tb-2p-4C. GöringR. EuckenStaudingerTh. AchelisE. Husserl    
 
ALEXIUS MEINONG
Über die Erfahrungsgrundlagen
unseres Wissens

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"Kann ich, indem ich die Türklinke herunterdrücke, erfahren, daß die Tür dauernd, und nicht vielmehr nur, daß sie eben in diesem Augenblick verschlossen ist? Es scheint außer Zweifel: gerade dieses Allgemeine, Dauernde, was die Wortanwendung zu fordern schien, eben das ist streng genommen aus dem Bereich des Erfahrbaren, offenbar natürlich nur des unmittelbar Erfahrbaren, ausgeschlossen. Erfahrung in diesem Sinne fällt freilich mit  Wahrnehmung  zusammen. Aber indem so das Wahrnehmen nicht nur als ein Spezialfall, sondern als der eigentliche Haupt- und Kernfall des Erfahrens anerkannt wird, kommt der Satz, daß alles Erfahrungswissen auf Wahrnehmung zurückgeht, als der erste grundlegendste Satz der Theorie des empirischen Erkennens auch bereits terminologisch zur Geltung."

Es handelt sich um die alte Frage: Was ist Wahrheit? Wenn ich urteile: im Garten vor meinem Fenster steht eine Esche, deren Stamm von einer kreisrunden Bank eingeschlossen wird, - so ist dieses Urteil wahr, wenn Baum und Bank wirklich im Garten sind, oder genauer, wenn es eine Tatsache ist, daß der Baum und die Bank um ihn existieren."


Vorwort

Die ebenso freundliche wie ehrenvolle Einladung, die die Redaktion der "Abhandlungen zur Didaktik und Philosophie der Naturwissenschaften" an mich hat ergehen lassen, bietet mir die erwünschte Gelegenheit, an dieser Stelle von Erkenntnistatsachen zu handeln, die bei der Untersuchung dessen, was beim Erkennen vorgeht, meist im Hintergrund bleiben. Zumal unter dem mehr traditionellen als bezeichnenden Namen "induktive Logik" hat man Operationen betrachtet, die man ganz wohl als Verarbeitung des durch die Erfahrung dargebotenen Wissens zusammenfassen kann. Das zu Bearbeitende selbst aber, eben die Erfahrung, mochte leicht für eine besondere Untersuchung zu einfach und zu durchsichtig scheinen. Aber ist es schon ansich klar, daß keine Theorie es unterlassen darf, bis auf die letzten ihr zugänglichen Tatsachen zurückzugreifen, so kann man sich im besonderen leicht genug davon überzeugen, daß ein richtiges Erfassen dessen, was allem Erfahrungswissen als solchem zugrunde liegt, nicht nur für die Theorie, sondern auch für die Praxis des Erkennens von Belang ist. Vielleicht führen aber die gegenwärtien Darlegungen auch zu der Überzeugung, daß speziell auf Wege und Ziele naturwissenschaftlicher Forschung durch Aufhellung der empirischen Erkenntnisgrundlagen nicht unwillkommenes Licht fällt.

Meine Darlegungen richten sich eher an den naturwissenschaftlichen als an den philosophischen Fachmann, obwohl sie auch diesem nicht  nur  Bekanntes bringen möchten. Insbesondere hoffe ich Ausdrücke, die jenem ungewohnt sein konnten, nirgends ohne Bestimmung ihrer Bedeutung eingeführt zu haben. Ebenso ist eine ausdrückliche Stellungnahme zur zeitgenössischen Literatur, namentlich Polemik, die an die Adresse bestimmter Autoren zu richten gewesen wäre, meist vermieden worden. Dagegen wäre ein Versuch ganz aussichtslos gewesen, demjenigen, dem die Denkweise wissenschaftlicher Philosophie relativ fremd ist, diese ohne sein ausgiebiges Zutun vertraut zu machen. Es gibt keine Wissenschaft, in der man, und wäre es auch nur in einem Grenzgebiet, Fuß fassen kann ohne ernstes Bemühen; und es gibt keine, bei der man mehr als bei der Philosophie darauf angewiesen ist, durch Selbsttätigkeit zu erwerben, was man besitzen will. Zwar gibt es gerade in unserer Zeit genug an Popularphilosophie, deren Stärke darin liegt, an den Leser - keine Anforderungen zu stellen: sie ist aber auch danach, mag sie ihre angebliche "Naturwissenschaftlichkeit" noch so sehr zur Schau tragen. So bescheiden also auch die Aufgaben sind, die ich mir im folgenden gestellt habe, ich kann dem Leser die Zumutung nicht ersparen, durch sorgsames Mitdenken und Nachprüfen eine Arbeit zu leisten, die ihm unvermeidlich in dem Maße beschwerlicher sein wird, in dem sie ihm noch fremd ist. Nur meine ich solcher Arbeit auch einen angemessenen Erlös in Aussicht stellen zu können, der keineswegs nur davon abhängen wird, ob jene Nachprüfung zu Zustimmung oder zu Widerspruch führen mag.

Weil ich mich aber mehr als einmal darauf angewiesen gefunden habe, bisher unbetretene Wege einzuschlagen, ist es namentlich im dritten und vierten Abschnitt unvermeidlich geworden, die Untersuchung an einigen Stellen umständlicher zu führen, als einer ersten vorläufigen Kenntnisnahme der Hauptgedanken günstig sein mochte. Diesem durch die Natur des Darzulegenden, wie ich hoffe, ausreichend gerechtfertigten Übelstand habe ich durch den Anhang einigermaßen abzuhelfen versucht, indem unter Beifügung fortlaufender Paragraphenzahlen die Hauptergebnisse kurz zusammengefaßt sind, so daß, wer diese oder jene Einzelausführung vorerst zu übergehen vorzieht, durch den Anhang wenigstens in der Hauptsache auf dem Laufenden erhalten bleiben kann. Auch als eine Art Ersatz für ein Sachregister mag der Anhang manchem nicht unwillkommen sein.



Einleitendes

§ 1. Apriorisches und empirisches Wissen

Obwohl Erkenntnistheorie im allgemeinen recht wenig Eignung hat, volkstümlich zu werden, so könnte doch die öffentliche Meinung unserer Tage kaum in etwas einiger sein als in der Anerkennung, die sie der Bedeutung der Erfahrung für unser Wissen zollt. Wäre es darum auch überflüssig, dieser Anerkennung neuerlich Ausdruck zu geben, so dürfte derselben doch kaum eine ausreichend klare Einsicht in die Natur jener Bedeutung zugrunde liegen, um einen Versuch, den Erfahrungsgrundlagen unseres Wissens nachzugehen, der Vorfrage zu entheben, ob unser gesamtes Wissen ohne Ausnahme auf Erfahrung zurückgeht. Die öffentliche Meinung antwortet hierauf unbedenklich mit Ja. Wer sich ihrer Autorität nicht ohne Prüfung fügen will, verweilt naturgemäß zunächst bei Erkenntnisleistungen, für die von alters her mit besonderem Nachdruck der Anspruch auf Unabhängigkeit von der Erfahrung erhoben worden ist. Namentlich der Mathematik hat man lange unbedenklich eine solche Ausnahmestellung eingeräumt. Aber gerade ihr ist sie in neuerer und neuester Zeit immer nachdrücklich bestritten worden, indem man etwa die Arithmetik auf "Zählerfahrungen", die Geometrie auf "Meßerfahrungen" zurückführte. Es mag darum ratsam sein, eine feste Stellung unter Heranziehung von Erkenntnissen zu gewinnen, die dem Streit der Meinungen bisher vielleicht deshalb entrückt waren, weil sie vermöge ihrer Selbstverständlichkeit weder ansich besonderes Interesse wachrufen konnten, noch, wie dies bei manchen gleich selbstverständlichen Erkenntnissen der Mathematik der Fall war, sozusagen eine ganze Wissenschaft hinter sich hatten.

Daß Rot und Grün verschieden ist, darf als Erkenntnis dieser Art gelten (1), ebenso, daß Grau zwischen Schwarz und Weiß, Orange zwischen Gelb und Rot liegt und dgl. Fällen dieser Art halte man als Paradigma einer zweifellos der Erfahrung entnommenen oder, wie man kürzer sagt, einer empirischen Erkenntnis etwa den Satz entgegen, daß der losgelassene Stein fällt, - auf eine genauere, aber umständlichere Formulierung desselben darf hier, wo über die Meinung kein Zweifel aufkommen kann, wohl verzichtet werden. Kann man dann, das ist die nächste  quaestio facti,  behaupten, daß, wer in der angegebenen Weise einmal über den Stein, das andere Mal über die Farben urteilt, sich jedesmal gleichsam in derselben Erkenntnislage befindet?

Es sei dabei natürlich vorausgesetzt, daß man nicht gedankenlose Urteile, die Wahres so gut treffen können wie Falsches, zum Vergleich heranzieht, sondern Urteile, deren Legitimation in einem so hohen Ausmaß an Einsicht besteht, als der zu beurteilende Sachverhalt nur irgend gestattet. Dann wird sofort auffällig, daß man sich in Sachen des fallenden Steines freilich ganz unvermeidlich auf die vielen vorhergegangenen Erfahrungen berufen muß; in Bezug auf die Farben fehlt dagegen für eine analoge Berufung sicher jedes Bedürfnis, und es ließen sich Umstände denken, unter denen auch Gelegenheit oder Recht dazu fehlt. Auf die sonstige Wahrscheinlichkeit dieser Umstände kommt es dabei, um zunächst diesen zweiten Punkt zu erledigen, gar nicht an. Wäre z. B. ein eben sehend gewordener Blindgeborener intelligent und auch unbefangen genug, um das ihm zu erstenmal vorgelegte Rot und Grün von den zufälligen Besonderheiten der Umgebung genügend loszulösen und zu vergleichen, so hätte er gar nichts an früheren ausreichend verwandten Erlebnissen heranzuziehen. Setzte man übrigens etwa Gerüche anstelle der Farben, so dürfte es nicht schwer fallen, Gelegenheiten ausfindig zu machen, wo der Chemiker, Gärtner oder Parfümeur in die Lage kommt, die Verschiedenheit von Eindrücken zu erkennen, die ihm zum erstenmal begegnen. Was aber das Bedürfnis anlangt, die Rechtfertigung für ein solches Urteil gleichsam von auswärts einzuholen, so kann sich darüber jedermann sozusagen durch den eigenen Augenschein unterrichten; er braucht nur sein intellektuelles Gewissen nach der Beglaubigung für seine Überzeugung von der Verschiedenheit zwischen Rot und Grün zu befragen. Wo nicht etwa bereits eine theoretische Vormeinung die Unbefangenheit der Auffassung getrübt hat, denkt niemand daran, die Vergangenheit zu Rate zu ziehen oder die Entscheidung vorsichtig einer späteren Zeit aufzusparen, die am Ende doch noch auf einen Fall führen könnte, wo Rot von Grün nicht verschieden wäre. Man spürt zugleich deutlich, wie hierin eine ganz andere Zumutung an die Zukunft läge als in der Frage, ob trotz der zahllosen Erfahrungen über das Fallen des Steines dieser nicht doch einmal frei in der Luft schweben bleiben könnte. Mit einem Wort: Dem Farbenurteil und seinesgleichen fehlt jene Abhängigkeit von der Erfahrung, die dem Urteil über das Fallen des Steines trotz der Alltäglichkeit dieses Geschehnisses so augenfällig anhaftet; es gibt also bestens berechtigte Urteile, die in dem oben bestimmten Sinn nicht empirisch sind.

Zwei Gedanken, die den Widerstrebenden der Anerkennung eines solchen Ergebnisses zu überleben versprechen könnten, sollen hier kurz erwogen sein. Wer vor allem die Verschiedenheit von Rot und Grün erkennen will, muß die beiden Farben natürlich vergleichen; was ist aber das Vergleichen oder zumindest das Vergleichungsergebnis anderes als das Sehen der Verschiedenheit, die mir also am Ende doch durch eine Erfahrung zur Kenntnis gelangt? Nur nebenbei sei dem zunächst entgegenzuhalten, daß hier schon der psychologische Sachverhalt sicher falsch beschrieben ist. Man findet die Verschiedenheit nicht als Drittes gewissermaßen neben Rot und Grün; die Verschiedenheitsvorstellung ist hier vielmehr aus dem Vergleichungsakt erst hervorgegangen, so daß ich mich für berechtigt halten durfte, in derartigen Fällen von "Vorstellungsproduktion" zu reden (2). Entscheidend ist aber im gegenwärtigen Zusammenhang die Tatsache, daß jetzt von dem Urteil, das uns bisher beschäftigt hat, offenbar noch gar nicht die Rede ist. Dasselbe handelte ja nicht von der Verschiedenheit dieses Rot von diesem Grün, sondern von der Verschiedenheit zwischen Rot und Grün schlechthin. Nun könnte man aber weiter meinen, dieses allgemeine Urteil geht darauf zurück, daß man jener Verschiedenheit immer wieder gewahr werden kann, so oft man die beiden Farben sieht, ja selbst so oft man ihrer bloß in der Phantasie gedenkt: die empirische Natur könnte sonach auch dem allgemeinen Urteil eigen sein. Allein mit dem Hereinziehen der Phantasie ist zuerst einmal ein Moment in Anschlag gebracht, das die Eigenartigkeit des Farbenurteils nur in einem neuen Licht zeigt; niemand würde sich zugunsten des Fallurteils auf die Phantasie berufen wollen. Überdies wäre es aber auch eine seltsame Empirie, wenn für dieselbe schon die Phantasie ausreichte, d. h. eine Erfahrung auch an Farben gemacht werden könnte, die gar nicht existieren. Zum Überfluß wäre jedoch trotz der so in Kauf genommenen handgreiflichen Unnatur immer noch nichts gewonnen. Denn woher wüßte ich hier umso viel besser als beim fallenden Stein, daß ich auch jedes künftige Mal dem Rot und Grün seine Verschiedenheit werde ansehen können? Es unterliegt wohl keinem Zweifel: auf diesem Weg ist der empirische Charakter des Farbenurteils nicht zu retten.

