Richard AvenariusWundt - Naiver Realismus | ||||||
Die Bestätigung des naiven Realismus - [Offener Brief an Herrn Prof. Dr. Richard Avenarius]-
"Der menschliche Weltbegriff" lehrt Seite 90f, daß ein und derselbe Bestandteil meiner Umgebung auch Bestandteil der Umgebung eines anderen Menschen sein könne oder mit anderen Worten, daß in mehreren Prinzipialkoordinationen das Gegenglied R der Zahl nach eines sei. In den verschiedensten Wendungen habe ich mir die größte Mühe gegeben, eben dieses als das Resultat meiner erkenntnistheoretischen Bemühungen darzustellen. Ob ich in meinen Schriften das Wort "wissenschaftliche Bestätigung des naiven Realismus" gebraucht habe, weiß ich nicht; in meinen Vorlesungen pflege ich es seit vielen Jahren zu brauchen. Gestatten Sie also, hochverehrter Herr Kollege, daß ich zum Beweis meiner Behauptung einige Stellen aus meinen Schriften anführe. Es sind lange nicht alle, die sich anführen ließen, aber die wenigen werden genügen, obwohl ich nicht einmal versichern kann, die geeignetste Auswahl getroffen zu haben. Ich habe überhaupt nicht ausgewählt, sondern zusammengestellt, was mir zuerst sozusagen in die Hände kam. (1) In dieser Ihrer Zeitschrift (1879) steht (in meinem Aufsatz "Bergmanns Reine Logik und die Erkenntnistheoretische Logik mit ihrem angeblichen Idealismus", Seite 478f) Folgendes: "Wenn die Einbeziehung dieser (der anderen Ich) in den Bewußtseinsinhalt Bedenken an ihrer Realität hervorzurufen geeignet wäre, so müßte nach meiner Auffassung der Sache dasselbe Bedenken auch die Dine von empirischer Realität treffen und wenn BERGMANN nur an jenem Anstoß nimmt, so würde ich von meinem Standpunkt aus auch an diesem in gleichem Grad Anstoß nehmen. Ich veranschauliche meinen Begriff vom Bewußtseinsinhalt und der Realität des darin Enthaltenen folgendermaßen. Man denke sich in der Mitte einer Linie ein Zeichen für das Subjekt, welches nach der gemeinen Auffassung als Seele gedacht wird, bestehend in einem stark hervortretenden schwarzen senkrechten Strich, welcher das Bewußtsein bedeutet. Dieses ist, nach meiner Darstellung, ohne die Welt seiner Objekte, ein Abstraktum, der Begriff des Subjekt-Objekts, während die gemeine Auffassung bei seiner sogenannten substantiellen Verschiedenheit von den Objekten es auch ohne diese wie eine konkrete Existenz darstellt. Von diesem senkrechten Strich aus gehen nach beiden Seiten feine gezeichnete Halbkreise, welche als der Inhalt des Bewußtseins dasjenige umfassen, was zugestandenermaßen nur psychische Regung ist, die Gedanken, Gefühle und Willensakte. Zur Bezeichnung der Realität der Außenwelt werden nun irgendwelche Gestalten als die Welt der Dinge und Mitmenschen rechts und links neben diesen Kreis gestellt. Der Idealismus, welchen ich ablehne, streicht diese aus, indem er diese Dinge für bloße Gebilde der Seele erklärt und setzt irgendwelche Andeutungen derselben in den zuerst beschriebenen Kreis hinein. Ich hingegen lasse sie in ihrer Stellung unberührt, ändere auch nichts an der Bedeutung derselben, sondern bekämpfe den Seelenbegriff, hebe die Halbkreise auf, welche die Abgeschlossenheit der Seele als einer Substanz darstellen sollten und lasse nach beiden Seiten hin die ganze Fülle von Objekten, erschauten und erschlossenen, durch Linien, welche von den Endpunkten der Senkrechten ausgehen, umfaßt sein. Die Verschiedenheit der Stellung und Bedeutung dieser Inhalte graphisch darzustellen, dazu will ich meine Phantasie nicht anstrengen. Nur andeuten will ich, daß innerhalb dieses Ganzen die Verbindung und Zugehörigkeit der Sinnesdaten zum Bewußtsein in anderer Weise als die kategoriale Funktion, wodurch sie zu Dingen werden und wieder in anderer Weise die reproduzierten Vorstellungen, die abstrakten Begriffe und die Gefühle und Willensregungen veranschaulicht werden könnten. Jedes erschlossene Ich im Inhalt des Bewußtseins ist natürlich ein gleiches Zentrum und umfaßt alles andere in derselben Weise. Meine Polemik gegen den theoretischen Realismus (Erk.-Log. Seite 47), gilt seiner Lehre von der Subjektivität der Sinnesempfindungen, der Empfindung als etwas Subjektivem, im Gegensatz zum Empfundenen. Diesen Gegensatz und diese Subjektivität bestreite ich auch Seite 57f. Als Beispiel des "wirklich oder tatsächlich bewußt Empfundenen" wird "das dort vor den Augen erblickte so und so große Rote und Runde" angeführt. "Warum", heißt es Seite 58, "soll es denn nicht zulässig sein, das tatsächlich bewußt Empfundene in all seiner unmittelbaren und ursprünglichen positiven Bestimmtheit ganz als das und ganz so, wie es sich ankündigt, gelten zu lassen? Mit welchem Recht wird dieser unmittelbare bewußte Empfindungsinhalt bloß deshalb, weil er naturgesetzlich an (jene) Vorgänge im Innern des Leibes geknüpft ist, als unwirklich, als luftiges Bild, als Phantasma gedacht? Welchen Sinn haben hier die Begriffes des Scheines und des Unwirklichen und des bloßen luftigen Bildes? Ich dächte, gar keinen." (Vgl. auch "Über Wahrnehmung und Empfindung" Seite 11 und 13 in der Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik Bd. 98) Erk.-Log. Seite 59 streitet gegen den Sitz der Empfindungen im Hirn, die Umwandlung eines Vorganges im Hirn in Sinnesempfindung und gegen die Projektion, Seite 61 gegen den Charakter des Gesichtseindruckes als eines bloßen Bildes. Die bekämpfte Theorie schlägt sich selbst, heißt es Seite 62, denn dann ist ja auch unser ganzer Leib mit allen seinen Organen und Apparaten nur projezierte Empfindung. Was ich mit "Empfindung" meine, bräuchte nicht zweifelhaft zu sein. Ebendaselbst heißt es: "Denn was wir undefiniert als undefinierbar annehmen müssen, das muß wenigstens aus der unmittelbaren Anschauung klar sein. Wenn ich, was die Erfahrung uns als Empfindung bietet, ungedeutet und unerklärt, als das erste Gegebene hinstelle, so provoziere ich auf die unbezweifelbare Bekanntheit des Gemeinten" und gleich darauf nenne ich es "das über alle Erklärung erhabene bekannte unmittelbar Erlebte, nicht in der Seelenmonas, sondern draußen im Raum." "Das Bewußtsein, Seite 63, - wenn man nicht wieder den schlichten und klaren Sinn dieses Wortes verkehren will - erwacht nur am sinnlich Gegebenen und ist nur mit solchem als einem Inhalt denkbar." Seite 64: "Das Empfinden als ein Akt des Subjektes wird entweder heimlich oder inkonsequenter Weise gar nicht bloß als solcher, sondern schon wieder mit seinem Inhalt gedacht oder es ist eine reine Abstraktion, welches Abstraktum "Empfindung" eben nur Gattungsbegriff aller der einzelnen Sinnesdaten ist und die Art ihrer Existenz bezeichnet." Ebenda: "Wir dürfen nun auf das unmittelbar Erlebte der Sinnesdata hinweisend das Empfinden einfach als Bewußtsein von diesen Inhalten auffassen." "Das subjektive Empfinden ist keine Tätigkeit eigener Art, sondern eben nur ein mit solchem Inhalt erfülltes Bewußtsein oder das eines solchen Inhaltes sich bewußt sein." Seite 65: "Wer es noch nicht gemerkt hat, der verstehe: ich streiche die subjektive Empfindung, welche unterschieden worden ist einerseits vom empfundenen Inhalt und andererseits von der Seele, in welcher sie neben anderen Dingen ihre bescheidene Existenz führt, als eine Fiktion, welche die Begriffe verwirrt. Ein solches Gebilde existiert nicht; was sie meint, ist voll und ganz bereits enthalten im Begriff des Bewußtsein und die Empfindung (in diesem subjektiven Sinn) unterscheidet sich von ihm nur dadurch, daß sie natürlich nur ein Teil desselben ist, d. h. daß das Bewußtsein noch verschiedenen anderen Inhalt hat. (Vgl. auch "Über Wahrnehmung und Empfindung", Seiten 5, 6, 7, 10, 20, 31 in der Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. 