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WILHELM SCHUPPE
Die Unterscheidung der
Bestandteile des Gegebenen


"Jeder spezifische Sinneseindruck, eine Farbe z. B.  rot,  ein Ton, ein Geruch, ein Gefühlseindruck ist so lange ein reines Gedankending, als er nicht in einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt, also ein  Wann hat. Hat er dieses, so ist ferner eine bestimmte Dauer, wäre sie auch unmeßbar klein, unentbehrlich. Das Wann und die Dauer fasse ich unter dem Namen der zeitlichen Bestimmtheit zusammen. Aber offenbar reicht diese noch nicht aus, um die spezifische Sinnesbestimmtheit zu einer tatsächlichen wirklichen Erscheinung zu machen. Sie ist im Verein mit der zeitlichen Bestimmtheit so lange noch ein reines Gedankending, wie sie nicht einen Punkt im Raum einnimmt, also ein bestimmtes  Wo hat. Das Wo aber ist eine reine Abstraktion, der Begriff des mathematischen Punktes, wenn er nicht eine irgendwie große - wäre es auch ein unmeßbar kleine, Ausdehnung hat, und diese ist selbstverständlich völlig unfähig eine wirkliche Erscheinung zu sein, wenn sie nicht nach allen Seiten begrenzt, also irgendwie gestaltet gedacht wird."

"Unerfüllter Raum und Zeit sind reine Abstraktionen, so gut wie der ausdehnungslose Punkt und wie die ausdehnungslose Qualität. Diese Abstraktionen sind unvermeidlich, aber wir müssen sie als solche erkennen und vom Raum und der Zeit, welche tatsächlich in den Dingen und Ereignissen existiert, zu unterscheiden wissen."

48. Unser Ausgang vom Gegebenen oder der wirklichen Erscheinung oder dem wirklichen Eindruck, welchem die Arten des Denkens im engeren Sinn gegenüberstehen, gab eine klare Vorstellung vom Wesen des Urteilsvorgangs und schuf zugleich für den Begriff der Existenz und für den der Einheit, welche das Wesen des Urteils ausmacht, einen ersten festen und unzweideutigen Sinn. Aber wir haben bisher nur mit den allgemeinen Vorstellungen eines Eindrucks oder eines Gegebenen  a  oder  b  operiert, und deshalb konnten auch nur die allgemeinsten Arten menschlicher Gedanken in kurzen Zügen entworfen werden. Die Aufgabe, ihre unübersehbare Mannigfaltigkeit übersichtlich zu begreifen und von einem Punkt aus zu umspannen, obliegt uns noch. Ihre Lösung ist nur von unserem Standpunkt aus möglich. Wenn der Strom des Denkens und Meinens sich erst ins Weite und Breite ergossen hat, wird man vergeblich ein gemeinsames Maß suchen, aber wer seinen Blick auf die Quelle richtet, vermag auch in den unzählbaren Gestaltungen dieses immer neu sprossenden Lebens das Gesetz des Werdens und die Züge der Art zu erkennen.

Unaufhörlich drängen die Eindrücke in einem regellosen Wechsel von allen Seiten auf uns ein, und so ist kein Augenblick dem anderen gleich. Gelänge es der Seele nicht die geschlossene Linie der Andrängenden an einem Punkt zu durchbrechen, so wäre es ihr nicht möglich jemals einen von ihnen als alten Bekannten wieder zu begrüßen. Die Seele entzieht sich, indem sie den einen gewissermaßen stellt und zu ihrem Eigentum macht, dem Andrängen der andern und nimmt so einen nach dem andern in ihren Dienst. Aber ihr Besitz wäre von keiner Dauer, wenn sie nicht das einmal Gewonnene durch Unterscheidung von allem anderen sicherzustellen wüßte. Nun sind es aber jedenfalls nicht einfachste, sondern Gesamteindrücke, die aus mehreren einfachsten bestehen, welche sich zuerst aufdrängen; nun sind die Grenzen dieser Komplexe unbestimmte und fließende, und so kann es nicht ausbleiben, daß sich das schon Fixierte mit unterscheidbarem Anderen zusammen wiederum als ein Gesamteindruck darbietet, und daß wieder in anderen Eindrücken nicht der ganze früher schon fixierte Eindruck, sondern nur ein Teil von ihm sich deutlich als schon Bekanntes abhebt und an jenen, in welchem er zuerst bekannt wurde, erinnert.

Nur wenige Eindrücke kehren unverändert wieder; erst das Unterscheiden ermöglicht die unendliche Vervielfältigung der Bekanntschaften und ihren dauernden Besitz. Manche der alten muß im Laufe der Zeit als das Ganze, wofür sie anfänglich galt, zu existieren aufhören und sich in eine Mehrheit von Existenzen auflösen lassen. Ein rastloser Trieb drängt immer zu neuem Unterscheiden und erst wenn die letzten möglichen Unterschiede fixiert sind, ist unsere Herrschaft befestigt.
    1) Eine erste Unterscheidung trennt räumlich-zeitliche Ganze voneinander. Was durch sie gesondert und für sich gesondert festgehalten wird, sind immer noch ganze wirkliche Eindrücke oder Erscheinungen. Ihnen ist es eigen, daß sie, einmal ausgesondert, den Ursprung ihres ersten Eintretens ins Bewußtsein vergessen lassen und gleich dem Gesamteindruck, aus welchem sie ausgesondert wurden, als selbständige Ganze gelten können. Die Grenzen, welche jenen bestimmten, konnten wir nicht angeben, und die bloße Identität der mehreren Ausgesonderten mit dem ursprünglichen Totaleindruck dürfte nicht ausreichen, um ihre Existenz dauernd zu der des Teils oder Bestandteils zu machen, wenn nicht Erwägungen hinzutreten, welche noch nicht dieses Ortes sind.

    Die Fixierung all der einfachsten wirklichen Erscheinungen wäre aber eine endlose Arbeit und könnte nicht ausreichen, um die in unendlicher Mannigfaltigkeit sich darbietenden Eindrücke durchweg zu bestimmen.

    2) Eine zweite Unterscheidung zerlegt die einfachste wirkliche Erscheinung in Elemente, welche jedes für sich nicht Erscheinung sind, und nicht wahrgenommen werden können. Die einfachste wirkliche Erscheinung ist an das Zusammen dieser Elemente gebunden; denkt man eines weg, so ist der Rest so gut, wie das ausgesonderte eine nur noch denkbar, nicht mehr wahrnehmbar. Diese Unterscheidung soll im Gegensatz zur ersten, welche ein Teilen war,  Aussondern  oder  Zerlegen  genannt werden; ihr Ergebnis sind nicht Teile, sondern die "Erscheinungselemente". Insofern jedes von diesen für sich nicht wahrnehmbar und vorstellbar, nur denkbar ist, kann dieses Aussondern auch Abstrahieren genannt werden, aber wir müssen diese zweite Unterscheidung von der dritten, welche eine Abstraktion im engeren Sinn ist, unterscheiden.
Die Erscheinungselemente ergibt eine einfache Reflexion. Sie sind schon in frühester Zeit ausgesondert worden, und so klar und unbestreitbar ihre gegenseitige Unentbehrlichkeit zu einer wirklichen Erscheinung ist, so sind sie doch in ihrer Denkarbeit voneinander unabhängig und fallen gewissermaßen von selbst auseinander. Jeder spezifische Sinneseindruck, eine Farbe z. B.  rot,  ein Ton, ein Geruch, ein Gefühlseindruck ist so lange ein reines Gedankending, als er nicht in einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt, also ein Wann hat. Hat er dieses, so ist ferner eine bestimmte Dauer, wäre sie auch unmeßbar klein, unentbehrlich. Das Wann und die Dauer fasse ich unter dem Namen der zeitlichen Bestimmtheit zusammen. Aber offenbar reicht diese noch nicht aus, um die spezifische Sinnesbestimmtheit zu einer tatsächlichen wirklichen Erscheinung zu machen. Sie ist im Verein mit der zeitlichen Bestimmtheit so lange noch ein reines Gedankending, wie sie nicht einen Punkt im Raum einnimmt, also ein bestimmtes Wo hat. Das Wo aber ist eine reine Abstraktion, der Begriff des mathematischen Punktes, wenn er nicht eine irgendwie große - wäre es auch ein unmeßbar kleine, Ausdehnung hat, und diese ist selbstverständlich völlig unfähig eine wirkliche Erscheinung zu sein, wenn sie nicht nach allen Seiten begrenzt, also irgendwie gestaltet gedacht wird.