Ganz anderer Art, viel populärer und auch viel natürlicher ist ein zweiter Gedanke. Kann einem Urteil über Rot und Grün wirklich Unabhängigkeit von der Erfahrung nachgesagt werden, obgleich wir doch nur aus der Erfahrung wissen, was Rot und Grün ist? Ohne Zweifel ist hier der Hinweis auf eine ganz unanfechtbare Tatsache geeignet, Unklarheit in die Auffassung eines sonst bereits geklärten Verhaltens zu bringen. Das alte Prinzip: "Nihil est in intellectu, quod non fuerit antea in sensu" [Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war. - wp] ist, falls es mit der Theorie von der Vorstellungsproduktion auch nur der Hauptsache nach seine Richtigkeit hat, für die Tatsachen, die es umfassen soll, sicher zu einfach; allein für Farben und andere sinnliche Qualitäten gilt es, zumal wenn man nicht auf unbegrenzte Genauigkeit Anspruch erhebt, ohne Vorbehalt. Aber je weiter die Geltungssphäre ist, die man dem Prinzip mein einräumen zu dürfen, umso deutlicher kann man erkennen, wie es doch etwas ganz anderes betrifft als das, wovon hier unter der Bezeichnung "Abhängigkeit von der Erfahrung" bisher die Rede war. Denn günstigstenfalls stehen hinsichtlich dieses Prinzips Farbenurteil und Fallurteil auf gleicher Linie; jene Unterschiede also, um deren willen oben dem zweiten dieser Urteile ein Erfahrungsurteil zugesprochen werden mußte, der dem ersten Urteil fehlt, werden durch das Prinzip und den darin verbürgten Erfahrungsanteil offenbar gar nicht betroffen. Auch die Vorstellungen des Steins, des Loslassens und des Fallens entstammen der Erfahrung: aber so weit es nur auf diese Erfahrung ankommt, der ja nicht minder auch die Vorstellung des Freischwebens zu entnehmen war, könnte mit gleichviel Recht vom losgelassenen Stein behauptet werden, daß er frei in der Luft schweben bleibt. Die Erfahrung also, die dies zu behaupten verbietet und das Fallurteil verlangt, fällt sozusagen nicht mit der Erfahrung zusammen, der jene Vorstellungen entspringen, oder besser: Es ist ein anderer Anteil der Empirie, der den  Vorstellungen,  ein anderer, der unter Umständen dem  Urteil  zustatten kommt. Beim Fallurteil kommt insofern die Erfahrung zweimal zu Wort: dieses Urteil ist empirisch seinen Vorstellungen und noch einmal empirisch seiner Natur als Urteil nach. Sollte dagegen das Farbenurteil auch allen seinen Vorstellungen nach empirisch sein, als Urteil ist es nicht empirisch, und nur von dieser zweiten Seite am Urteil war im vorhergehenden die Rede. Zugleich sei festgesetzt, daß auch im folgenden nur in diesem Sinne den Urteilen eine empirische Natur oder Abhängigkeit von der Erfahrung zu- oder abgesprochen werden soll. Es gehört zu den alltäglichsten, aber folgenschwersten Verwechslungen, in dieser Sache das, was der Vorstellung, und das, was des Urteils ist, nicht gehörig auseinanderzuhalten.

Erkenntnisse, die im eben bestimmten Sinn nicht empirisch sind, pflegt man nach altem Herkommen  apriorisch  zu nennen. Ich folge diesem Herkommen, betone aber nachdrücklichst, daß ich in den Begriff des Apriori keine der aus der Etymologie des Wortes wie auch immer herauszuholenden positiven Bestimmungen, sondern ausschließlich die  Negation  des manchen  Urteilen  zukommenden  Erfahrungsanteils  einbezogen haben möchte. Bedeutet also "apriorisch" nichts weiter als "nichtempirisch", so könnte man ganz wohl im Hinblick auf den zuvor berührten Anteil der Erfahrung dort, wo dieser fehlt, auch von apriorischen  Vorstellungen  reden und dadurch, selbst wenn man dabei insbesondere die "produzierten Vorstellungen" im Auge hätte, dem kantischen Sprachgebrauch ziemlich nahe kommen. Ich verzichte auf diesen Anschluß, weil damit unter der (vielleicht schon ansich mehr äußerlich als innerlich zusammenfallenden) negativen Bestimmung zwei positiv doch ganz grundverschiedene Tatbestände zusammengenommen würden, von denen nur dem einen erkenntnistheoretische, dem anderen dagegen zunächst ausschließlich eine psychologische Bedeutung zukommt. Ich will also, wie man es vor KANT ja wohl ausnahmslos getan haben wird, vom Apriori nur als von einer Eigenschaft mancher  Urteile  reden. Vielleicht ist durch diese Bestimmung auch ganz ausdrücklich dem eben bekämpften Mißverständnis vorgebaut, als ob mit dem Apriori solcher Urteile das psychologische Verhältnis der darin auftretenden  Vorstellungen  zu vorhergehenden Erfahrungen irgendetwas zu schaffen hätte.

Doch möchte es nunmehr an der Zeit sein, den so durchaus negativ definierten und im obigen auch fast nur negativ beschriebenen apriorischen Urteilen auch etwas an positiver Charakteristik zukommen lassen. Man trifft den Kern der Sache, sobald man bei einem apriorischen Urteil (man mag zunächst wieder nur an eines von der einfachen Beschaffenheit des obigen Farbenurteils denken) die  quaestio juris  stellt, eben die, zu deren Beantwortung man sich beim empirischen oder aposteriorischen Urteil auf vergangene Erfahrungen berufen muß. Woher also nehme ich das Recht, Rot für von Grün verschieden zu halten? Nicht von irgendwo außerhalb des beurteilten Sachverhalts her; umso sicherer dafür aus dessen eigener Natur. Weil Rot eben Rot und Grün eben Grün ist - man könnte beifügen, weil Verschieden eben Verschieden ist - deshalb gilt unser Satz; er hängt an der Natur des Beurteilten und hat in dieser seinen Grund. Darum habe ich, um den Satz einzusehen, auch nichts weiter nötig, als dieses Beurteilte oder eigentlich von mir zu Beurteilende mit ausreichender Klarheit zu erfassen. Unter günstigen Umständen gelange ich so zu einem evidenten Urteil vollster Gewißheit; und ich erkenne in dieser Weise nicht nur, daß Rot von Grün verschieden ist, sondern auch, daß es  nicht  anders als verschiedensein  kann,  daß dieses Verschiedensein  notwendig  ist. Und daß dies alles in der Natur oder Beschaffenheit des Beurteilten beruth, darin liegt auch noch die wichtige Tatsache beschlossen, daß es hier zwar durchaus auf das Sosein (3), wie man oft deutlicher statt "Beschaffenheit" sagen kann, der beurteilten Gegenstände, ganz und gar nicht aber auf deren Sein, genauer deren Existenz (4) ankommt. In der Tat, sollte sich irgendjeman ein Rot und ein Grün in der Phantasie vorstellen können, das noch niemand wirklich gesehen hat, so wären diese beiden Farben sicher verschieden. Gibt es aber, wovon noch zu reden sein wird, eigentlich überhaupt weder Rot noch Grün in Wirklichkeit, dann kann man sich die immerhin etwas absonderliche Annahme eines Urteils über ungesehene Farben ganz ersparen; für die Gültigkeit des Verschiedenheitsurteils spielt das nicht die geringste Rolle.

Vielerlei ist es, was wir also an unserem apriorischen Urteil angetroffen haben, und was in gleicher Weise bei allen anderen apriorischen Urteilen unter ausreichend günstigen Umständen anzutreffen ist: sie sind in der Natur ihrer Gegenstände oder, wie man kürzer sagen kann, sie sind gegenständlich begründet, sie sind evident gewiß (5), sie gelten mit Notwendigkeit (6), und sie nehmen keine Rücksicht darauf, ob ihre Objekte existieren oder nicht. Wie charakteristisch diese Züge sind, erhellt sich am besten, wenn wir im Hinblick auf sie noch einmal unser Paradigma des empirischen Erkennens zurate ziehen. Daß der losgelassene Stein fällt, kann niemand aus dem, was er sich vor einschlägigen Erfahrungen von der Natur des Steins, des Loslassens oder des Fallens denken darf, entnehmen; eben darum braucht er ja die Erfahrung, die für das apriorische Erkennen entbehrlich ist. Eine für volle Gewißheit ausreichende Evidenz wie beim apriorischen Urteil kann man, wenn man sich nicht etwa auf ganz Individuelles beschränkt, auch durch alle Erfahrungen der Welt nicht erlangen (7). In der Praxis rechnet freilich niemand mit der Eventualität des Schwebenbleibens; aber daß man zur Überzeugung vom Fallen nie in dem Maße vollberechtigt ist wie zu der von der Verschiedenheit von Rot und Grün, das kann zumindest die Erkenntnistheorie keinen Augenblick übersehen. Die so weitgehende Verschiedenheit der Erkenntnislage beim Aposteriori gegenüber der beim Apriori kommt nun auch in Bezug auf die Notwendigkeit zur Geltung. Daß der Stein nicht bloß fällt, sondern auch fallen muß, ja daß nichts geschieht, was nicht notwendig geschieht, davon überzeugt zu sein, haben wir vielleicht unsere guten Gründe, aber die Erfahrung, auf die unser empirisches Urteils sich berufen kann, verrät hierüber nicht das Geringste. Sie lehrt, was wr, was ist, und etwa auch, was sein wird; die Notwendigkeit jedoch entzieht sich ihrem Forum. Und ebenso verstummt das Zeugnis der Erfahrung (8), sobald der Boden des Wirklichen verlassen wird: das Fallurteil betrifft die wirklichen Steine, hätte aber selbstverständlich keinen Sinn, wenn es keine Steine gäbe.

Ich habe bisher die Sache des apriorischen Erkennens auf möglichst neutralem Boden zu führen versucht, aber keineswegs in der Meinung, daß sich das an relativ gleichgültigen Urteilen Festgestellte nun nicht aufch auf den bedeutsamsten Boden mathematischen Erkennens verpflanzen läßt. Daß sich die Übertragung auf primitive Urteile wie "3 ist größer als 2", "die Kreislinie ist von der Geraden verschieden" ohne weiteres vornehmen läßt, ist nun sofort klar. Durch die Einführung komplizierter Verhältnisse aber läßt sich zwar die Übersichtlichkeit, nicht aber die Natur der Sachlage verändern. Im Besonderen wird man sich auch nicht durch die "Zählerfahrungen" irre machen zu lassen brauchen und ebensowenig durch die Sanktion, welche der empiristischen Auffassung der Arithmetik durch den Elementarunterricht zuteil zu werden scheint. Alles apriorische Urteilen verarbeitet, wie wir gesehen haben, ein ihm vorgegebenes Gegenstandsmaterial. Soweit Erfahrung dazu nötig ist, in den Besitz dieses Materials zu gelanden, soweit sie durch Herbeiführung der unerläßichen Anschaulichkeit diese Verarbeitung ermöglicht oder fördert, insoweit kann sie für das Zustandekommen arithmetischer Erkenntnisse eine ganz wesentliche Vorbedingung abgeben; aber dies beeinträchtigt in keiner Weise den apriorischen Charakter der betreffenden Urteil. Ähnliches wird von Konstruktions- und Meßerfahrungen in der Geometrie gelten. Überdies aber mag es manchmal vom Standpunkt rationaler Didaktik, wohl auch vom Standpunkt noch unvollkommenen Wissens aus ganz angemessen sein, sich dort mit bloß empirischem Erkennen zufrieden zu geben, wo apriorisches zwar der Natur der Sache nach möglich, aber aus diesem oder jenem subjektiven Grund zur Zeit gar nicht oder schwer zugänglich wäre. Aber eine durch bloßes Probieren gefundene und verifizierte Regel über die Teilbarkeit gewisser Zahlen gilt für "unbewiesen", obwohl hier das "Probieren" vom wirklichen Befragen der Empirie schon recht verschieden ist, wie sich am besten aus dem Umstand erhellt, daß niemandem einfallen würde, an einer bestimmten Zahl öfter als einmal zu "probieren". Und welcher Mathematiker würde das Gesamtniveau seiner Wissenschaft auf das Niveau auch nur jener unbewiesenen Regel herabdrücken wollen.

Gelegentlich freilich führt man auch die neuere Geometrie gegen EUKLID in die Schranken, um darzutun, daß es am Ende doch nur von den Ergebnissen der Messung abhängt, ob wir die Summe der Dreieckswinkel für mehr oder weniger verschieden von 180° ansehen dürfen oder müssen. Dennoch aber hätte gerade die Geometrie der krummen und der  n- dimensionalen Räume besonders nachdrücklich darauf aufmerksam machen können, wie wenig es der geometrischen Untersuchung wesentlich ist, nach Wirklichkeit und Erfahrung zu fragen. Jene Messungen am Dreieck aber können ihren guten Sinn haben, der der apriorischen Natur der EUKLIDschen oder sonst einer Geometrie nicht das Geringste abträgt. EUKLID handelte vom geraden Raum: daß man auch von krummen Räumen handeln kann und dabei zu Sätzen gelang, die mit denen über den geraden Raum durchaus nicht immer stimmen, - daß man von den Eigenschaften des uns vertrauten dreidimensionalen Raums durchaus nicht alles aufgeben muß, in diesem Sinne also immer noch eine Art Raum zurückbehalten kann, wenn man die Anzahl der Dimensionen herabsetzt oder steigert, das gehört sicher zu den wichtigsten Entdeckungen moderner Mathematik, behält aber, soviel ich sehe, auch noch durchaus den Charakter apriorischer Einsicht. Ob jedoch der Raum unserer Erfahrung ebenfalls das Krümmungsmaß  0  aufweist, das ist gewiß eine erwägenswerte Frage, die nur empirische zu lösen ist. Allein die Frage der Geometrie ist das so wenig, wie es die Geometrie angeht, ob ein Körper bei seiner Bewegung im Raum seine Größe behält, oder, um zu vernünftigen und diskutierbaren Beispielen auch ein unvernünftiges und undiskutierbares zu fügen, ob von den Kugeln, die das Kind an seiner Rechenmaschine hin und her schiebt, nicht etwa unter Umständen die eine oder die andere in eine vierte Dimension verschwindet. Letzteres würde die elementaren arithmetischen Operationen so wenig berühren wie eine Größenveränderung von eben erwähnter Art die Kongruenzgesetze.