98) Die Empfindung als Vorgang in Nerven und Hirn ist von dieser Verurteilung nicht betroffen. Dieser Vorgang existiert, aber er ist nicht das, was das gemeine Bewußtsein die Empfindung nennt. - Ob der Bewußtseinsinhalt als solcher subjektiv oder objektiv sei, ist eine Frage, die gar keinen Sinn hat. - Im Bewußtsein als sein Inhalt in nun selbstverständlich die ganze Welt, wie sie leibhaftig im Raum und in der Zeit vor uns steht, und das Wo der einzelnen Empfindung (als Empfindungsinhalt) ist in Wirklichkeit ganz dort, wo es nach früherer Theorie nur zu sein scheint oder wohin es erst projeziert wird. Wenn ich dennoch das Wort "Empfindung" brauchte, so geschah es in der Absicht, damit das einfachste Element des Gegebenen zu nennen, weil "Wahrnehmung" nach einem bekannten Sprachgebrauch mehr als ein Ganzes, z. B. einen Menschen oder eine Landschaft, einen Kampf zu seinem Inhalt zu haben scheint. Da meine logische Absicht darauf ging, die Vorstellung von Einzeldingen respektive Ereignissen in ihrer Entstehung begreifen zu lassen, so mußte ich solches nennen, was als letztes nicht mehr analysierbares Element derselben zu gelten hat. Das Wort "Empfindung" sollte das Gemeinte nur als einen Bestandteil der Erfahrung, des Gegebenen kennzeichnen. Ich glaubte vor dem Mißverständnis, mit diesem Wort nichts Objektives und räumlich Reales, sondern nur innerseelische Gebilde oder Vorgänge zu meinen, welches ich mit dürren Worten ausgeschlossen habe, sicher zu sein. Wenn ich die Gesichtsempfindung von einer roten Scheibe von der und der Größe in der und der Entfernung von mir habe, so heißt das bei mir nichts anderes, als daß ich mir dieses Dinges bewußt bin oder daß ich es in diesem Sinne habe, daß es mein Objekt ist und wenn ich es "im Bewußtsein" sein lasse, so will ich damit absolut nicht mehr gesagt haben, als eben dieses. Wie sollte ich es auch nennen? Sie sagen "Umgebungsbestandteil", aber dieser Begriff setzt alles dasjenige voraus, was ich erklären oder doch vorher feststellen wollte, nämlich die "Umgebung". Sie schließt handgreiflich die Relation auf das Umgebende in sich, auf etwas, welches von etwas anderen umgeben ist. Und wenn ich von meiner Umgebung spreche, so hat das nur Sinn, wenn ich dieses Umgebende als solches kennen gelernt, wahrgenommen habe. Deshalb hatte ich für die letzten Bestandteile des Umgebenden nur das Wort "Empfindung", nicht im Sinne eines subjektiven Vorgangs, sondern in dem des objektiven Empfindungsinhaltes. Seite 69 erkläre ich es für "die reinste Willkür, der Erscheinung die Leibhaftigkeit des Dinges abzsprechen und sie wie eine bloße Vorstellung, welche eben im Gegensatz zum Sinnlichen und Ausgedehnten das Unräumliche, Geistige ist, zu denken. Bewußtseinsinhalt ist der empfundene Inhalt absolut so, wie er sich zeigt, in vollster greifbarer, raumerfüllender Wirklichkeit, nicht verklärt oder verflüchtigt zu einem bloßen Schein, einer nur subjektiven Empfindung, - oder zu einer bloßen Vorstellung." Mich trifft es also nicht, wenn Sie, hochverehrter Herr Kollege, die Entwicklungsreihe der irrtümlichen Auffassungen darlegend, "der menschliche Weltbegriff", Seite 60, sagen: "der außenweltliche Gegenstand - der Gegenstand ehemaliger unmittelbarer Erfahrung - ist nur meine Vorstellung, ist als meine Vorstellung nur in meinem Bewußtsein, als mein Gedachtes nur in meinem Denken. Und dieses "nur" kann doch nicht ein anderes und mehreres bedeuten, als daß es für mein Denken oder Bewußtsein kein Sein außerhalb meines Denkens oder Bewußtseins gibt." Und mit trifft es ferner nicht, was Sie, ebenda Seite 106, als Weiterentwicklung des "Animismus" darstellen, "die Dinge, die ganze reale Außenwelt, der eigene Leib, das eigene Gehirn - alles ist nur meine Vorstellung, alles ist nur in meinem Bewußtsein und nur "das Bewußtsein" ist das "unmittelbar Gegebene". Denn wenn ich auch den Ausdruck "im Bewußtsein" brauche, so habe ich doch gegen die Gleichsetzung mit "nur Vorstellung" auf das Entschiedenste protestier und solche Bestimmungen hinzugefügt, welche den wahren Sinn meines "im Bewußtsein" und seinen Unterschied von der bloßen Vorstellung deutlich erkennen lassen. Wenn Sie, hochverehrter Herr Kollege, in der Anmerkung Seite 132 sagen: "Gemeint ist, wie ich wohl nicht erst zu erinnern brauche, unter "Bewußtsein" immer der, wie sich nun herausgestellt hat, metaphysische Begriff des Bewußtseins oder das Bewußtsein als "metaphysischer Begriff", nicht das Bewußtsein in der Bedeutung der formalen Abhebung, die ein empirischer Begriff usw. ist", so muß ich gestehen, daß ich überhaupt nicht einsehen kann, wie es eine Weiterentwicklung des Animismus sein soll, an Stelle der Seele das Bewußtsein zu nennen, es sei denn, daß man bei letzterem Wort eigentlich doch wieder eine geistige Substanz denkt, welche bekanntlich stets nach Analogie der körperlichen Dinge gedacht wird. Aber dann ist das eigentlich keine "Weiterentwicklung" des "Animismus", sondern der alte Seelenstandpunkt. Mein Begriff des Bewußtseins ist der empirische, welchen Sie, hochverehrter Herr Kollege, auch nicht entbehren können. (Auf die "formale Abhebung" kann ich mich hier nicht einlassen.) Und dieser empirische Begriff des Bewußtseins kann es nicht als absurd erscheinen lassen, wenn "reale Dinge" zeitweise seinen Inhalt ausmachen und wenn ein und dasselbe reale Ding Inhalt mehrerer Bewußtseine ist. Das ist nur dann absurd, wenn man das Bewußtsein in räumliche Grenzen eingeschlossen denkt, vielleicht von einer zarten Membran umgeben, welche es sowohl von allen anderen Bewußtseinen, als auch von den körperlichen Dinen abtrenne. Denn das ist ja die gemeine Voraussetzung, zum Begriff des Bewußtseins gehöre es, daß nichts Körperliches in ihm sein könne und zum Begriff des körperlichen Dings, daß es nicht im, sondern nur außer dem Bewußtsein sein könne. Und diese Voraussetzungen bekämpfe ich eben. das "in" fasse ich dabei selbstverständlich niemals im räumlichen Sinn, sondern immer in dem des Objektes. (Vgl. meinen Aufsatz "Über Wahrnehmung und Empfindung", Seite 35 in der Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik", Bd. 98) Erk.