Diese drei Bestimmungen, das Wo, seine Ausgehntheit im Raum und deren Begrenztheit, d. h. die Gestalt, fasse ich unter dem Namen der räumlichen Bestimmtheit zusammen. Zur einfachsten wirklichen Erscheinung gehört also mindestens eine spezifische Sinnesangabe, eine zeitliche und eine räumliche Bestimmtheit. Ich mache extra darauf aufmerksam, daß ich die Erscheinung sich nicht aus diesen Elementen zusammensetzen lasse, sondern daß ich die Erscheinung zum Ausgangspunkt nehme und die Elemente nur durch Unterscheidung aus ihr gewinnen lasse. Die Data des inneren Sinnes fügen sich diesem Gesichtspunkt nicht mit der gleichen Leichtigkeit. Was in ihnen nach Aussonderung der zeitlichen und etwa auch einer räumlichen Bestimmtheit als der spezifischen Sinnesqualität entsprechend übrig bleibt, ist zwar leicht zu sehen, aber es ist nicht so leicht zu bestimmen, welches die einfachsten Data derselben sind, im Gegensatz zu komplizierteren Gebilden. Doch kann diese Schwierigkeit in der Durchführung nicht der Evidenz des Prinzips Abbruch tun. Die Schwierigkeit drückt nur die Beurteilung der inneren Vorgänge selbst, nicht aber die logische Bedeutung von Subjekt und Prädikat im Ausdruck derselben.

Die räumliche Bestimmtheit des Fühlens und Wollens und des Denkens, insofern wir das Bewußtsein mit den Arten des Denkens als solchen darunter verstehen, kann bezweifelt werden. Jedenfalls ist eine Gestalt dieser Erscheinungen im eigentlichen Sinne nicht wahrnehmbar, woraus zu schließen sein dürfte, daß ihnen auch die räumliche Ausgedehntheit abgeht. Man kann entgegnend darauf verweisen, daß wir doch auch Entschluß und Gemütsbewegung innerhalb unseres ausgedehnten Leibes fühlen. Doch sei darauf kein Gewicht gelegt. Denn auch diese Schwierigkeit trifft nicht die logische Auffassung der Urteile über innere Vorgänge. Mag ihnen die räumliche Bestimmtheit abgehen oder in irgendeiner Beschränkung zukommen, jedenfalls sind die Elemente der Erscheinung überhaupt in ihrer Unterscheidbarkeit und Zusammengehörigkeit durch diese Schwierigkeit nicht berührt. Hier ist nur das von fundamentaler Wichtigkeit, nämlich die Eigenart der Elemente, ihres Zusammen und ihrer Gewinnung recht zu erfassen und ihre Bedeutung als Grundlage der Urteils- und somit natürlich auch Begriffs- und Schlußbildung zu erkennen.

Die Elemente fordern sich gegenseitig als Bedingungen ihrer Existenz. Ihre Existenz ist also die aus oder in der wirklichen Erscheinung, aus welcher sie durch Aussonderung oder Unterscheidung gewonnen werden. Daraus ergibt sich ein klarer Begriff von der Art ihres Seins und ihrer Zusammengehörigkeit.

Ihre Existenz ist über allen Zweifel erhaben, aber der Begriff dieser Existenz setzt den ursprünglichen ersten Begriff der Existenz, d. h. den des wirklichen tatsächlichen Eindrucks voraus. Ihre Existenz für sich gedacht ist ein zweiter Begriff der Existenz, sie besteht in einem "unentbehrlichen Element oder Bedingung sein". Die Elemente partizipieren also an der Existenz der wirklichen Erscheinung, insofern sie ja in ihr wahrnehmbar sind, aber ihre Wahrnehmbarkeit, d. h. also ihr Wirklichsein ist an diese gegenseitige Ergänzung geknüpft, und für sich allein ist ihre Existenz nur die des Ausgesonderten, nur die abgeleitete oder sekundäre, welche im Bewußtsein von ihrer Herkunft aus wirklichen Erscheinungen und ihrer Bedeutung als unentbehrlicher Bestandteile und Bedingungen aller Wirklichkeit liegt.

Für die Einheit des Urteils, welches sie aussagt, und die Berechtigung ihrer Prädikation ist diese Erkenntnis Grundlage. Ihre Zusammengehörigkeit besteht in ihrer Unentbehrlichkeit zur wirklichen Erscheinung oder Wahrnehmung, und wir müssen diese Art der Zusammengehörigkeit als Urtatsache und Maßstab hinnehmen. Vor allem müssen wir für die Lehre von der Deduktion diese erste evidente Notwendigkeit festhalten. Sie soll "elementare Notwendigkeit" genannt werden. Wie der Raum in der Zeit existiert, und wie die Qualität es macht, Raum und Zeit zu erfüllen, wie Raum und Zeit es machen, sie in sich aufzunehmen, sich von ihr erfüllen zu lassen, sie zu umschließen, kann kein Mensch sagen, aber wir dürfen die Eigenart dieses unerklärbaren Zusammen nicht ungesondert mit anderen Aussagen anderer Art in einen nur scheinbaren Gattungsbegriff zusammengehen lassen, wobei in diesem Fall die leere Allgemeinheit der Vorstellung jede verwendbare Erklärung des Urteils unmöglich macht. Die undefinierbare Eigentümlichkeit dieses Zusammen der leicht unterscheidbaren Elemente, welche die Einheit des wirklichen Eindruckes ausmachen, will also klar und bestimmt erfaßt und festgehalten sein.

Nach dieser Darstellung des Sachverhalts bedarf es kaum noch der Erwähnung, daß jede Ansicht, welche die Qualität für sich allein durch einen Sinnesnerven dem Zentralorgan zugeleitet werden, bzw. durch dessen Erregung in der von dieser irgendwie affizierten Seele hervorgebracht werden läßt, um ihr erst in einem von diesem unterscheidbaren Akt aus anderen Mitteln die räumliche und zeitliche Bestimmtheit zuzuführen, unzulässig erscheint. Wenn Raum und Zeit zum "Erscheinungselement" gemacht werden, so ist dieser Name wohl klar genug, um Mißverständnisse fern zu halten. Mitnichten ist Raum und Zeit durch diese Darstellung zu einer Sache gemeiner Erfahrung gemacht, als ob es wirklich immer einer erneuten Wahrnehmung bedarf, um erst den allgemeinen Satz der Unentbehrlichkeit von Raum und Zeit für alle Sinnlichkeit herzuleiten. Diese Vorstellung ist schon deshalb unsinnig, weil es im eigentlichen Sinn überhaupt auch nicht in einem einzigen Fall ein Resultat der Wahrnehmung selbst ist, daß Raum und Zeit vorhanden ist, oder weil, mit anderen Worten, die räumliche und zeitliche Bestimmtheit überhaupt niemals ein direktes Objekt des Wahrnehmens ist. "Das menschliche Denken" hat den unvorsichtigen Ausdruck gebraucht, daß wir "doch vielleicht die Raum- und Zeitvorstellung der Erfahrung verdanken". Schon die ganze Grundanschauung desselben kann freilich die hier soeben ausdrücklich zurückgewiesene Anschauung als ausgeschlossen erscheinen lassen. Aber ich muß hier das Versäumte nachholen und erkläre diesen Ausdruck im oben erörterten Sinn. Auch von den Prinzipien der Identität und Kausalität haben wir ohne Erfahrung keine Kenntnis. Wir können ihre Tätigkeit sogar völlig losgelöst von allem Gegebenen für sich allein absolut nicht vorstellen. Erst aus und in ihren Werken kann die Reflexion sie herauserkennen. So bedarf es allerdings der Tatsache der Erfahrung oder wirklicher Wahrnehmung, um in ihr Raum und Zeit zu finden und als ihre Bedingung zu erkennen, aber diese sind selbst nicht das Objekt derselben, sondern das Ergebnis der Unterscheidung. Die vor aller Erfahrung im Gemüt bereitliegende Form der Anschauung kann ich allerdings nur als einen mythologisierenden Ausdruck ansehen, womit jedoh selbstverständlich nicht die von ihrem Urheber bekämpfte Ansicht, daß Raum und Zeit den Dingen ansich zukommt und wir von diesen letzteren die Kunde von jenen erhalten, verteidigt ist.