An den Schluß dieser kurzen, naturgemäß nichts weniger als erschöpfenden Ausführungen über eine erkenntnistheoretisch grundlegende Sache setze ich den Hinweis auf einen ansich nebensächlichen, gleichwohl für die Stellung des Apriori in der öffentlichen Meinung von heute vielleicht ziemlich maßgebenden Umstand. Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich vermute, daß an dem heute ohne Zweifel verbreiteten Vorurteil gegen das Apriori am wenigsten bekannt sein wird, - wohl ber wegen der aus einer solchen Unbekanntschaft hervorgehenden, mehr oder weniger primitiven Etymologien, bzw. Übersetzungsversuche. Das "Prius", aus dem die betreffenden Erkenntnisse herzustammen scheinen, wird dabei jedenfalls ein recht mysteriöses Ding und liegt zumindest vor der Geburt des erkennenden Subjekts. Apriorische Erkenntnisse sind dann so etwas wie angeborene Urteile, Erkenntnisbestätigungen, die der Mensch fertig auf die Welt bringt und in Bezug auf diese es dann wohl auch weder von Generaton zu Generation noch vor dem Eintreten der Menschen in die Weltgeschichte eine Erwerbung oder Entwicklung geben könnte. Man kann sich wirklich nicht darüber wundern, wenn niemand, der in die Gedankenkreise unserer Zeit eingelebt ist, sich auf eine Erkenntnistheorie dieser Art möchte einlassen wollen. Den obigen Aufstellungen gegenüber sind dies jedoch nichts als Mißverständnisse, denen ich wirksamer als durch den Hinweis auf die authentische Bedeutung des Ausdrucks "a priori" durch die definitorische Festsetzung zu begegnen hoffte, daß hier unter Apriori zunächst nichts anderes als der oben näher präzisierte Ausschluß der Empirie gemeint sein soll. An ihn konnte sich dann eine Beschreibung der positiven Eigenschaften der betreffenden Urteile knüpfen, in der, wie sich gezeigt hat, von Angeborenheit oder Entwicklungsfähigkeit unserer intellektuellen Leistungen mit keinem Wort zu reden war. Außerdem ist nun aber auch leicht zu ermessen, wie wenig sich derlei in den Zusammenhang der gegenwärtigen, durchauchs auf erkenntnistheoretische Ziele gerichteten Erwägungen schickte. Angeborenheit, so oft man es auch verkannt hat, stellt doch, einigermaßen genau besehen, in keinem Sinn einen Legitimationsgrund dar: warum könnte nicht einmal auch ein Irrtum angeboren sein? Ebensowenig ist die erkenntnistheoretische Natur einer Einsicht durch den Zeitpunkt betroffen oder charakterisiert, in dem sie in der Menschheitsgeschichte auftritt, oder durch die Art und Dauer der Vorbereitung, die dazu erforderlich war.

Übrigens ist vielleicht in einem Zusammenhang, der, wie bemerkt, ohnehin vorwiegend einer Argumentation "ad homines" gilt, auch meinerseits eine hier ganz persönlich auftretende Meinungsäußerung einer Verständigung förderlich. Ich denke im voranstehenden nachdrücklich genug für die Anerkennung eines Apriori in unserem Wissen eingetreten zu sein. Ich fühle mich aber durch diese Anerkennung nicht im Geringsten in der Überzeugung behindert, daß der Mensch zwar vielerleit Fähigkeiten oder Dispositionen, aber keinerlei fertiges Wissen mit auf die Welt bringt, und daß diese Fähigkeiten selbst und durch sie hindurch natürlich auch das Wissen, das ohne sie nicht erworben werden könnte, so gewiß bloß vorläufige Endglieder einer unabsehbaren Entwicklungsreihe sind als alles andere, was heute unserer Erfahrung im Bereich psychophysischen Lebens entgegentritt. Ich sage "vorläufige Endglieder" nicht in der Meinung, als ob es Zeiten geben könnte, in denen  3  nicht mehr größer als  2  zu sein braucht: was wir apriorisch erkennen - freilich eigentlich auch, was wir empirisch erkennen, wenn es nämlich wirklich Erkenntnis im strengsten Sinne ist - ist zeitlos und insofern auch von ewiger Geltung. Aber niemand zweifelt daran, daß wir auch in Sachen unseres apriorischen Wissens nicht am Ende, sondern irgendwo in der Mitte des im Fortschreiten zu durchmessenden Weges stehen. Mancher aber mag hoffen, ein tieferes Eindringen in Wesen und Ziele apriorischer Forschung, wie es zur Konzeption des Begriffs der "Gegenstandstheorie" und zur ersten Inangriffnahme der ihr zugewandten Untersuchungen geführt hat (9), wird sich einem solchen Fortschreiten in Zukunft in besonderem Maß als günstig erweisen.


Erster Abschnitt
Das Wesen der Erfahrung

§ 2. Die unmittelbare Erfahrung

Wir haben also gefunden, daß das menschliche Erkennen (mindestens) in zwei Gestalten auftritt über deren völlige Verschiedenheit der Unbefangene kaum in Zweifel sein kann. Nicht alles Wissen ist Erfahrungswissen, weil diesem ein in gewissem oben näher bestimmten Sinn erfahrungsfreies Wissen, das apriorische, zur Seite steht. Die beiden Erkenntnisweisen sorgfältig auseinanderzuhalten und bei ihrem Vorkommen richtig zu agnoszieren [identifizieren - wp], ist eine der primitivsten, zugleich aber auch wichtigsten Anforderungen an das erkenntnistheoretische Können. Dieser prinzipiellen Verschiedenartigkeit tut es aber keinen Eintrag, daß man den beiden Erkenntnisweisen in der Denkpraxis nicht etwa stets in reinlicher Trennung begegnet. Nichts ist vielmehr gewöhnlicher, als daß apriorische und aposteriorische Bestandsstücke ein Erkenntnisganzes ausmachen, das dann erforderlichenfalls nach seinen beiden charakteristischen Seiten gewürdigt sein will. Wir werden bald genug auf Fälle dieser Art geführt werden.

Es ist aber nur das Erfahrungswissen, was den eigentlichen Vorwurf der folgenden Darlegungen ausmacht, und auch dieses nicht in seiner Gänze. Jedermann weiß, daß wir die Erfahrungen, die wir machen, in verschiedenster, oft recht verwickelter Weise zur Gewinnung neuen Wissens verwerten. Auch solches Wissen ist Erfahrungswissen, so gut wie die Erfahrung selbst, aus der es gewonnen ist: aber nur von dieser letzteren soll im folgenden die Rede sein. Weil man jedoch nicht selten die Gesamtheit des aus Erfahrung im eigentlichen Sinne hervorgegangenen Wissens kurzweg als "Erfahrung" zusammenfaßt, sei die eigentliche Erfahrung als  unmittelbare Erfahrung  dem übrigen Erfahrungswissen als  vermittelter Erfahrung  ausdrücklich entgegengesetzt und erstere als der Gegenstand der nun in Angriff zu nehmenden Untersuchungen bestimmt.

Natürlich stellt sich nun als erstes, dem diese Untersuchungen sich zuwenden müssen, die Frage nach dem Wesen dessen dar, was wir in dieser unmittelbaren Erfahrung vor uns haben. Der Sprachgebrauch, an den die Beantwortung unvermeidlich anknüpfen muß, erweist sich einer solchen nicht in jeder Hinsicht günstig (10). Ich meine hier nicht in erster Linie gewisse Nebenbedeutungen, wie sie vielen Wörtern anhaften, ohne sonderlich zu stören. Solche fehlen auch den Wörtern "Erfahrung" und "erfahren" nicht. Ein findiger Reporter hat eine Sensationsgeschichte in "Erfahrung" gebracht, nahezu bevor sie sich zugetragen hat; der neugierige Leser "erfährt" die Nachricht aus der Zeitung usw. Das kann an der Hauptsache so wenig irre machen, als wenn etwa von der Deformation die Rede ist, die eine Panzerplatte durch ein Projektil "erfahren" hat und dgl.

Aber in Bezug auf diese Hauptsache stößt man auf eine eigentümliche Schwierigkeit. Die so überaus häufigen Fälle nämlich, wo das Wort  Erfahrung  ohne das Bewußtsein irgendeiner Bedeutungsübertragung angewendet wird, zeigen, wenn ich recht sehe, eine auffallende Übereinstimmung darin, daß das, was erfahren wird, allemal etwas Allgemeines oder zumindest etwas vergleichsweise Bleibendes ist. Wer den Stein in unserem oben vielgebrauchten Beispiel losläßt, erfährt, daß er fällt. Das Kind, das in die Flamme greift, erfährt, daß Feuer brennt. Wer eine Tür vergeblich aufzuklinken versucht, erfährt so, daß sie versperrt ist etc. Dagegen sagt man nicht, man erfährt, daß ein Vogel vorbeifliegt oder eine Kanone abgeschossen wird, wenn man jenes sieht, bzw. dieses hört. Was so zu reden verbietet, kann wohl nicht etwas anderes als das Individuelle, Vorübergehende am Erkannten sein. Nun stellt sich dem aber eine auch ihrerseits nicht wohl zu beseitigende Erwägung entgegen: kann ich den wirklich erfahren, daß der Stein im Allgemeinen oder auch nur, daß dieser Stein unter den bekannten Bedingungen jedesmal fällt? kann ich, indem ich die Türklinke herunterdrücke, erfahren, daß die Tür dauernd, und nicht vielmehr nur, daß sie eben in diesem Augenblick verschlossen ist? Es scheint außer Zweifel: gerade dieses Allgemeine, Dauernde, was die Wortanwendung zu fordern schien, eben das ist streng genommen aus dem Bereich des Erfahrbaren, offenbar natürlich nur des unmittelbar Erfahrbaren, ausgeschlossen. Ob dieser Ausschluß erst durch das Streben nach erkenntnistheoretisch strenger Betrachtungsweise nachträglich hereingetragen worden ist, wage ich nicht zu entscheiden. Selbst wenn es der Fall sein sollte, dann hat gerade das für uns hier maßgebende Interesse zu einer Abänderung des vorwissenschaftlichen Sprachgebrauchs geführt, der wir uns schon um ihrer Intention willen schwer entziehen könnten. Erfahrung in diesem Sinne fällt freilich, wie ohne weiteres ersichtlich ist und im folgenden noch deutlicher werden wird, mit  Wahrnehmung  zusammen. Aber indem so das Wahrnehmen nicht nur als ein Spezialfall, sondern als der eigentliche Haupt- und Kernfall des Erfahrens anerkannt wird, kommt der Satz, daß alles Erfahrungswissen auf Wahrnehmung zurückgeht, als der erste grundlegendste Satz der Theorie des empirischen Erkennens auch bereits terminologisch zur Geltung; und um dieses Satzes willen ist auch bereits im Titel der gegenwärtigen Schrift nicht auf die Wahrnehmung, sondern auf die Erfahrung Bezug genommen worden.


§ 3. Das Wahrnehmungsurteil

Ist also unmittelbare Erfahrung so viel als Wahrnehmung, so können wir nun die Hauptfrage dieses Abschnitts auch so aussprechen: Worin besteht das Wesen der Wahrnehmung? (11) Man pflegt sich bei der Beschreibung eines solchen Erlebnisses herkömmlich bloß bei dessen Vorstellungsseite aufzuhalten. Sehe ich etwa einen Baum, so tritt ja in der Tat in mir eine Vorstellung vom Baum auf, die eigenartig genug ist, um sie etwa von einer bloßen Phantasievorstellung desselben Baumes meist recht deutlich unterscheiden zu können. Man sagt gern, es seien Empfindungen, die der Baum in mir erregt; oft mag sich aus Gründen, auf die hier nicht eingegangen zu werden braucht, noch besser empfehlen, von Wahrnehmungsvorstellungen zu reden - das Wort  Vorstellung  so weit gefaßt, daß es auch Empfindungen unter sich begreift (12). Viel wichtiger aber ist, darüber im Klaren zu sein, daß eine Vorstellung und insbesondere eine Wahrnehmungsvorstellung noch keineswegs eine Wahrnehmung ist. Sehe ich den Baum, so ist diesem Erlebnis nicht das allein wesentlich, daß ich eine Vorstellung des Baumes erhalte: niemand würde sagen, daß er den Baum sieht, wäre mit der Vorstellung nicht die Überzeugung verknüpft, daß der Baum da ist. Das Analoge gilt natürlich auch von allen anderen Wahrnehmungsfällen, so daß sich behaupten läßt: jede Wahrnehmung ist ein  Urteil,  worin dann die gewöhnlich einseitig bevorzugte Tatsache des Vorstellens beim Wahrnehmen in dem Maße bereits eingeschlossen ist, als es für unmöglich gelten darf, zu urteilen, ohne vorzustellen (13).

Vielleicht ist man aber geneigt, dieser Bestimmung entegegenzutreten, weil sie aus einer ganz einfachen Sache eine recht komplizierte zu machen droht. Urteile ich denn wirklich, so mag man fragen, jedesmal, wenn ich den Baum sehe, und jedesmal, wenn sich die unzähligen sonstigen Wahrnehmungen vollziehen, durch die ich normalerweise auf meine Umgebung reagiere? Ich kann natürlich über den Baum, wenn ich ihn gesehen habe, urteilen, etwa, daß er eine Fichte, daß sein Stamm gerade gewachsen ist, und vieles andere. Aber da kann ich auch leicht Subjekt und Prädikat angeben, wie es sich für ein Urteil gehört; vielleicht sind mir auch sogleich die zugehörigen Worte gegenwärtig usw. Wer aber fände Ähnliches bereits beim bloßen Sehen? Wird diese Akt in seiner Einfachheit dann nicht doch bloß als eine besondere Art des Vorstellens zu beschreiben sein?