-Log. Seite 70 heißt es: "Diese ganze allerrealste Welt, Sonne, Mond und Sterne und diese Erde mit allem Gestein und Getier, feuerspeienden Bergen und dgl., das ist alles Bewußtseinsinhalt, nur sage man nicht nur Bewußtseinsinhalt, ehe man sich über den dieser Einschränkung zugrunde liegenden Begriff ausgewiesen hat." Daß trotz meiner gegenteiligen Versicherung nun doch die reale Welt zu einem Zustand des Ich gemacht worden sei, kann nur derjenige einwenden, der auf meine Begriffe, speziell den des Zustandes nicht eingehen will. ("Über Wahrnehmung und Empfindung, Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. 98, Seite 8) Der Begriff des Zustandes setzt den des Dings voraus und die Bedeutung des Dings ergibt die des Zustandes. Seite 71: "Was das ist, ein Zustand, in welchem das Ich sich findet,d as können wir nicht aus unserer Erfahrung am Bewußtseinsinhalt bestimmen, nach Analogie etwa eines Stückes Metall, welches im Zustand des Glühens sich befindet und dann in flüssigen Zustand gerät." Es ist also ein Mißverständnis, Seite 72: "wenn man den Satz, die Welt sei im Ich oder ein Zustand, in welchem das Ich sich findet, so auffaßt, als wäre das Ich wie ein Gefäß gedacht, innerhalb dessen Grenzen die Welt sei." Was ich meine, geht unzweideutig aus meiner Fassung des Gegensatzes hervor, ebenda: "Wer aber doch im Ernst die Unentbehrlichkeit und somit die Zugehörigkeit der Dinge in der Außenwelt zu seinem Ich als eine Absurdität belacht, der antworte doch auf die Frage, ob er ohne Sonne und Mond und alles, was er sinnlich empfindet, wirklich zu existieren zu können, noch denkbar zu sein meint." Wer die Frage bejaht, denkt sein "Ich" als eine metaphysiche Entität, zu deren Begriff und Wesen es nicht gehört, daß eine andere Macht, etwa Gott, sie mit anderen Dingen zusammen in denselben Raum und in Verbindung gesetzt hat. Diese Ansicht will ich eben bekämpft haben; mein Begriff des Bewußtseins schließt sie aus (Seite 73f). Die Unselbständigkeit des Ich kann nicht stärker zum Ausdruck gebracht werden, als mit den Worten (Seite 74): "Das Ich als Objekt existiert überhaupt erst oder hat seinen Begriff erst darin, daß es das Ich ist, als welches das Ich sich in seinen Zuständen oder in seinen Bewußtseinsinhalten findet oder wiedererkennt, ist also durch diesen Inhalt erst vermittelt, sonst gar nicht vorhanden." Der "Inhalt des Bewußtseins", wird (ebenda und sonst noch oft) mit "Objekt" gleichgesetzt und als das Objekt nicht innerseelische Zustände des Empfindens (die habe ich ja oben direkt geleugnet), sondern reale Dinge bezeichnet. Wenn ihr Objektsein oder, das ist dasselbe, ihr im Bewußtsein Sein auch als Zustand, in dem das Ich sich findet, bezeichnet wird, so mag man meinetwegen behaupten, daß ich das Wort Zustand unrichtig gebrauche, aber man kann und darf mir aus seiner Anwendung nicht diejenige Ansicht nachsagen, welche ich unausgesetzt auf das Eifrigste bekämpfe. Aber mein Gebrauch dieses Wortes ist auch durchaus nicht eigentlich unrichtig, sondern nur unvorsichtig; ich hätte vorhersehen sollen, daß er Mißverständnisse verschulden würde. Ich war aber in meiner so oft klargelegten naiv-realistischen Position so sicher, daß ich an solche Mißverständnisse nicht dachte. Die Zugehörigkeit der Objekte zum Ich oder die absolute Unselbständigkeit des Ich, seine Unmöglichkeit ohne reale räumliche Objekte wollte ich betonen. Und wenn nun eben in diesem Sinn das Ich mit seinen Objekten ein Ganzes ist und wenn die Objektie zum Teil in der Zeit wechseln, oft sehr schnell sich verändern, so ist in einem gewissen Sinn das Ich, welches sich jedesmal in der verschiedenen Umgebung mit den verschiedenen Bestandstücken, die jedesmal zu ihm gehören, als ein Ganzes findet, jedesmal ein anderes und doch dasselbe. In diesem Sinne habe ich den Bewußtseinsinhalt oder die Objekte des Bewußtseins einen Zustand genannt, in welchem das Ich sich findet. Wenn ich an anderen Stellen die Welt im Ich sein lasse, so habe ich doch für jeden, der den guten Willen hat, mich zu verstehen, ausreichend erklärt, was ich meine. Ich ist daselbst gleichbedeutend mit Bewußtsein gebraucht und da ich kein selbständiges, unabhängig von den Objekten für sich bestehendes Ich denken kann, da die Objekte also als essentialia [notwendiger Mindestinhalt - wp] seiner Existenz zu ihm gehören, so nenne ich auch das Ich oder das Bewußtsein mit der Welt seiner Objekte als seinem Inhalt zusammen, ohne welche es eben kein konkretes oder individuelles Ich wäre, das Ich oder auch "das ganze wirkliche bewußte Ich", und sage in diesem Sinne die Welt sei in ihm, unterscheide aber zugleich von ihm das Ich bloß als Subjekt, nenne dieses Abstraktum, "ein rein begriffliches Moment", also keine konkrete Existenz, welches selbstverständlich nicht gemeint sei, wenn ich die Welt in das Ich setze. Denn mit letzterem wäre eben das abstrakt begriffliche Moment des bloßen Subjekts zum Ganzen des individuellen Ich gemacht, welches sich in der Welt seiner Objekte findet (Seite 74). Und Seite 82 heißt es vom Ich-Subjekt: "Seine Existenz ist unbezweifelbar, aber es existiert doch nur im wirklichen ganzen bewußten Ich, gegenüber, d. h. also doch zusammen mit seinem Inhalt; für sich gedacht aber ist es eine Abstraktion. Und eben dieses Ich als Subjekt - wird ohne Bedenken als das ganze eigentliche Ich angesehen, wenn das Sein, welches Objekt des Wahrnehmens und Denkens ist, mit so siegesgewisser Zweifellosigkeit als außerhalb des Ich seiend behauptet wird. Freilich ist es außerhalb dieses Ich, eben weil sein Objekt, sein Bewußtseinsinhalt, aber dieses Ich ist ein nur abstrahendo denkbares begriffliches Moment des ganzen und wirklichen bewußten Ich. Wenn von jenem abstrakten Ich als Subjekt behauptet würde, das Objektive sei in ihm, so wäre das natürlich nur eine Vernichtung des Objektiven." Dieses Ich (-Subjekt) ist auch "nicht irgendwo im Raum als Punkt zu denken", aber wenn wir uns doch hier und da im Raum finden und unseren Ort verändern, so ist zu verstehen: (Seite 75) "das Ich findet sich als in seinem Bewußtseinsinhalt (im eben erklärten Sinn) zunächst im unmittelbaren Gefühl seines ausgedehnten Leibes - dieser ist Zentrum alles gegebenen Bewußtseinsinhaltes, um welches und an welches alles andere sich gruppiert und anschließt -, es findet sich in diesem seinem Leib in der ausgedehnten Welt (diese selbstverständlich real und objektiv wie der Leib, außerhalb des Leibes) mitten in Raum und Zeit" - und dann "ist die Aussage des Bewußtseins klar und begreiflich, daß es, als das Objekt nämlich, als