Der gemeine Sinn des Wortes  Erfahrung  ist ein anderer. Meine Darstellung verhindert die Herleitung von Raum und Zeit und ihrer Unentbehrlichkeit aus dieser Quelle so gründlich und sicher, wie man es nur wünschen kann. Gerade ihre Gewinnung durch die aussondernde Abstraktion und das angedeutete Verhältnis der Elemente zueinander und zum Ganzen der Erscheinung enthält den direkten Beweis, welcher nicht nur dem Grad der Sicherheit nach, sondern auch der Art nach derselbe ist wie der, der uns unbekümmert um alle  2 · 2  immer gleich  4  ansehen läßt.

49. Die Elemente haben den Charakter des Allgemeinen. Nur das Zusammen der Elemente in der wirklichen Erscheinung ist ein Individuelles. Jedes derselben für sich gedacht, und zwar ganz ohne Veränderung, so wie es in der Wirklichkeit erschien, ist Spezies oder Artbegriff. Wir nennen es Elementarspezies. Interessant ist das Verhältnis, daß von diesem Artbegriff aus nur Determinationen möglich sind, zu welchen dieser Artbegriff nicht im eigentlichen, sondern im uneigentlichen Sinn Art und Gattung ist. Bei aller anschaulichen Zusammengehörigkeit und Unentbehrlichkeit der Elemente sind sie in ihrem Begriff einander fremd und äußerlich und selbständig. Man kann jede einzelne dieser Bestimmtheiten durch die andere determiniert denken, so daß die wirkliche Erscheinung der Reihe nach unter die Artbegriffe der spezifischen Qualität in ihr, der zeitlichen und der räumlichen Bestimmtheit als unter sie subsumierbares Individuum gestellt werden kann, aber jeder dieser Artbegriffe ist im Verhältnis zu diesem Subsumierten nur eine uneigentliche Art. Nicht mit Rücksicht auf diese mögliche Subsumtion habe ich die losgelösten Elemente Artbegriffe genannt, sondern nur um ihrer offenbaren Allgemeinheit willen. Jeder von ihnen hat nichts Individuelles mehr in sich, sondern kann ebensogut in jedem anderen Verein mit anderen Elementen zusammengedacht werden.

Auch vom Individuellsten, was es zu geben scheint, dem Wo und Wann gilt dies. Man beachte nur, daß es losgelöst von aller inhaltlichen Bestimmtheit nicht mehr unterscheidbar und fixierbar ist. Wer dies leugnet, denkt etwa an die Möglichkeit, auch unter Abstraktion vom Raumerfüllenden den gemeinten Ort noch mit dem Finger oder auch nur mit dem Blick zu fixieren. Aber diese Fixierung durch Finger und Blick geschieht doch offenbar durch Relation auf ein Raumerfüllendes, nämlich den Fixierenden. Ohne ein solches wird das Hier und Jetzt sofort zu einer allgemeinen Vorstellung des Wo und Wann. Hier zeigt sich aber der erste Unterschied in der Natur der Elemente. Auch die Qualität ist selbstverständlich nur in ihrem Hier und Jetzt individuell, von ihm losgelöst ein Allgemeinbegriff, aber sie ändert ihren Begriff nicht, sondern wird mit der ganzen Bestimmtheit, in welcher sie jetzt hier erscheint, ein Allgemeinbegriff. Sie hält ihren bestimmten Unterschied gegen die unzähligen anderen auch völlig losgelöst denkbaren qualitativen Bestimmtheiten fest, während das Hier und Jetzt bei gänzlicher Abstraktion von aller Raum- und Zeiterfüllung seinen Unterschied von anderen Hier und Jetzt nicht festzuhalten vermag.

Wir unterscheiden die Hier und Jetzt möglicher Raum- und Zeiterfüllungen nur durch die Relatioin auf schon vorhandene andere Raum- und Zeiterfüllung, als Neben und In und An, von welcher wir nicht zu abstrahieren gewöhnt sind. Abstrahieren wir wirklich auch von ihr, so ist das ausgedehnte Wo und Wann nicht mehr unterscheidbar, so ist die Ausgedehntheit  eine,  und wenn wir Gestalten noch zu denken vermögen, so geschieht es nur deshalb, weil wir aus der individuellen Erfahrung an den Dingen den allgemeinen Begriff der Gestalt und ihrer einfachsten Elemente, der Linie und des Winkels, längst abstrahiert haben. Und eben nur weil dies allgemeine Begriffe sind, läßt sich, sobald sie einmal vorhanden sind, alle Möglichkeit der Gestaltung unabhängig von aller Erfahrung ermessen. Nur die Raumerfüllungen oder die ausgedehnten Dinge begrenzen sich; sind diese weggedacht, so ist für Abgrenzung absolut kein Anhaltspunkt mehr vorhanden und  deshalb  müssen sich Raum und Zeit so absolut grenzenlos ausdehnen, wie andererseits dem Gedanken ihrer Teilung kein Ziel gesteckt sein kann.

Wenn wir also von aller Raumerfüllung abstrahieren, so fehlt in dem alsdann übrig bleibenden abstrakten Raum auch jede Gestaltung. Er ist völlig eins, während die Mannigfaltigkeit möglicher Qualitäten nicht im Voraus ermessen, sondern nur am Individuellen erfahren werden kann. Die Erfahrung gibt uns aber immer nur die räumlich und zeitlich bestimmten Qualitäten und einen erfüllten Raum und erfüllte Zeit. Wie sich in diesem die einzelnen bestimmten Vereine von Qualitäten ordnen, und welche Qualitäten sich in demselben Raumteil vereinen, ist Sache der Erfahrung im gemeinen Sinn.  Daß  die Qualität einen Raum einnimmt, ist Sache des abstrahierenden Verstandes. Denken wir zunächst diese Abstraktion auch nur an einer einzigen Erscheinung vollzogen, so haben die ausgesonderten Elemente die Natur des Allgemeinen, und wenn wir uns jedes von ihnen von den andern losgelöst vorzustellen versuchen und dabei inne werden, daß uns dies unmöglich ist, so ist das ein Experiment von demselben Wert und derselben Beweiskraft, wie jedes Experiment. Es beweist, daß diese Qualität, d. h. nicht der individuelle eben efahrene Eindruck, sondern diese Qualität als Allgemeinbegriff ohne Wo und Wann nicht vorstellbar ist. Daß diese Elemente sich gegenseitig bedingen, ist also keine individuelle Erfahrung, sondern der Kausalzusammenhang haftet am Allgemeinen, und es bedarf zu seiner allgemeinen Gültigkeit keiner weiteren Erfahrung mehr. Ist dies nun an der einen Qualität geschehen und gilt von ihr ganz allgemein, so könnte noch gefragt werden, ob es dann von allen möglichen Qualitäten gilt. Aber auch hier ist das rationale Verfahren, Ursache und Wirkung, bzw. Bedingung zu erkennen, von gleich sicherer Anwendbarkeit.