Es ist ein noch ziemlich verbreiteter Irrtum, auf den derlei Gedanken zurückgehen. Gewiß gibt es viele Urteile, bei denen sich eine Art Gegensätzlichkeit zwischen einem Subjekt und einem Prädikat aufdrängt, insbesondere dann, wenn das Urteil in einem sprachlichen Gewand auftritt. Aber so gewiß man ein Urteil fällen kann, ohne es auszusprechen, so wenig macht das Auseinandertreten von Subjekts- und Prädikatsvorstellung das Urteil aus: denn jenes kann vorkommen, wo dieses fehlt. Nehme ich etwa an, daß sich man gegenwärtiges Wohnhaus im Hochgebirge befindet, so fehlt es durchaus nicht an Subjekt und Prädikat, wohl aber an der Überzeugung, d. h. am Urteil. Ich glaube ja nicht, daß ich im Hochgebirge wohne: ich nehme es bloß an. Ich natürlich durchaus nicht jedesmal etwas annehmen, von dem ich weiß, daß es nicht zutrifft: ich kann auch etwas annehmen, von dem ich weiß, daß es nicht zutrifft: ich kann auch etwas annehmen, von dem ich weiß, wie es damit bewandt ist. Dann kann diese Annahme, etwa im Zeugnis eines Unterrichteten, ihre Verifikation finden und meine Annahme daraufhin in ein Urteil übergehen. Obwohl nun schon die Annahme mehr ist als bloße Vorstellung (14), so mag doch dieser Übergang geeignet sein, darauf aufmerksam zu machen, wie wenig das Wesen des Erlebnisses, das wir unter dem Namen des Urteils kennen, in jenen Äußerlichkeiten besteht. Trifft man nun überdies, wie man kaum in Abrede stellen wird, in jedem Wahrnehmungsfall die Überzeugtheit tatsächlich an, so wird man in der relativen Einfachheit des Sachverhalts wohl nicht mehr ein Hindernis erblicken können, auch hier von einem obligatorischen Anteil des Urteils zu reden.

Könnte man nun aber nicht wenigstens das eine zugeben, daß die Wahrnehmungsvorstellung, wenn sie auch nicht die Wahrnehmung ausmacht, sie doch insofern ausreichend charakterisiert, daß überall, wo eine Wahrnehmungsvorstellung anzutreffen ist, auch die Wahrnehmung nicht fehlen wird? Dies könnte geradezu als in der Bedeutung des Ausdrucks "Wahrnehmungsvorstellung" gelegen betrachtet werden. Aber mit Unrecht: Wahrnehmungsvorstellung heißt jede Vorstellung, die so beschaffen ist wie die Vorstellungsgrundlage einer Wahrnehmung. Das schließt nicht aus, daß so beschaffene Vorstellungen ausnahmsweise auch anderswo vorkommen können; und es gibt einen, immerhin halb pathologischen Fall, wo sie auch wirklich vorkommen dürften. Man wird zunächst kaum fehlgehen, wenn man die normale Halluzination, ausschließlich von der psychologischen Seite betrachtet, mit der gewöhnlichen Wahrnehmung durchaus auf eine gleiche Linie stellt: dort wie hier findet man eine Wahrnehmungsvorstellung, an die sich die Überzeugung von der Existenz des dort freilich bloß Halluzinierten schließt. Nun kann man jedoch auch halluzinieren, zugleich aber um die halluzinatorische Natur des Erlebnisses wissen, wohl gar imstande sein, es willkürlich herbeizuführen. An der Beschaffenheit der Vorstellung wird dabei natürlich nichts geändert; man kann aber ein Urteil nicht fällen, wenn man weiß, daß es falsch wäre. In Fällen dieser Art hat man dementsprechend zwar Wahrnehmungsvorstellungen, aber keine Wahrnehmungsurteile.

Daß also alles Wahrnehmen Urteilen ist, hat übrigens implizit jedermann anerkannt, der in allem Erfahren eine Art Erkenntnisgewinnung, in der Wahrnehmung aber die eigentliche, unmittelbare Erfahrung sieht: denn es gibt kein Erkennen und kann keines geben, das nur Vorstellen und nicht auch oder vielmehr zunächst Urteilen wäre. Wer aber den in einer Wahrnehmung liegenden Tatbestand zu beschreiben versucht, für den erwächst daraus die Aufgabe, nun genauer festzustellen, wodurch sich eine Wahrnehmungsurteil von den vielen Urteilen unterscheidet, die nicht Wahrnehmung sind. Man kommt damit am raschesten zum Ziel, wenn man sich zunächst an eine Seite des Urteils hält, der sich die Forschung allerdings erst in der jüngsten Zeit ausdrücklich zugewandt hat, deren Bedeutsamkeit aber auch schon heute trotz des naturgemäß noch niedrigen Standes unseres Wissens darüber wohl nicht mehr in Frage zu stellen ist.


§ 4. Das Wahrnehmungsobjektiv

Man weiß längst, daß es keine Vorstellung gibt, die nicht auf etwas, d. h. auf ein Objekt gerichtet wäre. Das Objekt der Vorstellung kann Objekt eines Urteils werden, wenn die betreffende Vorstellung Grundlage eines Urteils wird, und jedenfalls gibt es so wenig ein Urteil ohne Objekt wie eine Vorstellung ohne Objekt. Es ist nun auffallend, daß die auf dieses Objekt bezügliche Wendung "ich stelle etwas vor", wenn man sie auf das Urteil überträgt, nicht ebenfalls dieses Objekt trifft. Vorerst scheint die Übertragung schon sprachlich nicht recht angängig; man sagt nicht leicht: "ich urteile etwas". Mit Bezug auf einen Spezialfall des Urteilens, das Erkennen, besteht aber ein solches Hindernis nicht: die Wendung "ich erkenne etwas" ist ja ganz gebräuchlich. Hier wird nun deutlich, wie diesmal das "etwas" durchaus nicht das Objekt der etwa zugrunde liegenden Vorstellung ist. Gesetzt, ich bilde mir die Vorstellung eines brennbaren Steins; dann ist das "etwas", das ich vorstelle, eben der brennbare Stein. Belehrt mich nun jemand darüber, oder erfahre ich direkt, daß es derlei Steine in Wirklichkeit gibt, so bin ich zu meiner Erkenntnis gelangt, und es besteht kein Zweifel, daß ich hier so wenig wie irgendwann sonst zu erkennen vermochte, ohne  etwas  zu erkennen. Aber diesmal ist das "etwas" nicht der brennbare Stein: zu sagen, daß ich vermöge jener Belehrung oder Erfahrung einen brennbaren Stein erkenne, hat ja gar keinen oder einen schiefen Sinn. Das, was ich erkenne, ist vielmehr offenbar dies,  daß  es brennbare Steine  gibt.  Und mit ganz leichter Gewaltsamkeit kann man diese Ausdrucksweise statt speziell auf "erkennen" auch auf "urteilen" ganz im allgemeinen anwenden und etwa sagen: das, was ich urteile, ist, daß es brennbare Steine gibt. Das,  was  man urteilt, zeigt sich dann deutlich verschieden von dem,  worüber  man urteilt. Was letzteres für die Vorstellung ist, das ist ersteres für das Urteil, - etwas Objektartiges, für das ich, nachdem mich vorher ganz andere Erwägungen als die obigen darauf geführt hatten (15), die Benennung  "Objektiv"  in Vorschlag gebracht habe. Übrigens aber hätte das eben Dargelegte so gut wie von Urteilen auch von Annahmen ausgeführt werden können. Auch annehmen kann ich nicht, ohne etwas anzunehmen: aber wieder ist das, was ich annehme, nicht etwa ein Vorstellungsobjekt, sondern jenes charakteristische Etwas, das zunächst in den "daß"-Konstruktionen so ungezwungen zum Ausdruck gelangt, eben das Objektiv.

Objekt und Objektiv sind die beiden auch in sich, ohne Rücksicht auf die sie erfassenden psychischen Tätigkeiten wohlcharakterisierten (16) Hautgegenstandsklassen. Geht man aber von diesen Operationen des Erfassens aus, so läßt sich auch sagen; was durch das Vorstellen erfaßt wird, ist Objekt; was durch Urteil (oder Annahme) erfaßt wird, ist Objektiv. Vom Standpunkt des Urteils aber, der natürlich der für uns zunächst maßgebende ist, läßt sich sagen: am Urteil finden sich jederzeit in gewissem Sinne zwei Gegenstände vor - in gewissem Sinne, weil der eine davon stets Teil des anderen ist; man urteilt jederzeit etwas und über etwas. Jenes Etwas ist stets ein Objektiv, dieses sozusagen im Normalfall ein Objekt, das aber auch durch ein Objektiv ersetzt sein kann, eine Komplikation jedoch, auf die hier nicht weiter eingegangen zu werden braucht (17).

Es hat auf diese Dinge hier kurz eingegangen werden müssen, weil eine genauere Beschreibung des Wahrnehmungsurteils am besten eben an dessen Objektiv angreift. Was erkenne ich, indem ich die Fichte vor mir wahrnehme? Offenbar, daß sie da ist, oder kürzer: ich erkenne das  Dasein,  die Existenz der Fichte. Man kann nun nicht sagen, daß etwa jedes Urteil ein solches Daseinsobjektiv hat. Behaupte ich von einem bestimmten Stück Eisen, es sei zur Zeit magnetisch, so betrifft dieses Urteil keineswegs das Dasein des Eisens, sondern eine Beschaffenheit desselben oder sein  Sosein.  Außerdem gibt es sogar noch Objektive, die zwar nicht Soseins-, sondern Seinsobjektive sind, aber doch keine Existenzobjektive. Die Verschiedenheit von Rot und Grün, mit der wir uns oben eingehender beschäftigt haben, ist ohne Zweifel; niemand aber wird meinen, daß sie existiert wie ein Haus oder ein Berg. Sie existiert also nicht, sondern sie  besteht;  und im Bestehen haben wir ein Sein vor uns, das kein Dasein, keine Existenz ist. Auch diese kurzen Hinweise aber haben nur den Zweck, klar zu machen, daß nun doch etwas recht Positives zur Charakteristik der Wahrnehmung beigebracht ist, wenn man behaupten darf: Alle Wahrnehmungen haben Existenz zum Objektiv; sie sind Existenzurteile.

Aber darf man das wirklich? Sehe ich denn nicht, daß das Gras grün und der Himmel blau ist, höre ich nicht, wie der Vogel singt, und das Wasser rauscht, spüre ich nicht, daß der Wind kalt ist und noch tausend andere Dinge mehr? So viele sind ihrer und so wenig drängen sich Wahrnehmungsurteile mit Existentialobjektiven der Aufmerksamkeit auf, daß man eher Neigung haben könnte, alle Wahrnehmungen für Soseinsurteile zu halten, - sicherlich aber Bedenken tragen muß, allen Wahrnehmungen den Charakter der Soseinsurteils abzusprechen. Es gilt jedoch hier nur, den Tatsachen ausreichend auf den Grund zu gehen.

Gesetzt, jemand blick durch ein Fenster zum ersten Mal in eine ihm unbekannte Gegend. Da kann es ja wohl geschehen, daß er sagt: "Die Wiesen vor mir sind grün", und allenfalls auch: "Ich sehe, daß die Wiesen grün sind." Aber kann das Grünsein der Wiesen wirklich das Erste sein, was in seine Wahrnehmung fällt? Kann man erkennen, daß die Wiesen grün sind, ehe man überhaußt weiß, daß Wiesen da sind? Offenbar nicht; in dem, was beim Hinausblicken durchs Fenster erlebt wird, muß also das Urteil, daß es da Wiesen gibt, jedenfalls enthalten sein. Betrifft nun ferner dieses Existenzurteil die Wiesen mit oder ohne Einbeziheung ihrer Farbe? Ohne Zweifel ersteres: zu einem Abstraktionsakt, der den Beschauer etwa in die Lage versetzt, die Farbe der Wiesen zu vernachlässigen, liegt ja gar kein Anlaß vor. Welchen Charakter kann dann aber das Soseinsurteil, das der Beschauer ausspricht, noch haben?

So viel ich sehe, ist nur zu zweierlei Leistungen Gelegenheit. Der Vorstellungskomplex, den der Anblick der Wiesen bietet, kann erstes analysiert, dabei der Farbe als Eigenschaft der Wiesen besondere Beachtung zugewendet werden. Zweitens kann diese Beachtung dazu führen, die aus dem Komplex herausgehobene Eigenschaft mit sonst Bekanntem in Beziehung zu bringen. Schon der sprachliche Ausdruck arbeitet sozusagen automatisch in diesem Sinne. Stellt sich nämlich bei unserem Beschauer ganz von selbst das Wort "grün" ein, so liegt darin natürlich noch keineswegs ein Vergleich mit dem, was dieses Wort herkömmlich oder doch für den Redenden bedeutet. Kommt es aber darauf an, das Urteil "die Wiese ist grün" mit einiger Genauigkeit auf seine Richtigkeit zu prüfen, so muß eine solche Prüfung unvermeidlich die Frage betreffen, wie weit eben die Wiese so beschaffen ist wie das, was man sonst "grün" nennt. Mag nun das vom Beschauer ausgesprochene Urteil in der ersten oder in der zweiten Weise gedeutet werden, in keinem Fall hat man es mehr mit einem Wahrnehmungsurteil zu tun. Das erhellt sich deutlichst daraus, daß jedes dieser Urteile apriorisch ist.

Im ersten Fall haben wir sogar eines jener so leicht ins Tautologische übergehenden Urteile vor uns, die man analytische Urteile nennt, von der Form wie: "das Quadrat ist ein Viereck". Um auch die Tautologie in abschreckender Unverhülltheit zum Vorschein kommen zu lassen, sei noch ein Beispiel wie "der goldene Berg ist aus Gold" hierher gesetzt. Die Tautologie tritt ein, wenn die Analyse bereits im Subjekt, d. h. vor der Fällung des betreffenden Urteils, als vollzogen auftritt. So etwas wird unter den Umständen, wie das Wiesenbeispiel sie bietet, natürlich durchaus nicht der Fall sein. Das ändert aber nichts daran, daß man auch hier einem Ganzen, aus dem man einen Teil heraushebt, diesen Teil gegenüberstellt und dem Ganzen zuspricht. Das Recht, dies zu tun, erhellt sich dann aus der Natur des Ganzen einerseits, des Teiles andererseits, ganz so, wie wir oben die Verschiedenheit von Rot und Grün durch die Natur der beurteilten Gegenstände legitimiert sahen. Mit einem Wort, es ist eben ein apriorisches Urteil.