welches es sich in seinem Inhalt findet, in dieser räumlichen Welt natürlich irgendeinen Ort einnehme, respektive ihn verändere und in diesem Sinne ist es natürlich in seinem Leib überall da, wo es sich fühlt und findet. In diesem Sinne gehört sein Leib zu ihm, als der Mittelpunkt und die conditio sine qua non [unabdingliche Voraussetzung - wp] alles Bewußtseinsinhaltes und somit natürlich alles Bewußtseins." Ist diese meine Lehre nicht vielmehr Realismus, als Idealismus? Und wenn Sie nun noch die ausdrückliche Versicherung hinzunehmen, (Seite 77) "daß ein großer Teil des Bewußtseinsinhaltes allen Ich gemeinsam ist", kann jemand meinen, daß ich doch eigentlich im subjektiv-idealistischen Sinn die Dinge zu innerseelischen Gebilden machte und die gemeinschaftliche Wahrnehmung mehrerer dahin deutete, daß in jedem von diesen mehreren Bewußtseinen ein qualitativ gleicher Inhalt auftrete? Es wäre gewaltsame Verdrehung! Ich war einst sehr stolz darauf, durch meinen empirischen Begriff des Bewußtseins (d. h. durch Ausschluß der Seelensubstanz) es ermöglicht zu haben, daß numerisch dasselbe eine reale Ding der Gegenstand der Wahrnehmung mehrerer sein kann. Es geschah wesentlich, worauf ich noch einmal aufmerksam machen muß, durch Ausschaltung des subjektiven Aktes des Empfindens und durch Aufhebung der Grenzen, welche die sogenannte Seele einerseits von den Dingen, andererseits von anderen Seelen trennen sollen ("Über Wahrnehmung und Empfindung", Seite 13 und 14 in Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. 98). Die Identitt des von mehreren wahrgenommenen Dinges finde ich nicht etwa im Ding ansich, welches den Empfindungen der mehreren zugrunde läge, denn dieses Ding ansich und dieses "zugrunde liegen" habe ich geleugnet, sondern ich meine, daß das Wahrgenommene in vielen Bewußtseinen dasselbe ist. Ebenda heißt es: "Natürlich versteht sich diese Gemeinsamkeit unter gewissen Bedingungen des Ortes und der Zeit und auch dann noch unter teilweisen selbstverständlichen Modifikationen, der z. B., daß zwei Beobachtern, welche verschiedene Standorte einnehmen, verschiedene Seite des Dinges zunächst sichtbar sind. Aber diese Bedingungen sind kein Einwand gegen die prinzipielle Behauptung, daß ein Teil des Bewußtseinsinhaltes den Ich - seiner und ihrer Natur nach - gemeinsam ist und sie somit in der realsten Weise verbindet. Diesem gemeinsamen Teil des Bewußtseinsinhaltes steht gegenüber ein anderer, der nicht unmittelbar gemeinsam ist etc." Und Seite 78:
Das von Ihnen mißbilligend urgierte [beschleunigte - wp] "nur" hat also nur diesen Sinn, keineswegs aber den, daß was Inhalt des Bewußtseins ist, eo ipso [selbstverständlich - wp] nicht zugleich, wenigstens nicht als eben dieses numerische Eine, Inhalt anderer Bewußtseine sein könnte. Wer mir diese Meinung unterschiebt, denkt jedes Bewußtsein mit seinem Inhalt wie durch eine zarte Membran von allen anderen Bewußtseinen abgeschlossen, denkt also "den Inhalt" räumlich. Ich betone fortwährend nichts eifriger, als dies, daß zwar mancher Bewußtseinsinhalt in diesem Sinne subjektiv ist, aber nicht aller, vielmehr ein Teil der Bewußtseinsinhalte der Iche nicht etwa bloß qualitative gleich, sondern, im strengen Sinn, ihnen gemeinsam, als numerisch ein und dasselbe, ihr gemeinsamer Inhalt ist und sein muß. Und daß "nur" das Bewußtsein existiere als das "unmittelbar Gegebene", ist ebenso harmlos und ungefährlich, wenn doch dabei vorausgesetzt wird, daß das Bewußtsein nur mit räumlich-zeitlichem Inhalt konkrete oder individuelle Existenz hat, ohne ihn gedacht ein bloß abstrakt begriffliches Moment ist, daß also der Inhalt (in meinem oben erörterten Sinne), ein Inhalt, der den individuellen Ichen gemeinsam ist, mit ihm zugleich gesetzt ist. Das Ich, welches den Inhalt hat und der Inhalt, welcher von ihm gehabt wird, sind Momente des einen Ganzen, welche sich gegenseitig fordern. Die Worte Inhalt und Objekt setzen das Subjekt voraus, nicht als zeitliches, wohl aber als begriffliches prius. Man müßte, um diese Ordnung nicht schon vorauszusetzen, die Welt der körperlichen Dinge nennen und, wie aus dem Begriff des Bewußtseins die Unentbehrlichkeit der realen Außenwelt als sein Inhalt sich als selbstverständlich darbot, so aus dem Begriff der Körperwelt die Zugehörigkeit des Bewußtseins, dessen Inhalt sie ist, hervorgehen sehen. Aber um diesen Begriff der Körperwelt handelt es sich eben. Bedarf er keiner Feststellung? keiner Klärung? Man kann nur entweder diese Frage bejahen oder die Feststellung und Klärung versuchen. Der Begriff des Ich (des empirischen) bedurfte keiner Feststellung und Erklärung und der der Körperwelt hat sie nie anders finden lassen und wird sie nie anders finden lassen, als durch Berufung auf die eigene Erfahrung, auf das, was man sieht und hört und tastet und dgl. Also ist die Prinzialfrage: welches ist der Begriff dieser Existenz! Ich wollte mich gern belehren lassen, wenn ich beim Versuch, den Inhalt dieses Begriffes festzustellen, geirrt habe. Ich bin mir meiner Fehlbarkeit auf das lebhafteste bewußt. Aber das kann ich nicht für geistreich und nicht für einen der Sache geleisteten Dienst halten, wenn die Philosophen der Gegenwart diese Grund- und Kardinalfrage, auf die ich so oft hingewiesen habe, einfach ignorieren. Ich bin nun einmal mit solcher Blindheit geschlagen, daß ich von dieser Frage nicht loskomme. Also nochmals: wenn die Existenz der Körperwelt, ich meine also nicht ihr angeblich zugrunde liegender metaphysischer Dinge, sondern die der wahrnehmbaren Körperwelt - auch unter völliger konsequenter Abstraktion von einem Subjekt, dessen Objekt sie ist, behauptet wir, worin besteht dieses Existieren? Und diese Frage muß allerdings über den naiven Realismus hinausführen. Oder richtiger, sie ist ein Zeichen, daß der naive Standpunkt schon durch die Reflexion untergraben ist, denn auf ihm ist jene Frage überhaupt nicht möglich (Seite 29f). Aber wenn auch die Naivität von der Reflexion verdrängt wird, so kann doch der Realismus bestehen bleiben. Die Naivität finde ich zuallererst in der Unfähigkeit zu scharfer und konsequenter Abstraktion und in der unüberwindlichen Neigung, abstrakte Elemente als selbständige konkrete Dinge zu behandeln. Demgemäß sind dem naiven Standpunkt auch die wichtigsten Zusammenhänge, wenn sie nicht ein konkretes Geschehen sind, verborgen. Beispiele sind u. a. die Vorstellungen vom Raum und dem Raumerfüllenden, Stoff und Form, Denken und Sein (Erk.