Die Ursache dieser Erscheinung, daß diese Qualität an ein Wo und Wann geknüpft ist, kann nur im Vorhandenen liegen, und somit kann es sich nur darum handeln, ob die Bedingung, daß sie um wahrgenommen zu werden, d. h. um wirklich zu sein, ein Wo und Wann haben muß, das im Spezifischen der Qualität liegt oder in ihrem nächst höheren oder in ihrem höchsten Generischen, ob also z. B. im Roten als solchen oder in der Farbe oder in der Sinnesempfindung überhaupt. Wenn aber nur eine einzige zweite Farbe sich ebenso abhängig von Raum und Zeit erweist, so ist damit bewiesen, daß die Ursache dieser Abhängigkeit nicht in der spezifischen Differenz gelegen hat, also im Generischen liegen muß. Wollte man den geführten Beweis nur für die beiden Qualitäten, an welchen das Experiment vorgenommen worden ist, gelten lassen, so ginge das nur so, daß man etwas diesen beiden allein Eigentümliches auffände, an welches ihre Unvorstellbarkeit ohne Wo und Wann innerlich geknüpft ist. Es wäre aber dann doch allgemein diese Abhängigkeit für alles, was dieses Merkmal hätte, erwiesen. Dieses eigentümliche Merkmal könnte also nur eine Art der Gattung Farbe sein. Wenn ein solches zwischen dem Gattungsmäßigen Farbe und dem Spezifischen Rot oder Grün nicht nachgewiesen wird, so gilt die konstatierte Unentbehrlichkeit der räumlichen und zeitlichen Bestimmtheit sofort vom Alleinbegriff Farbe.

Die Unentbehrlichkeit dieser Elemente ist also deshalb allgemeingültig erkannt, weil sie in dem Experiment, welches ihre Abhängigkeit zeigt, schon den Charakter des allgemeinen haben, und keine individuelle Wahrnehmung sind. Aus ebendemselben Grund ist die Erkenntnis, daß  2 · 2 = 4  ist, allgemein gültig, weil sie zum erstenmal schon an der Zwei als einem Allgemeinbegriff vollzogen worden ist, und ebendeshalb gilt von allen Dreiecken, daß ihre Winkelsumme gleich 2 Rechten ist, weil, woran dies gefunden wird, schon der Allgemeinbegriff des Dreiecks ist, es ihm also als solchem zukommt.

Um einer späteren Anwendung willen, bitte ich hier gleich zu beachten, wie jede einzelne Sinnesqualität  für sich ihr eigenes Wo und Wann  hat, ihren Raum und ihre Zeit setzt oder mitbringt, ohne welchen sie nur als Abstraktion denkbar ist. Aus diesem Grunde muß,  was nach der Qualität unterscheidbar ist, verschiedene Räume einnehmen, kann nur neben und nacheinander wirklich erscheinen.  Doch ist jeder Sinn abgeschlossen für sich und weiß nichts von den anderen. Die Qualitäten verschiedener Sinne können also dieselben Räume treffen. Daß es dieselben sind, ist natürlich erst ein Ergebnis, welches dem Denken angehört, sowie ja auch die räumliche Bestimmtheit im Gegensatz zur Qualität zu erkennen nur Sache des Denkens ist. Das ist die sachliche Erkenntnis, welche hinzukommen muß, um aus der Bestimmung "rot", - weil  rot  nicht  grün  ist, die Folgerung "also nicht grün" abzuleiten, während obgleich rot doch auch nicht rund und nicht süß ist, die Folgerung, also nicht rund und nicht süß" unbegründet erscheint.

50. Ehe wir nun zur dritten Unterscheidung gehen, muß noch das eigentümliche Verhältnis, in welchem die unentbehrlichen Erscheinungselemente einander gegenüberstehen, festgestellt werden.

Schon was im vorigen Paragraphen angedeutet wurde, zeigt den fundamentalen Unterschied, nicht in gleicher Weise bedingen sich die Erscheinungselemente gegenseitig. Es ist zwar unbestreitbar, daß die räumliche und zeitliche Bestimmtheit einer Erscheinung - von welcher wir ja ausgingen - ihre konkrete wirkliche Existenz oder, was dasselbe ist, ihre sinnliche Wahrnehmbarkeit nur als erfüllter Raum und erfüllte Zeit, also ebenso nur durch die erfüllenden Qualitäten haben, wie diese ihre konkrete Existenz, d. h. ihre Wahrnehmbarkeit nur in der räumlichen und zeitlichen Bestimmtheit. Aber diese letzteren stellen sich jenen gegenüber und beanspruchen schon deswegen eine hervorragende Stellung und gewissermaßen einen Vorzug, daß sie, nachdem die Aussonderung einmal vollzogen ist, jede ein für sich völlig abgeschlossenes, aus sich allein klares und durchsichtiges von aller weiteren Erfahrung unabhängiges Gebiet darstellen.

Wieviele Sinnesqualitäten existieren und einer jeden besondere Natur festzustellen, bedarf unaufhörlich erneuter Erfahrung, während, was auch immer von räumlicher Ausdehnung und Gestaltung ausgesagt werden kann, einzig und allein aus der einmal gewonnenen Anschauung fließt. Der gedachte (von den Qualitäten abgesonderte) Raum und die Zeit sind in sich unterschiedslos, ein Ganzes und Eines, und somit ist es klar begrifflich ein und dasselbe, was  aller  Qualitäten, so verschieden sie auch sein mögen, Bedingung ist,  also,  konkludiere ich,  Grundbedingung  aller Wahrnehmung ist. Es kommt aber noch ein anderes gewichtigeres Verhältnis hinzu. Die Bedingung aller Wahrnehmung Qualitäten ist Hier und Jetzt. Aber das Hier und Jetzt hat nicht, wie die Qualitäten, in sich allein einen positiven unterscheidenden Inhalt, sein Begriff ruht durchaus auf der Relation zu allen anderen Hier und Jetzt. Ein Hier ist ohne ein Dort, dem es gegenübersteht, neben, über, unter, in welchem es ist, undenkbar. Die Bedingung der einzelnen wahrnehmbaren Qualität ist also gar nicht nur ihr eigenes, aus ihrer Erscheinung auszusonderndes Hier und Jetzt, sondern sofort der ganze Raum und die ganze Zeit, weil dieses ihr Hier und Jetzt gar nicht denkbar ist, außer als Teil oder Ausschnitt des ganzen Raums und der ganzen Zeit. Ist nur ein ausgedehnter Punkt zugestanden - schon mit unserer eigenen Körperlichkeit und Zeitlichkeit - so ist mit einem Schlag der ganze Raum und die ganze Zeit gegeben.