Versteht man dagegen unser Urteil im zweiten Sinne, als Beschreibung der herausgehobenen Qualität mit Hilfe der sprachüblichen Wortbedeutung, so handelt es sich dabei im wesentlichen um eine Gegenüberstellung dessen, was man sieht, und dessen, was man beim Wort "grün" sich zu denken gewöhnt hat. Unser Urteil behauptet, bzw. impliziert dann eben die Übereinstimmung. Ob nun zwei Dinge übereinstimmen, d. h. gleich sind, oder nicht, das entscheidet sich wieder nur aus der Natur dieser Dinge, - wieder nicht anders als oben die Verschiedenheit.

Zusammenfassend kann man also sagen: Obwohl der Wahrnehmende von seinen Erlebnissen in unserem Beispiel durch ein Soseinsurteil Kunde gibt, muß ein Existenzurteil vorliegen. Das Soseinsurteil, wofür dieses dann noch Raum läßt, ist apriorischer Natur, also jedenfalls selbst kein Erfahrungsurteil. Daraus ergibt sich wohl deutlich genug, daß die hier zweifellos vorliegende Wahrnehmung eben nur im Existenzurteil bestanden haben kann.

Daß diese Betrachtungsweise auf viele Wahrnehmungsfälle anwendbar ist, wird man schwerlich bestreiten; ob aber auf alle? Wenn einer, indem er nach dem von der nächsten Station signalisierten Eisenbahnzug ausschaut, ihn eben in den Bahnhof einfahren sieht, ist da die Existenz des Zuges dasjenige, was er durch die Wahrnehmung erfährt? An diese Existenz hat er ja schon vor der Wahrnehmung auf das bloße Signal hin geglaubt. Das, worauf es ankam, war das Einfahren in den Bahnhof, also ein in besonderer Weise bestimmter Zustand des Zuges, der natürlich durch ein Soseinsurteil zu erfassen war. Oder wenn man, um sich über das Vorhandensein oder die Richtung eines Stromes zu unterrichten, ein Galvanoskop in den Stromkreis einschaltet und nun unter den geeigneten Umständen die Magnetnadel ausschlagen sieht, handelt es sich da etwa um die Existenz der Magnetnadel? In keiner Weise; die Existenz ist bereits bekannt. Was man erfahren will, indem man die Nadel betrachtet, ist die Ablenkung, also wieder ein Sosein. Solche Beispiele ließen sich natürlich noch unzählig viele beibringen. Alle würden in der Tat darin übereinstimmen, daß die Wahrnehmung da Eigenschaften oder Zustände von Dingen, wohl auch Vorgänge an denselben festzustellen hat, die Existenz dieser Dinge ist jedoch bereits vor Eintritt der Wahrnehmung bekannt. Kann dies aber etwas an der Auffassung der Wahrnehmungstatsache selbst ändern? Gibt man sich genaue Rechenschaft von dem, was die Wahrnehmung dem Harrenden auf dem Bahnhof bietet, so ist doch nicht daran zu zweifeln, daß der Gegenstand, den er zu sehen bekommt, nicht etwa bloß das Einfahren des Zuges ist, sondern eben das Ganze, das der einfahrende Zug ausmacht. Daß dieses Ganze da ist, das lehrt ihn die Wahrnehmung; daß er von dem, was sie ihn lehrt, bereits einiges weiß, ändert nichts an der Sache. Es macht aber allerdings besonders leicht verständlich, warum der Wahrnehmende, wenn er sich über die Wahrnehmung ausspricht oder sie auch nur sich selbst gegenüber in Worte kleidet, dasjenige heraushebt, was ihm neu und darum zunächst von Interesse ist: eben jenes Sosein, das in dem durch die Wahrnehmung zunächst gegebenen Seinsurteil impliziert ist.

Man wird sich also durch Soseins-Aussagen, wie sie Wahrnehmungen tatsächlich so oft begleiten, nicht irre machen lassen dürfen. Und noch ein anderes mag den eben durchgeführten Erwägungen zu entnehmen sein. Sprechen ist ja sicherlich etwas anderes als Denken oder sonst ein psychisches Erleben, das in der Sprache seinen Ausdruck finden kann. Aber dieser Ausdruck ist sogar uns selbst, vollends aber anderen gegenüber ein so unentbehrliches Mittel, Gegebensein und Beschaffenheit psychischer Erlebnisse zu erkennen, daß es kein ganz unwichtiger Schritt in der Erkenntnis solcher Erlebnisse ist, wenn man über eine Stelle ins Klare kommt, wo der sprachliche Ausdruck seinen Dienst als Zeichen sicher versagt. In diesem Sinne dürfte es sich für denjenigen, der dem Wesen der Wahrnehmung nachzugehen versucht, lohnen, davon Kenntnis zu nehmen, wie wenig in unseren Kultursprachen oder vielleicht in jeder Sprache ein Wahrnehmungsakt rein und unvermittelt zum Ausdruck gelangt. Wie leicht eine Wahrnehmung, obwohl sie von Natur aus ein Seinsurteil ist, in einer Soseinsaussage zutage tritt, haben wir eben gesehen. Aber auch Existenzaussagen, wie sie die Sprache zur Verfügung hat, können den Sachverhalt leicht eher verdunkeln als aufhellen, namentlich wenn sie in einer Form wie "das Wasser existiert" auftreten und so durch die äußere Analogie zu Soseinsurteilen wie "das Wasser rausch" den Schein erwecken, als läge auch in "existiert" ein Stück Objekt wie in "rauscht", wo die Existenz tatsächlich doch weiter nichts ist als das Objektiv.

Von besonderer Wichtigkeit dürfte es sein, daß selbst in einem so einfachen, direkt auf die Mitteilung eines Wahrnehmungsaktes abzielenden Satz wie "ich sehe eine Fichte" tatsächlich, für den Hörer wenigstens, nie bloß die Wahrnehmung zum Ausdruck gelangt. Denn daß das, was ich eben sehe, eine Fichte ist, ist insofern nicht mehr Sache der Wahrnehmung, als im Sinne der oben vorgenommenen Analyse in einer solchen Aussage jedenfalls steckt, daß das, was ich sehe, dem, was man Fichte nennt, ausreichend ähnlich ist, um ebenfalls so benannt werden zu müssen. Es soll damit durchaus nicht behauptet sein, daß, wer die obige Aussage tut, allemal oder auch nur in der Regel außer über den wahrgenommenen Baum auch noch über die Bedeutung des Wortes "Fichte" urteilt: er urteilt über den Baum, und das Wort "Fichte" stellt sich ihm normalerweise einfach assoziativ als Ausdrucksmittel ein. Das ändert aber nichts daran, daß der Hörer das, was gesagt wird, nur auf dem Umweg über den Sprachgebrauch verstehen kann, ganz ebenso, wie wenn der Wahrnehmende auch noch eines der hier mißverständlich so oft herangezogenen "Benennungsurteil" mitgefällt, also geurteilt hätte: "ich sehe etwas; das, was ich sehe, ist eine Fichte". Man wird darum bei der Prüfung von Wahrnehmungsaussagen immer gut daran tun, sie auch auf die Gefahr hin, sich eine unpsychologische Fiktion zuschulden kommen zu lassen, in zwei Teilaussagen von der eben angegebenen Form zu zerlegen und zu beachten, daß jeder dieser Teile seine eigenen Irrtumsmöglichkeiten in sich schließt. Daß der Wahrnehmende sich in Bezug auf das, was in ihm vorgeht, anders als mit Hilfe der herkömmlichen Sprachassoziationen überhaupt nicht verständlich machen kann, daß insofern das, was er wahrnimmt, in gewissem besonders genauem Sinn stets unausdrückbar bleibt, ist ja im Grunde ein ganz selbstverständliche Sache. Für das ganz Individuelle, was ich eben jetzt wahrnehme, gibt es ja natülich kein verständliches Wort. Was eine Verständigung zwischen mehreren Individuen herbeiführen soll, kann nicht dem Individuellen in den Erlebnissen des einzelnen Rechnung tragen.

Damit hängt ohne Zweifel auch die fürs Erste so auffallende Tatsache zusammen, daß Existenzaussagen von solcher Art, daß sie unserem Sprachgefühl in keiner Hinsicht zuwiderlaufen, keine Wahrnehmungsaussagen sind, und daß Wahrnehmungsaussagen in der ihnen doch zunächst zukommenden reinen Existentialform stets mindestens gezwungen bleiben. Man sagt in ganz natürlicher Weise: "es gibt schwarze Schwäne", "es gibt einen neu entdeckten Planeten, der  Eros  heißt" und dgl.; die Urteile aber, die so zum Ausdruck gelangen, sind keine Wahrnehmungen. Liegen dagegen Wahrnehmungen vor, so können am ehesten noch Ausrufe wie "Land!", "Feuer!" als Analoga in Betracht kommen. In der Regel würde, wenn man etwa einen Baum erblickt, die Wendung "ein Baum existiert" schon deshalb nicht für einen einigermaßen adäquaten Ausdruck des Erlebnisses gelten können, weil man eben nicht "einen" Baum sieht, nämlich nicht etwas, das sich zunächst als Bestandstück des Klassenkolektivs "Baum" darstellt, sondern etwas, dessen Eigentümlichkeiten die erzwungene Subsumtion unter den allgemeinen Ausdruck nur in oft recht fühlbarer Beschränkung gerecht werden kann. Immerhin sagt man dagegen anstandslos: "da ist ein Baum"; aber obwohl sich dieser Satz vor dem Forum der Grammatik als eine ganz ausdrückliche Daseinsaussage darstellt, würde der genaue Sinn hier doch wohl besser etwa in der Form wiedergegeben: "das, was da ist, ist ein Baum", und darin verrät sich dann nicht so sehr ein Existenz- als ein Soseinsurteil. Jedenfalls aber kann man zusammenfassend sagen: Die reine Wahrnehmung ist im Grunde jederzeit unaussprechlich. So mag es kommen, daß die sich in der Regel an Wahrnehmungen anschließenden Aussagen im Grunde gar keine Wahrnehmungsaussagen sind.

Muß man also allen Wahrnehmungen den Charakter der Existenzurteile zuerkennen, obwohl man darin seitens des Sprachgebrauchs in kaum nennenswerter Weise unterstützt wird, so führt der Versuch, das Wahrnehmungsobjektiv noch etwas genauer zu bestimmen, auf eine Schwierigkeit, der hier nur ganz vorübergehend Beachtung geschenkt sei. Jedes Objektiv, gleichviel ob Sein oder Sosein, untersteht ja dem Gegensatz des Positiven und Negativen, ist entweder Sein im engeren Sinne oder Nichtsein und wird bezüglich durch ein Urteil von affirmativer [bejahender - wp] oder negativer Qualität erfaßt. Kann nun nur Existenz, oder kann auch Nichtexistenz wahrgenommen werden? Zwei Fragen sind, näher besehen, in dieser einen enthalten: kann Nichtexistenz ebenso unmittelbar erkannt werden als Existenz? - und: wenn ja, dürfen Urteile dieser Art für Wahrnehmungen gelten? Die erste Teilfrage könnte man zu verneinen geneigt sein in der Meinung, alles Wissen über Nichtsein müsse irgendwie auf ein Wissen über ein Sein zurückgehen. Und ohne Zweifel ist dies auch oft so. In Kurhäusern, Sanatorien und dgl. findet man bekanntlich häufig, daß es darin kein Zimmer mit der Nummer 13 gibt: wie "findet" man das? Offenbar, indem man feststellt, daß sämtliche Zimmernummern, die man antrifft, andere Werte haben. Hier hat man nicht die Nichtexistenz von Nr. 13 wahrgenommen, sondern viele andere Nummern, und daraus, daß alle wahrgenommenen Nummern nicht 13 waren, geschlossen, daß Nr. 13 fehlt. Aber so geht es doch nicht immer zu. Blicke ich in ein Zimmer und finde, "daß kein Tisch darin ist", so werde ich schwerlich erst alle Einzelheiten, die mir der Anblick bot, positiv erfaßt und sie mit dem Vorhandensein eines Tisches als unverträglich befunden haben; hier wurde also das Nichtsein wohl ebenso unmittelbar erkannt wie sonst das Sein. Die erste Teilfrage ist also doch zu bejahen; wie steht es aber mit der zweiten? Hier wird die Entscheidung schwierig. Aber doch wohl nur deshalb, weil dabei einigermaßen die Terminologie, also das Sprachgefühl in Betracht kommt; und eben darum brauchen wir uns hier nicht lange aufzuhalten. Daß man nämlich nicht gut etwas wahrnehmen kann, was nicht da ist, versteht sich: nicht ebenso deutlich ist wahrscheinlich schon, daß man eine Nichtexistenz nicht wahrnehmen kann. Wichtiger ist, daß ein solches unmittelbares Nichtexistenz-Urteil sich jedenfalls in einem ganz wesentlichen Punkt von jedem Wahrnehmungsurteil mit einem positiven Objektiv psychologisch unterscheiden muß: das Objekt eines Nichtexistenz-Urteils kann, vielleicht ganz besondere Fälle ausgenommen, vom Urteilenden niemals durch eine Wahrnehmungsvorstellung erfaßt werden. Nach meinem Gefühl müßte dieser Umstand auch für die Anwendung des Ausdrucks "Wahrnehmung" entscheidend sein, und jedenfalls sollen im folgenden als Wahrnehmungen stets Urteile mit positivem Objektiv verstanden werden. Die Übertragung des von ihnen Festzustellenden auf Urteile in Bezug auf Nichtexistenz dürfte sich übrigens, soweit sie angängig ist, von selbst vollziehen.


§ 5. Das Wahrnehmungsobjekt

Zwanglos wendet sich unsere Betrachtung vom Objektiv der Wahrnehmung zu deren Objekt, das ohnehin in gewissem Sinn auch als ein Teil des Objektivs betrachtet werden kann. Es handelt sich jetzt umd die Frage, inwieweit Wahrnehmungen durch die Natur ihrer Objekte charakterisiert werden.