-Log. Seite 15 - 19, 26f u. a.). Zur Naivität rechne ich die Verselbständigung und Verdinglichung desjenigen, was mir nur ein abstraktes Moment im real eines Ganzen zu sein scheint, d. i. einerseits des Bewußtseins, als wäre es für sich allein ohne die Welt der Objektie ein konkretes Einzelding und andererseits der Welt der Objekte, als wäre sie ganz ohne Subjekt, ohne alle Beziehung auf ein Subjekt eine völlig selbständige Existenz, in Folge welcher Verselbständigung und Verdinglichung der abstrakten Momente diese Dinge in nur äußerlichen und zufälligen Beziehungen zueinander stehen, welche in ihrer Unerklärlichkeit wiederum zu anderen mythologischen Verdinglichungen und Verselbständigungen geführt haben. Zur Naivität gehört sodann die Unklarheit der Begriffe des Dinges, der Tätigkeit, des tätigen Einwirkens und des Hervorbringens. Wenn ich in diesem Punkt den "naiven" Realismus verlasse, ist deshalb plötzlich subjektiver Idealismus aus ihm geworden? Die demselben gemachten Zugeständnisse sind nicht zurückgenommen. Es ist keine Aufhebung derselben, wenn ich, was gemeinhin Ursache und Wirkung genannt wird, für einen Spezialfall von Notwendigkeit erkläre und die Notwendigkeit nicht von irgendwoher zum Sein hinzukommen, sondern zu ihm gehören lasse, ihm selbst eigen, wenn ich sie zum Sein selbst rechne, und, was den Gegensatz zu ihr zu bilden pflegt, das bloß Mögliche und Zufällige als bestimmte Relationen innerhalb des Notwendigen darstelle und wenn ich schließlich das unwahrgenommene Sein in der absoluten "gesetzlichen Notwendigkeit" (siehe Erk.-Log.), welche eben das Sein ausmacht, ohne welche Bewußtseinsinhalt (oder mit anderen Worten eine Objektwelt) und somit auch Bewußtsein selbst eine Undenkbarkeit wäre, finde, daß immer, je nach Umständen, in jedem Bewußtsein das und das als sein Inhalt eintrete oder, um den minder anstößigen Ausdruck zu brauchen, jedem Bewußtsein das und das Objekt sei. Die gewisseste Realität des unwahrgenommenen Seienden besteht in der objektiven, stets vorhandenen gesetzlichen Möglichkeit, daß es Objekt werde. Wie es nun, ehe es Objekt wird, existiert, respektive doch schon dagewesen ist (widrigenfalls es ja, wie man meint, nicht Objekt werden könnte), ist eine Frage, welche wieder mit der Haupt- und Generalfrage nach dem Begriff dieses Existierens zusammenfällt. Gewiß deduziert mancher Philosoph, ich müßte wohl meinen (nämlich weil er selbst es sich nicht anders denken), daß im Subjekt eine Art psychischen Mechanismus wirke, durch welchen bald diese, bald jene Erscheinung hervorgezaubert werde. Diese Herren, welche mich so ad absurdum führen wollen, beweisen nur, daß sie von der allergrößten kindlichen Naivität noch nicht losgekommen sind, daß sie sich nichts anderes denken können, als Mechanisches und Abstraktes immer nur wieder wie Konkretes durch konkrete Akte des Vollbringens mechanisch wirkend. Dagegen kann ich nichts tun. Ich habe nicht die Absicht, an dieser Stelle die Kapitel über das Kausalitätsprinzip, über den Begriff objektiver Geltung und den Gattungsbegriff: "Bewußtsein überhaupt", abzuhandeln. Daß die letztgenannten Punkte neue weite Aussichten eröffnen und neue Fragen einführen, welche von der ursprünglichen Naivität weit entfernen, versteht sich von selbst, aber - worauf es mir hier allein ankommt - die Realität der Außenwelt und die Identität des von Mehreren zugleich wahrgenommenen Dinges ist und bleibt festgestellt. Und wenn ihm, so wie allen körperlichen Dingen, das Objektsein wesentlich ist, so ist das noch lange keine nachträgliche Aufhebung der vielleicht heuchlerisch versicherten Realität, weil dieses wesentliche Objektsein das reale Ding nicht an die Individualität des Wahrnehmenden als solche knüpft oder doch wenigstens nur in dem bekannten von allen zugestandenen Sinn, daß, was auch immer dem einzelnen begegnet, mag es ein hartes Schicksal oder eine gleichgültige Wahrnehmung sein, doch im Weltlauf begründet ist und insofern von dieser einen Seite her gewiss sich begeben mußte. Diese Meinung gestattet bekanntlich die zur Realität für erforderlich gehaltene Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Dinges vom wahrnehmenden Subjekt festzuhalten. Wenn meine Erkenntnistheorie die Außenwelt doch ihrem Wesen nach als zugehörig zum Subjekt hinstellt, so daß dieses und jene, für sich allein gedacht, nur abstrakt begriffliche Momente, nicht konkrete Existenzen sind, so knüpfe ich doch diese, ihnen allen gemeinsame Außenwelt nicht an dasjenige, wodurch die Individuen sich als Individuen unterscheiden, sondern an dasjenige, was ihnen allen als Subjekten gemeinsam ist, d. i das generische Moment des Bewußtseins überhaupt. Und dann ist die Meinung eines jeden, daß doch diese Außenwelt nicht von ihm abhängig sie und nicht als ein Stück von ihm zu ihm gehöre, völlig einleuchtend. Denn wer das so selbstverständlich findet, daß die entgegengesetzte Ansicht eigentlich schon von etwas Verrücktheit zeuge, denkt, was auch durchaus naturgemäß und berechtigt ist, sich als eine von den vielen Ich, denkt also dieses sein Ich durchaus nur als das individuelle. Und von diesem Individuellen, wodurch die Iche sich voneinander unterscheiden, ist allerdings die Außenwelt, wie sie allen gemeinsam ist, nicht abhängig. Wohl aber ist doch in jedem individuellen Ich das gattungsmäßige Moment des Bewußtseins überhaupt enthalten und - Bilder sind unentbehrlich - wirksam, weslhalb für die Reflexion, welche den naiven Standpunkt verlassen hat, im Ganzen, welches ein individuelles Ich mit seiner Objektwelt ist, wohl unterscheidbar ist, wenn auch nur abstrahendo, was darin auf Rechnung der Individualität und was auf die des gattungsmäßigen Momentes zu setzen ist. Dieses letztere schafft nicht etwa die Außenwelt, zaubert nicht, "setzt" auch nichts, vollbringt nichts - denn zu alledem müßte es ein konkretes Etwas sein, was es nicht ist, vielmehr bezeichnet das Angeknüpftsein der Außenwelt an es nur ein begriffliches Abhängigkeitsverhältnis. Es ist die Notwendigkeit, welche ich nicht anderswoher zum Sein hinzukommen sehe, sondern in ihm selbst finde, es selbst ausmachend. Sie läßt uns erkennen: so ist das Sein, von dieser Struktur ist es: Bewußtsein und eine Objektwelt, die eine und selbe für jedes Bewußtsein, schon bloß weil es Bewußtsein ist (d. h. also an das gattungsmäßige Moment geknüpft), aber in unzählig verschiedenen Ausschnitten und durch leibliche und geistige Eigentümlichkeiten des Auffassens modifiziert in jedem Augenblick Objekt eines individuellen Bewußtseins. Worin die individuellen Ich nach der Notwendigkeit, welche dieses Sein ausmacht, übereinstimmen, was ihnen gemeinsamer Inhalt ist oder sein muß, respektive sein müßte, das ist die von den Individuen unabhängige reale Außenwelt, wie wir sie teils wirklich wahrnehmen, teils als wahrnehmbar respektive wissenschaftlich erkennbar voraussetzen und worin sie sich unterscheiden, das ist zwar auch nichts absolut Zufälliges - dergleichen gibt es nicht -, also auch etwas nach gesetzlicher Notwendigkeit sich Ereignendes, aber es ist dies die Notwendigkeit, welche das