In  dieser  Grundnatur der Raum- und Zeitvorstellung liegt ihre gewissermaßen bevorzugte Stellung gegenüber den Qualitäten. Damit verträgt es sich, Raum und Zeit als Erscheinungselemente anzusehen, nicht als apriorische Schöpfung im Gegensatz zum Gegebenen der Qualitäten, was umso mißlicher wird, da dem a priori hier gar nicht einmal, wie bei den Kategorien, eine klare Vorstellung vom Schaffenden zu Gebote steht, wenn nicht der vage Begriff der Seele dafür eintreten soll. Die Kategorien als ursprüngliche Handlungen des Verstandes anzusehen, ist eine erfüllbare Aufgabe, aber wessen ursprüngliche Handlung ist die Schöpfung von Raum und Zeit? Aus meiner Auffassung ergibt sich leicht, daß und wie die einzelnen  Wo  und  Wann  der Erscheinungen nicht schon durch die Grundvoraussetzung, sondern erst in der Erfahrung selbst gegeben werden können. Denn die individuelle Bestimmtheit der Wo und Wann ist abhängig von den erfüllenden Qualitäten; nur durch letztere werden die einzelnen Plätze bestimmt und fixiert; doch aber ist zugleich die Anschauung gerechtfertigt, welches es zum tiefsten Grund des bewußten Ich rechnet, daß es sich seiner bloß in Raum und Zeit bewußt werden kann, welche die Grundbedingung und Möglichkeit aller Erfahrung ausmachen. Und nun bedenke man noch den Grund, warum es uns nicht glücken will, von Raum und Zeit zu abstrahieren, obwohl es angeblich glückt, von allem, was in Raum und Zeit ist, zu abstrahieren.

Ich sehe davon ab, ob wirklich jemand den absolut leeren Raum und Zeit sich wirklich vorstellen kann, denken kann man den Begriff freilich. Aber wenn man den Inhalt weggedacht hat, so kann man nicht noch den leeren Raum und die leere Zeit wegdenken aus zwei Gründen, erstens, weil schon unser Bewußtsein immer eine Zeit setzt, und das Gefühl unseres eigenen Leibes immer einen Raum setzt, und zwar beide, Zeit und Raum, einmal zugegeben, sofort unendlich, ohne die Möglichkeit einer Begrenzung - (mag man auch von seiner eigenen Körperlichkeit und damit vom Raum abstrahhieren können, so doch nicht vom eigenen an die Zeit gebundenen Bewußtsein; daß niemand sich selbst wegdenken kann ohne daß, vorausgesetzt der Versuch würde glücken, damit auch das Wegdenken seiner selbst weggedacht und aufgehoben wäre, liegt doch wohl auf der flachen Hand.) - und zweitens, weil man bei diesem Versuch von Raum und Zeit zu abstrahieren in naiver Weise immer noch etwas denken, gewissermaßen sehen will, wie sich das ausnimmt, wenn alles, Qualitäten, Raum und Zeit, weggedacht sind. Man kann doch nicht denkend Nichts denken; wenn man alle Raum- und Zeiterfüllung und dann auch noch Raum und Zeit selbst wegdenkt, so ist eben alles Denkbare beseitigt, und es ist nichts mehr da, was gedacht werden könnte, man muß dann zu denken  aufhören  oder aber - sich doch wieder etwas denken.

Wer sich Sinnesqualitäten ohne räumliche und zeitliche Bestimmtheit irgendwie existierend denken kann, oder wer Dinge-ansich annimmt, welche die Seele affizieren und ihr eine zunächst noch unräumliche Sinnesqualität zuführen, oder sie zur Erzeugung einer solchen anregen, für den hat es einen guten Sinn die Apriorität der Raum- und Zeitvorstellung zu behaupten. Aber was ihre Apriorität leisten sollte, ist durch die vorgetragene Auffassung und meinen ganzen erkenntnistheoretischen Standpunkt gesichert. Man kann sehr gut ihre Eigenart und ihren Charakter als Grundlage aller Erfahrung begreifen und doch leugnen, daß sie zu den Qualitäten im Gegensatz des  a priori  zum  a posteriori  stehen. Ich höre den Einwand: du hebst den Unterschied auf, indem du auch die Qualitäten a priori sein läßt. Aber das ist ein Irrtum. Der Gegensatz des Denkens als solcher zum ursprünglich Gegebenen ist, sollte ich meinen, ganz klar. Jenes kann a priori, dieses a posteriori genannt werden. Nur darf man nach meiner Ansicht die Frage nach Ursprung und Herkunft des Gegebenen ganz unberührt lassen. Innerhalb desselben läßt sich der dargelegte Unterschied von Zeit und Raum einerseits und den Qualitäten andererseits festhalten, ohne daß jene Frage dabei beantwortet zu werden braucht.

Ich halte es für ein verhängnisvolles Mißverständnis, zu meinen, jeder philosophische Versuch muß sofort das ganze Welträtsel in Angriff nehmen. Ursprung und Herkunft des Gegebenen ist aber identisch mit "das ganze Welträtsel". Wer sich ein bewußtes Ich noch ohne Bewußtseinsinhalt und dann sogenannte objektive Dinge, die nicht Bewußtseinsinhalt sind, denken kann, für den sind es allerdings zwei Fragen: wie kommen letztere, bzw. ihre Kenntnis in ersteres hinein, und dann, woher kommen sie überhaupt? Für mich fallen diese beiden Fragen zusammen, und Ursprung und Herkunft der Sinnesqualitäten in Zeit und Raum ist das Geheimnis des Seins. Eine erkenntnistheoretische Logik kann an diesem vorübergehen und es an der oben gegebenen Charakterisierung des Gegebenen im Bewußtseinsinhalt genug sein lassen. Die Spekulation behält dabei freies Feld. Es ist nur sehr wichtig, daß das, was eine genaue Feststellung und Zerlegung des Tatbestandes zu leisten vermag, durchaus getrennt und unabhängig bleibt von aller Spekulation.

51. Nun haben wir noch zwei Schwierigkeiten zu erwägen,
    1) die Lehre vom leeren raum, welcher nach meinen Voraussetzungen immer nur als eine Abstraktion erscheinen und niemals die wirkliche oder konkrete Existenz des Wahrnehmbaren haben kann, und

    2) die Unmöglichkeit Raum und Zeit abgeschlossen zu denken, aus welcher klar die Unendlichkeit der Welt fließt, welche andererseits als eine seiende Unendlichkeit auch nicht gedacht werden kann.
Mir steht die Auskunft, das Denken  müssen  und nicht Denken  können,  eben als  "nur denken,  bzw.  nicht denken  müssen und können in einen Gegensatz zu einer ungedachten Wirklichkeit zu stellen nicht zu Gebote. Denn nach meiner Lehre ist ein etwas Denken müssen, der vollste Beweis für seine reale, wenn man will allerrealste Existenz, der sich denken läßt, und etwas nicht denken können, der vollste Beweis für die eigentliche und unbeschränkte Nichtwirklichkeit oder Nichtexistenz dessen, was nicht gedacht werden kann. Wenn wir innerhalb des uns bekannten wirklichen, d. h. erfüllten Raums dem einen Hier oder Dort unmöglich Grenzen setzen konnten, ohnen einen Raum außerhalb seiner, der es eben begrenzt und einschließt zu denken, so ist der Raum, den wir sogleich mitdenken müssen, nicht das Abstraktum des leeren Raums, vielmehr ist es der uns bekannte, durch unsere ganze Organisation ringsum mit irgendeiner Wahrnehmbarkeit erfüllte. Wir begreifen auch sehr wohl, daß die Setzung der Nachbarräume eben durch die Begrenzung des gemeinten Hier und Dort zur absoluten Notwendigkeit wird, indem gerade die Grenzen des gedachten Raumteils zur Beachtung kommen  müssen.  Die Grenze ist ihrem Begriff nach nur  innerhalb  des Raumes und der Zeit denkbar;  ihr Begriff ist an die Verschiedenheit der den Raum und die Zeit erfüllenden Qualitäten geknüpft. 

