 49 Schluß, wo Analoges von der Erscheinung behauptet wird: Sind "Erscheinungen etwas außer uns Existierendes, so können alle Kriterien der Erfahrung außerhalb unserer Wahrnehmung niemals die Wirklichkeit dieser Gegenstände außerhalb von uns beweisen." Wenn dies von den Erscheinungen gilt, so gilt es doch mindestens in gleichem Maß von den Dingen-ansich, die doch strikt außerhalb von uns sind. Wie kann man demnach annehmen, daß KANT jemals die Wirklichkeit der Dinge ansich mittels der "Kriterien der Erfahrung" habe beweisen wollen? 58) Kr. d. r. V., A - Seite 375f. 59) Man vgl. oben 60) siehe Lose Blätter, Seite 98 - 104 (speziell 101f), 189f, 200-205, 209-216, 260-263. Daß alle diese Erörterungen nach dem Erscheinen der zweiten Auflage der Kritik, also nach dem Jahr 1787 aufgezeichnet worden sind, unterliegt - dem Inhalt nach zu urteilen - keinem Zweifel. Bei einer dieser Aufzeichnungen (Seite 200-205) ist dies bezeugt: sie befindet sich auf einem Brief, der mit dem Datum: "Königsberg 13. Oktober 1788" versehen ist. 61) Kr. d. r. V. Seite 275 62) Vorrede 2, Seite XXXIX Anm. 63) Kr. d. r. V. Seite 275 64) ERDMANN, Kants Kritizismus, Seite 203 65) Man vgl. hierüber VAIHINGER, Zu Kants Widerlegung des Idealismus, Straßburger Abhandlungen, 1884. - BUSSE, a. a. O. - FALCKENBERG, Geschichte der neueren Philosophie, sechste Auflage, Seite 317f. Man vgl. außerdem VAIHINGER, Kommentar II, Seite 52, Anm. 66) Kr. d. r. V., A - Seite 350 67) Reflexion, a. a. O. Nr. 1191 68) Lose Blätter 104 69) Vorrede 2, Seite XXXIX, Anm. 70) Lose Blätter, Seite 212 71) Lose Blätter, Seite 101 72) Reflexion, Nr. 1195 73) Kr. d. r. V., A - Seite 374 74) Kr. d. r. V., Seite 164 75) Man vgl. Vorrede 2, Seite XLI, Anm. 76) Lose Blätter, Seite 204f 77) Lose Blätter, Seite 204. Man vergleiche noch besonders den Aufsatz "Widerlegung des problematischen Idealismus", der für KIESEWETTER bestimmt war und aus dem ganz klar hervorgeht, daß von einem Beweis für die Existenz der Dinge-ansich in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein kann. Der Schluß der genannten Widerlegung, die mit derjenigen in der Kr. d. r. V. im allgemeinen übereinstimmt, wenn sie auch viel klarer und deutlicher ausgeführt ist, lautet wie folgt: "Es hat also der äußere Sinn Realität, weil ohne ihn der innere Sinn nicht möglich ist." (Werke IV, HARTENSTEIN-Ausgabe, Seite 503) 78) Kr. d. r. V., A - Seite 375. 79) VAIHINGER, a. a. O. 80) Kr. d. r. V., A - Seite 376. 81) Kr. d. r. V., A - Seite 376. 82) Mit meiner Auffassung der Widerlegung stimmt auch die lange Anmerkung in der 2. Vorrede und besonders die Anmerkung 2 zur Widerlegung in der Kr. d. r. V. selbst überein (Seite 277f). Jedoch können wir dies hier nicht weiter ausführen, weil es uns zu weit führen würde. Und nochmals sei es hervorgehoben, bei dieser Widerlegung brauchte das Ding-ansich gar nicht berührt zu werden, denn dies wäre die Frage nach der Ursache der Erscheinung, nicht aber nach ihrer Existenz selbst. 83) BERKELEY war ebenso wie KANT empirischer Realist, nur war er dabei nicht transzendentaler sondern transzendenter Idealist. Man vgl. besonder BERKELEY, "Über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis" (Deutsch von Überweg), § 35f: "Ich bestreite nicht die Existenz irgendeines Dinges, das wir durch Sinneswahrnehmung oder durch Reflexion auf unser Inneres zu erkennen vermögen. Daß die Dinge, die ich mit meinen Augen sehe und mit meinen Händen betaste, existieren, wirklich existieren, bezweifle ich nicht im mindesten. Das einzige, dessen Existenz wir in Abrede stellen, ist das, was die Philosophen Materie oder körperliche Substanz nennen ... Wenn jemand glaubt, dies tue der Existenz oder der Realität einen Eintrag, so ist er weit davon entfernt, das zu verstehen, was bisher ... auseinandergesetzt wurde." Es ist sehr zu bedauern, daß KANT zu den von BERKELEY hier getadelten Lesern gehört hat: seine Widerlegung BERKELEYs würde sonst vielleicht ganz anders ausgefallen sein. Er würde dann nicht nur betont haben, daß er den Dingen-ansich ihr Sein läßt, sondern auch mit welchem Recht und aus welchem Grund er an dieser ihrer Existenz festhält. 84) Tatsächlich verhält sich die Sache umgekehrt. Nicht der populäre Raumbegriff hat den Idealismus BERKELEYs hervorgerufen; vielmehr hat die Unvereinbarkeit dieses Begriffs mit dem um 1709 bereits feststeenden Idealismus BERKELEYs den "Versuch einer neuen Theorie des Sehens" zur Folge gehabt. Dies geht aus folgender Bemerkung BERKELEYs in den Prinzipien, § 43 klar hervor: "Denn wenn wir in Wahrheit einen außer uns liegenden Raum und wirklich in ihm existierende Körper, die einen in größerer Nähe, die anderen in weiterer Entfernung von uns wahrnehmen können, so scheint dies einigermaßen dem oben Gesagten, daß sie nirgendwo außerhalb des Geistes existieren, zu widerstreiten. Die Erwägung dieser Schwierigkeit war das, was meinen Versuch einer neuen Theorie des Sehens veranlaßte." 85) Man darf also nicht behaupten, daß er seine Ankündigung, diesen Idealismus zu widerlegen, nirgends ausgeführt hat (VAIHINGER, a. a. O.), denn dies geschieht nach KANTs Bewußtsein in der Antinomienlehre. |