individuelle psychische Leben ausmacht. Diese mit allen den unzähligen Möglichkeiten, welche sie für die einzelnen Fälle hier und jetzt gewährt, ist der Gegenstand der Psychologie. Die von mir selbst gelehrte Unselbständigkeit des Bewußtseins ist mir als Einwand entgegengehalten worden. "Den bloßen Einband" nannte es jemand verächtlich. Aber dieser Einband unterscheidet sich von jedem anderen Einband sehr deutlich durch die merkwürdige Eigentümlichkeit, daß er nicht vorher für sich allein angefertigt werden kann, sondern immer schon vom ersten Augenblick seines Daseins an mit einem Inhalt, der er als ein Ganzes zusammenhält, versehen ist, und daß er genau individuell derselbe, zugleich Inhalt vieler verschiedener Einbände sein kann. Ist das Sein gleich Bewußtsein, so scheint es in den Zuständen des Schlafes und der Ohnmacht von Zeiten des Nichtseins unterbrochen - natürlich Unsinn! Aber man bedenke doch: wenn der Schläfer oder der Ohnmächtige nicht wieder zum Bewußtsein erwacht, was ist das Leben, welches noch eine Zeit während des Schlafes oder der Ohnmacht konstatiert werden konnte, für ihn? Für ihne ist es absolut nichts, einfach nicht da und etwas ist es nur für den Beobachter, welcher es konstatierte oder für den es konstatierbar war, als Objekt. Eine Zeit des Seins ist es für den Schläfer und Ohnmächtigen erst, wenn er wieder erwacht und im wohlgeordneten Inhalt seines Bewußtseins die verstrichene Zeit konstatieren kann. Und dann reiht sich auch die bewußtlos verbrachte Zeit dem Inhalt seines Bewußtseins ein. Was in dieser Zeit geschehen ist, war alles möglicher Bewußtseinsinhalt und es genügt für seine allerwirklichste Existenz, daß es nach der Notwendigkeit, welche mit dem Sein überhaupt zusammenfällt, unter bestimmten Umständen sicher als Objekt der Wahrnehmung in einem Bewußtsein aufgetreten wäre. Und wenn wir diese zeitweisen Intermissionen des bewußten Lebens als ein Gesetz unserer Natur, d. h. des individuellen Bewußtseins, kennen und somit für alle Zukunft voraussehen und unser Wiedererwachen voraussetzen, so ist auch verständlich, in welchem mit meiner Theorie völlig verträglichen Sinn wir die Zeiten, die wir bewußtlos verbringen werden, im Voraus zu unserem Sein, der Zeit unseres Lebens rechnen. Endlich sei ein Einwand erwähnt, welcher die unwiderleglichste deductio ad absurdum [Beweis der Falschheit des Gegenteils - wp] zu sein scheint. Wenn der eigene Leib zu demjenigen gehört, dessen das Ich sich bewußt ist, als zum berüchtigten "Inhalt des Bewußtseins", wie kann er dann, wenn im Tode dieses Bewußtsein aufhört, übrig bleiben? Kann denn, was nach dem Begriff seiner Existenz Bewußtseinsinhalt ist, aus diesem Bewußtsein herausfallen und nach dem Aufhören desselben ganz munter für sich weiter existieren? - Kannibalischer Unsinn. Aber was dieser eigene Leib für den einstigen Besitzer war, d. h. wie er sich in ihm fühlte und in ihm lebte, ihn bewegend und von ihm bewegt, dieses existiert nach dem Aufhören dieses Bewußtseins in der Tat nicht mehr, ist vollständig verschwunden. Und was da als Leichnam übrig bleibt, ist (mit bestimmten naturgesetzlichen Veränderungen) eben das, was dieser Leib auch vorher schon als Sichtbare und Tastbares für andere war. Als solches ist dieser Leib nicht aus dem Bewußtsein seines früheren Besitzers herausgefallen und existiert nur außerhalb desselben, sondern als solches ist er stets (gesetzlich mögliches) Objekt für andere Bewußtseine gewesen. Und wenn er früher als Sichtbares und Tastbares auch für seinen eigenen Besitzer dasselbe Objekt war, so wissen wir doch schon, daß ein und dasselbe individuelle Ding mehrerer Bewußtseine Objekt sein kann, daß also kein Widerspruch darin liegt, wenn es des einen Objekt zu sein aufhört, aber noch anderer Objekt bleibt. Das größte Hindernis bildet gewiß meine Ausschaltung der sogenannten subjektiven psychischen Tätigkeiten oder meine bestimmte Erklärung des Sinnes dieses Wortes. Eben sie macht die Vereinzelung und Verselbständigung der Subjekte und Objekte und die unaufhörlichen Verdoppelungen der Dinge und Vorgänge unmöglich, welche dem gegenwärtigen Geschlecht der Philosophen noch anhaftet, wie die Erbsünde und eben sie erst macht die Innigkeit und Engheit des Zusammengehörens und "das eine Ganze", von welchem ich spreche, verständlich. Was wir im gemeinen Leben Tätigkeit nennen, ist auch etwas, dessen wir uns bewußt werden, ein Etwas, welches wir in unserem Bewußtsein vorfinden und es hat seinen Charakter als Tätigkeit im Gegensatz zum Ding nicht schon für sich allein, sondern immer nur im Gegensatz zu anderen Bewußtseinsinhalten. Tätigkeit ist ein Verhältnis zwischen Bewußtseinsinhalten. Das Objektsein hat verschiedene Sinne. Meine Erörterung derselben ist nicht so schwer; wer nicht darauf eingeht, der mag es nicht, aus irgendwelchen Gründen, welche mit Wissenschaft nichts zu tun haben. Eine Art des Objektseins ist undefinierbar und unbeschreiblich, das Objekt des Denkens oder des Bewußtseins, es ist "das ursprüngliche Objekt" und gehört zur Struktur des Seins, welches wir als "die Welt" kennen. Der Grund ist klar, weil nämlich dieses Denken ohne Sein als Objekt absolut nicht mehr denkbar, einfach nichts ist. Deshalb kann auch, wenn es sich um das ursprüngliche Objekt handelt, das Denken desselben nicht als ein konkretes subjektives Tun gedacht werden, welches erst durch seinen Erfolg das Sein träfe. Dieses Treffen setzt die ganze Sache, das Objektsverhältnis in seiner Ursprünglichkeit voraus; ohne Kenntnis desselben wäre dieses Bild unverständlich. Man kann nicht fragen, wie das Denken zum Sein kommt, weil es ohne Sein als Objekt überhaupt nicht existieren, nicht gedacht werden kann, weil dieses Denken nur aus dem einen Ganzen, dem bekannten Denken von Seiendem, als das eine Moment heraus abstrahiert worden ist. Also nicht erklärbar, sondern das Prinzip, aus welchem allein die Erklärung anderer wichtigster erklärungsbedürftiger Vorgänge hervorgeht, ist das ursprüngliche Objektsverhältnis, wie Denken und Bewußtsein überhaupt ein Etwas, welches eben deshalb "ist", zu seinem Objekt haben kann. Und von diesem Standpunkt aus, und wenn man begriffen hat, wie etwas, dessen man sich bewußt ist, im Sinne der Verbalprädikation (Erk. Log. 496f) als Tätigkeit figurieren kann, wird es auch einigermaßen verständlich erscheinen, wenn ich alles das, wodurch die psychischen Tätigkeiten sich unterscheiden, nicht in die Eigentümlichkeit des geheimnisvollen Tuns, sondern in die des Objekts, welches da unmittelbar bewußt wird, verlege. Tätigkeit ist das alles in demselben Sinne und bloß qua Tätigkeit nicht verschieden, das sinnliche Empfinden, das Fühlen, das Begehren, Vorstellen, Phantasieren, Denken im engeren Sinne; verschiedene Tätigkeiten sind das nur durch die