Wenn wir nun aber in diesem Sinne und aus diesem Grund nicht imstande sind Raum und Zeit überhaupt irgendwie begrenzt zu denken, so folgt daraus nicht die Realität eines unendlichen Raums und einer unendlichen Zeit. Es ist überaus natürlich und begreiflich. Wie kann man übersehen, daß wir bei dem Versuch den Weltenraum und die Zeit in Grenzen einzuschließen, eine Grenzlinie fixieren und uns dabei, ganz selbstverständlich, mit unseren sehenden Augen, mit der ganzen leiblichen und geistigen Natur, wie sie nur mitten in Raum und Zeit gedacht werden kann, an diese Grenze versetzen und dort neugierig Umschau halten, ob wirklich und - wie sich das ausnähme - dort Raum und Zeit ein Ende haben. Dann freilich tragen wir die Fortsetzung von Raum und Zeit dorthin, und es versteht sich ganz von selbst, daß wir die Raum- und Zeitlosigkeit dort nicht finden, eben weil wir  uns  dorthin in Gedanken, wenigstens unsere Augen dorthin versetzt haben. Was wir aber an Raum und Zeit dort finden, ist nicht erfüllter Raum und Zeit; wenn wir uns auch die Ausdehnung nicht ohne irgendeine Färbung vorstellen, so ist diese doch ein Werk der Phantasie, und jener Raum und jene Zeit haben nicht die Realität, welche allein dem Wahrgenommenen und dem aus einem Wahrgenommenen als eventuell wahrnehmbar Erschlossenen zukommt. Es ist eine sehr beachtenswerte Tatsache, daß wir uns immer nur eine - wohl unmeßbar große, - aber doch nie ihrem Begriff nach wirklich unendliche Ausdehnung von Raum und Zeit vorstellen, daß also die Unendlichkeit immer erst bei dem Versuch die Grenzen zu fixieren eintritt, indem sich an diesem gedachten Punkt eine gleiche Vorstellung von Ausdehnung einstellt und so weiter natürlich  in infinitum.  Der erfüllte Raum (und Zeit) den wir wahrnehmen und aus Wahrgenommenem nach bestimmten Naturgesetzen als eventuell wahrnehmbar erschließen, dieser ist wohl unmeßbar groß, aber nicht wirklich seinem Begriff nach unendlich, und der unendliche beginnt erst, wo wir die konkrete Wahrnehmbarkeit und die Grundbedingung unserer Existenz verlassen. Zu dieser gehört es, daß wir uns, nicht an der Grenze, sondern im Raum und  in  der Zeit finden, und diesen Raum und diese Zeit, welche als tatsächlich erfüllte nicht unendlich gedacht werden, von Seiten des Jenseits begrenzt zu denken und an diese Grenzen uns zum Zweck einer genaueren Inspizierung zu versetzen, ist eine Leistung der Phantasie, aber nicht die Denknotwendigkeit, welche nach meinen Grundvoraussetzungen identisch mit Wirklichkeit ist. Diese letztere Denknotwendigkeit sind die Denkgesetze, wie sie sich am Gegebenen bewähren, und notwendig ist mithin die endlose Ausdehnung von Raum und Zeit immer nur unter der Voraussetzung jener Leistung der Phantasie, welche die gedachten Grenzen in Augenschein nimmt und uns mit unserer ganzen Natur immer wieder an jene Grenzen versetzt; bleiben wir im Gegebenen, abstrahieren zunächst nicht von uns selbst mit unserem ausgedehnten und begrenzten Leib, verlassen also auch nicht den Mittelpunkt, in welchem sich das bewußte Ich findet, so enthält das natürliche und tatsächliche Ende des im Raum und in der Zeit sich ausdehnenden Wahrgenommenen bzw. Wahrnehmbaren keinen Widerspruch. Unerfüllter Raum und Zeit sind reine Abstraktionen, so gut wie der ausdehnungslose Punkt und wie die ausdehnungslose Qualität. Diese Abstraktionen sind unvermeidlich, aber wir müssen sie als solche erkennen und vom Raum und der Zeit, welche tatsächlich in den Dingen und Ereignissen existiert, zu unterscheiden wissen.

Es ist die früher schon erwähnte Neigung des natürlichen Denkens, eine Abstraktion zwar zu beginnen aber nicht scharf und konsequent durchzuführen und festzuhalten, welche den Charakter, der nur dem abstrakten Raum und Zeit zukommt, mit dem wirklichen Raum und der wirklichen Zeit vermengt. Die an Raum und Zeit geknüpften Trugschlüsse lassen sich vom dargelegten Standpunkt aus leicht verstehen. Wenn ZENO schließt "Alles was ist, ist im Raum, nun ist der der Raum, also ist er im Raum", so heißt das "im Raum sein" des Obersatzes nichts anderes als räumlich ausgedehnt sein, ist also das ausgesonderte Erscheinungselement der räumlichen Ausgedehntheit, während das Sein des Subjekts, (alles was ist) die konkrete Wirklichkeit des Erscheinenden und Wahrnehmbaren ist. Das Sein des Raums im Untersatz aber ist nicht dieses Sein, sondern das Sein des Erscheinungselements. Vielleicht meint man, zur Aufdeckung dieses Trugschlusses genügt es, den Ausdruck "im Raum" auf "räumlich ausgedehnt" zu deuten, wobei in diesem Fall dann die Conclusio zwar inhaltslos aber doch auch nicht falsch ist, denn sie sagt, der Raum sei räumlich ausgedehnt. Aber das ist ein Irrtum. Denn wenn das Prädikat räumlich ausgedehnt vom Raum gelten soll, so muß das entweder der erfüllte Raum sein, d. h. das Weltall, was gegen die Voraussetzung ist, oder es könnte nur heißen, "unter Raum verstehen wir oder mit dem Wort  Raum  bezeichnen wir das Element der Erscheinungen, daß sie ausgedehnte sind" und dieser Sinn wäre nicht aus den Prämissen erschlossen. "Der Raum" des Untersatzes ist das abstrakte oder ausgesonderte Erscheinungselement der Ausgedehntheit, und dieses ist selbst, als solches, natürlich nicht ausgedehnt, denn es existiert, als wirkliche Ausgedehntheit, eben nur in den Erscheinungen. Die Deutung des "im Raum" auf "ausgedehnt" genügt also nicht. Auch so wäre die Conclusio noch grundfalsch. Der Fehler des Schlusses ist der, daß die Existenz des Erscheinungselements verwechselt wird mit der Existenz der ganzen Erscheinung und was von dieser ausgesagt wird, eben als ihr Element ausgesagt wird, auf jene, d. h. das Element selbst übertragen wird.

Im ACHILLES und der Schildkröte verhindert die unendliche Teilbarkeit von Raum und Zeit ebenso, daß ACHILLES den bestimmten Punkt erreicht, wie daß die angefangene Minute jemals endet und die zweite eintritt. Aber die unendliche Teilbarkeit kommt nur dem abstrakten Raum und der abstrakten Zeit zu, nicht dem realen, in dem wir leben; daß die unendliche Menge unendlich kleiner Zeitteile, in welchen die unendlich vielen und kleinen Raumteile durchmessen werden sollen, keine unendliche (lange) Zeit ausmacht, gehört nicht hierher. Auch in den Beweisen gegen die Vielheit, ist die Annahme, daß die Einheit nur das Unteilbare sein kann, und andererseits, daß eine Unterscheidung des einen Räumlichen vom andern, wenn diese nicht eben in eins zusammenfließen sollen, ein trennendes Etwas verlangt, dies aber um vom einen und dem andern sich auch zu unterscheiden, abermals dasselbe tut und so in infinitum, vom abstrakten Raum hergenommen und ungültig für den konkreten. Auch die noch in der neueren Philosophie berücksichtigte Schwierigkeit der Bewegung, daß das Bewegte an demselben Ort zugleich ist und nicht ist, beruth darauf, daß man von der bewegten Erscheinung abstrahiert und dann die Bewegung im abstrakten Raum und der abstrakten Zeit darstellen will.