In der Tat kann man vorab nicht etwa behaupten, daß alle Vorstellungsobjekte auch Objekte von Wahrnehmungen abgeben können. Verschiedenheit ist uns oben bereits als ein Objekt begegnet, das dies nicht gestattet. Von Ähnlichkeit, Zusammenhang und vielem anderen, an dem zunächst ein apriorisches Erkennen interessiert ist, gilt dasselbe. Man kann solche Gegenstände passend als ideale den von Natur wahrnehmbaren als realen gegenüberstellen (18). Natürlich ist damit gesagt, daß nur reale Objekte wahrgenommen werden können. Weil man aber, zurzeit zumindest, in Bezug auf eine Charakterisierung der Realität im eben angegebenen Sinn in erster Linie gerade auf die Wahrnehmbarkeit angewiesen ist, so möchte umgekehrt zur Beschreibung der Wahrnehmung durch den Hinweis auf die Realität der Objekte zwar etwas Richtiges, praktisch aber kaum etwas sonderlich Belangreiches beigetragen sein. Immerhin wird man wohl daran tun, der Realität eingedenk zu bleiben, wenn es gilt, etwa einem gegebenen Urteil oder Objektive gegenüber festzzustellen, ob es oder wieviel davon in die Kompetenz der Wahrnehmung fällt. Urteile über Verschiedenheit, Zusammenhang und dgl. können nie Wahrnehmungsurteile sein; auch eine Zahl oder eine Melodie ist streng genommen nicht wahrzunehmen. Redet man gleichwohl mit gutem Sinn davon, daß man jetzt eine Melodie "hört", also wahrnimmt, jetzt nicht, so erhellt sich daraus neuerdings, wie wenig Anhaltspunkte, die die Sprache der erkenntnistheoretischen Analyse darbietet, allemal zuverlässig sind. Man behaupte eben, eine Melodie zu hören, wenn man in Wahrheit die Töne hört, die der Melodie zugrunde liegen.

Von einer in hohem Grad charakteristischen Bedeutung scheint mir dagegen ein Umstand zu sein, auf den hier eingegangen werden muß, obwohl es sich dabei nicht vermeiden läßt, ein altes Problem zumindest zu streifen, dem ich im gegenwärtigen Zusammenhang lieber aus dem Weg ginge. Objekte von Wahrnehmungen sind zunächst jederzeit Dinge und höchstens in einem ungenauen Sinn bloße Eigenschaften. Damit tritt der Substanzgedanke und der Gegensatz des Subsistierens und Inhärierens in unseren Betrachtungskreis. Wir können diesen Gegensatz aber nicht ganz unberücksichtigt lassen, weil einige Unklarheiten in Bezug auf denselben daran schuld sein mögen, daß der eben ausgesprochene Satz nicht ohne weiteres auf ungeteilte Zustimmung rechnen darf.

Daß es nämlich Dinge genug gibt, die man wahrnehmen kann und wirklich wahrnimmt, daran zweifel ja niemand. Man sieht Häuser, Bäume und Berge; man tastet sich im Finstern durch Zimmer, über Treppen und Gänge usw. Aber ebensogut, scheint es, sieht man das Blau des Himmels oder das Grün der Wiese, hört das Rauschen des Windes und den Ton einer Glocke, spürt die Wärme des Sonnenscheins oder die Kühle des Windes und dergleichen; Farbe, Ton, Wärme etc. sind aber doch keine Dinge, sondern Eigenschaften. Inzwischen ist eben hier der Punkt, wo eine gewisse Klärung unerläßlich ist. Ich will versuchen, sie auf möglichst kurzem Weg herbeizuführen.

Man hat sich das Verhältnis von Ding und Eigenschaft oft am besten repräsentiert gedacht durch das Verhältnis des Subjekts zum Prädikat im Sinne der Grammatik, genauer der beiden obligatorischen Objekte gewisser Soseinsobjektive. Sage ich: "Das Blatt ist grün", so bezeichnet "Blatt" das Ding, "grün" die Eigenschaft des Blattes, jenes das "Was", dieses das "Wie" desselben. Ist nun "grün" in diesem Sinn wahrnehmbar? Der wesentliche Unterschied des "Wie" vom "Was" kommt deutlich darin zur Geltung, daß jenes keinerlei Zeitbestimmung verträgt, die doch diesem ganz selbstverständlich ist. Das Blatt entstand und wird vergehen: wird dadurch das "grün" irgendwie mitbetroffen? Es entsteht nicht und vergeht nicht, und zwar deswegen nicht, weil ihm gar keine Existenz zukommt wie dem Blatt, sondern bloß Bestand, wie wir einen solchen bereits bei Ähnlichkeit oder Verschiedenheit angetroffen haben. Ist aber weiter jede Wahrnehmung, wie wir sahen, ein Existenzurteil, dann ist auch klar, daß ein solches "Wie" nicht Gegenstand einer Wahrnehmung sein kann.

Nun redet man aber auch - und damit kommen wir eigentlich erst auf die eben angeführten Gegeninstanzen der obigen Behauptung - vom Grün, das diesem individuellen Blatt angehört, und es ist selbstverständlich, daß dieses Grün günstigstenfalls mit dem Blatt entsteht und vergeht, sehr wohl aber auch während der Zeit, in der das Blatt existiert, entstehen und vergehen kann. Der Eigenschaft in diesem Sinn ist die Existenzfähigkeit sicher nicht abzusprechen - dafür aber nach alter Tradition die Fähigkeit, selbständig zu existieren. Für sich kann auch dieses Grün nicht existieren; es bedarf eines Dings, dem es inhäriert: selbständig existieren kann nur ein "Grünes". Die Konsequenz für unsere Frage ergibt sich nun von selbst; doch sei, ehe ich sie ausdrücklich ziehe, eines Mißverständnisses gedacht, das den ebenso alten wie natürlichen Gedanken für manchen um seine Vertrauenswürdigkeit gebracht haben dürfte.

Jedermann weiß, daß es keine Farbe geben kann ohne Ausdehnung, und daß es Farbe mit Ausdehnung zusammen nicht gibt ohne allerlei taktile und andere Qualitäten. Die hierin zutage tretende Unselbständigkeit einzelner Qualitäten legt es, wie ich an mir selbst erfahren habe, sehr nahe, die natürliche Selbständigkeit und damit das Wesen der Substanz oder des Dings darin zu suchen, daß es eben den Komplex der gegenseitig sozusagen aufeinander angewiesenen Eigenschaften darstellt. Erst gegenstandstheoretische Erwägungen (19) haben mich, und zwar recht spät, darauf aufmerksam gemacht, daß durch eine solche Auffassung der eigentliche charakteristische Dinggedanke in Wahrheit verloren geht. Denn dieser Gedanke kommt bereits ohne Rücksicht auf anderweitige Unselbständigkeiten im Gegensatz der Bedeutungen von "Grün" und "Grünes" zur Geltung. Wichtig ist nun, daß für diesen Gegensatz das Moment der Einfachheit oder Zusammengesetztheit einen Träger mehrerer Eigenschaften oder eine aus Trägern je einer Eigenschaft angemessen gebildete Einheit denkt. Wer aus irgeneinem Grund letzteres tut und dabei wohl gar Eigenschaften zusammenzusetzen meint, indem er bereits Dinge zu einem neuen komplexen Ding zusammensetzt, gelangt dann besonders leicht zu der Meinung, aus den Eigenschaften das Ding zusammengesetzt zu haben. Ihm mag es dann auch besonders schwer fallen, einzusehen, daß das durch die Zusammensetzung eigentlich erst Gebildete sozusagen existenzfähiger sein sollte als die der Zusammensetzung doch sicher mindestens teilweise vorgegebenen Bestandstücke.

Prinzipiell kann man also für jede, auch für eine streng einfache Eigenschaft den Gegensatz der reinen und stubstantialisierten Eigenschaft oder der Eigenschaft am Ding bilden. "Grünes" als solches muß darum auch gar nicht mehr Attribute in sich schließen als "Grün". Wer aber daraufhin geneigt wäre, zu meinen, zwischen "Grünes" und "Grün" bestehe im Grunde gar kein wirklicher Unterschied, der wird des letzteren leicht gewahr, wenn er die so triviale Tatsache beachtet, daß ein Grünes zwar natürlich grün ist, Grün dagegen ebenso natürlich nicht wieder grün. Es ist das eine gerade ihrer Äußerlichkeit wegen auch ganz wohl geeignete Weise, gelegentlich auftretende Zweifel zu beheben, ob man es mit einem Ding oder einer Eigenschaft zu tun hat. Kreis oder Viereck ist ein Ding; denn jener ist rund, dieses eckig, und derlei "Gestaltdinge", wie man ganz wohl sagen könnte, geben im gegenwärtigen Zusammenhang besonders deutliche Beispiele von Dingen ab, die ex definitione nur durch gewisse vorgegebene Eigenschaften und deren Consecutiva gekennzeichnet werden. Es wäre vielleicht ganz lohnend, ähnlich konstituierte Dingbegriffe auf anderen Gebieten aufzusuchen.

Wir kehren nach diesem kleinen Exkurz ins Gebiet der Gegenstandstheorie zur Frage nach der Wahrnehmbarkeit von Ding und Eigenschaft zurück, die sich nunmehr rasch erledigen läßt. Kann die reine Eigenschaft nicht für sich existieren, so kann sie sich auch nicht als reine Eigenschaft, d. h. ohne ihr Ding, der Wahrnehmung darbieten. Freilich ist nun dadurch kaum jede Möglichkeit ausgeschlossen, daß sich unser Wahrnehmen einmal bloß einer Eigenschaft bemächtigen könnte, ohne dem Ding nachzufragen, an dem sie hängt. Aber niemand wird ohne besonderen Grund an eine derartige Enthaltsamkeit glauben; und ein Blick auf das, was wir täglich erleben, belehrt uns darüber, daß wir tatsächlich allemal die Dinge wahrnehmen und die Eigenschaften nur an ihnen. Ob es Dinge mit relativ einfachen oder solche mit relativ komplexen Eigenschaften sind, das wird von der Natur des eben funktionierenden Wahrnehmungsapparates (etwa des Sinnesorgans) abhängen; und an dem, was die Wahrnehmung so bietet, kann dann die Abstraktion in angemessener Weise angreifen. Aber was so aus der Wahrnehmung erst herausgearbeitet wird, kann selbst nur in einem uneigentlichen Sinn als wahrgenommen gelten. Zu dem so Herauszuarbeitenden gehört unter anderem natürlich auch die reine Eigenschaft; eben darum aber kann als eigentlich, unmittelbar erfahren nur das Ding gelten.

Nebenbei ersieht man aus dem Dargelegten, daß, wenn ich damit recht habe, auch die Stellung und Beantwortung der alten Frage nach der Herkunft der Substanz- oder Dingvorstellung durch Mißverständnisse von der oben angedeuteten Art in unnatürliche Bahnen gelenkt worden sein dürfte. Einmal in Konstanz oder Variabilität der Eigenschaften dem Substanzgedanken ganz ebenso äußerlich wie die oben berührte Zusammengesetztheit. Ferner ist die herkömmliche Frage: "Was bleibt an einem Ding übrig wenn man seine sämtlichen Eigenschaften wegdenkt?" schief gestellt, da sie ihre Wirkung doch nur auf den Hintergedanken stützt, daß, wo keine Eigenschaft, auch kein Ding mehr sein kann, was doch keineswegs die Identität von Ding und Eigenschaft beweist. Was uns aber hier vor allem angeht: es wurde schon berührt, daß win in Bezug auf unseren Vorrat an sozusagen intellektuell zugänglichen Vorstellungsgegenständen durchaus nicht im Sinne des Satzes von intellectus und sensus auf die Wahrnehmung allein angewiesen sind, uns also auch in Bezug auf den Ursprung der Dingvorstellung auf die Möglichkeit einer Vorstellungsproduktion (siehe oben) berufen könnten. Inzwischen hat sich jedoch eben herausgestellt, daß wir eine solche Berufung gerade in Sachen des Substanzgedankens gar nicht nötig haben; die Erfahrung bietet uns diesen Gedanken nicht nur ebensogut, sondern sozusagen noch besser, d. h. unmittelbarer, als den der Eigenschaft. Denn wir sind nicht erst auf eine intellektuelle Operation angewiesen, um den Dinggedanken durch die Zusammensetzung von Eigenschaften erst zu gewinnen, sondern wir bedürfen einer Operation einigermaßen entgegengesetzten Charakters, um das in der Wahrnehmung gegebene Ding gleichsam von seiner Dinglichkeit zu befreien und so die reine Eigenschaft sozusagen herauszupräparieren.

Noch sei eine Schwierigkeit, die sich dieser Auffassung in den Weg stellen könnte, ausdrücklich gewürdigt. Wir nehmen ja, davon wir noch ausführlicher die Rede sein müssen, nicht nur wahr, was außerhalb von uns, sondern auch, was in uns ist. Sind nun unsere Vorstellungen, Gefühle und dgl. ebenfalls Dinge? Aber, so darf ich hier entgegenfragen, wenn sie nicht Dinge sind, sind sie vielleicht Eigenschaften? Man meint etwa: Eigenschaften der Seele, die man einst ohnehin als "res cogitans" [Gedankendinge - wp] definiert hat, die dann freilich wohl ebensogut eine "res sentiens" [Sinnendinge - wp] oder dgl. sein könnte. Aber Bestimmungsversuche dieser Art sind doch so handgreiflich unnatürlich, daß wir es sicher nicht nötig haben, um ihretwillen hier das Seelenproblem aufzurollen. Übrigens verrät sich die Dingnatur unserer psychischen Erlebnisse deutlichst an den Eigenschaften, die man ihnen zuzuschreiben berechtigt ist. Einem Gefühl kann man ohne weiteres eine lange oder kurze Dauer nachsagen; nicht so einem Blau, das man auch schwer groß oder klein nennen könnte. Merkwürdigerweise gestatten die Töne, was bei den Farben nicht angeht: sie sind lang oder kurz, - in räumlicher Hinsicht zumindest nah oder fern. Hätten am Ende vielleicht auch sie in unserem Denken den Dingcharakter nicht recht abzustreifen vermocht, und warum? Wie dem auch sei, ich meine, man ist berechtigt, zu behaupten, daß auch das, was wir innerlich wahrnehmen, nicht Eigenschaften, sondern Dinge sind, die sich zu höheren Einheiten natürlich ebensogut vereinigen können, wie dies auf dem Gebiet des Physischen der Fall ist.