Verschiedenheit der Objekte, welcher man sich bewußt wird, welche Verschiedenheit zuletzt, nicht mehr definierbar, nur durch Berufung auf die bekannten Beispiele verständlich gemacht werden kann, als sich eines etwas bewußt werden, welches wir eine rote Scheibe in der und der Entfernung vor uns oder zu unserer Seite nenne oder welches wir Schmerz oder Lust nennen oder welches wir Erinnerung an jenes Gesehene nennen oder welches wir Phantasieprodukt nennen, oder welches wir einen abstrakten Begriff nennen und dgl. Denken kann selbstverständlich auch eine Reihe von Gedanken bedeuten, kann auch die (freilich noch zu genauerer Untersuchung auffordernde) "Anspannung der Aufmerksamkeit" bedeuten, welche bestimmte Gedanken fixiert, aber das kann an meiner obigen Behauptung, daß diese subjektiven Tätigkeiten ohne Objekt nicht sind, respektive in allen Fällen dasselbe eine abstrakt begriffliche Moment des Bewußtseins, nichts ändern. Dem Psychologen mag bei den erwähnten fragen natürlich unendlich vieles einfallen, worüber nun noch Aufklärung zu geben wäre; ich kenne dieses viele, kann aber hier doch keine Psychologie einschieben. Diese Fragen, das ist den Begriff dieser subjektiven Tätigkeiten, zu berühren, war unerläßlich. Denn von ihm hängt meine ganze Erkenntnistheorie ab; ich hielt sie, als ich sie veröffentlichte, für ganz neu - (und noch heute weiß ich nicht, welchen Vorgänger ich etwa gehabt haben mag) -, so daß ich nicht geringe Furcht und Beklommenheit ob des Wagnisses fühlte. Aber was ich befürchtet hatte, daß nämlich diese ganz neue, aller Überlieferung widersprechende Lehre eben deshalb als frevelhafter Unsinn gebrandmarkt werden würde, traf nicht ein. Man war und ist in der von mir bekämpften Vorstellung so fest, daß man meine Lehre entweder nur als subjektiven Idealismus verstehen zu dürfen glaubte, oder völlig unverständlich fand. Zum Schluß sei mir nur noch die kurze Hindeutung darauf gestattet, daß dieser mein Begriff des Denkens auch für den der Wahrheit und Wirklichkeit von entscheidender Bedeutung ist. Er verträgt sich vortrefflich mit Ihrer "reinen Erfahrung". Was ich Denktätigkeit im engeren Sinne oder Kategorie, respektive kategoriale Funktion nenne, bitte ich unter den eben entwickelten Begriff der subjektiven Denktätigkeit zu stellen. Sie ist kein rüstiges Hantieren mit geistien Armen, wodurch die Daten erst ordentlich zurecht gerückt und zusammengeklopft oder auch je nach Bedarf auseinandergenommen würden, das ist das gerade Gegenteil meiner Ansicht, welches ich fortwährend bekämpfe; aber es wird mir dennoch zugetraut. Wenn ich ein Apriori kenne, so hat es, wie ich disertis verbis [ausdrücklich / bestimmt - wp] lehre, nur den Sinn, daß es Gedanken oder richtiger Gedankenelemente sind, welche aus den Empfindungsqualitäten nicht herausanalysiert werden können und insofern dem Bewußtsein als solchem zuzurechnen sind, d. h. am Gegebenen haften - (und ohne solches an Gegebenem Haften sind sie nichts) - nur weil und insofern dieses eben einem Bewußtsein gegeben ist, dessen Inhalt ist. Wir "finden" diese Gedankenelemente "vor" in unserer Gedankenwelt und kommen erst in der philosophischen Reflexion dazu, sie abstrahendo vom Gegebenen der Sinnesqualitäten zu unterscheiden und als Bedingungen zu erkennen, ohne welche Bewußtsein keinen Inhalt haben, als überhaupt nicht existieren könnte. Wenn ich sie auch als Werk des Bewußtseins bezeichne, so kann dieser, wie auch viel andere unentbehrliche bildlich Ausdrücke, doch nur das begriffliche Abhängigkeitsverhältnis meinen, gewiß nicht einen zeiterfüllenden Akt subjektiver Tätigkeit im oben zurückgewiesenen Sinn. Der Name Positivismus, wenn man das Wort nach seiner eigentlichen Bedeutung auffasst, würde für keine Lehre mehr passen, als für die meinige. Ich konnte ihn leider nicht in Anspruch nehmen, weil er schon vergeben war und meine Meinung bezeichnet, welche das Ich, auch in meinem oben dargelegten Sinn, als das abstrakt begriffliche Moment des einen Ganzen, nicht für etwas Positives hält. Und dieser Punkt, hochverehrtester Herr Kollege, mag auch wohl uns trennen. Er ist ja, wie oben gesagt wurde, auch der, welcher mich den Standpunkt des naiven Realismus zu verlassen zwang und er ist es auch, welcher - was Sie meines Wissens nicht bemerkt haben - überhaupt den Anlaß zur "Variierung des natürlichen Weltbegriffs" gegeben hat und immer geben wird. Sie erwähnen selbst, "der menschliche Weltbegriff", Seite 79, einen "Standpunkt, welchen ich für die Zeit meiner Untersuchung überhaupt nur "in Gedanken", d. h. gar nicht verlassen kann, also denjenigen, auf dem ich tatsächlich stehe." Diesen Standpunkt nennen Sie einen "unausweichlichen" und das von ihm aus "Vorgefundende" ist Ihnen "Ich und meine Umgebung". Sie wollen alsdann von allem absehen, "was die philosophischen Theorien aus "mir und meiner Umgebung" zu machen in steter Bereitschaft sind" und geben als Resultat der einfachsten Zerlegung des Vorgefundenen: "Ein Ich bezeichnete menschliches Individuum als (relativ) Konstantes innerhalb einer (relativ) wechselnden Vielheit von als "Mitmenschen", "Bäumen" usw. bezeichneten relativen Einheiten -" und Seite 80: "Alle Umgebungsbestandteile und Ich mit relativ wechselnden Werten des Angenehmen oder Unangenehmen u. a." Ist es nun verwerfliche Naseweisheit der philosophischen Theorie, welche durchaus mit der Zerlegung des Vorgefundenen sich nicht begnügen will oder zwingt vielleicht dieses "Vorgefundene" selbst zu der Frage: Ist in Ihren Worten "ein Ich bezeichnetes menschliches Individuum", das "Ich" bloß ein anderer Laut als der "menschliches Individuum" oder hat dieses Wort "Ich" einen Sinn und Inhalt? Welcher wäre es dann? Und wie verhält sich das "menschliche Individuum" zu diesem im Sinne des "Ich"? Sie erklären selbst, Seite 81 unten, daß "die Umgebung im weiteren Sinn meinen eigenen Körper mit enthält." Es ist keineswegs eine Folge der "Introjektion" [Hineinlegung - wp], sondern ein direktes Ergebnis der Zerlegung des Vorgefundenen, wenn sich die Frage einstellt: Sind nun dieses Ich und "mein Körper" (der ja zur "Umgebung im weiteren Sinn" gehört) im strengen Sinn absolut identisch? Oder, wenn nicht, wie verhalten sie sich zusammen? Die Beantwortungsversuche kennen Sie. Hier ist der unausweichliche Anlaß zur Variierung des natürlichen Weltbegriffs = naiven Realismus. Sie geben keine Antwort, sondern suchen bloß den Anlaß in der Formulierung zu umgehen. "Ich und meine Umgebung" sagten Sie oben, aber erklären es nun Seite 82, um zudringliche philosophische Theorien von der Ausbeutung des Possessivpronomen "meine" abzuhalten, für eine bloße Konzession an den Sprachgebrauch, wenn Sie den Ausdruck: "ein Umgebungsbestandteil ist mein Vorgefundenes", zuließen. "Nicht also das Ich-Bezeichnete findet