Mit den vorgetragenen Anschauungen ist es auch unvereinbar, ein Wesen von wirklicher Existenz, welches aber ausdehnungslos gedachte wird, einen Punkt im Raum einnehmen zu lassen, von dem dann natürlich auch behauptet wird, daß er, obwohl im Raum existierend, doch ausdehnungslos ist. Der ausdehnungslose Punkt ist eine bloße Abstraktion. Auch daß ausdehnungslose Atome die ausgedehnte sichtbare und greifbare Materie konstituieren können, muß ich bestreiten. Die Atome sind der konkrete Raum. Wir werden beim Stoffbegriff noch einmal auf sie zurückkommen müssen. Für jetzt nur noch Folgendes: Wenn die Erklärung der Beschaffenheiten der Stoffe und ihrer Veränderungen zur Annahme solcher Urbestandteile der einfachen Stoffe geführt hat, aus deren Schwingungen und aus deren mannigfacher Vereinigung diese Veränderungen erfolgen, so ist auch klar, daß zwar wahrgenommene Qualitäten infolge dieser Vorgänge verschwinden können, daß aber kein Atom verschwinden kann. Mit ihm zugleich müßte in Teil des Raumes verschwinden, - eine bare Undenkbarkeit - natürlich nur unter der Voraussetzung, daß es in einem sofort zu erörternden Sinn keinen leeren Raum geben kann, so wenig wie leere Zeit, daß es also ein unüberschreitbares Maximum der Entfernung von Atom zu Atom gibt. Nach den Erfahrungen im Laboratorium ist die Unvergänglichkeit des Stoffes, bzw. des Atoms doch nur eine Verallgemeinerung von problematischem Wert, erst die Natur der Raumanschauung macht sie evident, und gewiß haben Erwägungen dieser Art, wenn auch in unklarer Weise, oder mehr ein Gefühl von diesem Sachverhalt, wesentlich zu ihrer allgemeinen Annahme beigetragen. Wir werden bei der Prädikation der Bewegung von diesen Voraussetzungen noch Gebrauch machen.

Wenn die vorgetragene Auffassung nun den wirklichen Raum nicht leer denken läßt, so ist bei dieser Leugnung des leeren Raums vorerst die Ansicht auszuschließen, welche den erfüllten Raum nur als kompakte Masse denken läßt. Der kompakte Stoff ist kein ursprünglicher Begriff, er wird erst aus Raum und Zeit und Sinnesqualitäten zusammenzusetzen sein. Die Existenz des Raumes als ausgesonderten Elements verlangt keinen Stoff in diesem Sinne, sondern zunächst nur irgendeine qualitative Bestimmtheit. Es ist also nur ein absolut leerer Raum geleugnet. Nicht greifbare Konsistenz, nicht einmal Sichtbarkeit ist verlangt, auch ein Geruch genügt, um Raum zu setzen und zu erfüllen. Auch daß innerhalb einer irgendwie  qualitativ  bestimmbaren Umgrenzung nichts ist, ist dabei zugelassen. Der Raum zwischen den Wänden eines Gefäßes und zwischen Himmel und Erde kann auch von Luft und Äther völlig entleert gedacht werden, er ist ausreichend durch die sichtbare Umgrenzung bestimmt, und auch durch die dabei mitgedachte vorhandene Möglichkeit seiner Erfüllung und der Bewegung in ihm. Er gehört zum Operationsfeld unserer Sinne und existiert nicht neben und unabhängig von ihnen, sondern ist direkt durch sie gesetzt, gefordert und bestimmt. Man beachte doch, daß diese leeren Räume immer noch durch ihren Hintergrund sichtbar sind, und daß die Leerheit als Möglichkeit der Bewegung und Erfüllung mit anderen Dingen eine positive sinnliche Wahrnehmung einschließt. Daß der leere Raum keinen Widerstand leistet, ist durchaus keine bloß negative Bestimmung, sondern die ganz positive Wahrnehmung, daß er einen Durchgang gestattet. Wenn ein bis jetzt erfüllter Platz, ein Stuhl z. B., leer wird, so tritt doch keine Lücke im wahrnehmbaren Raum ein, sondern eine Wahrnehmung tritt anstelle einer anderen.

Es ist klar, daß die natürliche Auffassung des Raums als Element der konkreten Erscheinung sich zunächt nur an die Sinnesdata halten kann, nicht an eine Theorie, welche erst zur Erklärung derselben ersonnen ist. Die Atome, welche den Stoff konstituieren, stehen zu jenen in einem eigentümlichen Verhältnis. In einem Sinn sind sie identisch mit dem Stoff, aber sie treten doch nicht so an seine Stelle, daß die Sinnesdata, welche allein den Stoff ausmachen, dadurch beseitigt würden. Das lückenlos Sichtbare und Widerstand Leistende löst sich nicht ganz auf in die Vorstellung von den Atomen und deren kleineren Gruppen, aus welchen es bestehend gedacht wird, sondern bleibt in erster Linie, ganz so, wie es die Sinne darstellen, als das zu erklärende Faktum bestehen, und deshalb ist auch der Raum, den es einnimmt, nach seiner ganzen Ausdehnung völlig bestimmt und seine Vorstellung gesichert und klar.

Wenn dann die chemische und physikalische Theorie diesen Raum zur wissenschaftlichen Erklärung aller ihn erfüllenden Qualitäten, mit Atomen oder Urbestandteilen bevölkert, oder richtiger gesagt ihn in solche  zerlegt  denkt, zwischen diesen bestimmte Zwischenräume, in welchen sie Bewegungen auszuführen haben, und diese Zwischenräume im  festen Verhältnis  mit der sinnlich wahrnehmbaren Ausdehnung des Ganzen abnehmend oder bis zu einem Maximum zunehmend denkt, so sind  diese  leeren Räume offenbar nicht leere Stellen im konkreten Raum, welchen  die Erscheinung  einnimmt, sondern im Raum der Atome, welcher zur Erklärung der ausgedehnten Qualitäten gedacht wird, so sind diese Räume ferner völlig bestimmt, indem sie die Bewegungen des Atoms ermöglichen, also gewissermaßen zu ihm selbst als der seinige gehören, von ihm auch zeitweise eingenommen werden; schließlich sind sie ja in dem von der wahrgenommenen Qualität erfüllten Raum enthalten. Von dieser Seite her kann also meiner Auffassung keine Schwierigkeit erwachsen. Wenn auch in der wissenschaftlichen Erklärung die Atome mit ihren Zwischenräumen anstelle der ausgedehnten Qualitäten treten, so nehmen sie doch eben den durch diese geschaffenen und von diesen ausgesonderten Raum ein. Wenn ihre Annahme überhaupt etwas nützen soll, so müssen sie selbst räumlich den Raum erfüllen; ihre Unvernichtbarkeit ist erst dadurch erklärt; sind sie abstrakte Punkte, so ist das Wort sinnlos, weil es sich von selbst versteht, daß, was nicht räumlich existiert, auch nicht räumlich vernichtet, nicht aus dem Raum entfernt werden kann.

Sie gehören zur Erscheinungswelt; wer sie unräumlich denkt, konfundiert die naturwissenschaftlich erschlossene Tatsache mit einer philosophischen Hypothese, denkt sie als metaphysische Reale oder Monaden, aber diese können bekanntlich nicht im Raum tanzen, sondern höchstens durch eine nur postulierte sinnlich unvorstellbare Einwirkung auf die Seelenmonas in dieser diejenigen Zustände veranlassen, welche als die Vorstellung des mit Qualitäten erfüllten Raums bezeichnet werden.