An den Schluß dieses Versuchs, die Wahrnehmungen nach ihren Objekten zu beschreiben, setze ich den Hinweis auf eine Tatsache, die in ihrer Durchsichtigkeit zu einer näheren Untersuchung fürs Erste keinen Anlaß zu geben scheint. Es gehört offenbar zum Wesen einer jeden Wahrnehmung, daß, was wahrgenommen wird, sich als gegenwärtig darstellt. Es gibt Existenzurteile, die in die Vergangenheit, es gibt auch solche, die in die Zukunft zu dringen versuchen und wohl auch dringen. Sie mögen sonst den Wahrnehmungen wie auch immer ähnlich sein; in jedem Fall wird die Zeitbestimmung, mit der ihre Gegenstände behaftet sind, und die so selbst eine gegenständliche Bestimmung darstellt, es unmöglich machen, sie den Wahrnehmungen beizuzählen. So klar das alles ist, es wird sich im Verlauf der Untersuchung (20) doch zeigen, daß man sich zu hüten haben wird, die Forderung der Gegenwärtigkeit zu streng zu nehmen, soll der Begriff der Wahrnehmung seine Anwendbarkeit auf die Erkenntnistatsachen nicht verlieren. Dabei ist es noch eine Frage für sich, inwieweit das, was sich als gegenwärtig darstellt, jedesmal auch gegenwärtig ist; auch davon wird weiter unten noch die Rede sein. - Es liegt nahe, außer dieser zeitlichen Gegenwärtigkeit auch noch eine räumliche in Anspruch zu nehmen. Aber abgesehen davon, daß sich vieles wahrnehmen läßt, dem Räumlichkeit überhaupt nicht wohl zugesprochen werden kann, bleibt es zumindest sehr fraglich, ob Gegenwärtigkeit in dem dann resultierenden weiteren Sinn selbst mehr zu bedeuten hat als eben Wahrgenommenwerden.

Mit der Gegenwärtigkeit hängt aufs Engste die oft hervorgehobene Eigenschaft der Wahrnehmungen, bzw. Wahrnehmungsobjekt zusammen, niemals allgemein, sondern jederzeit individuell zu sein. Ich verweile nicht länger bei dieser Bestimmung, weil praktisch an ihr nichts zu klären ist, ein theoretisches Eingehen auf dieselbe uns dagegen auf nicht ganz einfache Probleme führen würde, die doch schon ziemlich abseits vom Interessenkreis liegen, dem die vorliegenden Ausführungen in erster Linie Rechnung zu tragen bestrebt sind.


§ 6. Die Wahrnehmungsevidenz

Ist nunmehr durch das, was im Bisherigen an Vorstellung, Objekt und Objektiv der Wahrnehmungsurteile aufgezeigt worden ist, deren Natur ausreichend deutlich beschrieben? Jede Halluzination von normaler Beschaffenheit beweist das Gegenteil. Denn der Halluzinierende urteilt unter gewöhnlichen Umständen über die Existenz eines gegenwärtigen Dings; aber sein Urteil ist falsch, und niemand wird ein falsches Urteil eine Wahrnehmung nennen. Und sollten noch auf einem anderen als dem halluzinatorischen Weg Wahrnehmungsvorstellungen und aufgrund derselben falsche Urteile zustande kommen können, so wären das weitere Instanzen für die Unvollständigkeit des oben Gebotenen.

Wäre nun das Gewünschte erreicht, wenn wir den obigen Bestimmungen noch einfach die weitere beifügen würden, so daß das so beschaffene Urteil wahr sein muß? Die Beantwortung dieser Frage dient ein Beispiel, bei dem die Fiktion die Grenzen des der Empirie gegenüber Statthaften schwerlich überschreiten wird. Bekanntlich bringt man an Gartenhäusern oder an anderen mehr oder weniger ungeeigneten Orten ab und zu sogenannte Aeolsharfen an, die aus einem Satz von Zungenpfeifen bestehen, die der streichende Wind dann eventuell zu einem Akkord anbläst. Gesetzt nun, jemand, der in der Nähe einer solchen Einrichtung gelebt hat, sei im Laufe der Zeit schwerhörig geworden und habe zugleich eine Disposition zu Gehörshalluzinationen erworben. Dann könnte es sich leicht einmal zutragen, daß er die oft gehörten Klänge der Aeolsharfe gerade zu einer Zeit halluziniert, wo diese wirklich zu hören sind. Hier hätte man wieder alles oben für eine Wahrnehmung in Anspruch Genommene vereinigt, einschließlich der Wahrheit; denn wenn unser Halluzinierender, wie er normalerweise tun wird, urteilt: "Jetzt erklingt eine Aeolsharfe", so hat er ja recht. Dennoch wird man hier zwar von einem sonderbaren Zufall, gewiß aber nicht von einer Wahrnehmung sprechen.

Um das augenscheinlich noch Fehlende ergänzend hinzuzufügen, versucht man es vielleicht mit der Forderung, die Wahrnehmung müsse durch das Wahrgenommene hervorgerufen sein. Eine uns sonst schon recht fern liegende Betrachtungsweise mag geeignet sein, den Wert einer solchen Forderung zu beleuchten. Gesetzt, unsere Psyche wäre eine Monade "ohne Fenster", so daß wir von der uns gegenwärtigen Wirklichkeit nur durch eine "immanente Kausalität" Kenntnis hätten, müßten wir dann Abstand nehmen, zu sagen, daß wir die Dinge um uns sehen, hören etc., kurz, sie wahrnehmen? Aber auch ohne derlei "historische" Gesichtspunte ist leicht zu begreifen, wie verkehrt es wäre, die Frage, ob man ein bestimmtes Ding wahrnimmt, von der Frage abhängig zu machen, ob das Ding das betreffende Urteil hervorgerufen hat. Man muß doch, ehe man den Kausalbeziehungen eines Dings nachgeht, wissen, daß es da ist. Gibt es kein Existenzwissen, das nicht in letzter Linie auf Wahrnehmung zurückgeht, dann wird man mit dem Zutrauen auf letztere auch nicht bis zu der es voraussetzenden Beantwortung der Frage nach Wirkung oder Ursache warten können. (21) Inzwischen dürften derlei Erwägungen nicht weniger als die sie veranlassende Heranziehung des Kausalmomentes von selbst überflüssig werden, wenn wir noch einmal die oben eingeführte Bestimmung der Wahrheit der Wahrnehmungsurteile zurückgreifen, um sie zum Ausgangspunkt einer Feststellung zu machen, die nicht nur für die Wahrnehmung, sondern für jede wie auch immer beschaffene Erkenntnis eine grundlegende Bedeutung hat.

Es handelt sich um die alte Frage: "Was ist Wahrheit?" Ohne Zweifel ist die nächste Antwort darauf die beste. Wenn ich urteile: "im Garten vor meinem Fenster steht eine Esche, deren Stamm von einer kreisrunden Bank eingeschlossen wird", - so ist dieses Urteil wahr, wenn Baum und Bank wirklich im Garten sind, oder genauer, wenn es eine Tatsache ist, daß der Baum und die Bank um ihn existieren. Die letzte Formulierung macht darauf aufmerksam, daß das Wesen der Wahrheit mit Hilfe des Objektivbegriffes besonders leicht zu charakterisieren ist: wahr ist ein Urteil, dessen Objektiv Tatsache ist (22). Natürlich gibt es auch Urteile genug, deren Objektive nicht sind, eben die falschen Urteile. Das weiß jedermann; dennoch liegt in dem Umstand, daß eine Überzeugung durchaus nicht die Tatsächlichkeit des durch sie erfaßten Objektivs verbürgt, eine Art Gefahr für unser gesamtes Erkennen. Wie wissen wir denn um die Tatsächlichkeit der betreffenden Objektive? Doch offenbar nie anders als durch Urteile. Was helfen uns aber diese Urteile, wenn sie wieder ebenso leicht, vielleicht sogar noch leichter, falsch als wahr sein können? Damit ist freilich die Möglichkeit wahr zu urteilen, nicht ausgeschlossen. Käme es aber nur auf den Zufall an, daß einmal sozusagen das rechte Urteil und das rechte Objektiv zusammentreffen, dann könnte es am Ende auch nur ein Zufall sein, wenn einer ein Urteil, das wahr ist, auch für wahr hält. Denn der jedem Urteil natürlich mitgegebene Trieb, es für wahr zu halten, kommt ja den falschen Urteilen nicht weniger zustatten als den wahren. Solchen Konsequenzen, die dem Aufgeben alles Zutrauens auf unser Urteilen und damit dem Verzicht auf alles Erkennen gleichkämen, kann man, soviel ich sehe, nur unter zwei Voraussetzungen entgehen, einmal der, daß es Urteile gibt, in deren Natur es liegt, wahr zu sein, - zweitens der, daß wir fähig sind, solchen Urteilen diese ihre Wahrheitsnatur mit Hilfe von Urteilen von ebensolcher Natur anzusehen. Die Erfahrung lehrt aber, daß diese beiden Forderungen mehr oder weniger vollkommen erfüllt sind.

Man vergleiche mein oben vielgebrauchtes Paradigma für das apriorische Urteil, den Satz "Rot ist von Grün verschieden" oder auch den Satz "2 und 2 ist 4" mit einem Satz wie "375 und 489 ist 864". Wenn ein zuverlässiger Rechner uns den letzteren Satz als Ergebnis seiner Addition mitteilt, werden wir ihm ohne weiteres glauben. Auch hier liegt also ein Urteil vor. Wodurch aber unterscheidet es sich von einem der beiden ersten Fälle? Der Unbefangene kann kaum etwas anderes von Belang beibringen, als daß uns die beiden ersten Sachverhalte ihrer Einfachheit wegen sofort einleuchten, der letzte kompliziertere dagegen nicht. Zur Beschreibung dieser längst als Evidenz bezeichneten Seite vieler Urteilserlebnisse hat die Psychologie bisher wenig genug beizusteuern vermocht: die Tatsache selbst aber kann nicht leicht einem einigermaßen aufmerksamen Beobachter entgehen. Urteile aber, an denen man diese Evidenz antrifft, haben vermöge derselben Teil an einer zweiten Evidenztatsache: es ist evident, daß ein evidentes Urteil nicht falsch sein kann. Niemand wird Urteilen dieser Beschaffenheit den Rang vollkommenster Erkenntnisse absprechen. Sie erweisen so gut wie die besonders schwierigen Umstände, unter denen die Erkenntnistheorie ihre Arbeit beginnt, es gestatten, daß zuletzt die Evidenz das Moment ist, durch das sich Erkenntnisse gegenüber anderen Urteilen von der psychologischen Seite her kennzeichnen.

Ich halte also die erste der beiden obigen Forderungen im evidenten Urteil für erfüllt. In einem weit unvollkommeneren Maß ist es die zweite. Es ist eine Tatsache, daß darüber, ob man gegebenenfalls ein Urteil mit Evidenz fällt oder nicht, sich Zweifel und Irrtum einstellen können. Beim obigen Paradigma in Bezug auf Rot und Grün wird dgl. freilich nicht leicht eintreten. Aber auch hier führt gelegentlich der Umstand irre, daß selbst das der Evidenz bestens fähige Urteil eventuelle evidenzlos gefällt werden, und die beste Evidenz, auch wo sie vorhanden ist, vom Ungeübten oder theoretisch Voreingenommenen übersehen werden kann. Das sind Schwierigkeiten, die sehr begreiflicherweise die Tendenz erzeugt haben, in der Erkenntnistheorie auch ohne Evidenz zurecht zu kommen. Aber diese Tendenz hatte bisher nur das Ergebnis, daß mancher, der von erkenntnistheoretischen Dingen handelt, über Evidenz überhaupt nicht spricht oder höchstens den, der ihr traut, für rückständig hält. Positive Vorschläge darüber, wie man sich der doch von niemandem bestrittenen Tatsache falscher Urteile gegenüber zu verhalten hat, stehen aber, soviel mir bekannt ist, noch aus, - von einem einzigen Gedanken etwa abgesehen, der unserer Zeit ja in der Tat besonders nahe liegt, und der sich auch schon oft als geeignetes Mittel bewährt hat, durch das Einschlagen eines eigentümlichen Umwegs zu verstehen, was bei Verzicht auf diesen sich unserem Verständnis dauernd entziehen zu sollen schien. Ich meine den Entwicklungsgedanken, unterstützt durch irgendein Selektionsprinzip. Die neuerlich so kontrovers gewordene Ausgestaltung ins Einzelne ist hier ganz nebensächlich; wir können auch ohne Rücksicht auf sie die Bedeutung des Gedankens für unsere Frage würdigen, und es scheint mir am Platz, dies hier kurz zu versuchen.