den Baum vor", heißt es, "sondern das Ich-Bezeichnete und der Baum sind ganz gleichmäßig Inhalt eines und desselben Vorgefundenen ... In der Gegenüberstellung "Ich-Baum" ist das Ich-Bezeichnete bereits im selben Sinn ein Gegebenes, wie das als Baum Bezeichnete ... Und wenn auch im Ich und im Umgebungsbestandteil ein Verschiedenes erfahren wir, so unterscheiden sie sich doch weder durch den Gegensatz eines Unvermitteltseins und Vermitteltseins, noch auch durch den Gegensatz eines Subjekt- und Objektseins ... Genauso, wie in meiner Erfahrung, d. h. in der Erfahrung, der mein Ich zugehört, genauso also wie in meiner Erfahrung ich bin, ist auch der Baum in meiner Erfahrung." Ich wollte eben fragen, ob auch an diesen Stellen das Possessiv "meiner" nur Konzession an der Sprachgebrauch, also nicht eigentlich gemeint sei, erblickte aber zur rechten Zeit nocht die Worte: "wenn ich sage: ich erfahre den Baum, so soll das nur heißen: eine Erfahrung besteht aus dem einen reichhaltigeren Elementkomplex "Ich" und dem anderen weniger reichhaltigen Elementkomplex Baum." Doch, Verzeihung! Die berichtigende Erklärung, welche die letzten Worten geben sollen, ändert gar nicht an der Sache. Denn jetzt verkriecht sich dasjenige, was Sie ausschalten, respektive vermeiden wollen, nur in ein anderes Wort. Die Schwierigkeit, welche Sie umgehen wollen, versteckt sich in der Einheit, welche aus dem und dem "besteht". Sagen Sie, hochverehrtester Herr Kollege, was heißt das "bestehen"? Doch nur, daß Beides, sowohl das Ich, als auch der Baum, Bestandteile derselben einen Erfahrung sind! Und sagen Sie, ich bitte! wodurch werden diese zu einer Erfahrung geeint? Worin besteht diese Einheit? worin auch die des "Elementenkomplexes"? Wenn Sie in Gedanken die Voraussetzung machen, daß irgendwo ein Stein nicht weit von einem Baum steht, sind deshalb Stein und Baum eo ipso schon Bestandteile einer Erfahrung. Gewiß nicht. Das sind sie erst, wenn Sie oder meine Wenigkeit oder irgendjemand anderer den Stein in der Umgebung des Baumes oder den Baum in der Umgebung des Steines wahrgenommen, erfahren hat. Genauso ist es mit dem Ich und seiner Umgebung, als Bestandteile einer Erfahrung. Sind sie die Erfahrung eines anderen Ich, welches jenes Ich und seine Umgebung, wie den Stein und den Baum nebeneinander sieht? - aber dann wäre nicht ersichtlich, wie der eine Bestandteil als ein Ich wahrgenommen werden könnte. Das kann er doch erst, wie Sie wissen, wenn wir voraussetzen, daß er ebenso "erfährt" wie derjenige, der ihn und seine Umgebung als Bestandteile dieser seiner Erfahrung hat. Also sind wir doch auf das erfahrende Subjekt angewiesen. Also das Ich und seine Umgebung, z. B. ein Baum, sind Bestandteile einer Erfahrung, wenn dieses Ich sich selbst und den Baum als seinen Umgebungsbestandteil vorfindet. Wenn Sie darauf dringen, daß das Ich ein Vorgefundenes ist, so glaube ich das zu verstehen; soweit ich es verstehe, stimme ich vollständig bei. Es ist dieses Ich gewiß keine Hypothese, und es ist auch nichts, was wir selbst erzeugt zu haben uns rühmen könnten. Insofern ist es "vorgefundene" Erfahrungstatsache. So habe ich die Sache selbst mehrfach dargestellt (Erk. Log. Seite 81f). Ich gebe auch gern zu, daß, "so lange ich den Inhalt meiner Erfahrung nur nehme, wie er sich gibt", dieses vorgefundene Ich und der als sein Umgebungsbestandteil vorgefundene Baum sich noch gar nicht durch den Gegensatz des Unvermitteltseins und Vermitteltseins, des Subjekt- und Objektseins unterscheiden. Die stehen auf dem ersten naiven, d. h. reflexionslosen Standpunkt einfach nebeneinander. Aber daß das "vorgefundene Ich" ohne ein vorfindendes, welches sich mit jenem identisch weiß, existierte und den Inhalt eine "Erfahrung" ausmachte, gehört gewiß nicht zur Erfahrung, sondern ist Ihre philosophische Theorie. Eine Erfahrung ohne erfahrendes Subjekt ist nach Aussage auch schon der naivsten reflexionslosesten Erfahrung so unmöglich, wie ein Gedanke, den niemand denkt und ein Gefühl, welches niemand fühlt. Also ist das vorgefundene Ich und sein Umgebungsbestandteil, um Bestandteile einer Erfahrung zu sein, doch notwendig Erfahrung des sich in dieser Umgebung vorfindenden Ich. Und Sie selbst erkennen es an, wenn Sie Seite 83, Nr. 148, die "empiriokritische Prinzipialkoordination" - was hieße auch sonst "Koordination" und "Prinzipial"? - "in der Zusammengehörigkeit und Unzertrennlichkeit der Ich-Erfahrung und der Umgebungserfahrung, in dieser aller Erfahrung eigentümlichen Koordination, in welcher das "Ich"-Bezeichnete das eine (relativ) konstante Glied, ein Umgebungsbestandteil (z. B. Baum), das andere (relativ) wechselnde Glied bildet", finden. Das sind unbezweifelbare Dinge, aber sie wären es nicht, es wären willkürliche, ja sogar sinnlose Behauptungen, wenn wir nicht das sich selbst und seinen Umgebungsbestandteil (als Bestandteile dieser seiner Erfahrung) vorfindende Ich dabei dächten. Nur dieses gibt "die Zusammengehörigkeit und Unzertrennlichkeit"; ohne dieses sind diese "Bestandteile" so wenig zusammengehörig und unzertrennlich, wie zwei Steine, die zufällig nebeneinander liegen. Was Sie eliminieren wollten, haben Sie stillschweigen vorausgesetzt und von dieser Voraussetzung werden Sie so wenig, wie irgendein denkender Sterblicher loskommen. Die analytischen Formeln Ihrer Kritik der reinen Erfahrung werden von diesem meinem Bedenken gegen Ihr Schlußresultat nicht betroffen. Ich glaube sie in meine Sprache übersetzen zu können und halte sie für einen wertvollen Beitrag zur Psychologie. Wenn ich "die Prinzipialkoordination" um das sich und seine Umgebung vorfindende Ich bereichern darf, so bleibt meine Bestätigung des naiven Realismus, d. i. des natürlichen Weltbegriffes, inhaltlich ganz und gar bestehen, aber sie wird durch "die Zusammengehörigkeit und Unzertrennlichkeit" des Ich und seiner Umgebung, welche Sie zugestehen, und durch meine Auffassung und Geltendmachung des sich selbst vorfindenden Ich als des abstrakt begrifflichen Momentes in eine andere Region, in einen anderen Zusammenhang gerückt und, was das Wichtigste ist, der mythologischen Verstelbständigung und Verdinglichung der abstrakt begrifflichen Momente entzogen. Wenn dann durch die Bedeutung des Ich, welches sich in seiner Umgebung (im weiteren Sinn) vorfindet, der naive Realismus oder richtiger, nicht der Realismus, sondern nur die Naivität desselben verlassen wird, so wird daraus noch lange kein subjektiver Idealismus, sondern ein Standpunkt, welcher die Gegensätze der Oberfläche in der Tiefe vereint findet, aber am allerwenigsten durch Zusammensetzungen, wie Idealrealismus oder Realidealismus charakterisiert werden kann.
1) Die Anführung von bloßen Seitenzahlen ohne Titel beziehen sich immer auf die Erkenntnistheoretische Logik ) |