52. Die unterschiedenen Erscheinungselemente sind also so innig miteinander verbunden, eine tatsächliche Einheit, aber ihre Aussonderung gelingt leicht und vollständig. Obgleich ich weiß, daß keines von ihnen ohne die Ergänzung durch die anderen zur Erscheinung kommen kann, kann ich doch jedes für sich denken, und sein Gedanke hat nicht den Gedanken des andern als Teil seiner selbst in sicht. Dies ist der wesentliche Unterschied dieser zusammengehörigen Elemente von denjenigen, welche eine dritte Unterscheidung als Licht bringt. Schien das ausgesonderte Element, so wie es sich direkt aus der wirklichen Erscheinung ergibt, das Einfachste und weiterhin nicht zerlegbar zu sein, so läßt doch die fortgesetzte Vergleichung auch in ihm noch Fugen erkennen, welche abermals eine Unterscheidung ermöglichen.

Ein neues Auseinandernehmen von Teilen und Elementen ist freilich nicht mehr möglich; was hier noch vom Verstand getrennt werden kann, hängt tatsächlich so innig zusammen, daß das eine ohne das andere nicht mehr  gedacht  werden kann. Es sind die Elemente der Abstraktion im eigentlichen oder im engeren Sinn, die nächst höhere eigentliche Gattung und die spezifische Differenz, welche zusammen die als Element ausgesonderte Spezies ausmachen. Der ganze begrif der eigentlichen Gattung hat hier seinen eigentliche Sitz und seine Heimat; was man unter diesem Namen an den konkreten Dingen sucht, ist bekanntlich noch nicht gefunden; vielleicht sind die Anforderungen, welche sich mit diesem Begriff verbinden, in der Welt der Dinge überhaupt unerfüllbar; hier sind sie erfüllt. Dasjenige was eine spezielle Farbe, z. B.  rot,  zu dem Speziellen macht, was sie ist, kann ich absolut nicht denken, ohne das Generische, was die Farbe als Gattung ausmacht, mitzudenken. Der Eindruck oder die Empfindung, welche wir  rot  nennen, zeigt auch als solche nicht den mindesten Unterschied in sich, sondern ist durchaus einfach; aber die abstrahierende Unterscheidung hat doch ihr Recht; nur muß die Eigenart der Unterschiedenen anerkannt und festgestellt sein. Definierbar ist sie gewiß nicht. Wir können also hier nur darauf hinweisen, um uns später auf dieses hier aufgezeigte Urverhältnis, wie sich im Element die eigentliche Gattung und die spezifische Differenz durchdringen und ineinander sind, zu berufen. Das Generische hat seine ganze Existenz nicht nur tatsächlich, sondern auch seinem Begriff nach, nur in der Spezies, und es sitzt so tief in ihr und durchherrscht sie so auf allen Punkten, daß sie ohne jenes undenkbar wird. Wer behauptet, er könnte sich  rot  oder einen bestimmten Ton oder ein Gefühl denken, ohne dasjenige Moment, welches die Gattung, Farbe oder Ton oder Gefühl ausmacht, dabei mitzudenken, weiß nicht, was er spricht.

Das Spezifische erscheint als die Verwirklichung des Generischen, und das Generische als der tragende Grund und die innere Möglichkeit alles Spezifischen. Nicht wie der Raum zur Qualität, als ein begrifflich Fremdes und Unabhängiges, tritt das Spezifische nur zum Generischen hinzu, sondern beide sind ihrem Begriff nach, zwar nicht dasselbe, aber auf das innigste verwandt und ineinander. Es ist also ein anderes Zusammengehörigkeitsverhältnis, eine andere Notwendigkeit, welche hier im Interesse der Deduktion verzeichnet werden muß, als die der Erscheinungselemente. Sie sie die begriffliche Zusammengehörigkeit und die begriffliche Notwendigkeit genannt, im Gegensatz zur elementaren, welche auf der zweiten Unterscheidung beruth.

Eher scheint es möglich, den Gattungsbegriff für sich allein zu denken, als das Spezifische. Aber wenn wir dies zu tun vermeinen, so liegt darin nicht die völlige Loslösung und Ausschließung von allem Spezifischen; wir können den Gedanken der Farbe als solcher fassen, aber es ist immer nur eine undurchführbare Substraktionsformel. Das Wesentliche dabei ist immer das Bewußtsein, daß keine der speziellen Farben das Gemeinte ist, daß, was wir meinen, von allen in gleicher Weise gilt, es also gleichgültig ist, an welche beispielsweise gedacht wird.

Wenn ich die Möglichkeit jeder speziellen Farbe wegdenke, also die ausdrückliche Bestimmung, daß die Farbe keine einzige spezielle Farbe ist, hinzudenke, so ist der Allgemeinbegriff  Farbe  sofort nichts. Die allgemein mitgedachte Möglichkeit aller Spezies ist jedem Gattungsbegriff wesentlich. Dies nimmt sich nur bei den Gattungsbegriffen, Raum und Zeit anders aus, weil sie eben eigentlich ein Ganzes der Anschauung sind und alle Spezialität von Räumen und Zeiten nur durch das Raum- und Zeiterfüllende in sie hineingetragen wird, der gedachte abstrakte Raum einer speziellen Erscheinung also als solcher sich von der Gattung Raum aus sich selbst nicht durch ein einziges angebbares Moment unterscheidet. Bei jeder eigentlichen Gattung von Eindrücken aber ist es ganz klar, daß die Ergänzung durch den Gedanken an den Kreis der möglichen Spezies ein wesentlicher Teil des Begriffs ist. Wer hieran zweifelt, denkt gewiß an die sehr wohl in abstracto denkbaren Merkmale von Gattungsbegriffen von Dingen, oder gar an die uneigentlichen Gattungen, welche sich durch ganz äußerliche Merkmale determinieren. Hier ist aber nicht die Rede von einem Zusammenfassen von Merkmalen, welche trotz ihres erkannten realen Zusammenhangs mit anderen ohne diese anderen gedacht werden könenn, sondern von der eigentlichen Gattung der letzten Erscheinungselemente, welche keine Merkmale unterscheiden lassen. Über den Begriff der Existenz dieser abstrakten Momente gilt dasselbe, wie über die Existenz der Erscheinungselemente.

Wenn der vorige Abschnitt nur reine Identifizierungen, bzw. Unterscheidungen und affirmative oder negative Zusammengehörigkeitsurteile kannte, so haben wir nun eine dreifache Zusammengehörigkeit, bzw. Notwendigkeit kennengelernt, die erste, der unterscheidbaren räumlichen Teile, deren tiefere Begründung für später vorbehalten bleiben mußte, - wir können sie die empirische nennen, - zweitens die elementare, und drittens die begriffliche. Natürlich ist auch das Gebiet der reinen Identifizierungen durch diese Unterscheidungen erweitert worden.

Diese Zusammengehörigkeit kann aber in doppelter Weise ausgesagt werden. Erstens kann ich aufgrund dieser Erkenntnis ein Ganzes mit einem oder mehreren seiner Teile, Elemente oder Momente im Urteil verknüpfen, und kann zweitens auch die einzelnen Teile oder Elemente oder Momente für sich untereinander als das Ganze ausmachend verknüpfen. Der reale Sachverhalt, welcher zum Ausdruck kommt, ist in beiden Fällen tatsächlich derselbe, aber die Darstellungsweisen müssen wohl unterschieden werden, weil in der Anknüpfung im Schluß unheilbare Verwirrung entstehen muß, wenn man im einen Fall übersieht, daß das eine Moment im Ganzen schon enthalten ist und nur auf dasselbe als in ihm bereits vorhandenes und sichtbares hingewiesen wird, und im andern, daß nur die einzelnen Momente in künstlicher Trennung vorliegen, welche erst zusammen ein Ganzes ausmachen, und eben nur  deshalb  und  in diesem Sinne  voneinander ausgesagt, miteinander verknüpft werden können.
LITERATUR: Wilhelm Schuppe, Erkenntnistheoretische Logik, Bonn 1878