Man kann sich ohne Schwierigkeit denken, daß eine Entwicklung, die im allgemeinen zu psychischen Erlebnissen führte, wie wir sie heute an uns selbst kennen, auch im Besonderen die so zustande gekommenen intellektuellen Bestätigungen sich in einer Richtung weiterbilden läßt, die sich den zu erkennenden Tatsachen immer mehr annähert. Der Vorteil, den eine solche Annäherung für den Kampf ums Dasein mit sich bringt, ist ja leicht auszumalen. Jeder einzelne bliebe hinsichtlich seines Zutrauens auf die Meinungen, die er sich gebildet hat, auf die Hoffnung angewiesen, in seiner intellektuellen Konstitution bereits ausreichend entwickelt zu sein; und sowohl der Verzicht, der hierin liegen möchte, wie die darin beschlossene Aussicht auf eine bessere Zukunft sind Stimmungen gemäß, wie sie dem Theoretiker, übrigens auch dem Praktiker, im Hinblick auf manche Frage seines persönlichen Lebens gar wohl vertraut sind. Dergleichen entspricht jedoch durchaus nicht dem Verhalten des Unbefangenen unter jenen besonders günstigen Umständen des Urteilens, wie die obigen Paradigmen sie darboten: entscheidend scheinen mir aber zwei Umstände zu sein. Einmal verlangt die Auffassung, die uns eben beschäftigt, in Sachen der erwähnten Resignation zum allermindesten eine Ausnahme: sie darf das Entwicklungsgesetz selbst in den Bereich dieser Resignation nicht einbeziehen. Dann aber könnte das Ziel, nach dem im Sinne dieses Gesetzes die Urteile der Menschen in ihrem Fortschritt orientiert zu denken wären, doch natürlich nicht etwa in gewissen, durch sie zu erfassenden Objektiven, sondern nur in Urteilen gesteckt sein. Diese idealen Urteile aber, die so am Ende der Entwicklung stünden, müßten dann doch ihren eigentümlichen Vorzug, vermöge dessen gerade ihnen tatsächliche Objektive zukommen, in ihrer eigenen Natur liegen haben; das immanente Wahrheitskriterium käme also am Ende doch wieder zur Geltung. Oder sollte dieses immanente Moment selbst durch den Vorteil im Kampf ums Dasein, näher etwa durch Arbeitsersparnis oder sonstwie, zu ersetzen sein? Hier sieht man wohl unmittelbar, wie sparsames oder in anderer Weise vorteilhaftes Urteilen eben ganz etwas anderes ist als wahres Urteilen, und daß es das letztere ist, auf das derjenige unwillkürlich rekurriert, der über jene Sparsamkeit oder anderweitige Nützlichkeit etwas ausmachen will. (23)

So muß man dann sagen: es ist bisher nicht gelungen, einen theoretischen Ersatz für die Evidenz in die Erkenntnistheorie einzuführen; und es ist nicht abzusehen, wie es in Zukunft gelingen sollte. Man wird also, durch unmittelbare Erfahrung bestens unterstützt, bei der Evidenz stehen bleiben und die mit diesem Wahrheitskriterium verknüpften Unvollkommenheiten nicht weniger tolerant behandeln dürfen als sonstiges Menschliches, - immerhin aber darauf bedacht sein müssen, gewisse naheliegenden Mißverständnisse nicht aufkommen zu lassen. Urteile können mit Evidenz gefällt werden, ohne daß der Urteilende sich dieser Evidenz bewußt ist. Er denkt vielleicht gar nicht an Evidenz, und selbst wenn er daran denkt, so findet er sie vielleicht nicht, obwohl sie da ist; er bezweifelt oder bestreitet sie und mit ihr wohl gar das Urteil. Schon der ganz abstrakte Gedanke an die Möglichkeit, zu irren, heftet an die besten Evidenzen den Mehltau eines nicht in jedem Sinn unberechtigten Zweifels. Andererseits kann aber ein Urteil ganz wohl wahr sein ohne Evidenz; genauer ausgedrückt: ein Objektiv, das unter den gegebenen Umständen sehr wohl durch ein evidentes Urteil erfaßt werden könnte, muß durchaus nicht jedesmal durch ein evidentes, es kann auch durch ein evidenzloses Urteil erfaßt sein. Maßgebend für die Wahrheit des Urteils ist na nur die Tatsächlichkeit des Objektivs. Weil uns aber diese Tatsächlichkeit am Ende doch nur in der Evidenz gewisser Urteile entgegentritt, geht für uns alle erkennbare Wahrheit zuletzt irgendwie auf Evidenz zurück. Nicht das bloß äußerlich wahre, sondern nur das innerlich wahre, d. h. das evidente Urteil hat Anspruch darauf, im eigentlichen Sinn für Erkenntnis zu gelten. Dabei ist auf Komplikationen, die sich einstellen, wenn man neben der Evidenz auch den Gewißheitsgrad der Urteile in Betracht zieht, noch nicht Bedacht genommen worden; wir werden später (24) Gelegenheit haben, einiges Einschlägiges nachzuholen.

Die eben gewonnene Bestimmung über das Wesen aller Erkenntnis gestattet nun sofort eine Anwendung auf den uns hier eigentlich beschäftigenden, relativ speziellen Erkenntnisfall, die Wahrnehmung. Ist Wahrnehmen ein Erkennen, dann müssen die Wahrnehmungsurteile, zumindest unter ausreichend günstigen Umständen, auch mit Evidenz gefällt werden können. Ganz so freilich wie bei den bisher ausschließlich für Evidenz verwendeten Musterbeispielen wird es dabei nicht zugehen können; wir hatten diese Beispiele bisher eben nur dem Gebiet des Apriorischen entnommen, es handelt sich dabei aber nicht um ein aposteriorisches, d. h. empirisches Handeln. Demgemäß entfällt hier in der Tat die, wie wir sahen, dem a priori eigentümliche Notwendigkeit. Wenn ich mir jetzt bewußt bin, einen Schmerz zu fühlen, so liegt in der Natur dieses Gegenstandes "Schmerz" keineswegs in der Weise seiner Existenz notwendig beschlossen, wie es in der Natur der Gegenstände liegt, daß die Verschiedenheit zwischen Rot und Grün besteht; ja es gibt, was festzuhalten gelegentlich sehr wichtig werden kann, überhaupt keinen Gegenstand, in dessen Natur seine Existenz gelegen wäre. Dennoch befindet sich, wer den Schmerz fühlt und sich darauf hin der Existenz desselben bewußt wird, in einer ganz anderen Erkenntnislage als etwa derjenige, der auf die Versicherung eines anderen hin an dessen Schmerz glaubt, und man wird nicht umhin können, die Lage des ersteren mit der des etwas a priori Einsehenden ausreichend verwandt zu finden, um auch in seinem Fall, also beim aposteriorischen Erkennen, trotz des Mangels an Notwendigkeit von Evidenz zu reden.

Klar ist nebenbei, daß zwischen den Wahrnehmungsurteilen und den oben verwendeten apriorischen Mustern neben der Verschiedenheit auch eine Übereinstimmung hervortritt, wenn man beiderlei Evidenzen solchen gegenüberstellt, wie sie sich erst mit Hilfe von einfacheren oder komplizierteren Begründungen oder Beweisen ergeben. Evidenzen letzterer Art pflegt man ja von Alters her mittelbare Evidenzen zu nennen: die Evidenz der Wahrnehmungsurteile wird im Gegensatz hierzu natürlich als eine unmittelbare anzuerkennen sein.

In der unmittelbaren Evidenz der Wahrnehmungsurteile haben wir nun zugleich das Merkmal gefunden, durch dessen Hinzufügung zu den im Früheren festgestellten Bestimmungsstücken die Beschreibung der Wahrnehmungstatsache zu ausreichender Vollständigkeit geführt sein dürfte. Ein auf eine Wahrnehmungsvorstellung (oder einen angemessenen Ersatz derselben) (25) gegründetes, unmittelbar evidentes, affirmatives [bejahendes - wp] Existenzurteil über ein gegenwärtiges Ding kann, soviel ich sehe, nur eine Wahrnehmung sein. Der ausdrückliche Hinweis auf die Kausalverbindung zwischen Wahrgenommenem und Wahrnehmung mag nunmehr zum Zweck einer doch auch einigermaßen definitorischen Charakteristik leicht entbehrt werden. An der Tatsächlichkeit dieser Verbindung kann übrigens bei der äußeren Wahrnehmung kein Zweifel bestehen: was die Beurteilung der Sache bei der inneren Wahrnehmung einigermaßen erschwert, wird weiter unten (§ 15) zu berühren sein.

Zweierlei ist durch eine Aufnahme des Evidenzmomentes in die Wahrnehmungsdefinition mitgegeben, wogegen schwerlich triftige Einwendungen zu erheben sein werden. Vor allem die Konsequenz, daß Halluzinationen evidenzlos sind. Das ist freilich dem Halluzinierenden schwer abzufragen. Aber es findet seine Bestätigung darin, daß es Umstände gibt, unter denen der Halluzinierende sich belehren läßt. Hätte er die Evidenz, so würden ihn Mitteilungen über die Irrtümlichkeit seines Urteils kaum anders berühren, als wenn uns jemand klar machen wollte, daß 2 mal 2 unter diesen oder jenen besonderen Umständen gleich 5 ist. - Das zweite ist dies, daß man wahre Urteile über die Existenz gegenwärtiger Dinge, die etwa wirklich durch diese hervorgerufen, aber aus irgendwelchen Ursachen, z. B. infolge von Ermüdung oder Zerstreutheit, evidenzlos gefällt sind, nicht als eigentliche Wahrnehmungen gelten lassen darf. Das tägliche Leben unterscheidet hier sicher nicht so streng; die Theorie wird aber der Klarheit wegen ohne Schaden einen Schritt weiter gehen dürfen.
LITERATUR - Poske/Höfler/Grimsehl (Hrsg), Abhandlungen zur Didaktik und Philosophie der Naturwissenschaft, Heft 6, Berlin 1906
    Anmerkungen
    1) Zumal, solange der Gedanke an etwas wie eine "Farbengeometrie" fern liegt; vgl. über diese meine  Bemerkungen über den Farbenkörper und das Mischungsgesetz  in der "Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, Bd. 33, Seite 3f.
    2) Einiges Nähere hierüber findet man in de Abhandlung RUDOLF AMESEDERs "Über Vorstellungsproduktion" in den von mir herausgegebenen "Untersuchungen zur Gegenstandstheorie und Psychologie", Leipzig 1904, Seite 481f.
    3) Näheres über diesen Begriff vgl. in den "Untersuchungen zur Gegenstandstheorie und Psychologie" an den im Register unter dem Stichwort  Sosein  verzeichneten Stellen.
    4) Daß Sein und Existenz nicht einfach zusammenfällt, soll hier nur das Beispiel der Verschiedenheit zeigen, die unter Umständen zwar "ist", genauer "besteht", nicht aber existiert.
    5) Es ist nicht überflüssig, die Gewißheit neben der Evidenz ausdrücklich zu berühren, weil, wie sich zeigen wird (vgl. unten § 14), Evidenz auch bei Ungewißheit und nur auf sie bezogen vorkommt. Man kann geradezu von Evidenz für Ungewißheit, genauer für Wahrscheinlichkeit, reden und derselben unseren Fall als einen Fall von Evidenz für Gewißheit gegenüberstellen. Vgl. auch HÖFLER, Logik (große Ausgabe, Wien 1890), § 53.
    6) Dem Herkommen, der Notwendigkeit sogleich auch die Allgemeinheit an die Seite zu setzen, folge ich hier nicht; denn Allgemeinheit ist nichts als eine Folge der Notwendigkeit, sofern die Natur des Beurteilten übrigens diese Allgemeinheit gestattet. Weil es notwendig ist, daß die Winkelsumme am Dreieck 180° betägt, deswegen gilt dies von allen Dreiecken, also allgemein. Daß mein Bekannter  X  dem Bekannten  Y  ähnlich ist, liegt ebenfalls notwendig im Aussehen des  X  und  Y;  aber von Allgemeinheiten kann hier natürlich nicht die Rede sein.
    7) Vgl. (auch zu den übrigen Ausführungen dieser Einleitung) HÖFLER, Logik, § 55 und 77.
    8) Höchstens von Besonderheiten wie dem Schluß von Wirklichkeit auf Möglichkeit abgesehen.
    9) Vgl. Nr. I - III der "Untersuchungen zur Gegenstandstheorie und Psychologie".
    10) Vgl. auch HÖFLER, Logik, Seite 130f.
    11) Vergleiche zum Folgenden insbesondere ALOIS HÖFLER, Psychologie, Seite 211f und 270f.
    12) Auf eine psychologische Charakteristik dieser Vorstellungen einzugehen, ist hier entbehrlich. Ziemlich populär ist, deren Unabhängigkeit von unserem Wollen zu betonen. Aber ihr Wesen macht diese sicher nicht aus: es begegnet ja auch bei Phantasievorstelungen oft genug, daß sie ohne, ja gegen unseren Willen auftreten.
    13) Daß das Gebiet dieser Unmöglichkeit wahrscheinlich nur so weit reicht, wie über Nicht-Psychisches geurteilt wird, so daß bei der einen, in gewissem Sinne wichtigsten Klassen von Wahrnehmungen eine Vorstellen des Wahrnehmungsgegenstandes gar nicht stattfindet, vgl. weiter unten § 15f.
    14) Näheres vergleiche in Kapitel I meines Buches "Über Annahmen".
    15) MEINONG, "Über Annahmen", Kap. VII, Eingang.
    16) Vgl. besonders RUDOLF AMESEDER, "Beiträge zur Grundlegung der Gegenstandstheorie" in den "Untersuchungen zur Gegenstandstheorie und Psychologie", Seite 54f.
    17) Näheres findet man in § 36 des Buches "Über Annahmen", Seite 155f.
    18) Einiges Näheres enthalten meine Ausführungen "Über Gegenstände höherer Ordnung und ihr Verhältnis zur inneren Wahrnehmung" in der Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane", Bd. 21, Seite 198f. An dieser Stelle sei nur hervorgehoben, daß "real" in der hier festgehaltenen Wortbedeutung mit "wirklich" nicht kurzweg zusammenfällt. Ihr gemäß ist zwar alles Wirkliche real, aber nicht alles Reale wirklich.
    19) Wie solche insbesondere während des Wintersemesters 1904/05 im Grazer philosophischen Seminar "für Fortgeschrittene" zur Sprache kamen. Einiges daraus dürfte in die folgende Darstellung übergegangen sein.
    20) Abschnitt III, § 13
    21) Von dem ganz abgesehen, was am Kausalproblem und dessen Lösung schon ganz im Allgemeinen zu klären sein mag. Ich hoffe, daß ein späteres Heft der gegenwärtigen "Abhandlungen" mir Gelegenheit bieten wird, hierauf näher einzugehen.
    22) Über den Begriff der Tatsache vgl. auch RUDOLF AMESEDER in Abhandlungen Nr. II der "Untersuchungen zur Gegenstandstheorie und Psychologie", Seite 56f und 66f.
    23) Vgl. WILHELM FRANKL, "Über Ökonomie des Denkens", Nr. IV der "Untersuchungen zur Gegenstandstheorie und Psychologie", besonders Seite 284f.
    24) vgl. weiter unten besonders § 14.
    25) Dieser Beisatz ist erforderlich, falls, wie ich weiter unten (besonders § 15f) darzutun versuchen werden, unter Umständen das wahrzunehmende Objekt selbst an die Stelle der Wahrnehmungsvorstellung tritt. Bis dann ist eine ausdrückliche Bedachtnahme auf diesen Fall seitens des Lesers entbehrlich.